Die Abgrenzung der Einkunftsarten im Einkommensteuerrecht

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Aus der Reihe: MCC Steuerrecht eBooks #34
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1.1.1.1. Unbeschränkte Steuerpflicht § 1 Abs.1 EStG

§ 1 Abs.1 EStG ist der Haupttatbestand der unbeschränkten Steuerpflicht. Alle natürlichen Personen, die im Inland einenWohnsitz (§ 8 AO) oder gewöhnlichen Aufenthalt (§ 9 AO) haben, sind unbeschränkt einkommensteuerpflichtig.

Als Inland zählt gemäß § 1 Abs.1 S.2 EStG der Geltungsbereich des EStG und damit das Gebiet Deutschlands. Liegt eine unbeschränkte Steuerpflicht vor, gilt das Welteinkommensprinzip. Nach diesem Prinzip unterliegen nicht nur inländische Einkünfte der Einkommensteuer, sondern alle Einkünfte, unabhängig davon, ob sie im In- oder im Ausland erzielt worden sind. Mögliche Doppelbesteuerungen werden über bi- oder multilaterale Abkommen vermieden [6].

[6] Kußmaul, Heinz: Betriebswirtschaftliche Steuerlehre – Lehr- und Handbücher der Betriebswirtschaftslehre, Seite 267 f., 7., vollständig aktualisierte und erweiterte Auflage, Oldenbourg Verlag München 2014. Weiterführend z. B. Fischer, Lutz/Kleineidam, Hans Jochen/Warneke, Perygin: Internationale Betriebswirtschaftliche Steuerlehre, Seite 41 ff., 5. neu bearbeitete und wesentlich erweiterte Auflage, Erich Schmidt Verlag Berlin 2005.

1.1.1.2. § 1 Abs.2 EStG Erweiterte unbeschränkte Steuerpflicht

Unbeschränkt steuerpflichtig sind auch Personen,

 die deutsche Staatsangehörige sind,

  im Inland keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben,

 zu einer inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts in einem Dienstverhältnis stehen,

 dafür Arbeitslohn aus einer inländischen öffentlichen Kasse beziehen und

 im Wohnsitzstaat nur beschränkt steuerpflichtig sind.

Darunter fallen z. B. die Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes an den Botschaften, Soldaten und Polizisten im Auslandseinsatz und die zum Haushalt gehörenden Angehörigen.

1.1.1.3. § 1 Abs.3 EStG fiktive unbeschränkte Steuerpflicht

Die fiktive unbeschränkte Steuerpflicht nach § 1 Abs.3 EStG liegt vor, wenn ein beschränkt Steuerpflichtiger dies bei einer inländischen Finanzbehörde beantragt. Dieser Antrag ist dabei nur unter der Voraussetzung möglich, dass

 die Gesamteinkünfte des Antragstellers im Kalenderjahr zu mindestens 90% der deutschen Besteuerung unterliegen oder

 die nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünften nicht größer als der Grundfreibetrag in Höhe von 9.000 € (2018) ist [7].

Die Höhe der ausländischen Einkünfte muss durch die ausländische Steuerbehörde bescheinigt werden, damit entsprechend ein Abzug der ausländischen Steuer von der festgesetzten deutschen Einkommensteuer möglich ist bzw. eine Doppelbesteuerung dieser Einkünfte vermieden werden kann [8].

[7] Grundfreibetrag nach § 32a Abs. 1 Nr. 1 EStG für 2017 8.820 €.

[8] Dazu auch BStBl 2012 I, 108 ff.

1.1.1.4. Beschränkte Steuerpflicht § 1 Abs.4 EStG

Natürliche Personen, die keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben, aber inländische Einkünfte nach § 49 EStG erzielen, sind nur mit diesen Einkünften in Deutschland steuerpflichtig . § 49 EStG regelt das sogenannte Ursprungslandprinzip. Folge der beschränkten Steuerpflicht ist, dass bestimmte, im Einkommensteuergesetz enthaltene Fördermaßnahmen und Unterstützungen nicht in Anspruch genommen werden können, da unterstellt wird, dass diese Tatbestände im Wohnsitzstaat berücksichtigt werden [9] .

