KISHOU III

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Geisterreiter

„Hyndriden!“ Der Kaustab kippte aus dem Munde Borks, als er aufbrüllte, und verschwand irgendwo zwischen Kisten und Säcken. Er war aufgesprungen, und sein Arm streckte sich zu seiner Rechten in die weite Öde.

Er beobachtete schon eine ganze Weile diese Staubwolke, die anfangs sehr weit und klein erschien – inzwischen aber keinen Zweifel mehr zuließ, dass sie anwuchs und direkt auf sie zukam.

Ruckartig kam die Meute zum stehen, und alle Köpfe drehten sich in die Richtung, die Borks Arm bezeichnete.

„Die Wagen raus!“, war seine nächste Anweisung.

Einige sprangen sofort auf die Rücken der Fläcks, und lenkten sie mit ihren Pritschen sternförmig auseinander, bis sie einen großen Kreis bildeten. Hektisch befreiten sie die Tiere von den Deichseln und zerrten sie hinter die Karren. Schilde, Speerkatapulte und Kästen mit Drindeln wurden von den Wagen gezerrt und in Stellung gebracht. Die Bögen wurden gespannt und die großen, extra für dieses Wagnis geschaffenen, nach unten spitz zulaufenden Schilde, in den Boden gerammt. Die Wagen würden hier nur wenigen von ihnen Schutz bieten können ...

„Tolsmoi, was verhält sich dort?“, rief eine Stimme.

Bork stand noch immer hoch aufgerichtet auf der Pritsche, der nun ein Teil der lückenhaften Wagenburg war. Er hatte sich längst wieder einen neuen Kaustab zwischen die Zähne geschoben und blickte angestrengt auf das, was da auf sie zukam. Schon bald sollten sie in Reichweite der Pfeile sein. Aber wer? „Ich kann verdammt noch mal nichts erkennen!“, schrie er. „Ich sehe nur die Fahne von Staub – nichts, was sich zu ihr auch nur irgendwie verhält!“

In diesem Moment stutzte er. Er meinte aufspritzenden Sand zu sehen – wie ihn die Hufen schneller Reittiere verursachen, wenn sie auf sandigen Boden aufschlagen. Langsam und ungläubig zog er seinen Kaustab aus dem Mund. Dann schlug plötzlich irgend etwas neben ihm in das Seitenholz der Pritsche ein ... Ein Pfeil würde ein solches Geräusch verursachen ... „Geisterreiter! Es sind verdammte Geisterreiter!“, brüllte er auf, während er sich mit einem jähen Satz nach hinten über die Seitenwand der Pritsche rollte – zunächst auf dem dort stehenden Fläck landete – und endlich den Boden erreichte.

Irgend etwas prasselte nun in kurzen Abständen gegen die vorderen Wagen und die aufgepflanzten Schilde seiner Leute – und einige von ihnen gingen bereits von irgend etwas getroffen zu Boden, bevor sie sich hinter die Schilderwehr retten konnten. Keiner wusste, was ,Geisterreiter’ waren, aber jeder von ihnen hatte sofort eine Vorstellung von der Sachlage, nachdem ihr Tolsmoi einen Namen für diese Hyndriden gefunden hatte ...

„Schießt eure verdammten Pfeile und Speere in jede Richtung, wo sich der verdammte Boden bewegt, und lasst die verdammten Drindeln Tanzen, das die Luft mit ihnen gefüllt ist!“, schrie er hinter dem Wagen kauernd, in den Schilderwald hinein.

,Drindeln’ waren flache, etwa zwei handtellergroße und sehr scharfkantige Metallscheiben, die mit viel Geschick und großer Wucht wie ein Diskus abgeworfen, Verheerendes unter den Gegnern anrichten konnte. Ob sie es hier auch tatsächlich taten, wäre aber wohl nicht zu erkennen – und in Ermangelung eines klaren Zieles, auch eher unwahrscheinlich. Wolken von Pfeilen und Speeren stiegen auf, und zwischen ihnen surrten kreiselnd Scharen von Drindeln den Geisterreitern entgegen – während gleichzeitig unsichtbare Geschosse die eisenbeschlagenen Holzschilde der Asimielenen traktierten, und unter den für Momente freistehenden Schützen seine Opfer forderte.

Immerhin – die Wut der Gegenwehr schien die Unsichtbaren aufzuhalten. Der aufspritzende Sand unter ihren Hufen zeigte an, dass sie sich auflösten. Zu beiden Seiten begannen sie nun offenbar in einigem Abstand die Wagenburg zu umkreisen.

