Kommunalrecht Baden-Württemberg

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5. Teil Einwohner und Bürger der Gemeinde

Inhaltsverzeichnis

A. Einwohner

B. Bürger

C. Übungsfall Nr. 1

5. Teil Einwohner und Bürger der Gemeinde › A. Einwohner

A. Einwohner

5. Teil Einwohner und Bürger der Gemeinde › A. Einwohner › I. Begriff des Einwohners

I. Begriff des Einwohners

57


Einwohner einer Gemeinde i.S.d. GemO ist, wer in der Gemeinde wohnt (§ 10 Abs. 1 GemO), d.h. dort die tatsächliche und rechtliche Verfügungsgewalt über eine Wohnung hat, wenn nach den äußeren Umständen eine Benutzung und Beibehaltung der Wohnung angenommen werden kann.[1] Dabei kann als Wohnung auch ein Schiff oder ein Wohnwagen angesehen werden, wenn sie typischerweise nicht (mehr) bewegt werden.[2] Abzugrenzen ist der Begriff des Einwohners von dem des Bürgers, mit dem weitergehende Rechte, aber auch Pflichten, verknüpft sind (dazu Rn. 61 ff.).

Die aus der Rechtsstellung als Einwohner resultierenden Rechte und Pflichten sind im Wesentlichen in § 10 Abs. 2 und 5 GemO sowie in § 11 GemO geregelt. Das bedeutendste Recht der Einwohner ist gem. § 10 Abs. 2 S. 2 GemO das zur Nutzung der öffentlichen Einrichtungen der Gemeinde (zu den öffentlichen Einrichtungen ausführlich Rn. 109 ff.). Weiter besteht für Einwohner ein Unterrichtungsrecht (§ 20 GemO), ein Recht, an Einwohnerversammlungen teilzunehmen oder die Durchführung einer solchen zu beantragen (§ 20a GemO, wobei hier die Einschränkung des § 41 KomWG zu beachten ist) und das Recht, einen Einwohnerantrag zu stellen (§ 20b GemO; auch hier ist § 41 KomWG zu beachten). Die Pflichten der Einwohner liegen hauptsächlich in der Tragung der Gemeindelasten. Ebenso gehören hierzu Anschluss- und Benutzungszwang (Rn. 130 ff.) und das Erbringen von sog. Hand- und Spanndiensten (§ 10 Abs. 5 GemO) im Zusammenhang mit vordringlichen Pflichtaufgaben und Notfällen; diese setzen regelmäßig eine Satzung voraus, auf deren Grundlage eine Heranziehung zu solchen Diensten per Verwaltungsakt verfügt wird. Praktische Relevanz haben diese Dienste kaum.

Beispiel

Gemeindelasten sind die örtlichen Steuern, Gebühren und Beiträge.

5. Teil Einwohner und Bürger der Gemeinde › A. Einwohner › II. Den Einwohnern Gleichgestellte

II. Den Einwohnern Gleichgestellte

1. Grundbesitzer und Gewerbetreibende – § 10 Abs. 3 GemO

58

Besitzer von Grundstücken innerhalb der Gemeinde und die in der Gemeinde Gewerbetreibenden werden den Einwohnern in zweierlei Hinsicht gleichgestellt: Auch sie dürfen die öffentlichen Einrichtungen der Gemeinde nutzen und haben die entsprechenden Gemeindelasten zu tragen.

Hinweis

Bitte beachten Sie den Wortlaut des § 10 Abs. 3 GemO: Dort ist ausdrücklich von Grundstücksbesitzern und nicht etwa von „Eigentümern“ die Rede. Folglich gilt die Norm auch für Mieter und Pächter.

59

Eine Einschränkung des Nutzungsrechts für die den Einwohnern (teilweise) gleichgestellten Grundbesitzer und Gewerbetreibenden besteht jedoch insoweit, als dieses nur für diejenigen Einrichtungen der Gemeinde gilt, die auch und gerade für Gewerbetreibende und Grundstücksbesitzer vorgehalten werden (vgl. den Wortlaut § 10 Abs. 3 GemO).