[9] Birk , Steuerrecht, S. 210.

1.1.2. Objektive Steuerpflicht

Ist eine natürliche Person subjektiv einkommensteuerpflichtig, ist die objektive bzw. sachliche Einkommensteuerpflicht zu prüfen.

Eine sachliche Einkommensteuerpflicht liegt dann vor, wenn eine subjektiv steuerpflichtige Person steuerbare Einnahmen bezogen hat. Diese sind immer dann vorhanden, wenn Einnahmen einer der sieben Einkunftsarten zugeordnet werden können:

 Land- und Forstwirtschaft §§ 13 bis 14 EStG,

 Gewerbebetrieb §§ 15 – 17 EStG,

 selbständige Arbeit § 18 EStG,

 nichtselbständige Arbeit § 19 EStG,

 Kapitalvermögen § 20 EStG,

 Vermietung und Verpachtung § 21 EStG sowie

 sonstige Einkünfte § 22 EStG.

1.1.2.1. Umfang der Besteuerung § 2 EStG
1.1.2.1.1. Überblick

Die Ermittlung der Bemessungsgrundlage erfolgt nach dem Schema des § 2 EStG . Es enthält die grundsätzliche Struktur, in welchen Schritten das zu versteuernde Einkommen ermittelt wird. Das gekürzte Schema ist nachfolgend dargestellt [10]:

Abbildung 1, Grundschema Ermittlung zu versteuernde Einkommen

[10] Eine detaillierte und ausführliche Darstellung des Schemas ist in R 2 EStR enthalten.

1.1.2.1.2. Summe der Einkünfte § 2 Abs.1 und 2 EStG>

§ 2 Abs.1 und 2 EStG normieren die sieben Einkunftsarten und die Summe der Einkünfte. Um die Summe der Einkünfte schemengerecht zu ermitteln, sind die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft zuerst zu bestimmen und die sonstigen Einkünfte zuletzt.

Die Einkünfte bilden die Grundlage für die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens und sind der Unterschiedsbetrag zwischen Einnahmen und Ausgaben. Es werden also nur die Nettoeinkünfte versteuert.

Die Summe der Einkünfte wird in zwei Schritten berechnet. Dies ergibt sich aus der Systematik des § 2 Abs.1 und 2 EStG und ist nicht direkt der Norm zu entnehmen [11].

Zuerst werden für jede Einkunftsart der Gewinn bzw. der Überschuss ermittelt. Dies erfolgt durch Abzug der Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten von den Betriebseinnahmen bzw. Einnahmen i. S. d. § 8 EStG. Liegen innerhalb einer Einkunftsart mehrere Einkunftsquellen vor, ist für jede Einkunftsquelle das Ergebnis zu ermitteln und dann alle Teilergebnisse zusammenzurechnen (horizontaler Verlustausgleich).

Im zweiten Schritt werden die Ergebnisse der einzelnen Einkunftsarten zusammengerechnet, das Ergebnis ist die Summe der Einkünfte (vertikaler Verlustausgleich.

[11] Dazu auch Kußmaul, Betriebswirtschaftliche Steuerlehre, S.312 bis 315.

1.1.2.1.3. Horizontaler und vertikaler Verlustausgleich [12]

Der horizontale Verlustausgleich wird

  innerhalb einer Einkunftsart und

  innerhalb einer Periode

durchgeführt, in dem die Gewinne bzw. die Überschüsse und Verluste mehrerer Einkunftsquellen gegeneinander verrechnet werden.

Der vertikale Verlustausgleich wird bei der Ermittlung der Summe der Einkünfte durchgeführt. Negative Einkünfte und positive Einkünfte

 der verschiedenen Einkunftsarten

  innerhalb einer Periode

werden miteinander verrechnet.