Bork fluchte vor sich hin, als es ihm plötzlich erschien, als sähe er im aufgewirbelten Staub schemenhafte Gestalten – da wo die Geisterreiter und ihre Reittiere waren, konnte kein Staub den Raum füllen. Vielleicht konnte man so wenigstens ihre Anzahl abschätzen ...? Aber es war zu undeutlich.

Sein Blick fiel auf das lange Trichterrohr seines Wagens, unter dessen Ende sich langsam ein kleiner Haufen des Holzkohlenstaubes bildete ... „Ich brauche hier sofort eine verdammt gute Deckung und zwanzig Mann!“, schrie Bork schwitzend, und seine spiegelnde Glatze schien zu glühen.

Augenblicklich lösten sich einige der Schilde vom Boden und bewegten sich auf ihn zu.

Kaum im Schutz geborgen, sprang Bork auf, und riss den erstbesten Sack mit Kohlenstaub vom Wagen, den er zu fassen bekam. „Holt von dem verdammten Wagen alles an leeren Säcken, was ihr zu fassen bekommt!“, befahl er, während sein Messer bereits in den Staubsack hineinstieß, um ihn der Länge nach aufzuschlitzen. Vom Wagen fiel Sackleinen auf ihn herab, und sofort begann er, quadratische Fetzen aus ihnen heraus zu schneiden und zu reißen, um dann auf ihnen mit seinem Händen Haufen von Kohlenstaub aufzuschütten. Die anderen hatten wohl verstanden, was ihr Tolsmoi damit bezweckte, und taten es ihm gleich. Geschickt klemmten sie Augenblicke später die vier Ecken der gefüllten Tücher zwischen die Finger.

„Wir werden jetzt Angreifen!“, schrie er zu seiner Truppe hinüber. „Ihr werdet das Verhalten der verdammten Hyndriden bald erkennen können, wenn ich nicht irre! Ich möchte, dass kein verdammter Pfeil, kein Speer und keine Drindel sein verdammtes Ziel verfehlt! Inzwischen bereiten sich hier die nächsten zwanzig von euch vor!“ Er blickte kurz zu dem, der ihm am nächsten stand ... „Geh' hinter den verdammten Wagen in Deckung, und berichte den Nachrückenden, wie es sich zu verhalten gilt!“

Dann brach er mit der ersten Gruppe aus.

In der Deckung der schweren Schilde, die von der Hälfte des kleinen Stoßtrupps vorangetragen wurden, liefen sie einfach geradewegs hinaus, um die Höhe des Rings zu erreichen, auf dem die Geisterhaften um die Wagenburg herum stoben.

Zumindest für einige Irritation schien der Ausbruch Borks und seiner kleinen Truppe unter ihnen zu sorgen. Links und rechts vor ihnen stob ungleichmäßig Sand auf, als würden Tiere, sich unschlüssig im Kreise drehend, den Boden unter ihren Hufen aufwühlen ... Dann aber vereinigten sich Hufe um Hufe, und es war bald unverkennbar, dass sich einige der Reiter zusammengerottet hatten, um nun direkt auf sie zuzupreschen.

„Jetzt!“, brüllte Bork, und warf einen seiner gefüllten Tücher hoch vor sich in den Himmel. Im selben Moment verspürte er einen brennenden Schmerz im linken Oberarm – irgend etwas hatte ihn getroffen ...

Die Luft war bereits von einem schwarzen Nebel erfüllt – immer mehr Tücher entluden ihre dunkle Fracht ... Dann ging alles zu schnell, als das Bork noch irgend etwas planen konnte. Schwere Speere, getrieben von der Wucht der sich entspannenden Katapulte und gefolgt von Drindeln und Pfeilen, schlugen direkt vor ihm krachend in Hünenhafte schwarze Gestalten hinein, und riss sie von den Rücken geschwärzter seltsamer Decken – wie ihre Reittiere nun erschienen. Etwas Riesiges bäumte sich vor den Schilden auf, die sich direkt vor ihm befanden. Ein harter Schlag traf zwei von ihnen und warf sie mit ungeheurer Wucht zurück – und schmerzhaft gegen Bork, der sich im nächsten Moment unter ihnen begraben fand. Am Boden liegend, zwischen tobenden Sand und schwarzen Nebel sah er noch, dass sie nicht mehr die einzigen waren, die hier draußen ihr Glück versuchten. Dann spürte er einen weiteren harten Schlag – und einen mächtigen Druck, der ihm die Luft aus den Lungen presste – dann war es nicht mehr nur die Schwärze des Staubes, die ihn umgab …

~*~

Fahrt nach Hebela

Der feste Weg, den Habadam angekündigt hatte, und den sie nun auch endlich erreichten, führte zur nächst gelegenen Oase mit Namen ,Hebela’. Zur allgemeinen – und besonders Kishous freudiger Überraschung, war Habadam keineswegs zu Fuß unterwegs, sondern mit einem Karren, der hinter dem Felsen stand, hinter dem er aufgetaucht war. Ein weißes ,Biesel’, war vor ihn gespannt.

