Wyatt Earp

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Wyatt Earp
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Michael Franzen

Wyatt Earp

US Deputy Marshal

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Vorwort

Kindheit und Jugend

Westwärts nach Kansas

Dodge City

Tombstone

Revolverkampf am OK-Corral

Wyatts Rachefeldzug

Die Dodge City Friedenskommission

Goldrausch in Alaska

Späte Jahre und Tod

Aufstieg zur Legende

Nachtrag

Der Colt Buntline

Bibliografie

Bereits erschienen

Impressum neobooks

Vorwort

Die wichtigste Lektion, die ich gelernt habe (…) lautete, dass der Sieger in einem Revolverduell für gewöhnlich derjenige war, der sich Zeit ließ. Zweitens musste ich, wenn ich im Grenzgebiet zu überleben gedachte, jegliche aufsehenerregenden Schießkunststücke - alles großspurige Gehabe - meiden wie die Pest. (…) In all den Jahren, die ich als Ordnungshüter im Grenzgebiet zubrachte, habe ich nicht einen wirklich tüchtigen Gunfighter gekannt, der etwas anderes als Verachtung für den Mann empfand, der den Revolver um den Finger wirbeln ließ oder buchstäblich aus der Hüfte heraus schoss.“

Wyatt Berry Stapp Earp

Wyatt Earps Stern als berühmtester Gesetzeshüter Amerikas strahlt auch heute noch ungebrochen und hell am Firmament, wobei die Legende Wyatt Earp, die nicht zuletzt auch dank Hollywoods Filmemachern durch eine Vielzahl von Fernsehserien und Kinofilmen ins Leben gerufen worden war, die wirkliche Person dahinter schon längst in den Schatten gestellt hat. Man denke dabei an die Serie „Rauchende Colts“, wo Marshal Matt Dillon (Wyatt Earp), gespielt von James Arness, die Straßen von Dodge City sauber hält, oder auch an neuere Werke wie eben „Wyatt Earp“ mit Kevin Costner in der Hauptrolle oder „Tombstone“, wo Kurt Russell in die Rolle des wackeren Gesetzeshüters schlüpfen durfte.

Bis in die heutige Zeit hinein gibt es jedoch immer wieder Stimmen, die sich weitaus kritischer mit dem Gesamtbild Earps auseinandersetzen und seine Lebensgeschichte in ein diffuseres Licht rücken lässt. So dürften die wenigsten Leser wahrscheinlich wissen, dass Wyatts Stern beinahe gar nicht aufgegangen wäre, da er bereits in jungen Jahren wegen Pferdediebstahls verhaftet und dafür fast gehängt worden wäre. In diesem Fall muss man wohl sagen: Zum Glück nicht, denn was wäre der Wilde Westen wohl ohne einen seiner berühmtesten Gesetzeshüter gewesen? Wahrscheinlich dasselbe wie der Sherwood Forrest ohne Robin Hood, nämlich ein ganzes Stück ärmer.

Lüftet man den Deckmantel von Legenden und blickt sozusagen hinter die Kulissen, erscheint die wahre Person dort oftmals als banal. Ein gewöhnlicher Mensch eben, der jedoch das Glück (oder Unglück) gehabt hatte, zur richtigen Zeit, am richtigen Ort gewesen zu sein, um durch seine Taten Geschichte schreiben zu können. Bei Wyatt Earp könnte es genauso gewesen sein, doch lässt man die Legende einmal außer Acht, so war sein wirkliches Leben immer noch „legendär“ genug gewesen. Der Ausspruch: „Er hat in seinem langen Leben mehr erlebt als manch anderer Mensch in drei Leben“, trifft in Bezug auf Wyatt Earps geschichtliches Wirken zu großen Teilen zu. Seinen Lebensweg zu verfolgen, ist daher eine durchweg lohnende und spannende Angelegenheit und so darf ich Sie, den Leser und die Leserinnen dieser Zeilen dann auch mit auf eine Zeitreise zurück in den Wilden Westen nehmen, um dort gemeinsam den Spuren Earps zu folgen.

