Autoimmunerkrankungen erfolgreich behandeln

Text
0
Kritiken
Leseprobe
Als gelesen kennzeichnen
Wie Sie das Buch nach dem Kauf lesen
Schriftart:Kleiner AaGrößer Aa

Leiden Sie unter einer Nahrungsmittelunverträglichkeit?

Normalerweise ist die Nahrung bereits gut verdaut, wenn sie den Abschnitt des Dünndarms erreicht, wo sie resorbiert wird. Bis dahin wurde sie in sehr kleine Partikel aufgespalten und auch die Namensschilder sind bereits gut verdaut, sodass sie nicht mehr zu erkennen sind. In diesem Fall kommt es nicht zu einer Immunreaktion. Sind die Stücke jedoch noch groß, können die Immunzellen die Namensschilder (also die Reihenfolge der Aminosäuren) lesen. Daher ist eine gute Verdauungsleistung so wichtig, und daher erhöht die Einnahme von Antazida (Medikamente, die die Magensäure neutralisieren) und Protonenpumpenhemmern (Medikamente, die die Magensäuresekretion hemmen) das Risiko, gegenüber Nahrungsmitteln empfindlich zu werden und eine Nahrungsmittelunverträglichkeit zu entwickeln. (Darum geht es ausführlich in Kapitel 8, „Unterstützen Sie den Darm“). Solange Ihre Darmschleimhaut stark und gesund ist, bildet sie eine Barriere, die die Immunzellen auf der einen Seite und die Nahrung auf der anderen voneinander getrennt hält. Die Probleme beginnen, wenn die Barriere nicht intakt ist, sodass große Nahrungspartikel mit unbekannten Namensschildern durchsickern können. Dann treffen sie auf die Immunzellen auf der anderen Seite. Die Immunzellen erkennen, dass es sich um „Eindringlinge“ handelt, und signalisieren Ihrem Körper, dass er reagieren soll. Dieses Phänomen nennt man Leaky-Gut-Syndrom (der Darm ist „leck“), Menschen jeden Alters können auf diese Weise Allergien und Unverträglichkeiten entwickeln. Das Prinzip und wie es in Ordnung zu bringen ist, besprechen wir in Kapitel 8. Ich erwähne es hier, weil ich einfach erklären möchte, wie Nahrungsproteine zu einem Problem für Ihr Immunsystem werden können.

Man nimmt an, dass Nahrungsmittel durch verschiedene Mechanismen überall im Körper Entzündungen verursachen können. Zum einen können Sie eine Nahrungsmittelallergie entwickeln, dabei bildet Ihr Immunsystem Antikörper gegen das Nahrungsmittel. Es gibt vier verschiedene Arten von Antikörpern, in unserem Zusammenhang sind zwei davon am wichtigsten. Wenn Sie zum Allergologen gehen, untersucht er Sie auf IgE-Antikörper, das sind diejenigen, die Nesselsucht, das Anschwellen der Zunge oder Atemnot verursachen. Manche Nahrungsmittelallergien verursachen aber eher die Bildung von IgG-Antikörper, die Ihr Arzt eventuell nicht testen wird. Sie spielen eine Rolle bei der Bildung von Immunkomplexerkrankungen. Dabei gelangen Nahrungspartikel in den Blutstrom, Ihr Immunsystem bildet daraufhin Antikörper, die sich daran anhängen und einen Antigen-Antikörper-Komplex bilden (siehe Kapitel 1). Da diese Komplexe groß sind, können sie sich in Ihren Geweben festsetzen und lokale Entzündungsreaktionen und andere Schäden anrichten, die in einen noch größeren Immunangriff auf das Gewebe münden. Ihre Gelenke sind für Ablagerungen von Immunkomplexen sehr anfällig, und man nimmt an, dass diese zu den hauptsächlichen Mechanismen bei der Entwicklung der rheumatoiden Arthritis gehören.