Beispiel

Der Wirt, der nicht Einwohner der Gemeinde ist, in der er sein Wirtshaus betreibt, hat einen Anspruch auf die Benutzung der öffentlichen Wasserversorgung (sie dient auch den Gewerbetreibenden). Hingegen hat er keinen Anspruch darauf, auf dem gemeindlichen Friedhof (= öffentliche Einrichtung) bestattet zu werden (= Nutzung der öffentlichen Einrichtung), da diesbezüglich kein Zusammenhang zu seinem Gewerbe besteht.

2. Juristische Personen und Personenvereinigungen – § 10 Abs. 4 GemO

60

Den Grundbesitzern und Gewerbetreibenden wiederum gleichgestellt sind juristische Personen des öffentlichen und privaten Rechts und nicht rechtsfähige Personenvereinigungen (§ 10 Abs. 4 GemO).

Beispiel

Juristische Personen des privaten Rechts sind z.B. die eingetragenen Vereine, GmbHs und AGs. Juristische Personen des öffentlichen Rechts sind z.B. Handwerkskammern, Universitäten etc. Zu den Personenvereinigungen i.S.d. § 10 Abs. 4 GemO zählen insbesondere die nicht eingetragenen Vereine und Parteien.

Für juristische Personen und Personenvereinigungen gelten die für die Grundbesitzer und Gewerbetreibenden genannten Beschränkungen betreffend das Nutzungsrecht entsprechend.

Anmerkungen

[1]

Ade § 10 Rn. 1.

[2]

BeckOK KommunalR BW/Fleckenstein GemO § 10 Rn. 2.

5. Teil Einwohner und Bürger der Gemeinde › B. Bürger

B. Bürger

5. Teil Einwohner und Bürger der Gemeinde › B. Bürger › I. Begriff

I. Begriff

61


Bürger der Gemeinde ist, wer Deutscher i.S.d. Art. 116 GG oder Unionsbürger ist, das 16. Lebensjahr vollendet hat und seit mindestens drei Monaten in der Gemeinde wohnt, d.h. dort seinen Hauptwohnsitz hat (§ 12 Abs. 1 GemO).

Bei der Fristberechnung der Dreimonatsfrist ist § 12 Abs. 4 GemO zu beachten. In Anlehnung zu den Regelungen des Wahlrechts (z.B. § 12 BWG) ist dort normiert, dass der Tag der Wohnungsaufnahme in die Frist einzubeziehen ist.

Beispiel

Wenn der Einzug in die Wohnung am 5. Juli erfolgt, ist die Frist des § 12 Abs. 1 GemO mit Ablauf des 4. Oktober erfüllt, mithin ist – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen – der Bürgerstatus am 5. Oktober erlangt.

Bürger sind demnach Einwohner, welche die genannten, besonderen „Qualifikationsmerkmale“ des § 12 Abs. 1 GemO erfüllen.

62

Der Rechte- und Pflichtenkreis der Bürger umfasst den der Einwohner. Darüber hinaus haben Bürger aber auch weitergehende Bürgerrechte und -pflichten. Die wohl bedeutendsten Rechte eines Gemeindebürgers sind das aktive und passive Wahlrecht zu Gemeindewahlen (Rn. 151 ff.) sowie das Stimmrecht in sonstigen Gemeindeangelegenheiten (§ 14 GemO), die Mitwirkung bei Bürgerentscheid und -begehren (§ 21 GemO, Rn. 84 ff.). Typische Bürgerpflicht ist die Ausübung einer ehrenamtlichen Tätigkeit (§ 15 GemO, Rn. 63 ff.).