Solche Biesel unterschieden sich von einem Pferd bestenfalls auf Grund ihrer unerwartet großen Augen, der langen Mähne, die sich vom Kopfansatz über ihren langen Hals als Kamm über den Rücken bis zu ihren ebenso buschigen Schwanz hinzog – und wohl nicht zuletzt durch das armlange Horn, dass auf ihrer Stirn saß, und aus aufeinander gesteckten und sich nach oben hin verjüngenden hellblauen Kugeln zu bestehen schien. Kishou war sichtlich entzückt von seinem Anblick.

Das holpern und schwanken des Wagens, als er bis eben noch gemächlich querfeldein über das grobe Land stolperte, war vorbei, und der Wagen nahm auf der nun folgenden festen Piste erstaunliche Fahrt auf. Kein Vergleich zu dem, was sie von Kurluk gewohnt waren, aber genug um gut voran zu kommen.

Habadam saß auf einer etwas erhöhten hölzernen Bank vorn auf dem Wagen, und Kishou hatte es sich in Boorhs Schoß bequem gemacht – ihren gespannten Bogen vor sich liegend.

Was sie von Habadam über die Hyndriden erfahren hatte, war wenig geeignet, ein unbeschwertes Wohlgefühl aufkommen zu lassen – wenngleich auch alles in diesem Drom seit ihrer Ankunft zunächst keinen Grund zur Klage bot. So beobachtete sie in konzentrierter Stille das vorbeiziehende Land mit seinen zuweilen skurrilen Zeugen ehemaliger Vegetation, jederzeit darauf gefasst, dass etwas davon plötzlich lebendig würde ...

Hyndriden, so war sie von Habadam aufgeklärt worden, waren Wesen Suäl Graals, deren Gestalten auf so vielfältige Weise in Erscheinung treten konnten, wie die Gedanken, die sie zu erfinden im Stande waren. Sie bewohnten die Tiefen der Erde, das Land und die Luft, wie er berichtete, und ihre Überfälle waren selten vorhersehbar.

 

Auf Habadam selbst schienen diese Wesen allerdings keinen besonderen Eindruck zu machen – wohl aus dem schlichten Grunde, wie Kishou vermuten wollte, das Habadam als Chemure und Magier wohl ein schlechtes Opfer für diese Kreaturen darstellte. Sie wusste zwar noch nicht, welche besonderen Kräfte Habadam auszeichneten, das er aber über solche verfügen würde, war für sie ohne Frage. Ihre bisherigen Gefährten waren dafür Beispiel genug.

Kishou konnte natürlich mit solchen Attributen nicht aufwarten – zumindest war dies ihre Ansicht. Wenngleich sie inzwischen ein Dompteur war, so war sie doch verletzlich, und der festen Überzeugung, erst am Anfang ihrer Lehre zu stehen. So war in ihr auch keinerlei Bedürfnis, diesen Hyndriden zu begegnen und das Misstrauen groß – zumal ihre Phantasie nach der Beschreibung Habadams in jedem Felsen eine solche Unnatur vermuten durfte. Entsprechend still und Aufmerksam beobachtete sie jedes Objekt dieser unwirtlichen Landschaft.

Ein kleiner Lichtblick immerhin waren diese seltsamen ,Handriden’, von denen Habadam ebenfalls berichtete. Auch sie waren Wesen Suäl Graals, und gehörten wohl einst zu den Hyndriden. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund, den selbst Habadam nicht zu benennen wusste – ,es gäbe zu viele der mögliche Ursachen für ein solches Verhalten‘, wie er meinte – betrachteten diese Handriden aber offenbar die Hyndriden als Feinde, und bekämpften sie, wo immer sie aufeinander trafen. Oft schon waren sie die letzte Rettung für die Asimielenen gewesen.