Beispiele Ermittlung Summe der Einkünfte, horizontaler und vertikaler Verlustausgleich:

1. Der Steuerpflichtige Stein hat einen kleinen Computerladen. Seine Betriebseinnahmen betragen 25.000 €, seine Betriebsausgaben 6.000 €. Weiterhin vermietet er eine Wohnung, seine Mieteinnahmen betragen 10.000 € und seine Werbungskosten 3.000 €.

Die Summe der Einkünfte ermittelt sich folgendermaßen:

Einkünfte aus Gewerbebetrieb § 15 EStG

Betriebseinnahmen = 25.000 € abzgl. Betriebsausgaben = 6.000 € Gewinn = 19.000 €

Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung § 21 EStG

Einnahmen = 10.000 € Werbungskosten = 3.000 € Überschuss = 7.000 €

Summe der Einkünfte Stein = 26.000 €

2. Lisa ist als freiberufliche Dozentin für Steuerrecht tätig und erzielt damit einen Gewinn von 16.000 €. Parallel betreut sie die Homepage einer Steuerberatungsgesellschaft und schreibt tagesaktuelle steuerrechtliche Analysen. Dafür erhält sie Einnahmen i. H. v. 24.000 €. Diesen stehen Ausgaben von 4.000 € gegenüber. Aus der Vermietung einer Wohnung erzielt sie einen Verlust von 5.000 €.

Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit § 18 EStG

Dozententätigkeit = 16.000 € Journalistische Tätigkeit BE = 24.000 € BA = 4.000 € Gewinn = 20.000 €

Einkünfte § = 18 36.000 €

Einkünfte aus VuV § 21 EStG - 5.000 €

Summe der Einkünfte Lisa = 31.000 €

[12] Der Verlustausgleich darf nicht mit dem Verlustabzug des § 10d EStG verwechselt werden. Dieser erfolgt bei der Ermittlung des Einkommens vor dem Abzug von Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen. Er verrechnet Verluste einer Periode mit den positiven Einkünften anderer Perioden.

 

1.2. Steuerbare Einnahmen

Der Ausgangspunkt jeder einkommensteuerrechtlichen Betrachtung ist die Analyse, ob steuerbare Einnahmen vorliegen. Einnahmen, die nicht einer Einkunftsart zugeordnet werden können, sind nicht steuerbar und können ohne Steuerzugriff vereinnahmt werden [13]. So zählen z. B. zu den nicht steuerbaren Einnahmen

 Lottogewinne,

 Einnahmen aus einer Schenkung oder Erbschaft,

 Einnahmen aus der Veräußerung von Gegenständen des Privatvermögens, soweit es Wirtschaftsgüter des täglichen Bedarfs betrifft,

 Gewinne von Aktienverkäufen, soweit die Aktien vor dem 01.01.2009 angeschafft worden sind (Altaktien),

 Einnahmen aus Lebensversicherungen, soweit diese vor 2005 angeschlossen worden sind,

 Einnahmen aus einer steuerlichen Liebhaberei sowie

 Einnahmen aufgrund eines Fundes.

Abbildung 2, Prüfschema Zuordnung steuerpflichtige Einnahmen

Der Begriff der Betriebseinnahmen ist im EStG nicht ausdrücklich festgelegt. Aufgrund des Einnahmebegriffs des § 8 Abs.1 EStG im Zusammenhang mit der Definition der Betriebsausgaben in § 4 Abs.4 EStG, wird nach vorherrschender Meinung die Einnahmedefinition des § 8 EStG auf die Betriebseinnahmen analog angewendet [14] :

 Einnahmen i. S. d. § 8 EStG sind alle Einnahmen in Geld und Geldeswert, die im Rahmen einer Überschusseinkunftsart zufließen.

 Betriebseinnahmen sind also alle Einnahmen in Geld und Geldeswert, die im Rahmen einer Gewinneinkunftsart zufließen.

