Tattoos & Tequila

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Wie Sie das Buch nach dem Kauf lesen
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Ein paar Tage später kam dann in den Nachrichten im Fernsehen oder in der Zeitung, dass ein paar Kids aus der Nachbarschaft an der örtlichen Highschool einen Lehrer aus einem Fenster im dritten Stock gestürzt hatten. Das war für meine Eltern der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Sie wollten nicht, dass wir in so einer Gegend auf die Junior High kamen, verstehst du? Wenn es da so wild zugeht, dass die Lehrer zusammengeschlagen und aus dem Fenster geworfen werden, wer will denn dann sein Kind dorthin schicken? Also sagten meine Eltern: „Das reicht, wir ziehen um.“ Sie boten das Haus zum Verkauf an, aber wir beendeten das Schuljahr noch in unseren alten Klassen. Im Sommer schickten meine Eltern meine Schwester und mich nach West Covina zu unserer Tante.


Als ich in die siebte Klasse kam, war ich noch immer unter der Adresse meiner Tante gemeldet, da meine Eltern weiter nach einem neuen Haus suchten. Es war ein ganzes Stück nordöstlich von unserem alten Viertel, östlich von Pasadena, zwischen dem Freeway 210 und den San Gabriel Mountains. Mitten im Schuljahr zogen meine Eltern dann nach Glendora, und ich kam in die dortige Schule, die Sunflower Junior High. Gleichzeitig bekam meine Mutter einen besseren Job in einer Firma, die Zahnspangen herstellte. Die Immobilienpreise waren in Glendora vermutlich höher. Damals hatte ich von diesen Dingen keine Ahnung. Welches Kind hat das schon?

Ich muss zugeben, ich war in der Schule ziemlich schlecht, abgesehen von den Stunden bei Mrs. Anderson. Wie man sich vorstellen kann, war der Unterricht an der Sunflower, die ja in einem besseren Viertel lag, wesentlich anspruchsvoller als an der Broadacres. Mir fiel es schwer, einen einfachen Satz zu schreiben. Wie sich dann später herausstellte, hatte ich Legasthenie, wenn auch nicht so richtig schlimm – ich kann ganz gut lesen, obwohl ich das auch vermeide. Es geht halt nur langsam. Schreiben fällt mir enorm schwer. Wenn ich versuche, etwas aufzuschreiben, dann dauert das ewig. Ich verwechsle Zahlen, und es ist einfach unheimlich schwierig. Wenn mir jemand sagt, ich soll mal einen Brief schreiben, ist das für mich eine Riesenaufgabe. Ich brauche unheimlich lange dazu. Dann purzeln bei mir dauernd die Buchstaben in Druck- oder Schreibschrift durcheinander – ich benutze beides, was die Sache nicht besser macht. Aber statt Förderunterricht zu nehmen oder mich irgendwie dem Problem zu stellen, tat ich alles, um diese unangenehme Arbeit zu vermeiden … manche Leute werden vielleicht sagen, dass das auch heute noch typisch für mich ist. Ich ging einfach nicht mehr hin. Welches Kind mag schon zugeben, dass es eine Lernbehinderung hat? Die Schule hat auch nicht viel unternommen. Ich wurde einfach immer wieder in die nächste Klasse versetzt.

Ein echtes Highlight in der neuen Umgebung war die Footballmannschaft. Wir spielten Flag Football, eine Abart des American Football. Das machte mir Riesenspaß, obwohl ich im Baseball eigentlich immer besser war; ich spielte in der Verteidigung, ich glaube, als Cornerback. Der Umzug und die neue Schule bedeuteten natürlich lauter neue Leute. Damals hatte ich ein paar Freunde, aber nicht sehr viele. Ich machte halt bei allem mit, verstehst du? Aber eigentlich kannte ich niemanden so richtig.

Wir waren damals alle total fasziniert von den Beatles. Sogar im Musikunterricht wurde darüber diskutiert, ob Paul tot war, wir suchten alle möglichen Hinweise heraus und hörten die Platten rückwärts, um die geheimen Botschaften zu entschlüsseln, die gerüchteweise darauf zu entdecken waren. Das war ziemlich faszinierend. Daran kann ich mich bis heute erinnern. Schon damals orientierte ich mich in Richtung Musik. Und ich zählte zu den ersten in meiner Klasse, die sich die Haare wachsen ließen. Ich fand den Look einfach toll. Damals trugen alle Jeans und Muschelketten und so was. Ich glaube nicht, dass ich bewusst irgendeinem Trend folgen wollte. Es war einfach nur so, dass alle so etwas anhatten. So was kaufte deine Mutter dir einfach.

