Perry Rhodan - Die Chronik

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(aus: S.F.-PERRY RHODAN-Magazin Nr. 2, Februar 1980)

Der Zeichner der Serie

Mit K. H. Scheer, Clark Darlton, Kurt Mahr und W. W. Shols war im Frühjahr 1961 das Autorenteam für PERRY RHODAN komplett. Was noch fehlte, war ein Titelbildkünstler. Hier kam eigentlich nur ein Kandidat in Frage, nämlich Johnny Bruck. Der frühere Tier- und Naturzeichner verfügte über die Mischung aus Phantasie und Realismus, um den vielfältigen Motiven gerecht zu werden, die sich aus der Serie ergeben würden. Und außerdem war Bruck schnell – eine bittere Notwendigkeit in Zeiten, in denen ein Zeichner für fünf Innenillustrationen gerade einmal fünfzehn Mark erhielt …

Kurzbiografie: Johnny Bruck

Johannes Herbert Bruck wurde am 22. März 1921 in Halle/Saale geboren und verstarb am 6. Oktober 1995 an den Folgen eines Unfalls mit seinem Motorroller. Die ersten sechs Lebensjahre hatte er in Großbritannien verbracht, und mit sieben fertigte er bereits erste Tierzeichnungen an. Als Vierzehnjähriger riss er von zu Hause aus, weil er in die Südsee fahren wollte, wurde jedoch nach zwei Tagen entdeckt und wieder zurückgeschickt. Von 1936 bis 1938 machte er eine Lehre als Photolithograph und meldete sich zur Kriegsmarine. Nachdem sein Schiff versenkt worden war, lernte er im Lazarett den österreichischen Maler Hans Liska kennen, der als Werbegraphiker arbeitete und später jahrelang für Daimler-Benz tätig sein sollte. Bruck wurde zu einem Bewährungsbataillon nach Russland geschickt und wegen Überziehens seines Heimaturlaubs um zehn Stunden zum Tode verurteilt. Nur die deutsche Kapitulation bewahrte ihn vor einem Erschießungskommando der Nazis. Der deutsche Seeoffizier und Schriftsteller Felix Graf Luckner erwirkte seine vorzeitige Entlassung aus der britischen Kriegsgefangenschaft. Bruck ging nach Hamburg, wo er seine erste Ehefrau kennen lernte. Im Herbst 1945 zogen sie nach Goslar in den Harz, und die Kinder Gerd und Verena wurden geboren. Bruck arbeitete nun als Journalist und Illustrator unter anderem für DIE WELT und die HANNOVERSCHE PRESSE. Ab 1957 entstanden erste Titelbilder für den Uta Verlag, der Heftserien wie BILLY JENKINS und TOM PROX herausbrachte und 1960 von Erich Pabel übernommen wurde. Im Auftrag von Pabel und Heyne entstanden zahlreiche Titelbilder für Kriminalromane, Abenteuergeschichten und Kriegsbücher, aber auch Illustrationen für Jagdzeitschriften. Ihre Zahl ging bereits 1959, als er von Goslar nach München verzog, dem Sitz des Moewig Verlages, weit in die Hunderte, und allein für die PERRY RHODAN-Heftserie fertigte er bis Band 1799, »Der Kreis schließt sich«, alle Titelbilder an. Hinzu kamen mehr als tausend weitere für ATLAN, die PLANETENROMANE und andere SF-Reihen des Verlages. Seine kollagenartigen Bilder enthalten häufig Zitate, wobei er sich gelegentlich bei Surrealisten bediente. Gelegentlich signierte er mit Willis, J. Plasterer, Jo Shot und Johnny Crash. Als passionierter Jäger malte er am liebsten Tiere, und seine Gemälde aus dem Waidwerk erzielen unter Liebhabern immer noch steigende Preise.

Interview: Ganz privat mit Johnny Bruck – Ein Interview von Hans Gamber und Wolfgang J. Fuchs

Hatten Sie schon immer künstlerische Ambitionen?

Ich bin, abgesehen von einigen Semestern Aktzeichnen, die mir das nötige anatomische Rüstzeug gaben, absoluter Autodidakt. Dass ich ein Künstler sei, behaupten nur die anderen. Erblich belastet, beschmierte ich schon als Baby alles Erreichbare. Ich bin 1921 geboren, wuchs bis zum siebten Jahr in England auf und kam dann nach Hamburg. Hier fing das bewusste Zeichnen an. Gelegentlich schwänzte ich sogar die Schule, um Tiere im Hagenbecker Zoo zu zeichnen. Mit acht Jahren brauchte ich schon nicht mehr darunterzuschreiben, was es darstellen sollte.