Aus wirtschafts- und sozialpolitischen Gründen werden bestimmte steuerbare Einnahmen nach § 3 EStG von der Steuer befreit [15] . § 3 EStG findet für alle Einkunftsarten Anwendung. Es ist aber möglich, dass die Steuerfreiheit von Einnahmen innerhalb einer Einkunftsart bzw. zwischen den verschiedenen Einkunftsarten unterschiedlich behandelt wird. Jede Einnahme, die im § 3 EStG aufgeführt wird, muss eine steuerbare Einnahme sein und daher einer Einkunftsart zugeordnet werden, vgl. Abbildung 2.

Beispiel:

§ 3 Nr.51 EStG definiert, dass Trinkgelder, die ein Arbeitnehmer ohne Rechtsanspruch und freiwillig von einem Dritten erhält, steuerbare und steuerfreie Einnahmen sind. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass das Trinkgeld, das ein Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber erhält, steuerpflichtig ist.

Ebenso ist das Trinkgeld steuerpflichtig, das ein Gewerbetreibender oder Selbständiger von einem Kunden erhält, da Gewerbetreibende bzw. Selbständige keine Arbeitnehmer sind [16] .

[13] Kußmaul , Betriebswirtschaftliche Steuerlehre, S. 271.

[14] Weiterführend z. B. auch BStBl II 1996, S.273, 274.

[15] Kußmaul , Betriebswirtschaftliche Steuerlehre, S.272.

[16] Dies folgt unter anderem aus der Definition des Arbeitnehmerbegriffs in § 2 Abs.1 LStDV und der Abgrenzung von selbständiger und nichtselbständiger Tätigkeit.

1.3. Ausgaben[17]

Ausgaben dürfen von steuerpflichtigen Einnahmen abgezogen werden, wenn sie mit diesen in einem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Bei den

 Gewinneinkünften sind dies Betriebsausgaben § 4 Abs.4 EStG,

 Überschusseinkünften sind dies Werbungskosten nach § 9 EStG.

Werden Ausgaben steuerfreien bzw. nicht steuerbare Einnahmen zugerechnet, dürfen sie nicht bei der Ermittlung der Einkünfte berücksichtigt werden, vgl. § 3c Abs.1 EStG.

Aufwendungen für die private Lebensführung i. S. d. § 12 EStG dürfen weder als Betriebsausgaben noch als Werbungskosten von den Einnahmen abgezogen werden. Bei Aufwendungen i. S. d. § 12 Nr.1 S.2 EStG, die sowohl der privaten Lebensführung dienen bzw. als Werbungskosten oder Betriebsausgaben abzugsfähig wären (gemischte Aufwendungen), darf eine Aufteilung nach objektiven Maßstäben in einen beruflich und einen privat veranlassten Teil erfolgen. Der beruflich veranlasste Anteil kann von den Einnahmen abgezogen werden [18]. Ergibt die Aufteilung, dass ein Teil von untergeordneter Bedeutung ist (Nutzung maximal 10%), werden die gesamten Aufwendungen dem überwiegenden Teil zugeordnet und können steuerlich berücksichtigt werden [19]. Kann keine objektive Trennung erfolgen, gilt nach wie vor ein Abzugs- und Aufteilungsverbot.

Beispiele:

Herbert kauft sich einen Laptop, den er für berufliche und private Zwecke nutzt. Die Anschaffungskosten insgesamt haben 1.000 € betragen, die berufliche Nutzung kann er mit 70 Prozent glaubhaft belegen.

Herbert kann von den Anschaffungskosten 70 Prozent = 700 € als Werbungskosten berücksichtigen.

Franziska, angestellte Maurerin, kauft sich neue Arbeitsschutzbekleidung für 2.000 €. Sie kann dem Finanzamt glaubhaft machen, dass sie diese zu 95 Prozent beruflich nutzt.

Da die private Mitnutzung von untergeordneter Bedeutung ist (kleiner 10 Prozent), kann Franziska die kompletten 2.000 € als Werbungskosten berücksichtigen.