Auf dem Weg zur Schule, in der siebten Klasse, fand ich eines Tages ein Porno-Taschenbuch, ein Sexhandbuch mit Fotos. Die abgebildeten Leute, Fotomodelle oder was weiß ich, sahen ziemlich normal aus. Sie waren alle nackt, und sie nahmen diese ganzen verschiedenen Stellungen ein – es sah aber eher so aus, als würden sie das zu rein demonstrativen Zwecken tun, sie guckten ziemlich finster dabei. Als sei das eben ein Job, und nicht, als ob sie Spaß dabei hätten. Es war ziemlich komisch. Natürlich wollte jeder in der Schule das Buch mal angucken, alle meine Freunde und die Jungen in meiner Klasse. Aber ich beschloss, es nicht aus der Hand zu geben. Stattdessen versteckte ich meinen kleinen Schatz unter einem Haufen Gerümpel im Schuppen unserer Nachbarn. Jeden Tag riss ich zehn Fotos heraus und verkaufte sie an der Schule für einen Vierteldollar. Nachdem ich so um die 70 Bildchen an den Mann gebracht hatte, sprach sich das herum. Ein paar Idioten hatten sich die Seiten, die sie von mir gekauft hatten, an die Türen ihrer Spinde in der Umkleidekabine geklebt. Der Sportlehrer flippte natürlich aus, und die Jungs knickten sofort ein und verpetzten mich. Es dauerte keine Stunde, und ich war von der Schule suspendiert. Auf dem Heimweg dachte ich mir einen Plan aus. Ich wollte mir den Rest des Buches holen und ein letztes Geschäft machen – die letzten Seiten wollte ich komplett für fünf Dollar verkaufen und dann aus dem Porno-Geschäft aussteigen. Ich hatte mir auch schon überlegt, wem ich die Bilder anbieten wollte. Aber als ich zum Schuppen kam … war das Buch verschwunden. Eines der großen Geheimnisse meiner Kindheit. Meine Tage als Pornograf waren vorbei – zumindest bis heute.

Valerie Wharton Saucer

Vince Neils Schwester

Der Mädchenname meiner Großmutter lautete Ortiz, aber wir sind nicht mexikanischer Abstammung. Unsere Vorfahren waren Spanier. Meine Oma sprach Spanisch, allerdings nur mit ihrer Schwester. Vince sagte irgendwann einmal in einem Interview, dass er mexikanisches Blut habe, und meine Oma war richtig beleidigt: „Was erzählt Vince da? Ich bin keine Mexikanerin. Ich bin Spanierin!“ Ich glaube, Vince war der Unterschied nicht wirklich klar. Die Familie war vor langer Zeit aus Spanien eingewandert und schließlich in New Mexico gelandet. Wir stammten aber nicht aus Mexiko.

Vince und ich kamen im Abstand von 16 Monaten zur Welt; die meisten Leute hielten mich für die Ältere. Was Unsinn ist, ich bin jünger als er. Meine Mutter hat früher auch immer erzählt, es wären 18 Monate, aber irgendwann fing ich an, mal nachzurechnen, und habe dann zu ihr gesagt: „Mom, weißt du, wir sind 16 Monate auseinander, keine 18.“ Und sie war ganz verblüfft: „Ehrlich?“ Bei uns nennt man Geschwister mit so engem Abstand irische Zwillinge. Aber deshalb sind wir natürlich auch keine Iren.

Als wir noch klein waren, gab es in unserem Viertel noch keine Probleme, es war eine nette Gegend. Wir spielten draußen, fuhren Fahrrad oder spielten Hüpfkästchen, ganz normale Sachen halt. Später wurde es immer gefährlicher. Einmal wurde unser Haus beschossen. Wir duckten uns damals im Wohnzimmer auf den Boden. Ob eine Kugel wirklich ins Haus einschlug, weiß ich nicht mehr. Aber an die Geräusche erinnere ich mich. Meine Mutter war zu Hause, Dad war auf der Arbeit. Mom rief uns zu, wir sollten uns flach hinlegen, und wir warfen uns im Wohnzimmer auf den Boden. Als mein Vater später nach Hause kam und von der Sache hörte, sagte er: „Wir müssen hier raus.“ Das Problem war vor allem, dass in dem Mietshaus auf der anderen Straßenseite eine Gang ihr Hauptquartier hatte. Sie machte uns ständig das Leben schwer. Meine Mutter traute sich kaum nach draußen. Sie war blond, sie hatte richtig hellblondes Haar. Diese Typen riefen ihr ständig irgendwas hinterher, pfiffen ihr nach und taten so, als wollten sie sie anmachen. Sie hatte Angst.