Empirische Daten lassen vermuten, dass alle Menschen mit einer Autoimmunerkrankung ein Leaky-Gut-Syndrom haben, daher besteht die Wahrscheinlichkeit, dass auch Sie auf Nahrungsmittel reagieren. Ich werde Ihnen dabei helfen, die diejenigen zu finden und auszusondern, die Probleme verursachen. Jede Art von Symptom aufgrund von Nahrungsmitteln wird als Empfindlichkeit oder Unverträglichkeit bezeichnet und so kann es durch Nahrungsmittel zu Entzündungen kommen. Unverträglichkeiten sind zwar keine „echten“ Allergien, da sie oft nicht durch einen Bluttest zu verifizieren sind, aber sie sollten nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Ohne Bluttest richte ich mich danach, ob ein Nahrungsmittel Symptome verursacht wie Müdigkeit, das Gefühl des Aufgedunsenseins und der Steifigkeit im ganzen Körper, Konzentrationsprobleme, Gelenk- oder Muskelschmerzen und alle möglichen Verdauungsprobleme wie Sodbrennen, Gasbildung und einen Blähbauch nach dem Essen, Durchfälle oder Verstopfung. Der einfachste Weg herauszufinden, ob Sie auf ein bestimmtes Nahrungsmittel reagieren, ist, es drei Wochen lang zu meiden, es dann wieder zu sich zu nehmen und genau darauf zu achten, wie sich Ihr Körper verhält. Im Praxiskapitel helfe ich Ihnen dabei.

Im Fokus: Gluten

Es ist zwar möglich, dass für Ihre Symptome mehrere Nahrungsmittel verantwortlich sind; bei Autoimmunerkrankungen gilt jedoch: Das wichtigste, mit dem man sich befassen muss, ist das Gluten. Gluten ist ein Protein, das in Weizen, Roggen, Kamut und Dinkel vorkommt (aber auch in Grünkern, Gerste und den alten Weizensorten Emmer und Einkorn; Anm. d. Übers.). Hafer enthält normalerweise kein Gluten, kann jedoch verunreinigt sein und dann doch Gluten enthalten, es sei denn, auf dem Etikett steht ausdrücklich „glutenfrei“; Reis, Quinoa, Buchweizen, Hirse und Amaranth enthalten normalerweise ebenfalls kein Gluten. Gluten ist ein Gemisch aus mehreren Proteinen, hauptsächlich Gliadin und Glutenin. Diese Proteine tragen verschiedene „Namensschilder“, sodass Ihr Immunsystem sofort erkennt, was Sie zu sich nehmen.

Ich werde oft gefragt, warum heutzutage Gluten ein größeres Problem darstellt als je zuvor und warum es vielen Menschen so schlecht geht, wenn sie es zu sich nehmen. Darauf gibt es zwei Antworten. Erstens ist die Glutenmenge in unserer Nahrung heute größer denn je und zweitens – wenn es Ihnen geht wie den meisten Menschen – herrscht Chaos in Ihrem Verdauungssystem, dadurch gelangt nur teilweise verdautes Gluten durch die Darmwand und damit ins Blut, wo es in Ihrem Körper „Amok läuft“. (Darüber wird in Kapitel 8 noch ausführlich zu sprechen sein.) Warum gibt es heutzutage mehr Gluten? Wie in Kapitel 1 beschrieben habe, nimmt die Nutzung von hochgezüchtetem Weizen zu. Dabei ist ein hoher Glutengehalt sogar ein Züchtungsziel, denn dieses Klebereiweiß verbessert die Backeigenschaften. Hinzu kommt, dass wir täglich mehrere Portionen Weizenmehlprodukte zu uns nehmen, und damit jeden Tag auch hochkonzentriertes Gluten.

Ist Gluten etwas also Neues? In gewissen Sinne ja. In der Steinzeit, die den größten Anteil der Geschichte der Menschheit auf der Erde ausmacht, waren die Menschen Jäger und Sammler. Das bedeutet, sie aßen, was sie töten oder sammeln konnten, etwa Tiere, Nüsse, grüne Blätter, Samen und Beeren. Daran war der Körper gewöhnt. Als die Landwirtschaft aufkam, aßen die Menschen weiterhin, was es zur jeweiligen Jahreszeit gab, und wechselten mit Getreiden und Feldfrüchten ab. Doch die Landwirtschaft weitete sich aus, und die Menschen lernten, Feldfrüchte zu verarbeiten und zu lagern. Dadurch wurde es leichter, Weizen das ganze Jahr über und in großen Mengen zu essen. Damals aß man noch die alten Weizenarten (Einkorn und Emmer), deren Gene und Gluten sich vom heutigen Weizen unterschieden. Neulich las ich ein Buch von Dr. med. William Davis, „Die Weizenwampe – Warum Weizen dick und krank macht“. Es ist eine faszinierende und detaillierte Chronik, wie sich der Weizen im Laufe der Zeit veränderte. Laut Dr. Davis begann diese Veränderung schon 1943, als der Weizen in dem irrigen Bemühen, den Hunger auf der Welt zu besiegen, züchterisch verändert wurde, um den Ertrag zu steigern.2