Wenn Kishou Habadam richtig verstanden hatte, waren diese Handriden deswegen aber noch lange nicht Freunde der Asimielenen – sie interessierten sich schlicht nicht für diese. Sie waren ebenso wie die Hyndriden ein mächtiger Haufen wilder Reiter, und unterschieden sich, abgesehen von der Auswahl ihrer Gegner, kaum von den Hyndriden.

Kishous Blick wanderte zum Himmel. Immer wieder tauchten dort kleine Wolken von ziehenden Vögeln auf, die ruhig ihre Bahnen zogen und bald wieder verschwanden – zu hoch, um Einzelheiten zu erkennen. Sie legte den Kopf weiter in den Nacken und blickte in den zerzausten Bart Boorhs. „Hast Du schon mal Hyndriden gesehen, Boorh?“, fragte sie nach oben. „Also ich meine damals vielleicht, als die Großen Wasser noch flossen, und du ja bestimmt auch mal hier warst!“

Boorhs Kopf senkte sich, und endlich konnte sie auch seine dunklen Knopfaugen sehen. „Boorh entscheidet: Hyndriden sind Wesen dieser Zeit!“, meinte er. „Boorh hat sie noch nicht bemessen und vom Allsein verdrängt!“ Ein breites Grinsen zog sich über sein Gesicht, und seine Augen begannen zu funkeln. „Doch Boorh entscheidet: Wo immer sie auf dem Pfade Kishous das Allsein verdrängen, wird die Axt Boorhs ihr Sein bemessen!“

Kishou musste grinsen. „Ich hoffe dennoch sehr, dass es uns erspart bleibt, Großer!“, meinte sie, patschte liebevoll auf dessen gewaltige Hand, die auf ihrem Schenkel ruhte, und erhob sich aus seinem Schoß. Sie nahm ihren Bogen, wankte etwas unsicher zur Front des Wagens, und setzte sich vorn neben Habadam auf die Pritsche.

„Habt ihr noch genug Wasser?“, fragte Habadam.

„Für heute wird’s noch reichen!“. stellte Kishou fest. „Und wir kommen ja noch vor Abend zu der Oase, wie Du gesagt hast. Wieso fragst Du?“

Habadams Arm streckte sich, und einer seiner spindeligen Finger wies an Kishou vorbei ins Land. „Eine ,Lea’!“

Kishou blickte angestrengt in die bezeichnete Richtung. „Eine Lea?“, fragte sie. „Meinst Du den langen Stängel da drüben, mit der großen Blüte drauf?“ Durchaus fasziniert schaute sie zu dem seltsamen Gewächs hinüber, das sie bald in einiger Entfernung passieren würden. Es bestand, soviel sie sehen konnte, lediglich aus einem langen und sehr dünnen, etwas verbogenen Stiel, der sicherlich Boorh um die Hälfte überragte, und am Ende des gebrechlich erscheinenden Schaftes balancierte diese Pflanze eine für sie augenscheinlich viel zu große, schwere und rote Blüte, deren Blätter zu den Rändern hin in ein helles Gelb ausliefen ...

„Ja!“, bestätigte Habadam, während er umständlich seinen Bart zu zähmen versuchte, der im Fahrtwind wehend, ihm immer wieder die Sicht nahm. „Dort verhält sich eine Lea zu uns! Ihre Wurzel steht tief in der Erde in einem Wasser. Ihr Standort sagt jedem schon aus großer Entfernung, dass sich zu diesem Ort eine Wasserstelle verhält!“

„Das is’ ja praktisch!“, staunte Kishou. „Das die nicht umkippt mit dem dünnen Stiel und der großen Blüte oben drauf ...? Wird die nicht gleich von den Tieren gefressen?“ Viel Auswahl gab es ja hier nicht, wie sie sich dachte.

„Jedes Wesen des Dritten Droms verhält sich mit sehr großem Respekt zu ihr. Niemand würde es je wagen, sie zu stören!“, verneinte Habadam – und das war wohl auch auf einfache Weise einsichtig, wie Kishou sogleich verstand. Der Wert eines solchen Zeichens musste für jeden in dieser Öde unersetzlich sein.

„Wieso gibt es hier eigentlich so einen glatten Weg?“, fragte sie gleich weiter, wo sie schon bei den Wunderlichkeiten dieses Droms waren.