Meine Mutter arbeitete nachts. Wenn wir aus der Schule nach Hause kamen, fuhr sie los. Wir waren unter der Woche jeden Tag ein oder zwei Stunden allein. Meist stritten wir uns darüber, was wir im Fernsehen sehen wollten, solche Sachen eben. Nach draußen durften wir nicht. Wir mussten drinnen bleiben, bis mein Vater nach Hause kam. Also waren wir darauf angewiesen, dass wir miteinander spielten, und ich denke, wir waren uns schon recht nahe. Natürlich hatten wir Streit, aber ich glaube, das ist zwischen Bruder und Schwester immer so. Vor allem, wenn man fast im gleichen Alter ist – er versuchte immer, mich herumzukommandieren. Vince braucht immer Leute um sich herum, das ist bis heute so geblieben. Er ist nicht gern allein zu Hause. Keine Ahnung, woran das liegt. Vielleicht ist er einfach nur ein bisschen unsicher. Er braucht immer jemanden in seiner Nähe.

Vince hat ein großes Herz. Als ich in der sechsten Klasse war und er in der siebten, wollte ich unbedingt zu dem Tanzball, den meine Klasse an der Sunflower Junior High veranstaltete. Meine Freundinnen sollten mich zu Hause abholen, und dann wollten wir zusammen hingehen. Sie ließen sich aber nicht sehen, und ich weinte richtig, weil ich unbedingt auf diesen Ball wollte. Schließlich sagte Vince: „Val, komm schon, ich bringe dich hin.“ Er hat mich begleitet und dort so lange gewartet, bis meine Freundinnen aufkreuzten. Er wusste, wie viel mir diese Veranstaltung bedeutete, und es tat ihm weh, dass ich so traurig war.

Er traf sich später öfter mit ein paar Kumpels an einer Rollschuhbahn, wo sie laut Musik hörten und dazu die Sänger nachmachten. Ich kam oft dazu, meist fuhr ich heimlich mit dem Auto meiner Eltern dorthin. Einmal kam Vince nach Hause und fragte: „Sag mal, Val, warst du mit dem Auto unterwegs?“ Und ich antwortete: „Ja, aber sag’s bitte nicht Mom und Dad!“ Er grinste mich an und meinte: „Geh rein, Val.“ Ich glaube, seit dieser Zeit hielt mich Vince für cool. Vorher war ich halt die kleine Schwester, die nie etwas Unrechtes tat. Aber nun merkte er wohl, hey, Val ist gar nicht so verkehrt. Und bestimmt fand er es gut, dass er etwas gegen mich in der Hand hatte.

 

Als es mit Rockandi losging, war Vince noch nicht der coole Rocker. Sie waren eine ganz normale Garagenband und haben tatsächlich bei uns in der Garage geprobt. Mein Dad hat Vince ein Mikrofon gekauft. Am Anfang haben die Leute eigentlich immer gesagt, der Typ nervt, seine Stimme ist nicht gut und so. Aber ich denke, dass die meisten Sänger so was am Anfang zu hören bekommen, und es gibt wohl niemanden, der wirklich allen gefällt. Ich fand ihn jedenfalls cool. Na ja, ein paar Songs waren schon eher peinlich. Zum ersten Mal hörte ich ihn auf einer dieser großen Party bei uns zu Hause singen. Und da fand ich ihn total schlecht und dachte: Mann, der kann echt nicht gut singen. Aber ich merkte auch: Hey, er hat seinen Spaß, genau wie wir alle. Das war wirklich so, Rockandi sorgten für eine Superstimmung, deswegen war es dann für mich okay. Aber mein erster Eindruck war tatsächlich: Scheiße, er singt nicht gut. Wahrscheinlich war ich besonders pingelig, weil er mein Bruder war. Von wegen: Was macht er denn jetzt, was soll das denn? Damals konnte ich mir wirklich nicht vorstellen, dass das irgendwohin führen, geschweige denn, dass er berühmt werden würde. Ganz bestimmt nicht. Nicht eine Sekunde.