Für unseren Zweck reicht es, wenn Sie erkennen, dass dieser „neue“ Weizen zur selben Zeit eingeführt wurde, als die Menschen begannen, mehr verarbeitete Nahrungsmittel zu essen. Damals wurde Amerika zur Fastfood-Nation, und jetzt leben wir in einer Fastfood-Welt. Es war niemals vorgesehen, dass wir mehrmals täglich an 365 Tagen im Jahr verarbeiteten Weizen mit hochkonzentriertem Gluten essen sollten. Und die Forschung zeigt ganz eindeutig, dass die übermäßige Belastung mit Nahrungsproteinen Immunreaktionen verursachen kann. Ich bin der Ansicht, dass diese in neuerer Zeit entwickelte Form des Weizens, der wir jetzt in hohem Maße ausgesetzt sind, der Grund für die steigende Häufigkeit und vermehrte Schwere der Reaktionen auf Gluten ist.

Zöliakie

Als Ärztin gehört es zu meiner Arbeit, mich über die aktuelle Forschung zu informieren, um über die neuesten Nachweise eines bestimmten Zustands oder einer Krankheit auf dem Laufenden zu sein. Im Rahmen dieser Veröffentlichungen sorgt Gluten definitiv für Schlagzeilen, es gibt viele Studien, die eine ganze Reihe von Krankheiten mit Gluten in Verbindung bringen.

Doch sehen wir uns zuerst die Zöliakie an. Sie ist eine Autoimmunerkrankung des Dünndarms, eine der häufigsten Störungen, von der, so nimmt man an, etwa ein Prozent der Menschen europäischer Abstammung betroffen sind, zum Beispiel in Europa, Nord- und Südamerika sowie Australien. Doch auch in anderen Regionen nimmt sie zu, so zum Beispiel in Nordafrika, in Nahost und in Teilen Asiens, denn die Ernährungsweise in diesen Ländern gleicht sich immer mehr an die der westlichen Länder an und die dort lebende Bevölkerung isst mehr Weizenprodukte als vorher. Zöliakie ist genetisch bedingt, wer eine Veranlagung für die Krankheit hat und einem umweltbedingten Auslöser ausgesetzt ist, bei dem bricht die Krankheit schließlich aus. Auslöser ist wahrscheinlich das Gluten, insbesondere das hochkonzentrierte, aus genetisch modifiziertem Getreide stammende Gluten.

Was geschieht, ist Folgendes: Die Immunzellen greifen die Villi, die kleinen fingerartigen Ausstülpungen der Darmwand, an und schädigen sie. Villi kann man sich als langflorigen Teppich vorstellen, der den Darm auskleidet. Sie sind von großer Bedeutung, denn sie vergrößern die Oberfläche (und damit die Resorptionsfläche) der Darmwand, sodass alle Nährstoffe, die Ihr Körper braucht, vom Körper resorbiert, sprich aufgenommen werden können. Greifen die Immunzellen die Villi ungehindert an, sind sie irgendwann zerstört und der „Teppichflor“ verschwindet, die Darmwand ist entzündet und glatt. Wie geht es Ihnen, wenn das passiert? Meist haben Menschen mit dieser Art von Glutenreaktion Verdauungssymptome wie Durchfälle, Gasbildung und einen Blähbauch. Außerdem resorbieren sie Nährstoffe wie Proteine, Fette, Vitamine und Mineralstoffe nicht gut, sodass sie anämisch, müde und häufig krank werden sowie Haarausfall bekommen, um nur einige häufige Symptome zu nennen. Bei Kindern kann es zur Wachstumshemmung kommen.