 

5. Teil Einwohner und Bürger der Gemeinde › B. Bürger › II. Ehrenamtliche Tätigkeit – § 15 GemO

II. Ehrenamtliche Tätigkeit – § 15 GemO

1. Pflicht zur ehrenamtlichen Tätigkeit

63


Eine ehrenamtliche Tätigkeit i.S.d. GemO liegt vor, wenn ein Bürger der Gemeinde unentgeltlich und außerhalb eines Dienstverhältnisses bei der Erfüllung öffentlicher kommunaler Aufgaben mitwirkt.

Die Gemeindeordnung differenziert drei Arten der ehrenamtlichen Tätigkeit, nämlich die Wahl zum Gemeinde- oder Ortschaftsrat, das gemeindliche Ehrenamt (= längerfristige Ausübung von bestimmten Verwaltungsangelegenheiten als Ehrenbeamter, z.B. als ehrenamtlich tätiger Bürgermeister, § 42 Abs. 2 GemO) sowie die ehrenamtliche Mitwirkung (= Erledigung einzelner Aufgaben, ohne als Gemeinde- oder Ortschaftsrat oder Ehrenbeamter tätig zu sein, z.B. als ehrenamtlicher Wahlhelfer).

64

Lesen Sie § 16 Abs. 1 GemO, damit Sie ein Gespür für die „wichtigen Gründe“ i.S.d. § 16 GemO entwickeln.

Nach § 15 GemO besteht die Pflicht des Bürgers, ein Ehrenamt anzunehmen und für eine bestimmte Zeit auszuüben. In Ansehung dieses Grundsatzes kann ein Bürger die ehrenamtliche Tätigkeit, zu der er z.B. durch Wahl bestimmt wurde, nur aus wichtigem Grund ablehnen. Wann ein solch wichtiger Grund vorliegt, regelt der nicht abschließende („insbesondere“) Katalog des § 16 Abs. 1 GemO. Grundsätzlich gilt: Einen wichtigen Grund wird man bejahen können, wenn objektiv feststellbare Umstände aus der persönlichen Sphäre des Bürgers ihm die weitere Ausübung des Ehrenamtes unter Berücksichtigung der gesamten Verhältnisse unzumutbar machen. Die bloße Unlust auf die Ausübung des Ehrenamtes reicht für eine Ablehnung eben so wenig aus wie ein Streit mit dem Bürgermeister oder eine Niederlage bei einer Abstimmung.[1]

JURIQ-Klausurtipp

Bitte beachten Sie bei Ihrer Beurteilung, ob ein nicht in § 16 GemO ausdrücklich genannter Grund für die Ablehnung einer ehrenamtlichen Tätigkeit ausreichend ist, dass dieser „sonstige Grund“ von gleichem Gewicht wie die in § 16 Abs. 1 GemO ausdrücklich genannten Gründe sein muss.

65

Die Pflichten, die mit einem Ehrenamt verbunden sind, ergeben sich aus § 17 GemO: Wer zur ehrenamtlichen Tätigkeit berufen wurde, muss die ihm übertragenen Geschäfte uneigennützig und verantwortungsbewusst führen (§ 17 Abs. 1 GemO). Er darf folglich bei dieser Tätigkeit nicht auf eigene Vorteile bedacht sein noch die Vermeidung der ihn betreffenden Nachteile im Sinn haben. Darüber hinaus ordnet § 17 Abs. 2 GemO eine Verschwiegenheitspflicht für die Fälle an, in denen eine solche gesetzlich vorgeschrieben, besonders angeordnet oder ihrer Natur nach erforderlich ist.

Beispiel

§ 35 Abs. 2 GemO ordnet eine Verschwiegenheitspflicht in Bezug auf nichtöffentliche Gemeinderatssitzungen an, die so lange andauert, bis der Bürgermeister hiervon entbindet oder die in nichtöffentlicher Sitzung gefassten Beschlüsse in einer öffentlichen Ratssitzung bekannt gegeben worden sind. § 39 Abs. 5 GemO sieht eine Verschwiegenheitsregelung für beschließende Ausschüsse vor.