„Oh, dass Drom ist natürlich voll davon!“, wurde sie sofort von Habadam belehrt. „Sie verhalten sich zu den Oasen über der Erde und auch unter der Erde – wo einst die Wasserläufe sich zum Drom verhielten. Aber ich verstehe euer Erstaunen!“, setzte er fort. „Ich erinnere mich, dass mir die festen Wege im Ersten und Zweiten Drom sehr gefehlt haben. Es war dort immer ein sehr mühseliges Vorankommen – dafür aber zuweilen auch recht Interessant, den richtigen Weg zu finden! Ach ja, Ephral!“, begann er plötzlich in schwärmerischen Ton zu sinnieren. „Ich habe diese Stadt des Zweiten Tals der Zweiten Ebene des Zweiten Droms geliebt, mit all seinen Zinnen, Türmen und verwinkelten Gassen. Ich habe Mo damals häufig besucht – ich gebe zu, dies Verhalten war nicht immer nur gerichtet auf Ephral und seine Zinnen und Türme!“, fügte er zwinkernd hinzu.

„Ja!“, lachte Kishou sofort verstehend. „Mo ist unglaublich schön. Ich kann manchmal auch nicht aufhören, sie anzugucken!“

„ja, ja ...”, seufzte Habadam. Ich erahne, welches Verhalten sich hinter eurem Wort des .schönen' verbirgt. Nur ihr übertrefft noch ihr Erscheinen".

„Kishou musste laut auflachen. „Nu’ hör’ aber mal auf!“ Sie empfand es als äußerst angenehm, sich mit Habadam zu unterhalten. Er war sehr redselig und neugierig, und entgegen seiner alten Gestalt äußerst wach und beweglich. Dazu waren seine Worte von verblüffender Klarheit, wie Kishou es lange nicht mehr gewohnt war, zu hören. Sie ergab sich dankbar dem kurzweiligen Geplauder mit ihm, und vergaß dabei sogar die Hyndriden.

So verging die Zeit fast wie im Fluge, als sie beim überqueren des Kamms einer kleinen Anhöhe meinte, in nicht als zu weiter Entfernung die hier unübersehbare Farbe des Lebens zu erblicken. Ein grüner Streifen breitete sich dort aus ... Hebela!

~*~

Erster Kampf mit den Hyndriden

Tolsmoi! – Tolsmoi!“ Immer wieder drangen die Rufe aus irgend einem Winkel in der Dunkelheit auf ihn ein. Zuerst aus großer Entfernung – dann immer näher. Bork spürte ein brennen auf seinen Wangen. Es lag wohl daran, dass immer wieder irgendetwas in sein Gesicht klatschte, wie er endlich zu verstehen begann. Langsam – sehr langsam drang wieder so etwas wie ein Bewusstsein in seinen kahlen Schädel.

Er begann die Schläge abzuschätzen, die ihn rhythmisch trafen ... 1 ... 2 ... 3 ... seine Hand schnellte hoch und die Fessel eines Armes verfing sich darin, bevor die dazugehörige Hand ein wiederholtes Mal seinen Kopf traktieren konnte. Seine Augen öffneten sich. „Warum verprügelst Du mich, verdammt!“ Er blickte verärgert in das Gesicht eines seiner Leute, der über ihn gebeugt war, und dessen Handgelenk nun fest in seinem Griff lag.

Statt zu antworten drehte sich der nach hinten. „Er verhält sich wieder zu uns!“, rief er.

Borks Augen wanderten herum. Eine Traube von Mitstreitern stand um ihn versammelt, deren Gesichter sich gerade entspannten. Endlich erinnerte er sich. „Das ist hier verdammt noch Mal nicht das Allsein!“, murmelte er, und versuchte sich aufzurichten. Mit schmerzverzerrtem Gesicht fiel er aber sogleich wieder zurück auf den Boden. Keiner seiner Knochen schien mehr am rechten Ort zu sein ...

„Das Glück verhielt sich zu deinen Gunsten, Tolsmoi!“, meinte nun der über ihn gebeugt stand. Wir fanden Dich unter einem Schild – und unter dem Reittier eines Hyndriden, das auf Dich gefallen war! Du bist in einem Stück geblieben. Nur ein unsichtbarer Pfeil steckte in deiner Schulter!“

„Helft mir hoch!“, grummelte Bork, während er einen zweiten Versuch unternahm, sich aufzurichten. „Wie verhält es sich mit den verdammten Hyndriden!“, keuchte er, als er mit einiger Hilfestellung endlich aufrecht saß.

„Sie sind abgezogen!“, kam die Antwort. „Sie verhielten sich als gute Zielscheiben in ihren ,schwarzen Gewändern’!“

„Handriden?“, fragte Bork knapp.