Seine Schwester zu sein, das ist … Nach und nach lernt man, dass man den Leuten besser nicht erzählt, wer man ist. Ich tue es jedenfalls nicht. Okay, in der Signatur meiner Geschäfts-E-Mail für mein Immobilienunternehmen steht „Häuser für Sie und Ihre Crüe“, aber ich weise nie direkt darauf hin und erkläre diese Zeile nur, wenn jemand fragt. Weil man nie weiß, ob die Leute einen wirklich mögen oder nur deshalb, weil man Vince Neils Schwester ist. Das habe ich ziemlich schnell erfahren müssen. Und jetzt halte ich den Mund. Ich sage niemandem was, schon seit Jahren nicht mehr.

Vince hat mir einmal diesen tollen Ring geschenkt, mit einem Rubin drin. Total cool. Okay, er war nicht unbedingt mein Stil, aber er war trotzdem total schön. Und er hat mir auch mal eine tolle Sonnenbrille mitgebracht. Ein paar Mal, als ich Geld brauchte, bin ich auch zu ihm gegangen. Es ging nicht um große Summen, aber ich stand wirklich mit dem Rücken zur Wand, und er hat mir ausgeholfen. Ich bin nicht der Typ, der andere um etwas bittet. Ich brauche auch nichts – uns geht es hier in Utah sehr gut, und meine Eltern leben in der Nähe und kümmern sich auch mal um die Kinder. Ich bitte um nichts. Ich brauche nichts. Die Leute sagen manchmal: „Mann, ist doch Wahnsinn, wieso fragst du ihn nicht, ob er dir ein neues Auto kauft? Oder ein Haus?“ Weil ich doch schließlich Maklerin bin. Aber das mache ich nicht. Wenn Vince mir etwas schenken will, dann ist das schön, aber ich bitte nicht darum. Er hat meinen Eltern ein Auto geschenkt, das war cool. Er ist ein guter Mensch. Ein wirklich guter Mensch.

Eine Geschichte muss ich noch erzählen – die Sache mit dem zweiten Namen meiner Tochter, die am 19. Juni 1997 zur Welt kam. Als ich von der Schwangerschaft erfuhr, beschloss ich, dass sie Samantha heißen sollte, und mit zweitem Namen Skye, nach Skylar. Aber dafür wollte ich erst die Erlaubnis von Vince einholen. Eines Tages war ich mit meinem Mann Guy und meinen Eltern dann einmal bei ihm zu Besuch, und ich habe ihn gefragt, ob er etwas dagegen hätte. Vince sah mich mit Tränen in den Augen an und meinte: „Natürlich geht das, Val. Du kannst sie auch gern Skylar nennen, wenn du willst.“ Aber da sagte ich: „Nein, das würde ich dir nicht antun wollen. Ich möchte nur, dass sie mit zweitem Namen Skye heißt.“

Und Vince erwiderte: „Ich würde mich geehrt fühlen.“ Das war ein schönes Gefühl.


Als ich 15 war, bekam ich von meinem Dad einen Chevy-Pickup, Baujahr 53. Ich motzte ihn ganz allein wieder auf, das war eine echte Herausforderung. Mit 15 hatte ich ja noch keinen Führerschein, aber schon ein Auto. Irgendwie blöd. Schon gemein, einem aufmüpfigen 15-Jährigen eine solche Versuchung vor die Nase zu halten! Wahrscheinlich hatte es sich irgendwie ergeben – mein Dad war ja KFZ-Mechaniker, hatte diesen Wagen vermutlich zufällig entdeckt und wusste, dass er ein so ein großartiges Schnäppchen war, dass er nicht Nein sagen konnte. Ich werde ihn ewig dafür lieben, dass er mir diesen Truck gekauft hat. Klar, es steckte viel Arbeit drin, aber der Motor war spitze.

Meinen Eltern hatte ich versprechen müssen, dass ich nicht damit fahren würde. Aber die beiden arbeiteten tagsüber, und oft genug fuhr ich dann mit dem Ding einfach zur Schule. Schon bevor ich ein eigenes Auto bekam, hatte ich mir dafür manchmal den 68er Buick Riviera meiner Mutter ausgeliehen – ein toller, klassischer Wagen. In den Klassenstufen der Junior High fuhr natürlich sonst keiner der Schüler mit dem Auto vor – der Parkplatz war nur für Lehrer.