Neumünster, im August 2018

der Autor

Kindheit und Jugend

Der Stammbaum der Earps reicht weit in die Vergangenheit zurück und sie beginnt - man vermutet es schon - im alten Europa, genauer gesagt im alten Schottland, wo man den Nachnamen Earp (Erp, Yrp) auch in der Liste alter walisischer Könige finden kann. Die Spur führt dann nach Nottinghamshire, England wo ein Francis Earpe um das Jahr 1560 herum geboren worden war. Zusammen mit seiner Frau Lettice bekamen sie 1580 einen Sohn namens John Earpe, der seinerseits heiratete und für weitere Nachkommen von Earps sorgte. Zwischen 1600 und 1676 finden sich die ersten Spuren der Earps mit all ihren Schreibvarianten in Nordirland wieder. Dazu muss man wissen, dass der damalige König Heinrich VIII. zusammen mit seiner Tochter Elizabeth I. unter dem Deckmantel der Kolonisierung damit begonnen hatte, unliebsame Protestanten willkürlich nach Ulster, Irland hin umzusiedeln. So erging es am Ende auch den Earps und für sie begann ein neues, wenn auch nicht ganz freiwilliges Leben auf der grünen Insel.

1631 wurde Thomas Marion Earp Sr. in Lurgan, Grafschaft Armagh, Ulster geboren. Sein Sohn gleichen Namens heiratete die ebenfalls in Irland geborene Mary Earp und beide emigrierten am 06. Juli 1674 in die USA, wo sie sich in Petticork, Baltimore County in der englischen Kolonie Maryland niederließen und damit die erste Generation amerikanischer Earps ins Leben riefen. Weitere Söhne und Töchter wurden geboren und ließen sich in Fairfax County, Virginia und Montgomery County, Maryland nieder.

Wyatt Earps Urgroßvater Phillip Earp wurde 1755 in Frederick, Maryland geboren. Er heiratete und hatte neun Kinder mit drei verschiedenen Ehefrauen.

Wyatts Großvater Walter Earp wurde 1787 ebenfalls in Montgomery County, Maryland geboren und zog später mit seiner Frau Martha Ann Earp nach Lincoln County, North Carolina, wo Wyatt Earps Vater Nicholas „Nick“ Porter Earp als drittes von später zehn Kindern am 06. September 1813 geboren worden war.

Kurz nach seiner Geburt zog die ganze Familie nach Hartford, Ohio County, Kentucky, wo Nicholas seine Kindheit und Jugendzeit verbrachte. Als junger Mann meldete er sich zur Armee, wo er 1831 im Black Hawk War diente. Am 22. Dezember 1836 heiratete er seine erste Frau Abigail Storm und am 07. Oktober 1837 kam ihr erstes Kind Newton Jasper auf die Welt. Am 12. Februar 1839 folgte eine weitere Tochter, die den Namen Mariah Ann erhielt. Die Ehe allerdings hielt nur bis zum 08. Oktober 1839, jenem Tag, an dem Abigail verstarb, zwei Monate danach am 13. Dezember starb auch noch Mariah Ann.

Nicholas blieb allerdings nicht allzu lange Witwer, denn am 30. Juli 1840 heiratete er seine zweite Frau Virginia Ann Cooksey, mit der er zusammen acht Kinder zeugte. Der älteste der Earp-Brüder James Cooksey wurde am 28. Juni 1841 in Hartford, Kentucky geboren, ein weiterer Sohn Virgil Walter sowie eine Tochter Martha Elizabeth folgten am 18. Juli 1843 bzw. am 25. September 1845. Die Familie zog nach Monmouth, Warren County, Illinois und als 1846 der Mexikanisch-Amerikanische Krieg ausgebrochen war, diente Nicholas als Sergeant unter dem Kommando von Captain Wyatt Berry Stapp, dem Befehlshaber der Illinois Mounted Volunteers, womit sich der Name des nächstgeborenen Kindes Wyatt Berry Stapp Earp dann auch relativ einfach erklären lässt.