66

In finanzieller Hinsicht haben ehrenamtlich Tätige Anspruch auf Ersatz ihrer Auslagen und ihres Verdienstausfalls (§ 19 GemO). Die Einzelheiten zur Entschädigung sind durch gemeindliche Satzung zu regeln.

2. Vertretungsverbot – § 17 Abs. 3 GemO

67

Eine sowohl für die Klausur wie auch für die Praxis wichtige Norm, welche die ehrenamtliche Tätigkeit im Einzelfall einschränkt, ist § 17 Abs. 3 GemO. Der das Ehrenamt ausübende Bürger darf Ansprüche und Interessen eines anderen gegen die Gemeinde nicht geltend machen, soweit er nicht als dessen gesetzlicher Vertreter handelt. Man spricht insoweit von einem Vertretungsverbot.

a) Inhalt des Vertretungsverbots

68

Sinn und Zweck des kommunalrechtlichen Vertretungsverbots ist, den Gemeinderat und damit die Gemeindeverwaltung von allen Einflüssen freizuhalten, die eine objektive, unparteiische und einwandfreie Führung der Gemeindegeschäfte gefährden könnten. Es soll verhindern, dass Mitglieder von Gemeindevertretungen ihren politischen Einfluss in der Gemeindeverwaltung zugunsten der von ihnen vertretenen Personen ausnutzen und ihre berufliche Tätigkeit in Widerstreit mit den von ihnen wahrzunehmenden öffentlichen Interessen gerät. Betroffen sind vom Vertretungsverbot in praxi insbesondere Gemeinderäte, die hauptberuflich als Rechtsanwälte oder Steuerberater tätig sind, wenn sie die Interessen ihrer Mandanten gegenüber der Gemeinde geltend machen sollen.

69

Die Begriffe „Ansprüche“ oder „Interessen“ i.S.d. § 17 Abs. 3 GemO sind weit auszulegen. Bei den Ansprüchen i.S.d. § 17 Abs. 3 GemO kommt es nach allgemeiner Meinung nicht darauf an, ob diese privatrechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Natur sind oder ob sie sich auf den weisungsfreien oder weisungsgebundenen Bereich der Gemeinde beziehen (zur Differenzierung vgl. Rn. 47 ff.). Die Geltendmachung von Interessen ist dann anzunehmen, wenn Belange gegenüber der Gemeinde durchgesetzt werden sollen, auf die gerade kein Anspruch besteht.

70

Zu beachten ist der eingeschränkte personelle Anwendungsbereich des § 17 Abs. 3 GemO: das Vertretungsverbot greift nach dem klaren Wortlaut der Norm nur dann, wenn die Vertretung eines Dritten durch den ehrenamtlich Tätigen im Raume steht; macht der das Ehrenamt Ausübende eigene Ansprüche oder Interessen geltend, ist dies nicht durch § 17 Abs. 3 GemO untersagt.

b) Entscheidung über das Vertretungsverbot

71

Ob ein Vertretungsverbot vorliegt, entscheidet bei Gemeinde- und Ortschaftsräten der Gemeinderat (nicht der Ortschaftsrat!), im Übrigen der Bürgermeister (§ 17 Abs. 3 S. 3 GemO). Die Feststellung über das Vorliegen eines Vertretungsverbots stellt einen Verwaltungsakt dar, der verwaltungsgerichtlich überprüfbar ist.

Wird gegen § 17 Abs. 3 GemO verstoßen, kann ein Ordnungsgeld verhängt werden (§ 17 Abs. 4 i.V.m. § 16 Abs. 3 GemO, § 9 DVO GemO). Hingegen sind Rechtshandlungen, die unter Missachtung des Verbots vorgenommen wurden, wirksam.

3. Ausschluss wegen Befangenheit – § 18 GemO

72

§ 18 GemO verbietet es dem ehrenamtlich tätigen Bürger, an Entscheidungen, die ihm oder einer in § 18 Abs. 1 und 2 GemO genannten Person einen unmittelbaren Vor- oder Nachteil bringen, mitzuwirken. Einzelheiten zur Befangenheit werden im Zusammenhang mit der Gemeinderatssitzung erläutert (Rn. 262 ff.).