Diesen Truck habe ich echt geliebt. Ich habe jahrelang an ihm rumgeschraubt und alles Mögliche verbessert. Er hatte noch richtige Trittbretter, aber eigentlich keine Farbe, er war nur grundiert, allerdings nicht grau, sondern braun. Später brachte ich an beiden Seiten verchromte Auspuffrohre an, die unter den Trittbrettern verliefen. Für das Rückfenster nähte mir meine Mutter Hawaii-Vorhänge, und auch die Sitze wurden wieder schön aufgemöbelt. Die Türfüllungen verkleidete ich mit Polstern, deren Heftung durch die Knöpfe so ähnlich aussah wie bei einem Sofa im Feelgoods. Dafür besorgte ich mir Schaumstoff, Leder und Knöpfe. Dann schraubte ich die alte Füllung raus, nahm sie hoch, überzog sie neu und klemmte sie wieder rein. Die Heckklappe zierte ein orangefarbener Sonnenuntergang, den ich extra dort aufgeklebt hatte, damit ihn jeder sah, der hinter mir herfuhr. Die Halterungen für meine Surfbretter waren auf dem hinteren Teil der Ladefläche angebracht. Der Wagen hatte große, schimmernde Räder, er sah wirklich total cool aus, außerdem hatte er ein Sechsganggetriebe mit Lenkradschaltung. Die habe ich irgendwann ausgebaut und durch eine im Boden verankerte Gangschaltung ersetzt. Das habe ich alles selbst gemacht, die Auspuffrohre befestigt und die Gangschaltung mit dem Getriebe verbunden und so. Mit 15, 16 Jahren. Klar habe ich immer mal wieder meinen Vater um Rat gefragt, aber das meiste habe ich allein fertig bekommen. Mechanische Arbeiten fielen mir schon immer leicht, und ich konnte mich gut in Sachen reindenken. Wenn irgendwas nicht funktioniert, egal was, kann ich es meistens reparieren. Meine Frau findet das zu Hause ziemlich praktisch.

Die Charter Oak High School war nicht mehr als anderthalb Straßen von der Sunflower Junior High entfernt. Direkt auf der anderen Straßenseite war ein riesengroßer Park, der Charter Oak Park. Dort gab es zwischen den Bäumen ein paar Baseballfelder. Es war kein Wald, eher ein normaler Stadtpark mit Bäumen, Gras, freien Flächen und Bänken. Hier hing man rum, wenn man auf die Highschool ging.

Es gab verschiedene Cliquen. Zum Beispiel die Kiffertypen und einen ganzen Surfer-Clan. Dann natürlich die Sportskanonen, die Schickimickis und die Cheerleader, diese Typen aus besseren Kreisen, die In-Crowd. Jede dieser Gruppen hatte ihr Revier im Park. Auf der anderen Seite des Geländes war eine Schule für die Kids, die mit den Anforderungen der normalen Highschools nicht zurecht kamen. (Dort ging ich später auch hin, ebenso wie Tami, die Mutter meines ersten Kindes, von der ich noch erzählen werde.) Diese Kinder waren natürlich auch im Park, und die waren schon eine wilde Bande. Die meisten von ihnen gingen nicht unbedingt gerade Wege, aber das war manchmal gar nicht ihre eigene Schuld; sie waren durch die Umstände so geworden. Mir ist klar, dass es viele Leute gibt, die eine viel schlechtere Kindheit hatten als ich. Wenn ich mich einer dieser Gruppen zugehörig zählen müsste, dann wohl am ehesten den Kiffern. Aber hauptsächlich war ich auch deswegen in dem Park unterwegs, weil er gewissermaßen meinen Schulweg darstellte; unser Haus lag auf der anderen Seite.

Als ich zum ersten Mal Marihuana rauchte, war ich mit einem Mädchen zusammen, meiner ersten Freundin. Sie hieß Penny Panknin. Wir waren bei ihr zu Hause, rauchten einen Joint oder auch ein paar mehr und kasperten ein bisschen herum. Da war ich zum ersten Mal high.

Das zweite Mal mischte ich Pot mit PCP, einem Beruhigungsmittel für Pferde, das man auf der Straße auch Angel Dust nennt. Ich war mit vier Freunden ins Autokino gefahren, und wir guckten Trans-Amerika-Express, einen ziemlich albernen Film mit Richard Pryor und Gene Wilder. Mein Freund John Marshall reichte mir die Pfeife, und ich wusste damals noch nicht, wie stark man daran ziehen musste. Allerdings wollte ich mich auf keinen Fall als Weichei zu erkennen geben und fragen. Also habe ich richtig einen durchgezogen und war nachher so fertig, dass ich mich kaum noch bewegen oder etwas sagen konnte. Das war echt ein so heftiger Rausch – ich wünschte mir nichts sehnlicher, als dass er aufhörte. Wir sind dann noch alle in Panik geraten, als einer von den Ordnern ans Fenster klopfte. Als John die Scheibe runterkurbelte, quoll der ganze Rauch nach draußen und ich dachte, scheiße, wir kommen garantiert alle in den Knast.

