Sky-Navy 07 - Jäger und Gejagte

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Aus der Reihe: Sky-Navy #7
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Kapitel 2 Erbitterte Feinde

Nelharab, überschweres Zweischiff der Norsun

Expansion war der Grundsatz der Norsun. Das insektoide Volk war in Stämmen organisiert und besaß eine hohe Vermehrungsrate. Dies hatte zu erbitterten Kriegen untereinander geführt, bis man die Raumfahrt entwickelte. Nun standen Ressourcen und Lebensraum für alle zur Verfügung. Die Stämme breiteten sich über die angrenzenden Sternensysteme aus. Dann stieß man auf das erste intelligente Fremdvolk und die Norsun griffen zu ihrer altbewährten Lösung: Krieg. Was ihnen an überlegener Technik fehlen mochte konnten sie durch ihre enorme Überzahl ausgleichen, denn die Stämme hielten zusammen. Im Verlaufe vieler Jahrhunderte wurden zwei Völker versklavt und drei vernichtet. Dann begegneten die Insektoiden den humanoiden Negaruyen, welche die Sterne mit ihren walzenförmigen Schiffen bereisten. Diesmal fanden die Norsun einen Feind, der ihnen die Stirn bot. Obwohl es den Stämmen gelang die fruchtbare Ursprungswelt des Gegners in eine Wüste zu verwandeln, verbissen sich die Völker in einem Krieg, der nun schon fast sechshundert Jahre währte und noch immer keinen Sieger hervorgebracht hatte. Obgleich die Negaruyen deutlich in der Unterzahl waren, entwickelten sie ihre Technik schneller, als dies den Norsun gelang.

Vor einigen Jahren war es den Stämmen gelungen, eine der geheimen Welten des Feindes zu vernichten, doch jetzt besaßen die Negaruyen eine neue Waffe, gegen die selbst die goldene Energie der Norsun kaum Schutz bot. Zudem war man auf ein bislang unbekanntes humanoides Volk gestoßen, welches man für eine Mutation des Feindes hielt, da es sich nur durch die Form der Nasen von seinem Ursprungsvolk unterschied. Die Wissenschaftler vermuteten eine strahlungsbedingte Veränderung.

Man hatte eine der Welten der „Keilnasen“ angegriffen, um sich die erforderlichen Untersuchungsexemplare zu beschaffen und eine Niederlage erlitten. Die Kreaturen, die sich selbst als „Menschen“ bezeichneten, wehrten sich erbittert und erfolgreich. Dabei stellte man fest, dass sich deren Schiffsbauweise und Waffentechnologie grundlegend von jener der anderen Negaruyen unterschied. Die Wissenschaftler vermuteten eine isolierte Kolonie des Feindes, auf der sich Leben und Technik auf eigene Weise entwickelt hatten, doch es gab auch die Befürchtung, auf ein weiteres unabhängiges Alien-Volk gestoßen zu sein.

Die Aussicht, gegen zwei fremde Rassen gleichzeitig Krieg zu führen, erschien bedrohlich und so hatten die Schiffe der Norsun neue Befehle erhalten: Den alten Feind Negaruyen zu bekämpfen und Informationen über den neuen Feind Mensch zu beschaffen.

Höchst-Wort Ter-Tesor 27 befehligte eine der kampfstarken Offensiv-Patrouillen, welche die Stammwelten der Norsun entsandt hatten. Er war bewährter Kommandant vieler Kämpfe und hatte ein Gespür für den Feind entwickelt.

Ter-Tesor 27 war humanoid und ähnelte auf große Entfernung in Körperbau und Größe einer menschlichen Gestalt. Zwischen Oberkörper und Unterleib befand sich allerdings eine deutliche Verengung. Die Gliedmaßen waren länger als die eines Menschen. Der Kopf war elliptisch und wurde von zwei großen Facettenaugen beherrscht, in deren Mitte sich zwei senkrechte Schlitzpupillen befanden. An Stelle der Nase gab es einen kurzen Rüssel, welcher der Nahrungsaufnahme diente. Der darunter befindliche Mund war ein schmaler senkrechter Schlitz und diente der Atmung und akustischen Kommunikation. Auf dem Kopf ragten zwei kurze Fühler auf, deren Bewegungen ein wesentlicher Bestandteil der Mimik dieser Wesen war. Die schlanken Hände waren mit zwei Daumen und vier Fingern versehen. Besonders auffällig war ein Unterarmlanger Stachel am hinteren Ende des Unterleibs. Seine Funktion als Waffe war im Verlauf der Generationen verkümmert, doch noch immer diente er dazu, körpereigene Duftstoffe zu produzieren und abzusondern, und fremde Gerüche zu analysieren. Der gesamte Leib war von einer smaragdgrünen Haut bedeckt, die einen samtenen Schimmer zeigte und an einigen Stellen noch Anzeichen des einstigen Chitinpanzers zeigte. Diese Färbung und die Tatsache, dass die Hantelschiffe der Norsun von einer grünen Hülle umgeben waren, hatte ihnen seitens der Menschen die Bezeichnung „Greens“ eingetragen.