Als Nicholas Porter im Dezember 1847 das Opfer eines nervösen und austretenden Maultieres geworden war, kehrte er schwer verletzt nach Monmouth zurück und wurde dort erneut stolzer Vater, als der dritte Sohn und Hauptfigur dieses Buches Wyatt Earp im Haus seiner Tante Elizabeth, auch kurz „Lizzy“ bzw. „Bessy“ genannt, am 19. März 1848 geboren worden war. Nach Wyatt kamen noch vier weitere Geschwister zur Welt, nämlich Morgan Seth (24. April 1851), Baxter Warren (09. März 1855), der namentlich immer als Warren Earp in Erscheinung treten sollte, danach Virginia Ann (28. Februar 1858) und als letztes und jüngstes Kind schließlich Adelia Douglas am 16. Juni 1861.

Von der Earp-typischen Wanderlust getrieben, zog die ganze Familie 1850 nach Pella, Iowa, wo sich Nick Earp als Farmer und Böttcher (Fassmacher) betätigte. Die Familie lebte auf einer 0,65 km² großen Farm, ca. elf km nordöstlich von Pella entfernt, doch nach der Geburt zweier weiterer Kinder, nämlich Morgan und Warren, verkaufte er die Farm aus nicht näher benannten Gründen heraus im März 1856 an Aquillian Waters Noe und zog mit seiner Familie nach Monmouth zurück. Nicht in der Lage eine geregelte Arbeit zu finden, wurde Nick Earp als Wachtmeister der Stadt angestellt, doch 1859 wurde er wegen Schwarzarbeit verhaftet und vor Gericht zu einer hohen Geldstrafe verurteilt. Da er die zu zahlende Summe nicht aufzubringen vermocht hatte, kam die Farm der Earps am 11. November 1859 schließlich unter den berühmten Hammer und bereits zwei Tage später zog die Familie nach Pella zurück, wo Nick Earp das ganze nächste Jahr hindurch damit beschäftigt gewesen war, den Verkauf der Farm in Monmouth abzuwickeln und seine Geldstrafe wegen Steuerhinterziehung zu tilgen.

 

Nach dem Ausbruch des Amerikanischen Bürgerkrieges, meldete sich Nicholas Earp, der ein vehementer Gegner der Sezession gewesen war, zum Dienst in die Unionsarmee, wurde aber aufgrund seines Alters vorerst vom aktiven Dienst an der Front zurückgestellt und bekleidete stattdessen den Posten des Militärrichters in Marion County. Daneben bildete er als Captain drei Kompanien Rekruten für ihren Einsatz an der Front aus. Seine Söhne Newton, James und Virgil, die Ältesten der Familie meldeten sich freiwillig und traten der Unionsarmee bei, während der 13-jährige Wyatt, der zu jung für die Armee gewesen war, zu Hause auf Morgan aufpassen und den elterlichen Acker umpflügen musste. Zwar versuchte er von zu Hause wegzulaufen, um sich in Ottumwa zur Armee zu melden, doch lief er dort seinem Vater geradewegs in die Arme, der ihn in klaren Worten wieder zurück auf die elterliche Scholle beorderte. Diese Episode wurde von Wyatt später genauso überliefert und dürfte mit ziemlicher Sicherheit dann auch der Wahrheit entsprechen.