Kam Ihnen da schon der Gedanke, einmal in Ihrer jetzigen Richtung tätig zu sein?

Nein, ich las damals zwar schon mit Begeisterung ROLF TORRING, JÖRN FARROW, BILLY JENKINS und andere, hatte aber noch keine Ahnung, dass ich diese Serien später alle selbst mitgestalten würde. Der Grundstein wurde eigentlich erst in meiner recht nassen Marinezeit gelegt, als ich den bekannten Kriegszeichner Hans Liska kennen und bewundern lernte. Neben später hinzukommenden Größen wie Rockwell, Blainsdell, Emsch und anderen wurde er zum Kaffeesatz für mein damals noch aquarellistisches Schaffen. Leider wurden alle meine Frühwerke durch Ausbomben vernichtet.

Wie war Ihr journalistischer Werdegang?

1938 fing ich bei der WELT an, die damals noch als englische Lizenzausgabe unter Pferdmenges lief. Neben dem Schreiben kam es mir sehr gelegen, mit Vergnügen politische Karikaturen zu zeichnen. Meine damals schon zeichnerisch große Vertrautheit mit der Tierwelt kam mir dabei sehr zustatten. Von Hamburg ging’s mit zunehmend südlichem Trend nach Goslar, von wo aus ich zusätzlich für hannoversche, Braunschweiger und andere Blätter tätig wurde. Schon damals kam mir mein Faible für Collagen zugute. Einem Pressefotografen schwindelte ich den auf seinem Bild fehlenden Adenauer plus Heinemann ins Bild. Das brachte mir eine Buddel Whisky ein, dem ich seither treu blieb.

Sind eigentlich die Collagen, die Sie seit einiger Zeit machen, einfacher oder schwieriger als normale Bilder?

Fast eine Kardinalfrage, weil sie mir oft gestellt wird. Sie machen wesentlich mehr Arbeit, weil ja im Endeffekt alles zusammenpassen muss. Erstens muss ich mir alles für teures Geld – zumeist im Ausland – beschaffen, da ich Kalendergrößen brauche und bei uns stereotype Alpenpanoramen mit Blümchenwiesen dominieren, obwohl es in der Türkei oder in Island skurrile Felsformationen gibt, die jedem Fremdplaneten zur Ehre gereichen würden.

Wie stehen Sie zu PERRY RHODAN und seinen Autoren?

Nachdem ich 1961 zusammen mit meiner Frau und einem Nachbarn zum ersten Mal ein unbekanntes Flugobjekt am Himmel sah – es wurde weltweit darüber berichtet –, hat mein Verhältnis zu außerirdischen und sonstigen damit verbundenen Träumen nahezu Vollkommenheit erlangt, obwohl ich bis heute UFOs noch sehr skeptisch gegenüberstehe. Jedenfalls bewundere ich abstrichlos unsere Autoren, weil sie es fertigbrachten, der Person Perry Rhodan weltweit echte Glaubwürdigkeit plus scheinbarer Unsterblichkeit einzuhauchen, ohne gleich einen Persönlichkeitskult mit ihm zu betreiben. Zu den Autoren selbst habe ich ausgesprochen gute Beziehungen. Hier herrscht gegenseitiger Respekt ohne unnötige Kritikasterei. Sie sagen mir nicht, was ich pinseln muss, und ich sage ihnen nicht, wie sie zu schreiben haben.

(aus: S.F.-PERRY RHODAN-Magazin Nr. 1, Januar 1980)

Der Startschuss fällt

Am 8. September 1961 war es schließlich so weit: »Unternehmen Stardust« wurde in einer Auflage von 35.000 Exemplaren ausgeliefert. Nach einigen Wochen stellte sich heraus, dass es keine Remittenden gab, der Roman also ausverkauft war. Geschäftsführer Rolf Heyne gab sofort Anweisung, die ersten beiden Hefte nachzudrucken und das Honorar Scheers und Darltons um fünfzig Mark zu erhöhen.

Scheer war bereits vor dem Verkaufsstart klar geworden, dass die Koordination des Projekts sich verzwickter gestalten würde als erwartet. Die Entfernung zwischen dem hessischen Friedrichsdorf und Irschenberg in Oberbayern machte eine ständige Verbindung zwischen ihm und Darlton unmöglich. Und bereits bei den allerersten Romanen war es zu einem fatalen Ausrutscher gekommen – so meinte jedenfalls Scheer.