„Keine!“, war die ebenso knappe Antwort.

„Verdammte Singala!“, murmelte Bork. „Nicht einmal Handriden wagen sich an diesen verdammten Ort ... Verluste?“

„Ein gutes Viertel von uns ist im Allsein. Wir sammelten ihre Krypte und begruben ihre Hüllen. Noch einmal so viele sind verletzt!“

„Gut!“, nickte Bork. „Nein nicht gut!“, korrigierte er sich schimpfend. Er kramte einen Moment in seinem Mantel herum und zog einen etwas zerknickten Kaustab heraus. Ärgerlich bog er ihn zurecht und schob ihn sich zwischen die Zähne. „Keine verdammten Handriden – nicht einmal eine Handvoll verdammter Handriden!“, schimpfte er vor sich hin, und dachte nach. „Nehmt drei von den verdammten Wagen. Die Verletzten werden auf ihnen nach Flin zurückkehren – ihre Blicke immer auf die verdammten Hinterteile der Fläcks gerichtet!“

„Gut! Wir anderen werden derweil einen neuen Tolsmoi wählen!“, meinte einer, was mit allgemeiner Zustimmung quittiert wurde.

„Wieso wollt ihr einen neuen verdammten Tolsmoi wählen?“, schrak Bork auf, dass ihm beinahe wieder der Kaustab aus dem Munde fiel.

„Du bist doch verletzt!“, wunderte sich der neben ihm Stehende. „Also verhältst du dich gemäß den Verletzten, wie du selbst es bemessen hast.

„Was ist das für ein verdammter Unsinn!“, schimpfte Bork. „Ich bin nicht verletzt! Ich habe lediglich einige verdammte Erfahrungen gesammelt. Mein Krypt braucht Futter!“

„Der Tolsmoi hat recht!“, hörte man sofort eine Stimme aus der Menge. Gleich darauf wühlte sich jemand mit verbundenem Kopf und auf hölzerne Krücken gestützt daraus hervor. „Mit mir verhält es sich ebenso!“, rief er.

„Ich auch!“, war irgendwo eine etwas krächzende, schwache Stimme vom Boden her zu hören. Gleich darauf kamen von überall her Rufe, die dasselbe für sich in Anspruch nahmen. Niemand wollte offenbar zurückgeschickt werden ...

Bork verdrehte entnervt die Augen, und schaffte es gar, sich mit zusammengebissenen Zähnen zu erheben. „Ein Tolsmoi ist erst verletzt, wenn er im verdammten Allsein ist. So verhält es sich aber nicht bei den anderen!“, schimpfte er lautstark. „Außerdem brauchen die verdammten schwerer Verletzten die verdammten weniger schwer Verletzten, damit sich noch jemand zu ihnen angemessen Verhalten kann!“

Da der Tolsmoi einer Oase in der Zeit seines Amtes das Sagen hatte, setzte Bork sich letztlich durch. Allerdings kamen am Schluss nur noch gerade etwa dreißig Verletzte zusammen. Die anderen schafften es wohl, sich genügend unverletzt zu benehmen, und wurden nicht mehr aufgefunden.

Sie hatten viel Zeit verloren, bis der Treck nun endlich wieder bereit war, aufzubrechen. Die Sonne stand schon weit hinter ihnen, und die Verletzten waren endlich abgefahren, als Bork etwas mühevoll seinen Wagen bestieg. Die linke Schulter schmerzte, und der Verband schränkte seine Bewegungsfreiheit ein. Als wäre das nicht genug, stolperte er auch noch auf der Pritsche über irgendetwas und fiel der Länge nach hin – zum Glück auf die weichen Säcke mit der zerriebenen Holzkohle. Er richtete sich fluchend und mit schmerzverzerrtem Gesicht wieder auf und suchte nach dem Fallstrick.

„Wir haben ein Bündel Pfeile der Geisterreiter gesammelt, wo wir sie finden konnten!“, rief ihm jemand von unten zu. „Wer weiß, wozu ihr besonderes Verhalten mal gut ist!“

„Auf jeden Fall dazu, um über sie zu stolpern!“, schimpfte Bork, und tastete nach der unsichtbaren Beute. Sie waren länger und stärker als die ihren, und hatten offenbar keine richtige Pfeilspitze, sondern schienen nur an ihrem vorderen Ende gespitzt.

 

Kopfschüttelnd nahm er sein Krypt zur Hand und vermerkte alles gewissenhaft – auch das er sich nun sicher war, dass sie nicht durchkommen würden …

~*~