Im März 1863 kehrte James aufgrund einer Verwundung an der Schulter nach Hause zurück und als sich 1864 die Niederlage der Konföderierten Staaten abzuzeichnen begann, beschloss Nicholas Earp, Illinois Lebewohl zu sagen und nach Kalifornien hin auszuwandern. Zusammen mit drei weiteren Familien aus Pella, den Rousseaus, Hamiltons und Curtises begann die Reise der Familie Earp, darunter Virginia und Nick sowie die Kinder James, Wyatt, Morgan, Warren und Adelia. Die zweitjüngste Tochter Virginia Ann starb bereits am 26. Oktober 1861 im Alter von drei Jahren. Newton und Virgil hingegen dienten bis zum Ende des Bürgerkrieges und folgen dem Rest der Familie erst 1865 nach Kalifornien hin nach. Diesem Planwagenzug der vier Familien sollte sich später sieben weitere Planwagen mit Utah-Aussiedlern aus Missouri anschließen. Während der Fahrt auf dem Oregon Trail übernahm Wyatt die Aufgaben eines Jägers und versorgte die Gruppe mit Fleisch, während er nebenbei auch den elterlichen Planwagen fahren durfte. Ein großes Abenteuer für den damals 16-jährigen Jungen, zumal die Cheyenne, Arapahoe und Sioux stetig präsent und den Weißen gegenüber keineswegs so friedfertig eingestellt gewesen waren, wie die kümmerlichen Reste der Reservats-Indianer daheim in Illinois, die Wyatt bis dahin kennengelernt hatte. Fort Kearny in Nebraska sowie das berühmte Fort Laramie in Wyoming wurden passiert und man erreichte schließlich das Fort Bridger, um von dort aus statt auf dem Oregon- auf dem California-Trail weiterzureisen. Laut den damaligen Tagebuchaufzeichnungen von Sarah Jane Rousseau, war Nick Earp keineswegs der liebevolle Vater, wie man sich ihn gemeinhin vorgestellt hatte, sondern erwies sich des Öfteren als jähzornig und aufbrausend. Ein Alkoholiker und Tyrann, unter dem die Söhne es nicht leicht gehabt hatten. So schrieb sie am 24. November 1864 in ihr Tagebuch:

An diesem Abend hatte Mr. Earp einen weiteren Disput mit seinem Sohn Warren, der mit Jimmy Hatten kämpfte. Dann tobte Mr. Earp in Bezug auf die anderen Kinder (…) dass, wenn die anderen Eltern ihre Kinder nicht wie er peitschen oder sie zur Räson bringen würden, er jeden einzelnen von ihnen persönlich auspeitschen würde. Er zeigt jeden Tag, was für ein Mann er wirklich ist. Er ist eine so ungehobelte und unflätige Person. Ich denke, wir haben einen schrecklichen Fehler gemacht, ihn zu beschäftigen und ihm Pferde und Proviant zu beschaffen, um diesen Wagenzug nach Westen zu führen.“

Maria D. Russell, „Sünden des Vaters“, 2018

San Bernadino oder San Berdoo, wie es zu jener Zeit und auch heute noch genannt wird, war eine jener typischen Kistenholzstädte, wie man sie von den zahlreichen Wildwestfilmen her kennt. Mexikaner, Cowboys, Goldsucher und Trapper beherrschten das Stadtbild, als der Earp-Clan den Ort am 17. Dezember 1864 erreichte. Dort angelangt fand Virgil im Spätsommer 1865 eine Arbeit als Postkutschenfahrer für die „Phineas Banning Coach Line“ und Wyatt unterstützte ihn dabei. Im Frühjahr 1866 war Wyatt als Frachtwagenfahrer für Chris Taylor tätig gewesen und fuhr bis 1868 Frachtwagen von Wilmington über San Bernadino und Las Vegas nach Salt Lake City, eine Strecke von gut 1.160 km. Danach war er als Fahrer für die Union Pacific Railroad angestellt gewesen, um Vorräte für die Eisenbahner zu transportieren. Er lernte zu Boxen und widmete sich nebenbei auch dem Glücksspiel. Seine Brüder James und Morgan wurden ebenfalls selbstständig und zogen zu den Goldfeldern nach Montana, um dort zu Reichtum zu kommen.