Anmerkungen

[1]

BeckOK KommunalR BW/Fleckenstein GemO § 16 Rn. 18.

5. Teil Einwohner und Bürger der Gemeinde › C. Übungsfall Nr. 1

C. Übungsfall Nr. 1[1]

73

5. Teil Einwohner und Bürger der Gemeinde › C. Übungsfall Nr. 1 › „Das OWi-Mandat“

„Das OWi-Mandat“

R ist Mitglied des Gemeinderats der Gemeinde G. Im Rahmen ihrer Tätigkeit als Rechtsanwältin vertritt sie einen ihrer Mandanten in einem Ordnungswidrigkeitenverfahren gegen die Gemeinde. Die Mehrheit des Gemeinderats hält diese Vertretung für unzulässig und beschließt daher, R diese Tätigkeit zu untersagen. Das Bürgermeisteramt der Gemeinde erlässt daraufhin durch Bescheid ein Vertretungsverbot gegen die R. Begründet ist der Bescheid mit dem Hinweis, die Gemeindeverwaltung sei von allen Einflüssen freizuhalten, die eine objektive, unparteiische und einwandfreie Führung der Gemeindegeschäfte gefährden könne. § 17 Abs. 3 GemO lasse es nicht zu, dass eine Rechtsanwältin, die Gemeinderatsmitglied sei, ihre Mandanten in Ordnungswidrigkeitenverfahren gegen die Gemeinde vertrete.

R hält diesen Bescheid für rechtswidrig. Nach einem erfolglos durchgeführten Widerspruchsverfahren erhebt sie fristgemäß Klage zum zuständigen VG.

Wie wird das Gericht entscheiden?


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5. Teil Einwohner und Bürger der Gemeinde › C. Übungsfall Nr. 1 › Lösung

Lösung
A. Zulässigkeit der Klage
I. Verwaltungsrechtsweg – § 40 VwGO

Bei der Klage gegen den Bescheid der Gemeinde G handelt es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art i.S.d. § 40 VwGO.

II. Statthaftigkeit

Die statthafte Klageart richtet sich nach dem Klagebegehren. Die Klage richtet sich gegen einen belastenden VA (§ 35 LVwVfG) der Gemeinde, so dass die Anfechtungsklage gem. § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO statthaft ist.

III. Klagebefugnis – § 42 Abs. 2 VwGO

Als Adressatin des belastenden VAs ist R möglicherweise in eigenen Rechten (Art. 12 Abs. 1 GG) verletzt. Die Klagebefugnis ist demnach zu bejahen.

 

IV. Vorverfahren – § 68 VwGO

Ein Vorverfahren gem. § 68 VwGO wurde ordnungsgemäß durchgeführt.

V. Klagefrist – § 74 VwGO

Die einmonatige Klagefrist des § 74 VwGO wurde gewahrt.

VI. Zuständiges Gericht

Das VG ist in vorliegendem Fall gem. § 45 VwGO sachlich zuständig. Die örtliche Zuständigkeit ist laut Sachverhalt gegeben.

VII. Zwischenergebnis

Die Klage der R ist zulässig.

B. Begründetheit

Die Klage ist begründet, wenn sie sich gegen den richtigen Beklagten wendet (§ 78 VwGO), der angefochtene Verwaltungsakt rechtswidrig ist und die Klägerin in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).

I. Passivlegitimation

Die Klage ist gem. § 78 Nr. 1 VwGO gegen den Rechtsträger der den VA erlassenden Behörde zu richten.

Der angefochtene Bescheid wurde vom Bürgermeisteramt erlassen. Aus diesem Grunde ist die Gemeinde G die richtige Beklagte.