Im vierten Roman, der unter dem Titel »Götterdämmerung« erscheinen sollte, ließ Darlton im Vorgriff auf das Mutantenkorps vier übersinnlich begabte Menschen auftreten, darunter den Hellseher Ernst Ellert, der seinen Geist aus dem Körper lösen und in die Zukunft vordringen kann. Eine faszinierende Figur, aber konsequent angewandt musste sie die Serienstruktur gefährden. Wenn Perry Rhodan durch die Fähigkeiten Ellerts stets über bevorstehende Gefahren informiert war, wurde der Handlung die Spannung genommen. Scheer forderte kategorisch Ellerts Heldentod. Darlton dachte gar nicht daran. Im siebten Roman ließ er Ellert einen Unfall erleiden, der seinen Körper in ein Koma versetzte, während seine Seele durch Raum und Zeit irrte. Irgendwann würde Ernst Ellert zurückkehren …

Für Scheer stellten die Exposés eine »Bibel« dar – und nur die bedingungslose Vorgabentreue konnte jene inhaltliche Verzahnung der Romane garantieren, die er als selbstverständlichen Idealzustand anstrebte. Es war ein Verlangen, dessen Umsetzung sich jedoch immer schwieriger gestalten sollte.

Auf Talentsuche

In der Zwischenzeit ging die Suche nach zusätzlichen Autoren weiter. Durch den produktionsbedingten Vorlauf lagen beim Serienstart im September bereits knapp zwanzig Manuskripte vor, und schon jetzt geriet W. W. Shols durch seinen anspruchsvollen Hauptberuf in Terminschwierigkeiten. Mit handfesten Folgen: Das von Shols verfasste Heft 13 »Die Festung der sechs Monde« wurde vom Verlag abgelehnt. Scheer musste es im Eiltempo neu schreiben. Heft 18, das ebenfalls für Shols vorgesehen war, wurde an Clark Darlton abgegeben. In diesem Heft erschien erstmals der bis heute berühmteste Außerirdische der Serie – ein Mausbiber namens Gucky, der zwar klein war, aber es mit Hilfe zahlreicher übersinnlicher Fähigkeiten wie Telepathie, Telekinese und Teleportation mehr als faustdick hinter den großen Tellerohren hatte.

Im November 1961 erinnerte sich Kurt Bernhardt an das Schreiben eines SF-Autors, der ein Manuskript eingereicht und offenbar Interesse an einer festen Mitarbeit hatte. In einem Brief vom 8. des Monats teilte er ihm die Annahme des Romans mit, wobei das Honorar, auch in seinem Fall die üblichen 500 Mark, wie gewöhnlich in zwei Raten zahlbar war, und wies ihn auf die PERRY RHODAN-Serie hin. Kurt Brand, so der Name des Glücklichen, setzte sich sogleich mit K. H. Scheer in Verbindung.

 

Brand war ein Mann schneller Entschlüsse. Vierzehn Tage später traf er sich mit Scheer in Friedrichsdorf. Die beiden redeten sich die Köpfe heiß, wobei Scheer die anfänglichen Bedenken Brands, durch die Exposévorgaben in seiner Kreativität eingeschränkt zu sein, rasch zerstreute. Bernhardt hatte Brand die ersten elf Romane zugeschickt, und der Neuzugang hatte sie »in einem Rutsch« an einem Wochenende durchgelesen. Aber die Kopfschmerzen, die Brand sich damit einhandelte, lohnten sich. Scheer verfasste ein Sonderexposé für Brand, in dem er die wichtigsten Handlungsdaten der mittlerweile knapp dreißig Romane zusammenfasste. Dabei fiel ihm auf, dass er mittlerweile selbst mit dem wachsenden Datenwust Probleme bekam.

PERRY RHODAN wird fortgesetzt

Im Januar des nächsten Jahres lag mit Heft 19, »Der Unsterbliche«, der zweite große Erzählabschnitt der Serie – die Suche nach dem Planeten der Unsterblichkeit – fast vollständig vor. Figuren wie Perry Rhodan, sein Freund und Stellvertreter Reginald Bull, die Arkoniden Crest und Thora, das Mutantenkorps, der Mausbiber Gucky und natürlich das geheimnisvolle und unsterbliche Geistwesen ES sowie außerirdische Völker wie die fast menschlichen, blauhäutigen Ferronen oder die reptilienartigen Topsider sollten den Lesern noch jahrelang im Gedächtnis bleiben.

Hinter den Kulissen war man Ende des Jahres schon längst weiter. Fünf Hefte lang ließen die Autoren Rhodan & Co. auf der Erde und der Venus agieren. Der sonnennähere Nachbarplanet wurde dabei als von Sauriern und Meeresungeheuern bevölkerte Dschungelwelt beschrieben. Damit lehnte sich das Team an die Beschreibungen von Edgar Rice Burroughs und Otis Adalbert Kline in den Romanen und Erzählungen aus den 1930ern an. Die Venus war für die Autoren ein Planet wie die Erde – nur eben ein bisschen feucht, etwas wärmer und sehr viel geheimnisvoller.