Maik, Journalist beim städtischen Boulevardblatt, kauft sich einen neuen Schreibtisch für 800 €, an dem er berufliche und private Dinge erledigt. Seine drei Kinder und seine Ehefrau nutzen diesen Schreibtisch ebenfalls für ihre Zwecke. Er schätzt seine berufliche Nutzung auf 30 bis 70 Prozent; so genau kann er es nicht sagen.

Da eine objektive Trennung in einen beruflichen und privaten Anteil nicht erfolgt bzw. möglich ist, gilt ein Aufteilungs- und Abzugsverbot. Maik kann keine Aufwendungen als Werbungskosten berücksichtigen.

§ 4 Abs.5 EStG enthält darüber hinaus eine Aufzählung von Ausgaben, die als Betriebsausgaben den Gewinn nicht mindern dürfen. Sie werden als nicht abzugsfähige Betriebsausgaben bezeichnet und werden dem steuerlichen Gewinn außerbilanziell wieder hinzugerechnet [20].

[17] Zur Abgrenzung von abzugsfähigen und nicht abzugsfähigen Ausgaben siehe auch: Eifler, Michael: Die Abzugsfähigkeit von Aufwendungen im Einkommensteuerrecht unter dem Einfluss des § 12 EStG, 1. Auflage, Mastering ConceptConsult Januar 2015 (ebook).

[18] Kußmaul , Betriebswirtschaftliche Steuerlehre, S.304 und 305.

[19] BFH vom 21.09.2009, BStBl 2010 II S. 672 und BMF vom 06.07.2010, BStBl I S. 614.

[20] Dazu Kapitel 2.3.

2. Gewinnermittlung und Buchführungspflichten

§ 2 Abs.1 EStG definiert die sieben Einkunftsarten. Diese werden in Gewinn- und Überschusseinkünfte unterschieden.

Für die Gewinneinkünfte wird der Gewinn grundsätzlich nach §§ 4 und 5 EStG ermittelt, bei den Überschusseinkünften der Überschuss zwischen den Einnahmen i. S. d. § 8 EStG und den Werbungskosten § 9 EStG . Betriebsausgaben und Werbungskosten werden auch als erwerbssichernder Aufwand bezeichnet [21].

Bei den Gewinneinkünften bilden grundsätzlich Vermögensveränderungen die Besteuerungsgrundlage, bei den Überschusseinkünften wird das zugrunde liegende Vermögen steuerlich nicht betrachtet. Das heißt, dass Privatvermögen, das zur Überschusserzielung eingesetzt wird, unter Umständen bei einer Veräußerung eine nicht steuerbare Einnahme generiert [22].

[21] § 2 Abs.2 EStG normiert das objektive Nettoprinzip und verwirklicht den Grundsatz der Besteuerung nach der individuellen Leistungsfähigkeit.

[22] Haberstock, Lothar/Breithecker, Volker: Einführung in die Betriebswirtschaftliche Steuerlehre, Seite 54, 16., völlig neu bearbeitete Auflage, Erich Schmidt Verlag Berlin 2013.

2.1. Gewinnermittlung im Steuerrecht

Das Steuerrecht kennt insgesamt vier Methoden der Gewinnermittlung, die in zwei Kategorien eingeteilt werden können.

Zum einen kann der Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich (BVV) ermittelt werden. Betriebsvermögensvergleich bedeutet, dass der Steuerpflichtige bilanziert und regelmäßig Abschlüsse macht, unabhängig davon, ob er dazu verpflichtet ist oder freiwillig Bücher führt.

Es wird dabei

- der BVV nach § 5 Abs.1 EStG vom

- BVV nach § 4 Abs.1 EStG

unterschieden.

