Kommunalrecht Baden-Württemberg

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2. Randbereich der kommunalen Selbstverwaltung

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Kein absolutes Eingriffsverbot besteht hinsichtlich des Randbereichs der kommunalen Selbstverwaltung. Insoweit hat der Gesetzgeber eine gewisse Gestaltungsfreiheit, in diesen Bereich einzugreifen.

Beispiel

Als „typische“ Randbereichseingriffe kommen der Entzug einer kommunalen Aufgabe oder eine teilweise Beschränkung der eigenverantwortlichen Aufgabenerfüllung in Betracht.

35

Die Möglichkeit des Gesetzgebers, in den Randbereich der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie einzugreifen, ist jedoch nicht grenzenlos. Nach Ansicht des BVerfG ist der Entzug einer kommunalen Aufgabe nur bei Vorliegen von zwingenden Gründen des Allgemeinwohls zulässig.

Beispiel

Beispielhaft sind solche Allgemeinwohlbelange dann anzunehmen, wenn die Aufgabenerledigung anders als durch eine Verlagerung auf einen anderen Verwaltungsträger nicht mehr sicherzustellen wäre.

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Abstrakt betrachtet muss der Gesetzgeber bei der Prüfung, ob er einer Gemeinde eine Aufgabe entziehen darf, eine gerichtlich voll überprüfbare Güterabwägung vornehmen. Zu den abwägungsrelevanten Aspekten gehören etwa die Seuchenabwehr oder der Umweltschutz. Alleine eine Verwaltungsvereinfachung reicht für die Rechtfertigung eines solchen Eingriffs nicht aus.

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Ähnliches gilt, wenn durch eine Aufgabenverlagerung eine wirtschaftlichere Aufgabenerledigung erreicht werden soll; auch dies ist i.d.R. kein hinreichender Rechtfertigungsgrund, es sei denn, dass nur so ein unverhältnismäßig hoher Kostenanstieg vermieden werden kann.

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Ob die Übertragung neuer Aufgaben auf die Gemeinde und die damit einhergehende Mehrbelastung mit Kosten durch den Gesetzesvorbehalt des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG gerechtfertigt ist, beurteilt sich nach den gleichen Maßstäben wie beim Aufgabenentzug: auch hier müssen wesentliche Gemeinwohlbelange die Aufgabenzuweisung notwendig machen; teils sieht für diese Fälle bereits das Grundgesetz einen Ausgleich vor (Art. 106 Abs. 8 GG).

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Die Beschränkung der Gemeinde in ihrer eigenverantwortlichen Aufgabenerledigung ist ebenfalls nur unter der Voraussetzung erlaubt, dass Gründe des Allgemeinwohls dies erfordern. Zudem muss die Beschränkung im Lichte des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auf das unbedingt erforderliche Maß beschränkt sein.

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Einen Eingriff in den Randbereich der kommunalen Selbstverwaltung bilden schließlich die Bestands- und Gebietsveränderungen, etwa durch eine Gebietsreform, bei der aus mehreren Teilen von ursprünglichen Gemeinden eine neue Gemeinde gebildet wird.

Hinweis

Zur Erinnerung: Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG gewährt zwar den grundsätzlichen Bestand der Gemeinden, jedoch keinen Schutz der einzelnen Gemeinde auf Erhalt ihres Gemeindegebiets.

Aus welchen Gründen eine Veränderung des Gemeindegebiets zulässig ist, normiert § 8 GemO. Materiell-rechtliche Voraussetzung ist demnach stets das Vorliegen von Gründen des öffentlichen Wohls, die eine solche Gebietsveränderung erfordern. Sie sind anzunehmen, wenn ein höheres Interesse der Allgemeinheit an der Gebietsänderung als am Gebietserhalt besteht (zu den formellen Voraussetzungen vgl. im Einzelnen § 8 GemO).

JURIQ-Klausurtipp

Die aufgezählten Aspekte, die für die Rechtfertigung eines Eingriffs in den Randbereich der kommunalen Selbstverwaltung herangezogen werden können, sind selbstverständlich nicht abschließend. Greifen Sie in der Klausur die im Sachverhalt genannten Vorgaben auf und zeigen Sie, dass Sie diese richtig gewichten und „klausurtechnisch verarbeiten“ können.