Ter-Tesor 27 befehligte sieben Schiffe. Fünf besaßen die typische Hantelform, mit zwei großen Kugeln an Bug und Heck und einem schlankeren Mittelteil. Dies waren sogenannte „Zweischiffe“, die ausschließlich dem Kampf dienten. Zwei gehörten zu den „Dreischiffen“, da ihr Mittelteil eine dritte Kugel aufwies. Diese Einheiten besaßen somit zwei schlanke Verbindungsteile zwischen ihren Kugeln, in denen Kampftruppen oder Jagdschiffe mitgeführt wurden. Alle sieben Green-Schiffe besaßen die smaragdgrüne fugenlose Panzerung. Es gab keine sichtbaren Lichter oder Luken, denn der Krieg hatte die Norsun gelehrt, wie verräterisch solche Dinge sein konnten. Drei der Zweischiffe gehörten zur kleinen Kreuzer-Klasse, bei denen jede der Kugeln 200 Meter durchmaß. Die beiden Dreischiffe besaßen Kugeln von jeweils 400 Metern und die beiden letzten Zweischiffe waren Schlachtschiffe mit je 600 Meter-Kugeln. Ter-Tesor hatte den Oberbefehl über diese kampfstarke Gruppe und war entschlossen, sie zum Erfolg zu führen.

Er stand in der Zentrale im Bug des überschweren Zweischiffes Nelharab. Um ihn herum saß die Zentralbesatzung auf ihren speziellen Sitzen. An ihren Anzügen waren die Schutzhüllen der Schwanzstachel eingerollt, so dass diese in die Futterale der Sitze eingeführt werden konnten. Zwar erfolgte die Bedienung der Tasten, Schalter und Regler des Schiffes über die Hände der Besatzung, doch Systeminformationen wurden vom Schiff durch die Erzeugung künstlicher Pheromone an die Schwanzstacheln übermittelt.

Hoch-Wort Kelar 12, der Kommandant der Nelharab, stand neben seinem Befehlshaber. Die von ihm ausgehenden Pheromone verrieten, dass er unruhig war. Nicht ängstlich, doch besorgt. Ter-Tesor 27 registrierte dies und sonderte seinerseits ein paar beruhigend wirkende Duftstoffe ab. „Wir werden Erfolg haben“, versicherte er seinem Untergebenen.

Kelar 12 rollte zweifelnd die Fühler ein und entspannte sie wieder. „Wir stehen schon sehr lange auf dieser Position, Höchst-Wort. Die große Mutter und die Mütter der Stämme werden es uns nicht danken, wenn wir hier Zeit verschwenden und die Flachschlitz-Nasen an anderer Stelle durch die Grenze brechen.“

Ter-Tesor wandte sich dem Norsun zu, der für Ortung und Navigation zuständig war. „Ausführende Hand der Seher, stehen wir auf der von mir berechneten Position?“

„Unverändert, Höchst-Wort“, kam die Bestätigung.

Ter-Tesor verzichtete auf die Frage, ob die Scanner und Sensoren etwas Interessantes anzeigten. Die ausführende Hand der Seher hätte dies augenblicklich gemeldet.

„Möglicherweise ist deine Einschätzung falsch“, murmelte der Kommandant.