Nach vier Jahren kalifornischer Sonne zog Nicholas Earp - man mag es kaum glauben - mit der Restfamilie im Frühjahr 1868 wieder zurück nach Missouri, und zwar nach Lamar, wo er ein Stück Land kaufte und zum Friedensrichter ernannt wurde. Wyatt hingegen blieb vorerst in Kalifornien, wo er auf der Ranch von Charles Chrisman als „Wrangler“ und Pflüger arbeitete. Im Spätherbst 1868 fuhr er zu einem Besuch der Familie nach Lamar, wo er 1869 Urilla Sutherland kennenlernte, die Tochter von William und Permelia Sutherland, die das örtliche Exchange-Hotel betrieben. Die beiden verliebten sich und am 10. Januar 1870 heirateten sie, wobei Nick Earp die beiden in seiner Funktion als Friedensrichter traute. Im August kaufte Wyatt ein Haus am Stadtrand für 50 Dollar, wohin beide zogen. Urilla war zu der Zeit bereits schwanger gewesen, doch sie sollte ihr Kind nicht mehr bekommen, denn sie verstarb an Typhus und Wyatt verkaufte Haus und Grund daraufhin wieder.

Am 17. November standen die nächsten Stadtwahlen an und Waytt gewann das Amt des Constablers mit 137 zu 108 Stimmen gegen seinen Bruder Newton, während Vater Nick sein Amt als Friedensrichter gegen einen gewissen G. W. Shawen wieder verlor. Der „South West Missourian“ berichtete zwar bereits im Juni 1870, dass ein Mr. Earp den Posten eines Constablers bekleidete, ließ dabei aber offen, um welchen der Earps es sich denn dabei gehandelt haben könnte. Lange sollte Wyatt sein Amt indes nicht bekleiden, denn bereits Anfang 1871 verließ er Lamar wieder und ging zurück in den Westen. Die Gründe kennen wir nicht, doch es ist stark anzunehmen, dass ihn der Tod seiner Frau und seines Kindes nicht unbetroffen gelassen und er in Lamar daher keine Zukunft mehr für sich gesehen hatte. Ein weiterer Grund für seinen Auszug aus dem Ort war, dass er einige Dollars aus dem örtlichen Stadtsäckel unterschlagen und diesbezüglich auch Gerichtsakten gefälscht hatte.

Westwärts nach Kansas

Seine Kriminalakte sollte sich dann auch gleich weiter füllen, denn ein Akteneintrag des US Court, Western District of Arkansas gibt Aufschluss darüber, dass ein gewisser Wyatt S. Earp wegen Pferdediebstahls im Indianer-Territorium verhaftet worden sei. Dieser Diebstahl ereignete sich am 28. März 1871 auf der Ranch eines gewissen William Keys, wobei jedes seiner Pferde rund 100 Dollar wert gewesen war. Anfang April wurde Earp und mit ihm zwei weitere Missetäter namens Edward Kennedy und John Shown von US Deputy Marshal Jacob G. Owens an der Kansas-Grenze festgenommen und zum zuständigen Bundesgericht nach Van Buren, Arkansas gebracht. Dort wurden die drei dann angeklagt. Wyatt wurde gegen die Hinterlegung einer Kaution von 500 Dollar vorerst auf freiem Fuß gesetzt. Diese Gelegenheit nutzte er aus und kehrte Arkansas so schnell als möglich den Rücken, denn Pferdediebstahl war auch in diesem Staat zu jener Zeit kein Kavaliersdelikt gewesen und etwaige Missetäter fanden sich relativ schnell an einem Baum wieder, und zwar mit einem gedrehten Hanfseil um den Hals.

Earp verschwand also aus Arkansas, wobei er so viele Meilen wie nur möglich zwischen sich und dem Staat zurückgelegt hatte. In Preoria, Illinois stieg er schließlich wieder aus dem Sattel und sollte in den kommenden Monaten auch dort seine Spuren hinterlassen. In Preoria lebte Wyatt in dem Haus einer gewissen Jane Haspel, welches im Februar 1872 von der städtischen Polizei gestürmt wurde, wobei vier Frauen und drei Männer, nämlich Wyatt und Morgan Earp sowie ein George Randall verhaftet wurden. Die drei wurden später vor Gericht beschuldigt: „(...) sich in einem Haus mit zweifelhaftem Ruf aufgehalten zu haben“, womit man das Wort Bordell galant umschrieben hatte. Alle drei wurden zu je 20 Dollar plus Gerichtskosten verurteilt und da dieses anscheinend noch nicht ausgereicht hatte, wurden Wyatt und Morgan am 11. Mai für ein weiteres Vergehen dieser Art nochmals vor dem Richter gezerrt und erhielten eine weitere Geldstrafe von je 44,55 Dollar aufgebrummt. Am 10. September 1872 wurde Wyatt abermals verhaftet, weil er sich an Bord eines schwimmenden Bordells auf dem Illinois River aufgehalten hatte. In seiner Begleitung befand sich die Prostituierte Sally Heckell, die wahrscheinlich die 16-jährige Tochter von Jane Haspel gewesen war:

Einige der Frauen sollen gut aussehen, aber alle scheinen furchtbar verdorben zu sein. John Walton, der Skipper des Bootes und Wyatt Earp (…) wurden jeweils zu 43,15 Dollar verurteilt. Sarah Earp, alias Sally Heckell nennt sich die Frau von Wyatt Earp.“

Sherry Monaham, „Mrs. Earp“, (2013)

Somit dürfte sich Wyatt in Preoria als Bordellbetreiber betätigt haben, eine lukrative Einnahmequelle, die sich später auch in Kansas rentieren sollte, jener Staat, wohin sich Wyatt zusammen mit seiner Gefährtin Sarah als nächstes hinwenden sollte.

Zu jener Zeit war Kansas mit seinen Städten wie Hays City, Ellsworth oder Abilene das Ziel der texanischen Cowboys gewesen, die ihre Longhornrinder von Texas aus nach Kansas trieben, damit sie dort auf Züge verladen ihre letzte Reise zu den Schlachthöfen im Osten der USA antreten konnten. Auch Ellsworth in Zentral-Kansas war eine dieser Städte gewesen. Der Ort wurde nach dem 1864 gegründeten Fort Ellsworth im Jahre 1867 gegründet und galt als eine Stadt mit üblem Ruf, wo betrunkene Cowboys ihre Streitigkeiten üblicherweise mit dem Colt in der Hand zu schlichten verstanden hatten. Zahlreiche Bordelle und Saloons sorgten für jegliche Art von Zerstreuung und Ellsworths City Marshal Chauncey Belden Whitney hatte alle Hände voll zu tun, die Cowboys in ihre Grenzen zu weisen, was ihm dank seiner harten und seriösen Art im Großen und Ganzen auch gelang, war er doch 1868 einer jener Helden in der Indianerschlacht von Beechers Island, gewesen, wo sich rund 50 Grenzer unter dem Kommando von George Alexander „Sandy“ Forsyth gegen eine Übermacht von Cheyenne-Indianer unter Roman Nose neun Tage lang verbissen verteidigen mussten, bevor sie von weiteren US-Truppen gerettet werden konnten. Der Ort war allerdings auch Schauplatz einer weiteren Earp-Legende, die die Zeiten überdauert hatte, was nicht zuletzt dem späteren Earp-Biografen Stuart N. Lake zu verdanken gewesen war, der diese Geschichte seinerzeit ins Leben gerufen hatte. Danach wurde Marshal Whitney von dem Revolvermann William „Billy“ Thompson unter Zuhilfenahme einer Schrotflinte auf offener Straße erschossen (was in so weit stimmt), während sein großer Bruder Ben Thompson, ebenfalls Revolvermann, mit der Waffe in der Hand darüber wachte, dass sein kleiner Bruder die Stadt unbeschadet verlassen konnte, was ebenfalls stimmt. Nun jedoch kommt Wyatt Earp ins Spiel, der als einziger in der Stadt den Mut aufgebracht hatte, Ben zur Aufgabe zu überreden und ihm das Gewehr aus der Hand zu nehmen. Eine nette Geschichte, die jedoch den Haken gehabt hatte, nicht der Wahrheit zu entsprechen denn der „Ellsworth Reporter“ vom 21. August 1873 gibt einen detaillierten Bericht über den Tod Whitneys und beschreibt genau, wie Deputy Sheriff Edward O. Hugue, Ben Thompson in Gewahrsam nahm. Wohlgemerkt O. Hugue und nicht etwa Wyatt Earp. Möglicherweise war Wyatt zu dieser Zeit einer jener Spieler gewesen, die sich in einem der zahlreichen Saloons von Ellsworth aufgehalten hatten, doch mit Thompson selber hatte er Zeit seines Lebens keinerlei Disput gehabt. Anderen Erzählungen nach soll Wyatt in Kansas auch als Bisonjäger tätig gewesen sein, doch diesbezügliche Belege oder Aussagen dafür fehlen gänzlich und bieten Raum für weitere Spekulationen.