Sie wussten es nicht besser, so wenig wie der Rest der Welt. Im Februar 1961 war eine sowjetische Venussonde, »Venera I«, lange vor Erreichen ihres Ziels verstummt, und erst im Dezember 1962 entlarvte die amerikanische Sonde »Mariner II« den Abendstern als lebensfeindlichen Himmelskörper mit einer Oberflächentemperatur von 480 Grad Celsius. Widersprüchlichkeiten dieser Art wirkten allerdings auf die Leser eher anregend: Sie ergingen sich in Theorien, wie Rhodans Erlebnisse mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen in Einklang zu bringen seien.

Die folgenden drei Romane schilderten die Bedrohung durch den bösartigen Mutanten Clifford Monterny, genannt der »Overhead«. In ihnen hatte eine der wohl bizarrsten Gestalten der Serie, der doppelköpfige russische Mutant Iwan Iwanowitsch Goratschin, ihren ersten Auftritt. Erstmals hatte ein Scheer’sches Exposé ein körperliches Monstrum zum Sympathieträger gemacht, und Clark Darlton wurde der Aufgabe seiner Schilderung einfühlsam gerecht.

Mit dem Volk der Springer, das Terras wachsende Handelsmacht vereinnahmen will, wurde der Boden bereitet für die Rückkehr von Crest und Thora in ihr Heimatsystem. Scheer dachte jedoch schon weiter. Die Terraner unter Rhodan sollten eine wichtige Rolle in der Galaxis spielen.

Essay: Die Einführung der Zyklen – von William Voltz

Als die PERRY RHODAN-Serie gestartet wurde, war den Autoren, die die Serie damals gründeten, Herrn Scheer und Herrn Ernsting, gar nicht bewusst, dass sie einmal in Zyklen weitergeführt werden sollte, denn PERRY RHODAN war, das ist von Verlagsseite her bekannt, ein Experiment. Es war daran gedacht, vielleicht dreißig Bände zu veröffentlichen. Nachdem sich jedoch anhand der Leserreaktion herausstellte, dass der Erfolg vorhanden war, machte man sich Gedanken, wie man die Serie fortführen könnte, und so entstand die Idee, richtige Handlungsblöcke zu bringen, in denen Epochen dieser Menschheitsgeschichte en bloc dargestellt wurden.

Im Nachhinein erhielt auch der erste Teil der Serie, die Bände 1 bis 50, noch einen Namen. Er wurde »Die Dritte Macht« genannt. Die »Dritte Macht«, das waren Perry Rhodan und seine Freunde, die mit Hilfe der arkonidischen Technik, die sie auf dem Mond fanden, einen Dritten Weltkrieg verhindern konnten.

Die Entwicklung ging dann weiter. Die Serie bearbeitete ein immer größeres Handlungsfeld, mit anderen Worten: Die Zyklen wurden länger. Zunächst machten wir noch den Fehler, dass wir die Zyklen genau in Bände einteilten. Wir sagten, der Arkon-Zyklus, der dauert jetzt meinetwegen von Band 50 bis Band 100 und ist dann abgeschlossen. Das hat sich als Fehler erwiesen, weil man eine geschichtliche Entwicklung niemals als abgeschlossen betrachten kann. Wir mussten vielmehr erkennen, dass Ereignisse aus der Vergangenheit bis in die ferne Zukunft hineinwirken. Und das versuchen wir nun in den neuesten Zyklen darzustellen.

Die Zyklen sind also unterschiedlich lang. Es gibt Zyklen, die hundertzwanzig Bände lang sind, und dann gibt es auch wieder Zyklen, die zwanzig oder dreißig Bände lang sind. In den ersten Zyklen ging es noch darum, der Menschheit, die begann, sich in den Weltraum auszubreiten, einen Platz zu verschaffen, ihr das Überleben im Weltraum im technischen Sinne zu ermöglichen und ihr auch eine Denkweise mitzugeben, die es ihr gestattet, innerhalb des Weltraums zu leben. Es gibt da nämlich gewisse psychologische Schwierigkeiten – etwa bei Menschen, die auf anderen Planeten geboren werden und dann mit Vorstellungen der so genannten »Urterraner« konfrontiert werden, der »Ur-Menschen«. Das waren die ersten Konfliktstoffe, auch im Zusammenhang mit anderen Völkern, die sich innerhalb unserer Galaxis bereits als raumfahrende Zivilisationen etabliert hatten. Es kam zu Kontakten und Konflikten und so weiter.