 

Die Schulmedizin behauptet, die einzige Diagnosemöglichkeit für die „echte“ Zöliakie sei ein Bluttest und eine Biopsie aus der Dünndarmschleimhaut. Der Bluttest ist speziell für die geschädigten Villi konzipiert. Studien haben jedoch ergeben, dass es möglich ist, eine „potenzielle Zöliakie“ zu haben, was bedeutet, dass der Körper im Begriff sein könnte, die Krankheit voll auszubilden, obwohl alle Tests noch im Normbereich sind. Diese latente oder stumme Form der Darmerkrankung ist jetzt eventuell noch nicht evident, könnte sich jedoch nach Jahren zeigen, wenn Sie weiterhin Gluten zu sich nehmen.

Auch möglich ist, dass Sie durch die Aufnahme von Gluten im Augenblick zwar keine Darmsymptome haben, aber in einem anderen Körperteil dadurch Reaktionen zeigen. Wir können nicht alles spüren, was Gluten anrichtet, und es kann tatsächlich oft Jahrzehnte dauern, bevor sich der Schaden in Ihrem Darm als Zöliakie entpuppt. So ist also das erste Anzeichen, die Sie bekommen könnten, ein veränderter Zustand Ihres Immunsystems. Das überrascht nicht, da Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse, die rheumatoide Arthritis und die Multiple Sklerose alle mit der Zöliakie in Zusammenhang stehen. Die Schilddrüse, die Gelenke und das Nervensystem werden zuerst geschädigt, und das kann das erste Zeichen dafür sein, dass etwas nicht in Ordnung ist, bevor die Symptome der Zöliakie manifest werden. Mehrere Studien haben sogar ergeben, dass die genannten Krankheiten bei manchen Menschen Teil des Zöliakiespektrums sind.3

Glutenunverträglichkeit und Zöliakie im Vergleich

Bisher wurde die Zöliakie als die einzige schädliche Reaktion oder körperliche Erkrankung betrachtet, die durch Gluten verursacht wird. Doch 2010 wurden weltweit etwa 2 Milliarden Euro für glutenfreie Produkte ausgegeben. Diese Zahl zeigt, dass sich nicht nur die tatsächlich an Zöliakie Erkrankten glutenfrei ernähren. Was ist also los? Es hat sich eine relativ neue Erkrankung entwickelt, die Glutenunverträglichkeit.4 Abbildung 1 zeigt verschiedene Reaktionen auf den Genuss von Gluten. Zöliakie ist die eine, Glutenunverträglichkeit die andere Reaktion.

Glutenunverträglichkeit wird dadurch definiert, dass Ihre Labortests auf Zöliakie normal sind, die Symptome aber durch eine glutenfreie Ernährung verschwinden. Die Forschung kann die Mechanismen noch nicht ganz erklären und zuverlässige Labortests, die eine Unverträglichkeitsreaktion nachweisen, gibt es noch nicht. Aber man nimmt an, dass sie durch eine Immunreaktion verursacht wird, die sich von der Zöliakie unterscheidet. Zu den Symptomen gehören oft Bauchschmerzen, Blähbauch, Durchfälle, Verstopfung, Benommenheit, Abgespanntheit, Ekzeme oder andere Hautausschläge, Kopfschmerzen, Gelenk- und Muskelschmerzen, Taubheit von Beinen und Armen, Depressionen und Anämie zusammen mit einer normalen oder leicht veränderten Dünndarmschleimhaut. Die beste Möglichkeit herauszufinden, ob man davon betroffen ist, besteht darin, Gluten eine Zeitlang zu meiden und darauf zu achten, ob einige der Symptome verschwinden. Im Praxiskapitel erkläre ich Ihnen genau, wie Sie dabei vorgehen.