Aber der Typ sagte nur ganz cool, John solle doch bitte den Fuß von der Bremse nehmen, weil die Bremslichter die Leute irritierten, die hinter uns parkten.

Danach stieg ich aus und stolperte zur Snackbar, die sich im hinteren Bereich des Autokinos befand. Zwar stand ich total neben mir, aber ich hatte auch einen Wahnsinnshunger. Die Frau, die mich bediente, vermutete wahrscheinlich, einen totalen Idioten vor sich zu haben, weil ich kaum einen Satz herausbekam. Schließlich zeigte ich einfach auf das, was ich wollte, und holte eine große Tüte Popcorn und ein paar Becher Limo, aber das meiste verschüttete ich auf dem endlosen Weg zurück zum Auto. Es war, als ob ich auf wackelnden, primitiven Planken über eine Schlucht ging. Dass ich das Auto überhaupt wiederfand, war ein Wunder. Am nächsten Tag rauchte ich noch mehr, hauptsächlich deswegen, weil das Zeug eben da war.

Später entdeckte ich eine bestimmte Sorte weißer Pillen mit einem Kreuz, bei der es sich um pharmazeutisch entwickelten Speed handelte. Die Dinger wurden in kleinen Päckchen aus Folie gehandelt und damals wahrscheinlich hauptsächlich an Trucker verkauft. Wenn ich sie mit Angel Dust und Pot mischte, verwandelte ich mich in einen sabbernden Irren mit Schaum vor dem Mund, der völlig ausrastete.

Ich war 15, ich war ein Frischling an der Highschool. Wir knallten uns jeden Tag mit irgendwas die Birne zu, wenn wir uns nach der Schule im Park trafen. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass es schwer gewesen wäre, Drogen aufzutreiben. Jeder nahm irgendwas, verstehst du, das Zeug war einfach da. Das war ja auch die Zeit damals, Mitte der Siebziger. Wenn jemand was dabei hatte, dann hat er das mit den anderen geteilt. Wir haben alles probiert. Viel dafür bezahlt haben wir auch nicht. Vielleicht mal hier oder da fünf Dollar. Joints gab’s für einen Dollar oder so. Wir gaben das Geld, das wir fürs Mittagessen mitbekamen, für Drogen aus. Und dann gingen wir in fremden Sphären schwebend in den Englischunterricht. Die Lehrerin fragte mich irgendwas, und ich starrte sie einfach nur an. Hallo? Als ich mal vor der Schule Angel Dust genommen hatte, wanderte ich nur ziellos durch die Flure, hatte keine Ahnung, wo ich war, und stieß dauernd gegen irgendwelche Dinge, weil man von dem Zeug richtige Halluzinationen bekommt. Ich wurde auch mal zum Schulleiter geschickt, weil ich total drauf im Unterricht hockte. Ein paar Stunden später griff man mich auf, weil ich orientierungslos über den Football-Platz irrte.

Als ich Tami kennen lernte, hatte ich mir kurz zuvor im Skater-Park von Glendora das Bein gebrochen, und sie fand es irgendwie wohl süß oder sexy, dass ich auf Krücken herumhumpelte. Eines Nachmittags schliefen wir schließlich miteinander in meinem Pickup auf einem Parkplatz. Es war sehr heiß; ich erinnere mich noch daran, wie mir die Sonne auf den Hintern brannte. Eigentlich hatte ich mich erst gar nicht in Tami verliebt, ich mochte sie mehr als gute Freundin. Wir hingen immer mit ein paar anderen im Park ab, und ich stand viel mehr auf ein Mädchen namens Laurie, Laurie Ruck. Sie war mit Tami befreundet, und ich weiß auch nicht, wie es dann passierte, jedenfalls war ich schließlich irgendwann mit Tami statt mit Laurie zusammen. Wir gingen eine Weile miteinander, und wir hatten auch öfters Sex. Ich hatte zu meiner Highschool-Zeit einige Beziehungen mit Mädchen. Da meine vertrauensseligen (oder desinteressierten) Eltern den ganzen Tag zur Arbeit waren, brachte ich viele Mädchen in der Mittagspause mit nach Hause. Eine hieß Candi Hooker – Hooker wie Hure, das ist kein Witz. Ihr Vater hatte den Hooker-Fächerkrümmer für Rennwagen erfunden. Was hat der sich bloß gedacht, als der ihr noch dazu diesen nuttigen Vornamen gegeben hat?