3. Teil Kommunale Selbstverwaltungsgarantie › B. Inhalt des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG › IV. Kommunale Selbstverwaltungsgarantie in der Landesverfassung

IV. Kommunale Selbstverwaltungsgarantie in der Landesverfassung

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Sein landesverfassungsrechtliches Pendant findet Art. 28 Abs. 2 GG in Art. 71 Abs. 1 S. 1 und 2 LV. Der Schutzbereich des Art. 71 Abs. 1 S. 1 und 2 LV entspricht nach h.M. dem des Art. 28 Abs. 2 GG, so dass auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen werden kann.

3. Teil Kommunale Selbstverwaltungsgarantie › B. Inhalt des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG › V. Rechtsschutz

V. Rechtsschutz

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Teil des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG ist die subjektive Rechtsstellungsgarantie, die den Gemeinden die gerichtliche Geltendmachung einer Verletzung der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie ermöglicht. Bezüglich der statthaften Verfahrensart ist danach zu unterscheiden, ob die Verletzung der Selbstverwaltungsgarantie aufgrund eines formellen Landesgesetzes oder aber durch ein formelles oder materielles Bundesgesetz erfolgt.

1. Verletzung durch formelles Landesgesetz:
Kommunalrechtliche Normenkontrolle zum Staatsgerichtshof

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Art. 76 LV i.V.m. §§ 8 Abs. 1 Nr. 8, 54 StGHG gewährt den Gemeinden und Gemeindeverbänden die Möglichkeit, beim Staatsgerichtshof Klage zu erheben mit der Behauptung, ein Landesgesetz im formellen Sinne verletze die Vorschriften der Art. 71–75 LV.

Kommunalrechtliche Normenkontrolle zum StGH

I. Zulässigkeit

1.Zuständigkeit

Zuständig ist gem. Art. 76 LV i.V.m. §§ 8 Abs. 1 Nr. 8, 54 StGHG der Staatsgerichtshof Baden-Württemberg

2.Antragsteller

Gemeinde oder Gemeindeverbände, Art 76 LV

3.Antragsgegenstand

Nur formelle Landesgesetze; nicht: Rechtsverordnungen oder Satzungen (hiergegen ist aber u. U. eine Normenkontrolle gem. § 47 VwGO statthaft)

4.Antragsbefugnis

Die Antragsbefugnis der Gemeinde ist nur gegeben, wenn sie substantiiert geltend macht, ein formelles Landesgesetz verletze unmittelbar die in den genannten Verfassungsbestimmungen niedergelegte objektive verfassungsrechtliche Ordnung des Kommunalwesens und gleichzeitig ihre eigene subjektive verfassungsrechtlich garantierte Rechtsposition (Art. 76 LV). Bereits aufgelöste Kommunen sind antragsbefugt, soweit der Streit um ihre Rechte geht.

II. Begründetheit

Prüfungsmaßstab der kommunalrechtlichen Normenkontrolle sind die Art. 71–75 LV. Nur wenn das angegriffene Landesgesetz gegen diese Normen verstößt, ist die Normenkontrolle begründet.

2. Verletzung durch formelles oder materielles Bundesrecht: Kommunalverfassungsbeschwerde zum BVerfG

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Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG i.V.m. § 91 BVerfGG eröffnet den Gemeinden und Gemeindeverbänden mit Ausnahme der Zweckverbände die Möglichkeit, mit der Behauptung, ihr Recht auf Selbstverwaltung nach Art. 28 Abs. 2 GG sei durch ein (materielles oder formelles) Gesetz verletzt, Klage vor dem Bundesverfassungsgericht zu erheben.

Kommunalverfassungsbeschwerde zum BVerfG

I. Zulässigkeit

1.Zuständigkeit

Zuständig ist das gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG i.V.m. § 91 BVerfGG das BVerfG.

2.Beteiligtenfähigkeit

Gemeinden und Gemeindeverbände, Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG.

3.Beschwerdegegenstand

Die Verfassungsbeschwerde ist nur zulässig gegen ein Gesetz i.S.d. Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG. Umfasst werden neben förmlichen Gesetzen auch Rechtsverordnungen sowie alle anderen Arten vom Staat erlassener Rechtsnormen, die Außenwirkung gegenüber der Gemeinde entfalten. Die Kommunalverfassungsbeschwerde ist auch gegen untergesetzliches Landesrecht zulässig. Unzulässig aufgrund Subsidiarität ist eine Kommunalverfassungsbeschwerde zum BVerfG gegen formelles Landesrecht (vgl. Wortlaut Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG). Staatliche Einzelmaßnahmen können nicht Beschwerdegegenstand sein.