Im Laufe der Serie zeigte sich dann, dass auch dieses Konzept nicht mehr länger befriedigte, weil es im Klischee zu erstarren drohte. Wir waren ursprünglich davon ausgegangen, dass der Mensch innerhalb des Kosmos fest etabliert ist, und zwar von Anfang an. Wir unterstellten einfach, dass er irgendwann einmal aus dem Weltraum zur Erde gekommen war, in welcher Form auch immer. Und wir unterstellten, dass der Mensch eventuell später wieder dorthin zurückkehren könnte.

(Aus einem Radio-Interview, das Jochen Maes

am 25.11.1977 mit William Voltz führte)


K. H. Scheer © VPM


Der langjährige PERRY RHODAN-Lektor Günter M. Schelwokat © VPM


Clark Darlton © VPM


Kurt Bernhardt, die Hebamme und Graue Eminenz der Serie © VPM


Lockvögel, Barkoniden und Kugelwesen

Die Erfinder von PERRY RHODAN erfreuten sich in dieser Zeit unvermindert eines schriftstellerischen Hochs. In Heft 28 hatte K. H. Scheer, der wie Clark Darlton parallel noch serienunabhängige Romane verfasste, die Figur des kosmischen Lockvogels Julian Tifflor erschaffen, eines Kadetten, dem Rhodan heimlich einen »Mikro-Zellaktivator« implantieren lässt, der die Zellschwingungen seines Trägers so verändert, dass er zu einem von Telepathen wahrnehmbaren Sender wird. Tifflor blieb der Serie bis heute, immerhin fünfzig Jahre später, in leitender Funktion erhalten.

Und hier zeigt sich bereits, wie viel Sorgfalt selbst rückbezüglich für die Entwicklung der Serie aufgewendet wurde: Als Band vier der PERRY RHODAN SILBERBÄNDE erschien, einer noch heute laufenden Hardcover-Ausgabe der Serie, nahm William Voltz als Bearbeiter eine Änderung vor: Da der Begriff Zellaktivator im weiteren Verlauf der Handlung anderweitig besetzt worden war, benannte er das Gerät, das Tifflor eingeplanzt wurde, in »Mikro-Zellschwingungs-Modulator« um – was auch faktisch besser passte. In der jahrzehntelangen Geschichte der Serie wurde, so weit irgend möglich, immer auf die innere Logik der Handlung geachtet.

Ähnlich prägend wie die Einführung der Figur Julian Tifflors war auch die Erschaffung des Volks der Barkoniden in Heft 32 »Ausflug in die Unendlichkeit« durch Clark Darlton. Barkoniden – das war rein begrifflich eine »Verhohnepiepelung« der Arkoniden. Ihre Erschaffung war im Exposé von Scheer nicht vorgesehen gewesen und sollte ihm lange Zeit ein Dorn im Auge bleiben, zumal Darlton außer Rand und Band seiner Phantasie völlig freien Lauf gelassen hatte: Nachdem vor rund einer Million Jahren, schreibt er in seinem Roman, das Sonnensystem der Barkoniden aus der Milchstraße in den interstellaren Raum gerissen worden war, verwandelten sie ihren Planeten in ein gigantisches Raumschiff und machten sich damit auf die Reise, um so eines Tages wieder in die heimatliche Milchstraße zurückzukehren. Darlton verschaffte ihnen in seinem Roman erstmals Besuch von Perry Rhodan, den die Superintelligenz ES in den Leeraum geführt hatte. Kein Wort davon hatte im Exposé gestanden.

Darltons zweites Highlight des Jahres war die Erfindung des Kugelwesens Harno in Heft 37 »Ein Planet spielt verrückt«. Der durch kosmischen Zufall entstandene Vagabund, der selbst im absoluten Vakuum zu leben vermag, kann auf seiner Oberfläche Fernsehbilder von allen erdenklichen Orten des Universums entstehen lassen. Erst acht Jahre später, in Heft 420, enthüllte Darlton, dass es sich bei ihm um den materiellen Bestandteil einer gewaltigen Energiewolke im Antimaterie-Universum der Accalauries handelt, der in unser Universum geschleudert wurde. Eigentlich hatte das sein letzter Auftritt sein sollen. Im Exposé von K. H. Scheer stand wörtlich:

»Harno fliegt mit (den Accalauries) zurück in seine Heimat (das Antimaterie-Universum), die er seit 1,2 Millionen Jahren vergeblich gesucht hatte. Er verabschiedet sich von Rhodan und erklärt, auch er müsse für immer verschwinden.

Bitte diese Angaben genau beachten und nicht nach eigenem Ermessen so korrigieren, dass Harno doch noch existiert.«

Ein Segen, dass Clark Darlton sich nicht daran gehalten hatte. Bis Harno im Jahre 3587 mit Ribald Corello, Ernst Ellert und den anderen Altmutanten in ES aufging, erlangte er als Weggefährte und Helfer der Menschheit nahezu Kultstatus.