Dieser Zweifel war berechtigt und Ter-Tesor sah keinen Grund, seinen Untergebenen für diese verborgene Kritik zu strafen. „Ich habe die Daten zahlreicher Überfälle der Flachschlitz-Nasen ausgewertet. Dies ist ein Sektor, von dem aus sie viele ihrer Angriffe starten. Die beste Möglichkeit ihre Schiffe zu vernichten besteht darin, sie beim Austritt aus dem Schwingungsraum zu erwischen, wenn sie noch nicht auf einen Kampf vorbereitet sind.“

„Ich halte dies für überlegt und angemessen“, stimmte der Kommandant zu. „Doch wir müssen dem Feind schon sehr nahe sein, um ihn zu überraschen.“

„Daher habe ich unsere Schiffe verteilt, so dass sie ihre Stachel einsetzen können, bevor der Feind dies tut.“

Obwohl der Körperstachel längst nicht mehr als Waffe diente, hatte er sich im Sprachgebrauch der Norsun als Synonym für eine solche etabliert. Ter-Tesor hoffte darauf, dass seine Überlegungen und Berechnungen zutrafen. Wenn der Feind nicht bald eintraf, würde das Höchst-Wort dieses System verlassen und das Glück des Kriegers in einem anderen suchen müssen. Doch wenn er recht behielt, dann würde hier eine Gruppe der Negaruyen aus dem Schwingungsraum austreten. So stark diese Wesen auch sein mochten, so besaßen sie gegenüber den Green doch einen Nachteil: Nach dem Austritt aus dem übergeordneten Kontinuum waren sie für eine Weile nahezu handlungsunfähig. Ihr Nervensystem musste sich von dem Schock der Phasenverschiebung erst erholen. In dieser Zeit waren sie wehrlos und mussten sich auf die automatischen Systeme ihrer Schiffe verlassen.

Ter-Tesor wusste, dass die Verteidigungseinrichtungen hervorragend funktionieren würden, aber kein Negaruyen-Schiff konnte seine Offensivwaffen ohne den ausdrücklichen Befehl eines Negaruyen auslösen. Ein Schwachpunkt, den das erfahrene Höchst-Wort zu seinem Vorteil nutzen wollte. Für ihn kam es nun auf zwei Dinge an: Dass der Feind überhaupt erschien und dass die Distanz zu seinen Schiffen gering genug war, um ihn zu überrumpeln. Waren sie zu weit entfernt, dann brauchten die Norsun zu lange, um in Kampfreichweite zu gelangen. Ter-Tesor scheute keinen Kampf, doch die Flachschlitz-Nasen besaßen inzwischen eine verheerende Waffe, gegen welche die Panzerung der Hanteln oder die goldene Energie nahezu machtlos war.

Die goldene Energie, jene Entdeckung, welche den Norsun bisher immer den Sieg gebracht hatte. Die Wissenschaftler bezeichneten sie als formbare Energie und genau dies war sie auch. Die goldfarbenen Moleküle konnten eine schimmernde Wand bilden, die das Schiff schützte, Energiestrahlen förmlich aufsog und gegnerische Projektile einfach auflöste. Man konnte die Energie zu einem gleißenden Finger oder Tentakel formen, der achtzigtausend Kilometer in den Raum hinaus reichte und den Feind aufspießte. Neuerdings war es sogar gelungen, aus ihr Kugeln zu formen, die als endlos erscheinender Strom den Projektor verließen und die sich in jedes Objekt hinein brannten. Leider verzehrten sich die Kugeln selbst, so dass diese Waffe ebenfalls nur eine begrenzte Reichweite besaß, auch wenn sie alle anderen übertraf.

 

Ter-Tesor empfand plötzlich selbst eine wachsende Unruhe. Er warf einen langen Blick über die Besatzung der Zentrale. Sie wirkte konzentriert und geschäftig und doch fühlte man in ihnen die wachsenden Zweifel am Entschluss des Geschwaderführers.

Er wandte sich dem Funker zu. „Hand der Sprecher, irgendwelche Aktivitäten?“

„Nein, Höchst-Wort, unsere Schiffe halten die befohlene Stille.“

Als gab es auch keine fremden Signale, die auf die Nähe des Feindes hingewiesen hätten.

„Das Stammvolk erwartet Erfolge“, mahnte das Hoch-Wort.