Mit meinen Patienten mache ich dieses Experiment ständig und bin immer wieder überrascht, wenn ich höre, wie hilfreich die glutenfreie Ernährung war. Die Patienten berichten nicht nur davon, dass die genannten Symptome verschwinden, sondern sie schlafen auch besser, die Stimmung ist besser und auch Wechseljahresbeschwerden wie Hitzewallungen und Nachtschweiß bessern sich. Es werden manchmal sogar Symptome gelindert, für die ein Zusammenhang mit Gluten bisher in der wissenschaftlichen Literatur noch nicht berichtet wurde. Ich bin davon überzeugt, dass Nahrungsmittel im Allgemeinen und Gluten im Besonderen eine wichtige Rolle bei der Verursachung und Verschlimmerung aller chronischen Krankheiten, auch der Autoimmunerkrankungen, spielen. Es ist zwar noch nicht erwiesen, dass eine Glutenunverträglichkeit eine Autoimmunerkrankung verursacht oder dazu beiträgt, diese Möglichkeit ist bisher jedoch auch nicht ausgeschlossen worden. Die glutenfreie Ernährung ist ein verbindlicher Teil aller meiner Behandlungsprogramme und Ihnen empfehle ich sie auch.


Wie löst Gluten eine Immunreaktion aus?

Nehmen wir an, Sie essen zum Frühstück ein köstliches Croissant oder einen Bagel voller Gluten. Ist Ihre Verdauungsleistung nicht so gut oder haben Sie eine geschwächte oder durchlässige Darmschleimhaut, ist das Risiko groß, dass ungenügend verdaute Glutenpartikel durch die Schleimhaut ins Blut gelangen. Dort treffen sie auf Ihre Immunzellen und werden als „fremd“ erkannt. (Nähere Erläuterungen und wie das in Ordnung gebracht werden kann, finden Sie ausführlich in Kapitel 8.)

Normalerweise ist Gluten verdaut und seine ursprüngliche Struktur nicht mehr zu erkennen, wenn Ihr Immunsystem es „zu Gesicht“ bekommt. Schlüpft jedoch ein größeres Stück durch die Darmbarriere und trifft auf Ihre Immunzellen, dann schlagen diese Alarm. Dadurch werden die Gene im Kern der Immunzelle aktiviert und es wird ein „Kapitel“ in dem in der Zelle befindlichen „Lebensbuch“ aufgeschlagen. Das entfesselt eine Kettenreaktion von Ereignissen, die die Zelle zum Angriff auf das Gluten veranlasst. Wenn Sie es weiterhin zu sich nehmen, kommen Ihre Immunzellen in einen Modus der Daueraktivierung und setzen alle möglichen Entzündungsmediatoren frei, um das Gluten loszuwerden. Die Aminosäurestruktur des Glutens, also sein „Namensschild“, ist vielen Geweben in unserem Körper sehr ähnlich, daher nimmt man an, dass das Protein auf diese Weise eine Autoimmunerkrankung auslösen könnte. Während Ihr Körper also damit beschäftigt ist, das Gluten anzugreifen, beginnt er auch, das eigene Dünndarmgewebe, die Schilddrüse, das Myelin (im Nervensystem) sowie Ihre Gelenke anzugreifen und sie und andere Gewebe zu schädigen. Diesen Prozess nennt man molekulare Mimikry.

Testen Sie Ihre Reaktion auf Gluten

Die Reaktion Ihres Immunsystems auf Gluten wird von Antikörpern gesteuert, und die Tests, mit denen wir diese Antikörper zurzeit bestimmen, sind der Test auf Anti-Gliadin-Antikörper (AGA) und der Test auf desaminierte Gliadin-Antikörper (DGA). Sie werden bei Zöliakiepatienten als Erste positiv, selbst bevor es Anzeichen einer Darmschädigung gibt. Ich nutze sie bei allen meinen Patienten als Suchtest und oft fallen sie positiv aus. Dieses Tests sollten sie tatsächlich als Erste bei Ihrem Arzt machen lassen.

Ich weiß nicht, wie oft ich von meinen Patienten schon gehört habe, dass ihr Gastroenterologe ihnen Gluten erlaubt hat, weil der AGA-Test positiv, aber die anderen Zöliakie-spezifischen Tests alle normal waren. Wenn ich das höre, werde ich richtig sauer! Es liegt auf der Hand, dass diese Kollegen die wissenschaftliche Literatur nicht lesen, aus der eindeutig hervorgeht, dass ein positiver AGA-Test das erste, früheste Anzeichen einer potenziellen Zöliakie sein könnte. Bevor es zu einer Schädigung der Darmwand kommt, können diese Antikörper andere Körpergewebe angreifen. Es geht mir wirklich über die Hutschnur, wenn mir der Patient dann erzählt, bei ihm sei schon eine Hashimoto-Thyreoiditis, eine Basedow-Hyperthyreose, Multiple Sklerose oder rheumatoide Arthritis diagnostiziert worden. Das sind die Autoimmunerkrankungen, die am häufigsten mit einer Zöliakie einher- oder ihrem Beginn vorausgehen. Ist Ihr AGA- oder der DGA-Test positiv, sollte das für Sie heißen, die Finger von Gluten zu lassen.

