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Die Gattin des Gefallenen

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V

Während der langwierigen Campagne konnte man oft, bald da, bald dort, bald im magyarischen Lager, bald unter den österreichischen Heeren ein und dasselbe Weib sehen, das, beständig eine andere Gestalt annehmend, bald als Marketenderin, bald als Bäuerin, bald als junger Mann erschien und, wenn sie bemerkt wurde, auch schon verschwunden war . . . Wenn man Verdacht gegen sie schöpfte und sie verfolgte, zu welchem Ende ihre Personalbeschreibung circulirte, war sie es schon nicht mehr, die man suchte; eine andere Gestalt, ein anderes Gesicht, ein anderer Paß, gar keine Aehnlichkeit mehr mit der frühern Person.

Später pflegte es ihr zu passiren, daß man sie erwischte, bald bei den Kaiserlichen, bald bei den Revolutionären, und doch konnte sie sich trotz der unzweifelhaftesten Zeugenaussagen überall herausreden; – in derselben Stunde, in welcher sie eingezogen wurde, war sie auch schon wieder in Freiheit gesetzt.

Am Ende wurde sie von beiden Heeren für die eigene Späherin gehalten und so ging sie frei von einem Lager ins andere. Sie blieb an keinem Orte länger als eine Stunde, sprach nie mit mehr als Einem Menschen, Schriften fand man nie bei ihr. Man konnte es ihr nie beweisen, daß sie auch dem Feinde Dienste erweise.

Ihre Berichte waren immer pünktlich und erschöpfend für beide Theile.

Daß die Kaiserlichen von diesen Berichten doch so wenig Nutzen ziehen konnten, kam daher, daß fast jeder der revolutionären Feldherrn die Gewohnheit hatte, am Tage vor der Schlacht mit sämmtlichem Generalstabe über die Dispositionen zu derselben Rath zu halten. Die Bemerkungen eines jeden Redners wurden mit Aufmerksamkeit angehört. Der mühsam ausgearbeitete Schlachtplan wurde schön abgeschrieben, vorgelesen, gebilligt und Tags darauf kein Buchstabe, kein Gedanke von dem ausgeführt, was dort geschrieben stand. Was aber die Berichte über die numerische Stärke betrifft, so wurde von dem revolutionären Heere jede auf Zahlen basirende Wissenschaft zu Schanden gemacht, denn es gab da Bataillone, von denen eine Compagnie in der Schlacht mehr wog, als sonst ein ganzes Bataillon.

Hermine ging oft beim revolutionären Oberfeldherrn aus und ein, und der gab ihr nicht selten den ganzen Schlachtplan abgeschrieben, damit sie diesen dem Feinde übergebe; und da die Angaben der andern Späher mit den ihrigen übereinstimmend zwar, jedoch viel mangelhafter waren, wurde Hermine bald für den besten Späher gehalten.

Daß die Ausführung dem Plane nicht entsprach, das war natürlich ihre Schuld nicht.

An einem der nächsten Tage vor der zweiten Schlacht bei Szöny finden wir die Wittwe wieder im Quartiere des jungen Majors. Sie war eben gekommen.

Sie kommen gerade recht, Hermine, sagte der Major, die Dame vertraulich grüßend, der Kriegsrath hat Sie heute für Ihre Berichte besonders gelobt.

Große Ehre!

Es wartet Ihrer jetzt eine große Aufgabe, welche die Krone Ihrer bisherigen Leistungen werden könnte.

Die Dame schwieg, anstatt zu fragen.

Sie müssen für uns Komorn und die Szönyer Schanzen ausspähen.

Dazu hab’ ich kein Geschick. Das braucht einen wissenschaftlichen Mann, der in die Geheimnisse der Kriegsbaukunst eingeweiht ist. Was kann ich wissen, wozu diese oder jene Schanze soll? Und zeichnen kann ich vollends nicht. Mit solcher Sendung dürfen Sie nur einen Ingenieur betrauen.