 

Mein Kumpel John Marshall und ich gingen inzwischen öfter zu dieser Rollschuhbahn in der Nähe der Schule und versuchten, dort Mädchen aufzureißen. Aus irgendeinem Grund kamen wir darauf, uns für einen Wettbewerb anzumelden, bei dem man einfach nur so tun musste, als ob man zur Musik sang. Wir nahmen das richtig ernst und machten uns mit Schlaghosen und Polyesterhemden richtig fein. Manche Leute haben später erzählt, wir hätten Perücken getragen, aber daran kann ich mich nicht erinnern. Wir bewegten die Lippen zu einem Song von Bachman-Turner Overdrive, „Let It Ride“. Das war im Grunde wie Luftgitarrespielen. Und bei dem Auftritt wurde mir klar, dass ich es liebte, auf der Bühne zu stehen. Ich sprang herum, tanzte und warf den Mikrofonständer hin und her. Das Publikum war begeistert, vor allem die Mädchen. Wir gewannen nicht nur unseren Wettbewerb, ich konnte an dem Abend auch noch bei einer Braut landen.

Das nächste Mal fuhren wir zu einer anderen Rollschuhbahn im Valley. Wir trugen verschiedene Outfits und brachten „You Really Got Me“ von den Kinks. Und wir gewannen schon wieder! Und nun tingelten wir von einem Nachahmer-Wettbewerb zum anderen, wie sie überall in der Gegend stattfanden, auf einer Rollschuhbahn in Rancho Cucamonga oder in einem Einkaufszentrum in Diamond Bar. Ich habe immer gesagt, dass ich in erster Linie ein Entertainer bin. In mir steckt wohl schon ein kleiner Poser. Als damals das erste Van-Halen-Album rauskam, zog ich mich wie David Lee Roth an – es war Halloween – und brachte wieder „You Really Got Me“. Dieses Mal wurde ich Zweiter. Es war nur So-tun-als-ob, wir sangen nicht richtig. Aber das Publikum war echt. Die Mädels zeigten noch nicht ihre Brüste, aber die Saat war definitiv ausgebracht. Später traten Van Halen auf ihrer ersten Tour in der Long Beach Arena auf, und ich verkaufte draußen T-Shirts, um ein bisschen Geld zu verdienen. Aber ich konnte sie drinnen spielen hören und fragte mich die ganze Zeit: Was die jetzt wohl da drinnen tun? Ich wüsste zu gern, was da los ist. Da habe ich bereits davon geträumt, in der Halle zu stehen, auf einer so großen Bühne, mit einer echten Band – und zu singen.

Zwei Monate, nachdem Tami und ich das letzte Mal zusammen gewesen waren, kam sie zu mir und sagte mir, sie sei schwanger und wolle das Kind behalten. Einfach so. Es war ein echter Schlag in die Magengrube. Ich meine, natürlich fühlte ich mich verantwortlich. Das wird einem ja eingebrannt, nicht wahr, dass man tun muss, was sich gehört. Ich hatte das Gefühl, es würde von mir erwartet, dass ich dieses Mädchen, das ich kaum kannte, liebte und mit ihr eine Familie gründete. Aber ich liebte sie eigentlich nicht. Ich wollte nicht einmal eine feste Freundin – ich hatte viel zu viel Spaß (und Erfolg) dabei, unbekümmert herumzuvögeln.

Aber als mir klar wurde, dass sie das Kind wirklich zur Welt bringen wollte, versuchte ich, irgendwie mitzuspielen und ihr ein richtiger Partner zu sein, der sich um sie und das Kleine kümmerte. Wir verbrachten viel Zeit zusammen, und ich war für sie da, als sie von der Schule flog; schwangere Mädchen durften damals nicht den Unterricht besuchen.

Mein Sohn, Neil Jason Wharton, kam am 3. Oktober 1978 zur Welt. Ich selbst wurde am 8. Februar 1961 geboren – den Rest kann man sich ja ausrechnen. Ich ging noch zur Schule, und man konnte es drehen und wenden, wie man wollte, ich war ein Teenie-Vater.