Bei den meisten meiner autoimmunerkrankten Patienten sind diese Tests nicht positiv, was mich allerdings nicht davon abhält, ihnen eine glutenfreie Ernährung zu empfehlen – das gilt für jeden Menschen, der an einer Autoimmunerkrankung leidet. Nur weil die moderne Medizin noch nicht über die richtigen Labortests für Sie verfügt, heißt das nicht, dass Gluten nicht verheerende Folgen für Ihr Immunsystem hat. Dafür gibt es genügend Nachweise, und ich sehe das immer wieder in meiner Praxis. Was haben Sie zu verlieren? Lesen Sie wenigstens das Praxiskapitel und machen Sie den Versuch, ob sich Ihre Symptome bessern, wenn Sie Gluten meiden.

Welche Nahrungsmittel schaden Ihrem Immunsystem?

Nahrungsmittel enthalten außer Gluten noch andere Substanzen, die eine Immunreaktion auslösen können. Meist wirken sie sich unterschwellig und sukzessive aus. Das erschwert es sehr, ein bestimmtes Nahrungsmittel mit Ihrem Befinden in Verbindung zu bringen. Zudem spielen sich diese Reaktionen oft außerhalb Ihres Verdauungssystems ab. Mit anderen Worten, Sie haben zwar keine Symptome wie Gasbildung, einen Blähbauch oder Magenschmerzen, aber eventuell andere wie Gelenk- oder Kopfschmerzen, die Sie gar nicht mit Ihrer Ernährung in Verbindung bringen. Ich habe aber festgestellt, dass Nahrungsmittel daran beteiligt sein könnten, wenn Sie an Müdigkeit, Konzentrationsproblemen, Gelenk- oder Muskelschmerzen oder anderen Beschwerden leiden.

Zucker

Gluten ist nicht die einzige potenzielle Bedrohung für Ihr Immunsystem, auch Kohlenhydrate müssen hier erwähnt werden. Ein wirklich gefährliches Kohlenhydrat ist der Zucker. Raffinierter Zucker geht mit vermehrten Entzündungen und einer gestörten Funktion der T- und B-Zellen des Immunsystems einher. Es gibt keine spezifischen Studien, die einen Zusammenhang zwischen dem Zuckerkonsum und Autoimmunerkrankungen untersuchen, aber über Zucker und die Immunfunktion wird sehr viel geforscht.5 Nahrungsmittel mit einem hohen glykämischen Index lassen den Blutzucker sehr schnell ansteigen, dazu gehören beispielsweise Nahrungsmittel mit viel Zucker und Weißmehl. Diese Art der Ernährung ist sehr ungesund und wird mit Herzerkrankungen, Krebs, Schlaganfällen und Diabetes in Verbindung gebracht. Im Grunde genommen besteht wohl ein Zusammenhang mit allen chronischen Krankheiten.

Ein Ziel dieses Buches ist eine Ernährung, die dazu beiträgt, dass Ihr Immunsystem gesund wird und ins Gleichgewicht kommt. Dazu müssen Sie alle Nahrungsmittel meiden, die Weißmehl oder weißen Zucker enthalten, zum Beispiel Bagels, Brot, Frühstückscerealien, Kuchen, Kekse, Cracker, sonstige Süßigkeiten und Limonaden. Davon abgesehen sollten Sie auch auf Nahrungsmittel mit versteckten Zuckern achten. Das ist zum Beispiel bei industriell hergestelltem Joghurt mit Fruchtaroma und fertigen Obst-Smoothies oft der Fall, denn sie enthalten meist Obstsirup. Ich gehe darauf noch im Praxiskapitel ein, vorläufig genügt es, wenn Sie sich merken, dass Weißmehl und weißer Zucker nicht zum Ernährungsprogramm dieses Buches gehören.