Nach einer Nachricht von Bruder James wandten sich Wyatt und Sarah einem nächsten Ort zu, der gerade dabei gewesen war, sich zur nächsten Boomtown in Kansas zu mausern - Wichita. Im Mai 1874 erreichte das Paar die Stadt, wo bereits Bruder James ansässig gewesen war und dort zusammen mit seiner Frau Nellie „Bessie“ Ketchum ein Bordell betrieb, in das Bruder Wyatt und Frau Sarah, jeder auf seine Weise, mit einsteigen sollten. Wyatt soll dabei die Rolle eines Zuhälters übernommen haben, während andere Historiker die Meinung vertreten, dass er dort wohl eher den Posten eines Aufpassers oder Türstehers innegehabt hatte. Dazu muss man sagen, dass Wyatt mit seiner Körpergröße von 1,83 m über dem Durchschnitt der damaligen Amerikaner gelegen und dementsprechend Respekt ausgestrahlt hatte. Nebenbei verfügte er über starke körperliche Kräfte.

 

Wichita wurde 1868 als kleiner Ort gegründet und entwickelte sich durch den Eisenbahnanschluss, am 21. Juli 1870 zur Hauptstadt des Sedgwick Countys. Im April 1871 wurde Wichita als Stadt dritter Ordnung anerkannt und wie Abilene, Dodge City, Ellsworth, Newton und Caldwell war auch sie eine jener Treibherdenstädte gewesen, in der es nicht minder rau zuging, wie in den oben genannten Boomtowns. Im Mai 1872 erreichte die Eisenbahn die Stadt und bereits am 08. Juni 1872 verließen die ersten 18 Waggons mit Rindern Wichita in Richtung Atchison; am Ende der Saison hatte man dann rund 70.000 Rinder auf die Schiene gebracht. Links des Arkansas River entstand der obligatorische Rotlichtbezirk, der „Delano“ genannt wurde und eine Holzbrücke über den Arkansas River diente gleichzeitig als Zollbrücke, um so den Stadtsäckel zu füllen.

Am 29. Oktober 1874 berichtete der „Wichita Eagle“ dass Wyatt dem dienstfreien Polizeibeamten John Behrens geholfen hatte, eine Gruppe Diebe zu finden, die einem Einwohner seinen Fuhrwagen gestohlen hatte. Als Mike Meagher am 21. April 1875 zum neuen Stadtmarshal gewählt worden war, trat Wyatt neben James Cairns als Assistent Marshal der Polizeitruppe bei und bekam dafür ein Gehalt von 60 Dollar monatlich. In seiner Freizeit hingegen fand er sich an einem der Faro-Tische der Stadt wieder, um dort sein Gehalt weiter aufzubessern. Zwar hatte Earp auf sich alleine gestellt, entgegen der Legende, zu keiner Zeit die Mannschaft des texanischen Großranchers Abel Head „Shanghai“ Pierce und Emanuel „Mannen“ Clements, daran gehindert, die Stadt „zu überrennen“, doch durch sein furchtloses Auftreten und seine Zuverlässigkeit erwarb er sich schnell einen guten Ruf in der Stadt. So schrieb der „Weekly Beacon“ in seinem Artikel vom 12. Mai 1875:

Am Dienstagabend letzter Woche (4. Mai) lief Policeman Erp (sic!) (…) ein Bursche über dem Weg, dessen allgemeine Erscheinung und Aufmachung der Beschreibung entsprach, die wir von einem W. W. Compton haben, von dem es heißt, er habe zwei Pferde und ein Maultier in der Umgebung von Le Roy in Coffey County gestohlen. Erp nahm ihn in Schlepp und erkundigte sich nach seinem Namen, den er als „Jones“ angab. Das stellte den Beamten nicht zufrieden, der Mr. Jones in den Gold Room in der Douglass (sic!) Avenue führte, in der Absicht, ihn bei Lampenlicht ausführlich begutachten zu können. Mr. Jones, dem die Lage der Dinge nicht gefiel, brannte durch und lief zur rückwärtigen Abteilung von Denisons Ställen. Erp feuerte einen Schuss über sein Achterdeck, um ihn beidrehen zu lassen, um einen nautischen Ausdruck zu gebrauchen; und als er das gerade tat, warf der Mann Anker bei einer Wäscheleine, holte seine Flagge nieder und ergab sich ohne einen Schuss. Der Beamte bemächtigte sich seiner, ehe er auf die Füße kommen und sie für einen neuerlichen Lauf benutzen konnte und überantwortete ihn dem Sheriff, der ihn ins Gefängnis brachte.“

Kiecksee,Die Wyatt Earp Story“, S. 18/19

Beileibe keine große Sache, sondern einfache polizeiliche Routinearbeit, mit der sich Wyatt in diesem und ähnlich gelagerten Fällen herumschlagen musste, doch er machte seine Sache gut und er fand Bestätigung darin, auf dem richtigen Wege zu sein, um seine Karriere von einem herumziehenden Vagabunden zu einem ehrbaren Mitglied der Gesellschaft voranzutreiben. Zwar stand er erst am Anfang dieser Entwicklung, aber er machte sich.

Am 09. Januar 1876 saß Wyatt mit zwei oder drei weiteren Männern im Hinterzimmer des Custom House Saloons und zu spielen. Was dann geschah, beschreibt der „Weekly Beacon“ in seinem Artikel so:

(...) sein Revolver rutschte aus seinem Holster und während er zu Boden fiel, soll der Hammer, der auf einem Zündhütchen ruhte, den Stuhl berührt und einen Schuss ausgelöst haben. Die Kugel durchschlug seine Jacke, traf die nördliche Wand und penetrierte als Querschläger die Decke. Das hätte leicht ins Auge gehen können und verursachte eine lebhafte Stampede aus dem Raum.“

Kiecksee, „Die Wyatt Earp Story“, S.19

Am 02. April 1876 fand die nächste Marshalwahl in Wichita statt und die beiden Kandidaten Mike Meagher und William Smith lieferten sich einen heißen Wettkampf, wobei sich Smith in der Art geäußert hatte, dass, wenn Meagher die Wahl gewinnen sollte, er wohl die ganze Earp-Sippe als Polizisten einstellen würde. Da musste Wyatts Geduldsfaden wohl gerissen worden sein und so nahm er sich Smith zur Brust, um ihn kräftig zu verprügeln, was natürlich keine gute Idee gewesen war, denn anschließend wurde er am 03. April vom Polizeidienst beurlaubt, nachdem er wegen Landfriedensbruch zu einer Geldstrafe von 30 Dollar verurteilt worden war. Zwar befasste sich der Stadtrat am 19. April nochmals mit dem Fall Earp, doch am Ende war Wyatt seinen Posten endgültig losgeworden. Ihm wurden für den Monat April noch 40 Dollar für 20 Tage Polizeidienst zugestanden, doch da er und John Behrens unter dem Verdacht gerieten, Gelder unterschlagen zu haben, die eigentlich dem Stadtsäckel zugeführt werden sollten, wurden die 40 Dollar zur Sicherheit gleich einbehalten und man verzichtete im Gegenzug auf eine Verhaftung. Damit war Wichita für Wyatt erledigt gewesen und er beschloss seine Zelte dort abzubrechen, um sich einer neuen aufstrebenden Stadt zuzuwenden, in die bereits zuvor sein Bruder James gezogen war, um dort ein neues Bordell zu eröffnen …

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