„Beim Feuerfall von Istwagh“, entfuhr es dem nun doch verärgerten Ter-Tesor, „ich bin mir meiner Verantwortung bewusst, Hoch-Wort, und ich hoffe, dies gilt auch für dich. Sobald es zum Kampf kommt wird es auf deine Fähigkeiten ankommen, Kelar, denn wir dürfen eines der Feindschiffe nicht vernichten, sondern müssen es erobern.“

„Darauf sind wir vorbereitet“, zischte Kelar erregt. „Die beiden Dreischiffe haben genügend Bions an Bord, um einen Planeten zu erobern.“

Das war eine Übertreibung. So gut die künstlichen Kampfwesen auch waren, ihre Fähigkeiten hatten Grenzen. Die hohen Verluste in den vergangenen Kriegen konnten selbst durch die hohe Vermehrungsrate der Norsun nicht ausgeglichen werden und so entwickelte man halb mechanische, halb biologische Wesen, die sogenannten Bions, die als Soldaten eingesetzt werden konnten. Äußerlich ähnelten die Bions ihren Schöpfern und sie besaßen auch deren Stachel am Hinterleib, der zwar nicht zur Bedienung der Schiffsysteme geeignet war, aber als hoch empfindliches Analysegerät für fremde Substanzen genutzt werden konnte. Zudem füllten die Kampfwesen ihre Energiespeicher über ihn auf. Pheromonrüssel und Fühler ihrer Herren fehlten und an Stelle eines eigenständigen und individuellen Gehirns befand sich in den Schädeln eine milchige Creme, in der achteckige halbtransparente bionische Platinen verankert waren, wie sie typisch für die Steuerelemente der Norsun waren. Es waren programmierte Kreaturen, die nur im Rahmen ihrer Aufgaben handeln konnten. Intelligent genug für den Kampf, doch außer Stande, sich jemals gegen ihre Schöpfer aufzulehnen. Anders als ein einst versklavtes Volk, das als Kämpfer gedient hatte und sich in einem verheerenden Aufstand erhob, bis man es endlich vernichtete.

„Ausführende Hand der Stecher an das Hoch-Wort“, wandte sich der Waffenspezialist an den Kommandanten der Nelharab. „Die Speicherstände der Kristalle nähern sich der kritischen Grenze. Ich halte es für angemessen die goldene Energie aus dem hohen Bereitschaftsstatus zu lösen.“

Kelar warf einen kurzen Blick auf Ter-Tesor. „Wie lange bis zur Kristallschmelze?“

Die ausführende Hand der Stecher nannte den Wert. Bevor Kelar reagieren konnte, kam ihm Ter-Tesor zuvor. „Wir bleiben im Bereitschaftsstatus, bis die Schmelze kurz bevor steht.“

„Ich halte dies für unüberlegt und unangemessen“, protestierte der Kommandant. „Ich bin für die Sicherheit der Nelharab verantwortlich.“

„Und ich für den Erfolg der Mission“, erwiderte Ter-Tesor scharf. „Die ausführende Hand der Stecher mag beurteilen, wann die äußerste Grenze erreicht ist.“

Kelar wägte ab, wie erfahren der Waffenspezialist war. „So mag es sein“, lenkte er widerwillig ein. „Ich spreche das Wort“, kündigte er seinen Befehl an. „Die ausführende Hand der Stecher wird den hohen Bereitschaftsstand erst ändern, wenn er die kritische Grenze zur Überlastung für gekommen sieht.“

„Meine Hand folgt deinem Willen“, kam die Bestätigung.

Ter-Tesor spürte die wachsende Unmut zwischen sich und dem Schiffskommandanten. Kelar hatte recht, er war für die Sicherheit von Schiff und Besatzung verantwortlich und selbst ein adliger Geschwaderführer hatte nicht die Kompetenz, sich darüber hinweg zu setzen. Das Kelar nachgegeben hatte, war ein großes Entgegenkommen. Ter-Tesor wusste, dass er dieses nicht überstrapazieren durfte. Die goldene Energie war in den Speicherkristallen ihrer Projektoren angereichert und hielt seit einiger Zeit den höchsten Wert. Die Belastung für die Kristalle war enorm. Wurde die Energie nicht bald abgeleitet und somit gemindert, dann konnten die Kristallsäulen schmelzen oder, was verheerende Zerstörungen nach sich ziehen würde, sogar zerbersten.

„Ausführende Hand der Seher“, meldete sich dieser. „Ich empfange leichte Schwingungswellen.“

„Austritt?“, fragte Ter-Tesor hastig.