Die Dumpfbackigkeit der deutschen Science Fiction

Von Anfang an war klar gewesen, dass ein Autorenstamm von vier Personen für eine wöchentliche Serie einfach zu wenig ist – zumal Scheer durch das Schreiben der Exposés stark eingebunden war. Das Ausscheiden von W. W. Shols nach nur vier Heften hatte diese Situation nur noch schmerzlicher deutlich gemacht.

Bei ihrer Suche nach möglicher Verstärkung war die Auswahl an geeigneten Kollegen leider nicht so groß, wie man meinen sollte. Anfang der Sechzigerjahre herrschte in Sachen Science Fiction noch eine gewisse Dumpfbackigkeit in Deutschland vor – eine moderne Auffassung des Genres nach amerikanischem Vorbild war erst im Entstehen und wurde nicht zuletzt durch PERRY RHODAN geschaffen. Woher sollte also das frische Blut kommen, das Ideenreichtum, Engagement und schriftstellerisches Können vereinte?

In einem E-Mail-Wechsel mit dem Verfasser dieses Buches meinte der SF-Experte Hermann Urbanek dazu im Juni 2010: »Andere Autoren gab es zwar, aber die waren nicht wirklich gut, oder sie passten vom Stil oder der Auffassung von SF nicht ins Team. Man denke nur an Eberhard Seitz alias J. E. Wells oder Paul Alfred Müller alias Freder van Holk, den SUN-KOH-Autor. Klar, im Leihbuch veröffentlichten zahlreiche deutsche Autoren ›utopische Romane‹, aber die hatten alle nicht das Niveau der Autoren, die die neue Serie starteten. Dazu kam natürlich auch der Druck, zu einem bestimmten Zeitpunkt das Manuskript abzuliefern, was ja auch Shols à la longue nicht geschafft hat, weil er nur Freizeit-Autor war. Andere hingegen dürften weitergehende Ambitionen gehabt haben, wie Jürgen vom Scheidt oder Jesco von Puttkamer. Wobei ich nicht weiß, ob überhaupt daran gedacht gewesen war, sie als mögliche Mitarbeiter der Serie anzusprechen.«

Die letztgenannten Autoren sind beide gebürtige Leipziger, erlebten beide die deutsche SF-Szene der Endfünfziger – und gingen sehr entschieden eigene Wege. Jürgen vom Scheidt, geboren 1940, veröffentlichte bereits mit siebzehn Jahren den SF-Roman »Männer gegen Zeit und Raum«, auf den er noch drei weitere folgen ließ, teilweise unter dem Pseudonym Thomas Landfinder, bevor er sich Sachbüchern zu psychologischen Themen zuwandte. Er veröffentlichte auch mehrere SF-Anthologien und gibt seit 1979 Seminare in Creative Writing. Der sieben Jahre ältere Jesco Freiherr von Puttkamer schrieb zwischen 1957 und 1961 sogar sieben SF-Romane, darunter einen gemeinsam mit seinem Freund Clark Darlton. Er machte in dessen Geburtsstadt Konstanz das Abitur und wanderte 1963 in die USA aus, wo er in Huntsville/Alabama im Team von Wernher von Braun am Apollo-Programm mitarbeitete. Er war an Skylab, dem Space Shuttle und anderen Projekten beteiligt und arbeitete als technischer Berater am ersten STAR TREK-Kinofilm mit. Heute ist er in führender Stellung an der Internationalen Raumstation ISS und der Realisierung des langfristigen Mond-Mars-Programms der NASA beteiligt.

 

Vom Scheidt und von Puttkamer verkörpern gewissermaßen die beiden grundsätzlichen neuen Richtungen der Science Fiction – den Innenraum und den Außenraum. Es herrschte somit kein Mangel an hochqualifizierten Denkern, aber Autoren von ähnlichem Kaliber, die einfach spannend und ideenreich schreiben konnten, und das noch unter der strikten Einhaltung von Abgabeterminen, waren dünn gesät. Hier musste auf die alten Recken zurückgegriffen werden, und tatsächlich fand sich auch ein erfahrener Erzähler.

Überschäumend und begeistert: Kurt Brand

Bei seinem Einstieg in die PERRY RHODAN-Serie konnte der 1917 in Wuppertal-Barmen geborene Rudolf Kurt Brand bereits auf rund einhundertfünfzig Romane zurückblicken, die unter zahlreichen Pseudonymen erschienen waren.