Für die Gewinnermittlungen nach §§ 4, 5 EStG ermittelt sich der steuerrechtliche Gewinn nach der Gewinndefinition des § 4 Abs.1 S.1 EStG. Das Betriebsvermögen ist dabei der Unterschied zwischen Aktiva und Passiva und kommt im Eigenkapital zum Ausdruck. Ein wesentlicher Unterschied besteht darin, dass beim Betriebsvermögensvergleich nach § 5 Abs.1 EStG sowohl die handelsrechtlichen Ansatz- und Bewertungsvorschriften §§ 252 bis 256 HGB als auch die steuerrechtlichen Bewertungsvorschriften §§ 4 – 7g EStG berücksichtigt werden müssen. Beim Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs.1 EStG ist der Steuerpflichtige dagegen nur an die steuerrechtlichen Bewertungsvorschriften gebunden.


Abbildung 3: Betriebsvermögenvergleich § 4 Abs.1 S.1 EStG

Ziel des Betriebsvermögensvergleichs bzw. der Bilanzierung ist es, Erträge und Aufwendungen in dem Wirtschaftsjahr zu erfassen, in das sie auch tatsächlich gehören. Das hat zur Folge, dass Rechnungsabgrenzungen ggf. durchzuführen sind.

Beispiel:

Der Steuerpflichtige Voß führt Bücher und macht regelmäßig Abschlüsse. Er verkauft im Dezember 2018 einen Schrank, der in seinen Büchern mit 3.000 € ausgewiesen ist, für 5.000 € netto. Der Kunde bezahlt die dazugehörige Rechnung erst im März 2019.

Beim Verkauf des Schranks muss Voß folgende Buchung vornehmen (vereinfacht):

per Forderung LuL 5.950 € an

Schrank = 3.000 € Umsatzsteuer = 950 € Ertrag aus Abgang AV = 2.000 €

Der Ertrag ist 2018 erfasst, in der Periode, in die er tatsächlich gehört. Die Zahlung 2019 hat keine Gewinnauswirkung.

Darüber hinaus bezahlt Voß im Dezember die Versicherung seines Autos für Dezember 2018 bis einschließlich Februar 2019 per Überweisung. Je Monat muss er 150 € zahlen.

Voß bucht diesen Vorgang: per Versicherungsaufwand 450 € an Bank 450 €.

Da zwei Monatsbeträge sich erst 2019 auswirken dürfen, muss er für diese Beträge einen Rechnungsabgrenzungsposten bilden: Per RAP 300 € an Versicherungsaufwand 300 €

2019 muss er diesen RAP auflösen und erfasst dadurch den Aufwand in dem Wirtschaftsjahr, in den er tatsächlich gehört.

Zum anderen kann der Gewinn ohne BVV ermittelt werden. In diese Kategorie fallen die Gewinnermittlung anhand der Einnahme-Überschuss-Rechnung EÜR nach § 4 Abs.3 EStG (Kapitalflussrechnung) bzw. die Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen gemäß § 13a EStG für Land- und Forstwirte.

Abbildung 4, Gewinnermittlungsarten

2.1.1. Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich § 5 Abs.1 EStG

Gewerbetreibende , die aufgrund gesetzlicher Vorschriften verpflichtet sind, Bücher zu führen, haben den Betriebsvermögensvergleich durchzuführen.

Die Buchführungspflicht kann sich dabei aus §§ 140 AO i. V. m. 238 ff. HGB bzw. § 141 AO ergeben.

Jeder Kaufmann i. S. d. HGB ist verpflichtet, Bücher zu führen, § 238 HGB. Über § 140 AO ergibt sich daraus eine Buchführungspflicht für das Steuerrecht, so dass ein Gewerbetreibender im Steuerrecht immer verpflichtet ist Bücher zu führen, wenn sich für ihn eine Buchführungspflicht aus dem HGB ergibt [23].

 

Ist ein Gewerbetreibender nicht nach § 238 HGB i. V. m. § 140 AO zum Führen von Büchern verpflichtet, kann sich eine Buchführungspflicht aus § 141 AO ergeben. Seit 2016 muss ein Gewerbetreibender im Steuerrecht Bücher führen, wenn sein

 Umsatz im Wirtschaftsjahr 600.000 € oder

 der Gewinn 60.000 €

übersteigt [24].