Der Ortungsspezialist schwieg einen Moment und konzentrierte sich auf seine Anzeigen. Im Stachelfutteral seines Sitzes bildeten sich Pheromone, als die Schiffssysteme die Ergebnisse der Scanner in feinste Duftmoleküle umwandelten. „Ich bestätige die Schwingungen eines nahen Austritts. Entfernung geschätzt 350. Richtung auf den Bug, ungefähr bei einem Viertelkreis nach Rechts und einem Achtelkreis in der Höhe. Schwingungen werden stärker. Austritt aus dem Schwingungsraum steht unmittelbar bevor.“

„Hand der Sprecher!“ Ter-Tesor trat näher an den Funker heran. „Sofortige Verbindung zu allen Schiffen.“

„Meine Hand folgt deinem Willen“, kam die Entgegnung. Einige Anzeigen im Pult erloschen, andere glühten auf. „Verbindung steht.“

„Höchst-Wort an alle Hoch-Worte: Feindkontakt steht unmittelbar bevor. Entfernung voraussichtlich 350, bei einem Viertelkreis rechts auf den Bug und einer Erhöhung von einem Achtelkreis. Ich spreche das Wort an alle Hoch-Worte und die ausführenden Hände der Stecher: Alle Einheiten ändern den Kurs auf die Austrittsposition des Gegners. Wenn sich bei den Feinden ein Schiff des neuen Typs befindet, so darf dies unter keinen Umständen zerstört werden. Alle Stecher konzentrieren sich auf das dortige Nest der Worte und machen das Schiff handlungsunfähig.“ Mit dem Nest der Worte war nichts anderes als die Brücke des Gegners gemeint. „Die beiden Dreischiffe bleiben zurück und halten sich bereit, die Kleinschiffe mit den Bions und den ausgewählten Händen auszuschleusen. Alle Zweischiffe bilden die Formation der zupackenden Klaue. Sobald der Feind aus dem Schwingungsraum austritt, beschleunigen alle Zweischiffe mit maximaler Fahrt, um die Distanz zu verkürzen und günstige Positionen zum Stechen einzunehmen. Alle Hoch-Worte: bestätigen.“

Die Kommandanten der einzelnen Schiffe bestätigten die Befehle, während Ter-Tesor sich bereits Kelar zuwandte, der inzwischen die Kursänderung der Nelharab befohlen hatte. Am Heck des Schiffes flammten die Schubdüsen auf und beschleunigten das riesige Hantelschiff. „Ich erwarte, dass die Nelharab als Erste am Feind ist.“

Die Pheromone des Kommandanten des überschweren Zweischiffes verrieten seinen Ärger, doch er knickte zustimmend die Fühler nach vorne. „Ich weiß, was das Stammvolk von mir erwartet.“

„Austritt!“, kam es von der Ortung. „Zwei Negaruyen des neuen Typs auf vorausberechneter Position!“

Ter-Tesor empfand eine Mischung aus Freude und Furcht. Gleich zwei der neuen Schiffe. Das erhöhte die Chance eines von ihnen aufzubringen und endlich das Geheimnis der neuen Waffe zu lüften, doch zugleich waren es ernstzunehmende Gegner, auch wenn die eigenen Einheiten in der Überzahl und deutlich größer waren. Nein, Ter-Tesor wollte nicht den Fehler begehen, die Flachschlitz-Nasen zu unterschätzen.

Während die beiden Dreischiffe mit den Truppen ein wenig zurückfielen, beschleunigten die Zweischiffe der Offensiv-Patrouille auf den Feind zu. Er war gerade erst aus dem Schwingungsraum ausgetreten, der die Reise zwischen den Sternen ohne Zeitverlust ermöglichte, und die Negaruyen an Bord mussten noch unter den Auswirkungen der Schwingung leiden. Tatsächlich ließ sich nicht erkennen, dass die Negaruyen auf die Gegenwart des Feindes reagierten.

Während die alten Walzenschiffe einen zylinderförmigen Mittelteil mit halbkugelförmigen Enden an Bug und Heck aufgewiesen hatten, zeigten die neuen Schiffe ein verändertes Design. Der zweihundertvierzig Meter lange und dreißig Meter durchmessende Rumpf wirkte schlanker. Am Bug und in der Mitte befanden sich wulstige Verdickungen, am Heck ein kantiger Kranz, der die Haupttriebwerke beinhaltete. Der bauchige Bug enthielt ein schwächeres Triebwerk, welches die Manövrierbarkeit erhöhte, die Verdickung in der Mitte barg das Kommandozentrum. Unter den Rümpfen, am Ende des vorderen Drittels, waren die Kuppeln sichtbar, welche die gefährlichste Waffe der Negaruyen enthielt: Den Zersetzer.