Zunächst hatte er Western und Krimis geschrieben, aber 1951 den Roman »Türme in der Sahara« veröffentlicht, auf den ab 1956 zwei Dutzend weitere SF-Titel gefolgt waren – auch unter dem Namen C. R. Munro. Er betrachtete sich als »intuitiven« Schriftsteller, der aus dem Bauch heraus schrieb, und das in allen Genres. Wie Heiko Langhans in seiner Scheer-Biografie so schön formuliert: »Hinzu kamen eigenartige Syntax-Vorstellungen und eine geniale Unbekümmertheit im Umgang mit seinen Vorgaben, sprich: mit den Exposés. Fast schien es, als schreibe er oft deshalb so kurze Sätze, damit er mit dem Tempo der Bilder in seinem Kopf mithalten könnte, was besonders auf Action-Szenen zutraf.«

Aber Kurt Brand hatte eine Entschuldigung, die immer und überall zog: Er schrieb unglaublich spannend!

Und das wird auch der Grund gewesen sein, weshalb Kurt Bernhardt ihm am 7. November 1961 die Mitarbeit an der Serie anbot. Gleich am folgenden Tag soll er ihm die elf bereits gedruckten Romane zugeschickt haben. Brand spricht in seinen Erinnerungen davon, dass ein Bekannter ihm Band 5 der Serie kurz unter die Nase gehalten hatte. Seine Neugier wurde geweckt, doch die Serie war »an Kiosken und in Buchhandlungen« nicht zu erwerben gewesen – vermutlich wegen des überraschend hohen und schnellen Abverkaufs. Durchaus möglich, dass Brand sich daraufhin wegen einiger Leseexemplare an Bernhardt gewandt hatte. Jedenfalls erklärt Brand im WERKSTATTBAND, dass er »an einem Samstagmorgen die erste PERRY RHODAN-Story zur Hand« nahm. »Einen Tag später, Sonntag abends, kannte ich, vollkommen übernächtigt, auch die neunzehnte Story ›Der Unsterbliche‹. Über meine damaligen Kopfschmerzen sollte kein Wort verloren werden. Sie spielten gegenüber meiner Begeisterung für die PR-Aufzeichnungen keine Rolle.«

Am 23. November trafen sich Brand und K. H. Scheer in Friedrichsdorf, und es gab »zwischen uns nur ein Thema: Perry Rhodans Erlebnisse und die seiner Mitarbeiter, deren Zahl sich kontinuierlich vermehrte. Karl-Herberts Optimismus, die Chronik müsse ein geschäftlicher Erfolg werden, war ansteckend« – und Brands Bedenken, dass das Schreiben nach Exposés ihn in seiner Kreativität einschränken würde, wurden rasch zerstreut.

Wie er 1986 selber sagt, sah es für ihn anfangs etwas problematisch aus, »denn als ich meinen ersten PR-Bericht schreiben sollte, befand sich die neunundzwanzigste Story schon in Arbeit, und dadurch klaffte zwischen den Nummern neunzehn bis neunundzwanzig eine fühlbare Lücke.« Und Brand sollte Band 34 schreiben. »Mit impulsiver Hilfsbereitschaft half K. H. Scheer aus und lieferte mir auf dreizehn Manuskriptseiten in komprimierter Form alle wichtigen Daten, die den schon längst abgefassten, aber noch nicht veröffentlichten Berichten mit ihren Figuren und ihrer Technik Charakter gaben.«

Mit anderen Worten: Scheer schrieb ihm ein Sonderexposé mit den wesentlichen Daten als Einstiegshilfe, und ein gewisser Jemand »hatte nun seinen ersten PR-Bericht (Roman) zu schreiben und ›schwamm‹, wie er über Schreiben noch nie ins ›Schwimmen‹ geraten war. Aus dieser Arbeit entstand die Story ›Levtan, der Verräter‹, aber bis der Jemand nach Abschluss des Manuskriptes das phantastisch klingende Wort ›Ende‹ schreiben durfte, hatte er hundertmal und öfter in den vorliegenden, ausgedruckten neunzehn Berichten nachgesehen, um exakt das wiederzugeben, was der Leserschaft längst vertraut war.«

Am 27. April 1962 erschien Brands Erstling bei PERRY RHODAN, und zwei Monate später folgte sein zweiter Roman. Bis zu seinem Ausscheiden mit Band 208 sollte er insgesamt 38 Hefte schreiben, also – die Wochenenden abgezogen – durchschnittlich einen Roman pro Monat. Dabei entwickelte Brand sich nach und nach zu einer Art »Medizinmann der Serie«, weil er sich bei einem kurzen Zwischenspiel als Werbeleiter eines Pharmakonzerns unsystematische Kenntnisse auf medizinischem Gebiet angeeignet hatte, die er durch Nachfragen bei einem befreundeten Arzt im Bedarfsfall untermauerte. So geschah es, dass er im Mai 1963 einen Roman von Clark Darlton überarbeitete – nämlich jene Szenen von Heft 111, »Unter falscher Flagge«, die sich mit den Liquitiv-Süchtigen befassten.