 

4.Beschwerdebefugnis

Möglichkeit der Verletzung der aus Art. 28 Abs. 2 GG resultierenden Rechtsstellung, § 91 BVerfGG. Die beschwerdeführende Gemeinde (bzw. der Gemeindeverband) muss durch die von ihr angegriffene Regelung selbst, gegenwärtig und unmittelbar betroffen sein. Der Unmittelbarkeit steht nicht entgegen, dass zur Gesetzesdurchführung noch Vollzugshandlungen erforderlich sind.

5.Form

Der Antrag muss schriftlich gestellt und begründet sein; ferner muss der Sachverhalt schlüssig dargetan werden, aufgrund dessen der Schutzbereich des Art. 28 Abs. 2 GG (Kern- oder Randbereich) betroffen sein könnte.

6.Frist

Die Verfassungsbeschwerde ist binnen Jahresfrist nach Inkrafttreten der angegriffenen Rechtsnorm zu erheben, § 93 Abs. 3 BVerfGG.

7.Erschöpfung des Rechtswegs, § 90 Abs. 2 S. 1 BVerfGG.

II. Begründetheit

Prüfungsmaßstab der kommunalen Verfassungsbeschwerde sind alle Normen des Grundgesetzes, die geeignet sind, das verfassungsrechtliche Bild der Selbstverwaltung mitzubestimmen (bundesstaatliche Kompetenzverteilung, Rechtsstaatsprinzip, Demokratieprinzip, Willkürverbot, Art. 101 Abs. 1, 103 Abs. 1 GG). Die Kommunalverfassungsbeschwerde ist begründet, wenn eine Gemeinde oder ein Gemeindeverband in ihrem/seinem Recht auf Selbstverwaltung durch die angegriffene Rechtsnorm tatsächlich verletzt ist.

3. Allgemeine Verfassungsbeschwerde zum BVerfG?

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Rechtsschutz in Form der allgemeinen Verfassungsbeschwerde (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, §§ 90 ff. BVerfGG) können Gemeinden regelmäßig nicht in Anspruch nehmen, da sie sich als Träger der öffentlichen Verwaltung nicht auf Grundrechte berufen können. Eine Ausnahme hiervon gilt lediglich dann, wenn es um die Geltendmachung von Justizgrundrechten geht (Art. 101, 103 GG).

Anmerkungen

[1]

BVerfG Beschluss vom 27.11.1978 – 2 BvR 165/75; BVerfGE 50, 50-56.

[2]

Magen Die Garantie kommunaler Selbstverwaltung, JuS 2006, 404.

[3]

BVerfG Beschluss vom 23.11.1988 – 2 BvR 1619/83; BVerfGE 79, 127-161.

[4]

BVerfG Urteil vom 14.12.1990 – 7 C 37/89; BVerwGE 87, 228-236.

[5]

BeckOK KommR Baden-Württemberg/Pflumm, 4. Ed. 1.11.2018, GemO § 1 Rn. 3–7.

[6]

BVerfG Beschluss vom 26.10.1994 – BvR 445/91; BVerfGE 91, 228-245.

[7]

Magen Die Garantie kommunaler Selbstverwaltung, JuS 2006, 404.

4. Teil Aufgaben der Gemeinde

Inhaltsverzeichnis

A. Weisungsfreie Aufgaben: Freiwillige Aufgaben und weisungsfreie Pflichtaufgaben

B. Weisungsaufgaben

C. Bundesauftragsangelegenheiten

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Die Aufgaben der Gemeinden werden gemäß § 2 GemO in freiwillige Aufgaben und Pflichtaufgaben unterteilt, je nachdem, ob die Gemeinde kraft staatlichem Hoheitsakt zu deren Erfüllung verpflichtet ist oder ob es ihr frei steht, sich deren anzunehmen.

Beispiel

Der Bau und der Betrieb eines örtlichen Heimatmuseums ist eine freiwillige Aufgabe der Gemeinde. Hingegen ist die Gemeinde gem. § 3 Abs. 1 Feuerwehrgesetz verpflichtet, eine Feuerwehr vorzuhalten („Jede Gemeinde hat auf ihre Kosten eine den örtlichen Verhältnissen entsprechende leistungsfähige Feuerwehr aufzustellen, auszurüsten und zu unterhalten.“).