Die Finanzbehörde hat den Steuerpflichtigen dabei darauf hinzuweisen, dass er dazu verpflichtet ist, Bücher zu führen und regelmäßig Abschlüsse zu machen. Die Verpflichtung selbst beginnt mit dem Wirtschaftsjahr, das auf die Bekanntgabe der Mitteilung durch das Finanzamt folgt, § 141 Abs.2 AO . Entgegengesetzt endet die Verpflichtung erst mit Ablauf des Wirtschaftsjahres, das auf das Wirtschaftsjahr folgt, in dem die Behörde festgestellt hat, dass die Voraussetzungen des § 141 Abs.1 AO nicht mehr vorliegen.

Beispiel:

Der Gewerbetreibende Karl-Horst Wunder ermittelt seinen Gewinn nach der Einnahmeüberschussrechnung. 2017 stellt die Finanzbehörde bei der Veranlagung des Jahres 2016 fest, dass der Gewinn des Wunder 63.000 € beträgt. Sie teilt ihm daraufhin mit, dass er nun mehr zur Buchführung verpflichtet ist.

Die Verpflichtung beginnt erst mit dem Wirtschaftsjahr, dass auf das Jahr der Bekanntgabe der Mitteilung folgt. Karl-Horst Wunder darf also seinen Gewinn für 2017 noch nach der Einnahmeüberschussrechnung ermitteln, muss aber ab 2018 Bücher führen und Abschlüsse machen und seinen Gewinn nach dem Betriebsvermögensvergleich ermitteln.

Ursula Gräber ermittelt seit Jahren ihren Gewinn anhand des Betriebsvermögensvergleichs. Während der Veranlagung zur Einkommensteuer 2016 im August 2017 stellt das Finanzamt fest, dass ihr Gewinn unter 60.000 € liegt und die Umsätze, wie seit Jahren schon, bei 520.000 €. Die Behörde teilt Frau Gräber daraufhin mit, dass sie nicht mehr verpflichtet ist Bücher zu führen und regelmäßig Abschlüsse zu machen sowie die Möglichkeit, ihren Gewinn anhand der Einnahmeüberschussrechnung zu ermitteln.

Die Verpflichtung endet dabei mit Ablauf des Wirtschaftsjahres, das auf das Jahr folgt, in dem die Behörde die Feststellung getroffen und dem Steuerpflichtigen mitgeteilt hat. Die Mitteilung erfolgte in 2017; die Verpflichtung endet also mit Ablauf 2018, so dass Frau Gräber ab 2019 zur Gewinnermittlung anhand der Einnahmeüberschussrechnung übergehen kann.

Sofern ein Gewerbetreibender nicht buchführungspflichtig ist, hat er ein Wahlrecht, nach welcher Methode er seinen Gewinn ermitteln möchte:

 Er kann freiwillig Bücher führen. Er ermittelt dann seinen Gewinn nach § 5 Abs.1 EStG und ist trotz freiwilliger Buchführung an handels- und steuerrechtliche Bewertungsvorschriften gebunden.

 Alternativ kann er seinen Gewinn mit der Einnahme – Überschuss – Rechnung § 4 Abs.3 EStG bestimmen.

Einen Betriebsvermögensvergleich nach § 5 Abs.1 EStG können nur Gewerbetreibende durchführen, unabhängig davon, ob eine Pflicht dazu besteht oder freiwillig Bücher geführt werden.

[23] Ist ein Kaufmann auf Grund von § 241a HGB von der handelsrechtlichen Buchführungspflicht befreit, ergibt sich damit, dass der Gewerbetreibende über § 140 AO steuerrechtlich ebenfalls nicht buchführungspflichtig ist.

[24] Diese Werte wurden ebenfalls mit dem Wirtschaftsjahr 2016 im Handelsrecht eingeführt. Gesetzliche Grundlage ist das Bürokratieentlastungsgesetz 2015 bzw. Jahressteueränderungsgesetz 2015.