All sein Engagement und seine erstaunliche Produktivität konnten jedoch nichts daran ändern, dass er Günter M. Schelwokat manches graue Haar bereitete. Der war als Ostpreuße und obwaltender Redakteur äußerst grammatikstreng – was der Verfasser dieser Zeilen selbst noch erlebte. Für Schelwokat muss es ein wahres Horrorszenario gewesen sein, Brands gelegentlich recht eigenwillige Satzkonstruktionen zu bearbeiten. Und es kam vor, dass er den Eindruck gewann, ein Roman des Autors könnte der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften missfallen, wie bei Band 46, »Geschäfte mit Arkon-Stahl«, tatsächlich geschehen – und alles durfte geschehen, nur kein Verbot der Serie!

Von den meisten Lesern geliebt, von den Mitarbeitern amüsiert bis bang beobachtet, drückte Kurt Brand der Serie bis zum 10. September 1965 seinen Stempel auf. Dann kam es zu »Unstimmigkeiten« – manche Quellen sprechen von einem handfesten Streit –, und bereits abgelieferte Manuskripte von Einzelromanen sowie ein zweites PERRY RHODAN-Taschenbuch verschwanden in den Schubladen. Nichts, was sich nicht hätte beheben lassen, und es sollte auch wieder zur persönlichen Annäherung zwischen den Beteiligten kommen – aber es war das Ende einer Ära.

Kurzbiografie: Kurt Brand

Am 10. Mai 1917 in Barmen geboren, wuchs Kurt Brand in der Kleinstadt Rheinbach auf, wo er auch das Gymnasium besuchte, Jules Verne las und 1931 eine Schülerzeitung ins Leben rief, die es auf fünf Ausgaben brachte. Darin erschien seine erste SF-Geschichte »Der weiße Stern«. Mit achtzehn Jahren wurde sein erster Roman, »Motoren donnern zum Ziel«, abgelehnt. Sein zweites Buch, »Eisberge bekämpfen die Welt«, in dem es um das jähe Schmelzen des Polareises geht, konnte aufgrund von Papiermangel bei Kriegsbeginn nicht gedruckt werden. Das Dritte Reich erlebte er als Soldat in Peenemünde, wo er beim Start von V2-Raketen in Richtung England mitwirkte. Bei Kriegsende entließ er sich eigenem Bekunden nach selbst, weil er »keine Lust mehr hatte«, und geriet in sowjetische Kriegsgefangenschaft. Ab 1946 baute er in Köln mit 24.000 Bänden eine der größten privaten Leihbüchereien auf, die ein finanzieller Misserfolg wurde. 1951 war sein erstes SF-Leihbuch erschienen, und nun schrieb er bis 1956 mehrere hundert Western, denen er bis April 1962, als er bei PERRY RHODAN einstieg, noch rund zwei Dutzend SF-Leihbücher folgen ließ. Nach 38 Heften und einem Taschenbuch für PERRY RHODAN, die parallel zu seinem bei TERRA veröffentlichten zehnbändigen Heftzyklus über den Weltraumreporter Yal entstanden, trennte er sich im September 1965 vom Moewig Verlag. Es entstanden mehrere SF-Einzelromane für die Reihen UTOPIA und ZAUBERKREIS-SF, bevor er 1966 beim Kelter Verlag seinen größten persönlichen Erfolg platzierte: die eigene Serie REN DHARK. Er schrieb alle Exposés der 98 erschienenen Hefte und 53 davon selbst sowie später noch sechs Taschenbücher, wobei Band 2 ein umgeschriebenes PERRY RHODAN-Taschenbuch war. 1969 scheiterte sein Wiedereinstieg ins Perryversum, für den er er einen ATLAN-Roman schrieb, und er konzipierte für Kelter die utopisch-phantastische Krimireihe »Checkpart 2000«. Gleichzeitig entwickelte er seine zweite SF-Serie, RAUMSCHIFF PROMET, zu der er 1972, in dem einen Jahr, in dem er sie betreute, siebzehn Romane beitrug. 1974 folgten sechs Romane für die Heftreihe ZEITKUGEL. Er schrieb auch über sechzig Romane in den Genres Grusel, Horror und Krimi und verfasste insgesamt fast tausend Romane, von denen 570 Western waren. Ende der Siebzigerjahre versöhnte er sich wieder mit PERRY RHODAN und nahm 1980 am Worldcon in Mannheim teil. Am 8. November 1991 verstarb er an einem metastasierenden Lungenkrebs in einer Klinik in Bozen/Südtirol.