Jeder raumfahrende Norsun kannte dessen zerstörerische Wirkung. Niemand konnte bislang sagen ob es sich dabei um Partikel, eine reine Strahlungsenergie oder sogar Sporen handelte. Man wusste nur, dass der Zersetzer, dort wo er die Hülle eines Hantelschiffes traf, seinem Namen gerecht wurde. Je nach Intensität zerfiel der Rumpf an der getroffenen Stelle sofort zu Staub oder es breitete sich von dort eine Art Metallfraß aus, der sich rasch über das Schiff ausdehnte. In letzterem Fall gab es noch Hoffnung für die Besatzung, auch wenn sie nicht von einem anderen Schiff aufgenommen werden konnte, da der Metallfraß sonst übertragen wurde. Aber man konnte eine bestimmte Welt anfliegen. Mit etwas Glück und genügend Zeit landete man dort, überließ das Schiff seinem Ende und wurde von speziellen Bergungseinheiten an Bord genommen. Inzwischen gab es eine ganze Reihe von Schiffen, welche dieses Schicksal ereilt hatte.

Die starken Triebwerke brachten die Norsun rasch näher an den Feind. Bald würde man in der Lage sein, die goldene Energie einzusetzen.

Ter-Tesor hoffte bereits, das alles nach Plan verlaufen würde, als der Feind unerwartet schnell zum Leben erwachte.

Es waren nicht die erwarteten Verteidigungssysteme, die eigenständig aktiv wurden sobald ein Schiff angegriffen wurde und sich gegen Strahlen oder Projektile zur Wehr setzen musste. Nein, bei einer der Walzen gleißte ein grün schillernder Strahl, der den Hanteln mit Lichtgeschwindigkeit entgegen eilte. Da sich die Gegner zudem mit erheblicher Fahrt näherten, schien der Lichtfinger des Zersetzers sogar noch schneller zu sein.

Der Zersetzer traf einen der kleineren Kreuzer. Die vordere 200-Meter-Kugel des Bugs leuchtete auf, ihr Grün wurde intensiver und dann schlagartig stumpf. Die Farbe wechselte zu einem düsteren Grau. Die Hülle war innerhalb von Augenblicken derartig geschwächt, dass sie dem Innendruck der Schiffsatmosphäre nicht mehr standhielt. Der gesamte Bug löste sich in einer expandierenden Wolke aus großen Trümmern und winzigen Partikeln auf, aus der sich das Mittelteil und das Heck hervor schoben. Auch sie waren der Vernichtung geweiht, denn innerhalb einer kaum messbaren Zeit passierten sie die Überreste des Bugs und fielen dem Zersetzer ebenfalls zum Opfer. Der gesamte Vorgang hatte kaum eine Minute gedauert und über dreihundert Norsun das Leben gekostet.

Das andere Walzenschiff reagierte noch nicht. Ter-Tesor fragte sich, ob es vielleicht an Bord des Angreifers eine Handvoll Negaruyen gab, die mit dem Schwingungswechsel besser zurecht kamen, als andere.

Die Hasgarab, das Schwesterschiff der Nelharab, erwiderte das Feuer. Zwei ihrer Projektoren formten die goldene Energie in gleißende Finger, die den Negaruyen entgegen stießen. Doch die Entfernung war noch viel zu groß, um diese zu erreichen.

Die ausführende Hand der Stecher an Bord des Flaggschiffes machte es besser. Ter-Tesor registrierte wie die eigenen Projektoren einen dichten Strom goldener Kugeln entließen. Er knickte seine Fühler beifällig vor. Natürlich würden auch diese Energieprojektile die Walzen nicht erreichen, aber ihr dichter Schwarm konnte die Wirkung des Zersetzers abschwächen.

„Näher an den Feind!“, befahl Hoch-Wort Kelar. „Maximale Beschleunigung!“

Die ausführende Hand des Schiffes bestätigte hastig. Der Pilot schob die Kristalle der Triebwerkssteuerung tiefer in das Pult hinein. Von den grell flammenden Säulen der Antriebsstrahlen geschoben, raste die riesige Hantel auf die Gegner zu, bemüht, den Abstand möglichst schnell zu verkürzen und die eigenen Waffen endlich effektiv einsetzen zu können.