II. Rechtswidrigkeit des angefochtenen VAs
1. Ermächtigungsgrundlage

Mit Bescheid der Gemeinde G wurde gegen R ein Vertretungsverbot verhängt. Zutreffende Ermächtigungsgrundlage hierfür ist § 17 Abs. 3 GemO.

2. Formelle Rechtswidrigkeit

Anhaltspunkte dafür, dass der Bescheid der Gemeinde G formell rechtswidrig ist, sind im Sachverhalt nicht ersichtlich. Insbesondere wurde die Entscheidung über die Verhängung des Vertretungsverbots gemeindeintern von dem hierfür zuständigen Organ – dem Gemeinderat – getroffen (§ 17 Abs. 3 S. 3 GemO).

3. Materielle Rechtswidrigkeit

Der Bescheid der Gemeinde G wäre dann materiell rechtswidrig, wenn das gegen R verhängte Vertretungsverbot nicht von § 17 Abs. 3 GemO gedeckt wäre.

a)

§ 17 Abs. 3 GemO lässt die Verhängung eines Vertretungsverbots in den Fällen zu, in denen der ehrenamtlich tätige Bürger Ansprüche oder Interessen eines Dritten gegen die Gemeinde geltend macht.

b)

Vorliegend bestehen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des VA vor allem deshalb, weil fraglich ist, ob die Tätigkeit in einem Ordnungswidrigkeitenverfahren eine Geltendmachung von Ansprüchen oder Interessen i.S.d. § 17 Abs. 3 GemO ist.

aa)

Nach Ansicht des VGH Baden-Württemberg[2] ist die Vertretung in Bußgeldsachen durch einen dem Gemeinderat angehörenden Rechtsanwalt kein Geltendmachen von Ansprüchen oder Interessen eines anderen gegen die Gemeinde. Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass im Ordnungswidrigkeitenverfahren die Gemeinde die Befugnisse einer Strafverfolgungsbehörde im Rahmen eines strafrechtsähnlichen Verfahrens wahrnimmt. In diesem Verfahren tritt ihr der Rechtsanwalt des wegen einer Ordnungswidrigkeit verfolgten Bürgers nicht als Bevollmächtigter, der Ansprüche oder Interessen seines Mandanten gegen die Gemeinde geltend macht, gegenüber. Er hat vielmehr eine dem Strafverteidiger vergleichbare Rolle.

bb)

Beide – sowohl der Rechtsanwalt in seiner Funktion als Verteidiger als auch die Gemeinde in der ihr zugewiesenen Rolle der staatlichen Strafverfolgungsbehörde – haben die für das Verfahren nach dem Ordnungswidrigkeitengesetz maßgebende Aufgabe zu erfüllen, als Organe der Rechtspflege nach der Wahrheit zu suchen, d.h. sich mit objektiven Kriterien um die Richtigkeit des gegen den Bürger erhobenen Vorwurfs zu bemühen. In dieser Funktion kann der Interessenkonflikt, den der Gesetzgeber mit der im § 17 Abs. 3 S. 1 GemO getroffenen Regelung im Auge hat, nicht eintreten. Hieran ändert sich auch nichts vor dem Hintergrund, dass die verhängten Bußgelder in die Gemeindekasse fließen. Denn bei der Aufgabe, die den Gemeinden mit dem Ordnungswidrigkeitengesetz auferlegt worden ist, handelt es sich im Kern um eine solche der Strafverfolgung als staatliche Aufgabe und nicht um eine Aufbesserung des Gemeindehaushalts.

c)

Im Ergebnis hätte die Gemeinde G gegenüber der R kein Vertretungsverbot verhängen dürfen, da dieses nicht durch § 17 Abs. 3 S 1 GemO rechtlich gedeckt ist. Die dem Bescheid zu Grunde liegende Auslegung dieser Vorschrift sprengt den Rahmen der mit § 17 Abs. 3 S. 1 GemO bezweckten Regelung und ist deshalb mit den Grundrechten der Klägerin aus Art. 12 Abs. 1 GG nicht vereinbar.