Damals arbeitete ich nebenbei als Roadie, um mir ein bisschen Geld dazu zu verdienen, und ich lud gerade das Equipment für ein Konzert der Runaways aus, als meine Mutter auf den Parkplatz bretterte und mir mitteilte, dass ich nun ganz offiziell Vater war. Was das bedeutete, wurde mir aber wirklich erst klar, als ich zum ersten Mal dieses kleine Bündel sah, dem ich das Leben geschenkt hatte. Mit den Gefühlen, die ich damals empfand, kam ich überhaupt nicht klar. Es war viel zu intensiv, um es zu begreifen. Ich sah meinen kleinen Sohn an und war sofort in ihn verschossen. Und dann bin ich wahrscheinlich irgendwohin, um mich zuzudröhnen. Weiß ich nicht mehr. Ich konnte das nicht glauben, ich hatte null Ahnung, was ich mit einem Kind anstellen sollte. In der Schule war das ein echter Witz: Ich war der einzige an der Charter Oak High, der Alimente zahlte. Ich konnte allerdings nicht darüber lachen.

Am Anfang habe ich es ja wirklich versucht. Ich wollte der feste Freund, der Ehemann sein. Der Vater. Ich war noch so jung. Tami war echt cool, wir kamen immer toll miteinander aus. Sie hat sich mir gegenüber nie, wirklich niemals schlecht verhalten. Sie war eine total coole Frau, und ich mochte sie wirklich. Ich war nur einfach noch nicht reif genug für die Vaterrolle. Rückblickend wünschte ich, ich hätte mich mehr gekümmert. Aber ich konnte das nicht. Als Neil geboren wurde, fiel es mir echt schwer, diese Verantwortung zu übernehmen. Eine Zeitlang wohnte Tami bei meinen Eltern, und ich zog schließlich aus, woanders hin. Ich meine, ich habe es eine Zeitlang echt versucht. Aber irgendwie konnte ich das nicht.

Ich ging schließlich noch öfter surfen als früher, das war wie eine Flucht. Es war so friedlich. Zum Strand fahren, ein paar Joints rauchen, und dann gab es nur noch dich und deine Kumpels und die Wellen, den Adrenalinrausch. Falls du nicht von der Küste stammst und nie gesurft hast, dann warst du vielleicht schon mal Snowboardfahren. Das ist ähnlich, könnte ich mir vorstellen. Auf einem Brett so richtig schnell den Hang hinunterrasen. Bis zum Strand war es von uns aus ganz schön weit, das musste man schon wirklich wollen. Wir stapelten unsere ganzen Sachen in meinem Truck oder in irgendeinem anderen Auto und fuhren los. Man brauchte gut eine Stunde, je nach Verkehrslage. Manchmal ging ich nicht mal zur Schule. Ich warf das Surfbrett hinten über die Grundstücksmauer, rief noch schnell: „Okay, Mom, ich fahr jetzt zur Schule“, sammelte das Brett auf dem Weg zum Auto schnell ein und brauste los. Dann holte ich meine Freunde ab und wir machten uns auf nach Huntington Beach oder Seal Beach. Ich hab nicht jeden Tag geschwänzt, es war nicht so, dass ich wochenlang nicht hingegangen wäre. Aber wenn ein besonders schöner Tag war, an dem man eben gut surfen konnte, dann dachten wir uns, scheiß drauf. Das war dann wie in dem Film Ferris macht blau.

Ich war kein besonders guter Surfer, aber ich war auch nicht schlecht. An der Schule gab es auch ein Surferteam, wir traten gegen andere Schulen an. Zwar war das eher informell, aber wir waren doch ein Team. Nach den Treffen tranken wir gern mal was. Einmal hatte ich Orangensaft und einen halben Liter Wodka mitgenommen und so viel aus der O-Safttüte rausgekippt, dass ich den Wodka einfüllen konnte. Nachher bin ich dann irgendwann besoffen umgekippt und ein paar Stunden später am Strand wieder aufgewacht. Als ich eingepennt war, hatte ich die Hand auf der Brust liegen, und als ich wieder zu mir kam, war ich total sonnenverbrannt – nur die Hand hatte sich blass auf meiner Haut abgezeichnet. Mir war so was von elend. Bis heute kann ich den Geruch von Wodka-Orange nicht mehr ausstehen. Das hat sich mir richtig eingebrannt, so schlecht war mir. Das war schon, na ja, irgendwie traumatisch.

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