Das aktive Negaruyen-Schiff feuerte erneut. Diesmal raste das grüne Schimmern auf eines der Dreischiffe der 400-Meter-Klasse zu. Der Zersetzer brauchte seine Zeit, um das Ziel zu erreichen und an Bord der Dreier-Hantel erkannte man die Gefahr. Die Bugtriebwerke blitzten auf, als der Pilot das Schiff aus dem Kurs riss. Dennoch wurde die Heckkugel vom Zersetzer gestreift. Die Hantel zerfiel nicht, aber die Bildübertragung zeigte, dass sich die grüne Hülle an einer Stelle in ein stumpfes Grau zu verwandeln begann.

 

Ter-Tesor wusste aus Erfahrung, dass die Besatzung dies nicht unbedingt bemerken würde, bis die Außenhülle nachgab oder irgendwelche Systeme an Bord ausfielen. „Ausführende Hand der Sprecher: Mein Wort an die Kenanharab übermitteln. Das Schiff wurde vom Stachel des Zersetzers berührt und ist verloren. Sein Hoch-Wort soll versuchen die Quarantäne-Welt zu erreichen.“

Das zweite Feindschiff wurde noch immer nicht aktiv.

Endlich waren die Nelharab und die Hasgarab am Feind. Die gegnerischen Zersetzer benötigten eine Weile, um sich zum nächsten Schuss zu regenerieren und Ter-Tesor war erleichtert, dass den Negaruyen im Augenblick nur die üblichen Waffen verfügbar waren. Weißglühende Lichtstrahlen und Raketengeschosse lösten sich aus den Geschützstationen des Walzenschiffes, doch gegen diese Angriffe schützte die goldene Energie, die von den beiden Norsun-Schlachtschiffen zu schützenden Wänden geformt wurde.

Jetzt stießen die Energiefinger erneut gegen beide Gegner, die nur von ihren Verteidigungssystemen und dem gepanzerten Rumpf geschützt waren.

Das aktive Walzenschiff wurde gleich mehrfach getroffen. Die formbare Energie erinnerte an Tentakel, als sie den blauen Rumpf traf, sich ein wenig zu krümmen schien, als sie das Metall an verschiedenen Stellen durchdrang. Der bläuliche Panzer schien von innen heraus aufzuglühen, dann zerplatzte das Raumschiff in zahlreiche Fragmente. Für einen Augenblick stand ein flammender Glutball an seiner Stelle, als die Atmosphäre in einem kurzen Flackern verbrannte.

„Nur die Nelharab und nur das Nest der Worte!“, befahl Ter-Tesor erregt, der nun befürchtete, die ausführenden Hände der Stecher könnten das geballte Feuer auf den letzten Feind konzentrieren.

Seine Weisung erreichte die Hasgarab eine Sekunde zu spät. Glücklicherweise stieß deren goldene Energie knapp am Rumpf des letzten Negaruyen vorbei. Der Schütze der Nelharab hingegen traf. Der Energiefinger traf genau ins Zentrum der mittleren Verdickung der Walze, brannte sich durch Wände und Decks und verwandelte den Mittelteil in ein aufglühendes Inferno. Die Negaruyen-Offiziere auf der Brücke hatten keine Chance.

Die inneren Schutzsysteme der Walze funktionierten. Die einzelnen Abteilungen waren luftdicht abgeschottet. Während die Mitte des Schiffes nun einen ausgebrannten Tunnel aufwies, blieben Bug und Heck intakt. Hier zeigte sich eine Schwäche der feindlichen Konstruktionen, denn ohne die steuernde Brücke fiel sämtliche Energie aus. Waffensysteme, Triebwerke, Lebenserhaltungssysteme und Beleuchtung stellten ihre Funktionen ein.

Ter-Tesors Schlitzpupillen in der Mitte seiner Facettenaugen verengten sich für einen Moment. Pheromone verrieten das Ausmaß seiner Erregung. „Mein Wort an Hoch-Wort Neldor von der Branab: Er soll die Kleinschiffe und seine Stachel ausschleusen. Nun werden wir endlich erfahren, wie die Waffe der Flachschlitz-Nasen erschaffen ist.“