Sie verzeihen, schöne Hermine, zu solcher Beschäftigung fühlt nicht Jeder Neigung; man muß hierzu vorzüglich berufen sein, eine eigenthümliche Tollkühnheit besitzen und für den Fall, daß man erwischt wird, auch ein wenig Geistesgegenwart.

Nur ein bischen Geschicklichkeit, sonst nichts; die Magyaren sind nicht argwöhnisch.

Das gebe ich zu, Hermine. Daß man leicht in Festung und Schanzen hineinkommen kann, ist wohl glaublich, aber damit ist nach nichts gewonnen. Dort jeden Ort durchwandern, aufzeichnen, – das ist die Aufgabe, und so etwas auszuführen, ohne daß es auffällt, – dazu bedarf es einer unerschöpflichen Erfindungskraft, welche außer Ihnen Niemand besitzt.

So soll Jemand mit mir kommen, der die Sache versteht. Wie in der Fabel der Lahme und der Blinde, würden wir Zwei zusammen doch einen Menschen ausmachen.

Parbleu, Madame, Sie haben heute große Lust zum Scherzen, – der Mensch, der mit Ihnen zusammen spioniren ginge, müßte ein fanatisches Vertrauen zu Ihnen haben.

Nun? Und fände sich kein solcher Mensch auf dieser Erde? fragte das Weib, mit verführerischer Schmeichelei sich an die Schulter des Offiziers lehnend . . .

Madame, Sie meinen mich? Mein Ehrenwort, das Geschäft ist nicht nach meinem Geschmacke. Ich stand schon achtmal im Kanonenfeuer, ich weiß, was es heißt, muthig sein, aber zu diesem Einen, ich gesteh’s, habe ich keinen Muth.

Das ist wahr, sprach das Weib höhnisch, dort genügt der Rausch auch, während man hier der Nüchternheit bedarf.

Ich bin sehr wählerisch unter den Arten des Todes. Als Soldat möchte ich gerne auf dem Schlachtfelde sterben, im Bette sterben ist langweilig, aber auf dem Richtplatze. Hermine, dort ist die Gestalt des Todes schrecklich.

Die Gestalt des Todes ist auch mir schrecklich, aber der Mensch hat doch deßhalb Vernunft, damit er sich hüte. – Das wissen Sie doch, daß mich die Magyaren für ihren Spion halten, und trotzdem geschah es oft, daß sie mich anhielten, aber sie fanden nie einen Buchstaben bei mir, der gegen mich hätte zeugen und mich auf den Richtplatz bringen können.

Wie war das möglich?

Sehen Sie diese goldene Uhr? Nicht wahr, Sie haben mich oft gefragt, wie viel Uhr es sei? aber Sie ließen es sich nie einfallen, daß dieses kleine goldene Geschmeide nicht nur die Stunde, sondern manchmal auch die Todesstunde zeigt, Sehen Sie her!

Und die Dame drückte an einer unsichtbaren Feder an der Seite der Uhr, diese öffnete sich, und aus ihrem hohlen Innern fiel ein Päckchen feiner, rundgeschnittener Papierstücke.

Hier trage ich die gefährlichen Notizen. Außer mir weiß Niemand diese Uhr zu öffnen, noch ahnt es irgend Jemand.

Der Offizier schien nachzudenken.

Das können Sie nicht befürchten, fuhr die Dame fort, daß uns unsere eigene Ungeschicklichkeit verrathe. Sie könnten nur Einen Grund zur Zurückhaltung haben: wenn Sie glauben, daß ich Sie verrathen würde. In diesem Falle rede ich nichts mehr von der Sache.

Gut, ich gehe mit Ihnen, sprach der Major, da sie seine schwächste Seite angegriffen hatte. – Sorgen Sie für Verkleidung.

Erst für das Losungswort. Die Verkleidung ist ein einfacher bürgerlicher Anzug, der fällt am wenigsten auf.

Ein halbe Stunde später befand sich die Wittwe mit jenem Manne, der ihren Gatten getödtet, auf dem Wege ins ungarische Lager.

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