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Lassen Sie sich durch die beiden unterschiedlichen Differenzierungsmethoden (freiwillige Aufgaben – Pflichtaufgaben bzw. weisungsfreie und weisungsgebundene Aufgaben) nicht verwirren. Machen Sie sich anhand des Schaubilds und den nachfolgenden Ausführungen die Unterschiede klar!

Innerhalb der Pflichtaufgaben differenziert § 2 Abs. 2 und 3 GemO weiter zwischen solchen, die weisungsfrei ausgeführt werden können und solchen, bei denen auch die Art der Ausführung der staatlichen Weisung obliegt (sog. Weisungsaufgaben). Anknüpfend an die letztgenannte Differenzierung werden die Arten der gemeindlichen Aufgaben – etwa in § 118 GemO – auch in weisungsfreien Angelegenheiten (= freiwillige Aufgaben und weisungsfreie Pflichtaufgaben) und Weisungsangelegenheiten (= Pflichtaufgaben) eingeteilt.

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Möglichkeiten der Differenzierung gemeindlicher Aufgaben


nach Freiwilligkeit der Übernahme


[Bild vergrößern]

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nach Weisungsgebundenheit der Gemeinde


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4. Teil Aufgaben der Gemeinde › A. Weisungsfreie Aufgaben: Freiwillige Aufgaben und weisungsfreie Pflichtaufgaben

A. Weisungsfreie Aufgaben: Freiwillige Aufgaben und weisungsfreie Pflichtaufgaben

4. Teil Aufgaben der Gemeinde › A. Weisungsfreie Aufgaben: Freiwillige Aufgaben und weisungsfreie Pflichtaufgaben › I. Freiwillige Aufgaben

I. Freiwillige Aufgaben

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Freiwillige Aufgaben sind – der Name legt es bereits nahe – solche, zu deren Erfüllung die Gemeinde nicht verpflichtet ist, die sie also übernimmt, ohne dass hierzu eine gesetzliche Verpflichtung besteht. Die Übernahme freiwilliger Aufgaben ist den Gemeinden aufgrund der Selbstverwaltungsgarantie grundsätzlich bereits gestattet. Daher werden die freiwilligen Aufgaben und die Berechtigung zu deren Übernahme in § 2 GemO nicht extra benannt. Die Gemeinden haben insoweit ein sog. Aufgabenfindungsrecht. Begrenzt ist die Möglichkeit der Aufgabenfindung in mehrerlei Hinsicht. Zum einen kann die Gemeinde grundsätzlich nur auf ihrem Hoheitsgebiet tätig werden und sich insoweit nur Aufgaben der örtlichen Gemeinschaft annehmen. Zum anderen muss die Gemeinde bei der Übernahme von freiwilligen Aufgaben stets ihre finanzielle Leistungsfähigkeit im Blick haben. Ausdrücklich normiert ist diese Beschränkung in § 10 Abs. 2 GemO, der den Gemeinden „in den Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit“ die Schaffung öffentlicher Einrichtungen (= freiwillige Aufgabe) erlaubt.

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Darüber hinaus darf sich eine Gemeinde nur dann freiwilligen Aufgaben zuwenden, wenn zuvor die Erfüllung der ihr obliegenden Pflichtaufgaben gewährleistet ist. Weil die freiwilligen Aufgaben im Rahmen der Selbstverwaltungsgarantie kraft freier Willensentscheidung übernommen werden können, handelt es sich bei ihnen stets um Selbstverwaltungsangelegenheiten und nicht um staatliche Aufgaben.

Beispiel

Beispiele für freiwillige Aufgabenbereiche der Gemeinden sind Jugendhaus, Gemeindehalle, Theater, Museum, Freibad, öffentliche Einrichtungen der Daseinsvorsorge, Städtepartnerschaften etc.

4. Teil Aufgaben der Gemeinde › A. Weisungsfreie Aufgaben: Freiwillige Aufgaben und weisungsfreie Pflichtaufgaben › II. Weisungsfreie Pflichtaufgaben

II. Weisungsfreie Pflichtaufgaben

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Nach der Legaldefinition des § 2 Abs. 2 GemO sind Pflichtaufgaben solche, zu deren Erfüllung die Gemeinden durch Gesetz verpflichtet sind. Ist den Gemeinden dabei freigestellt, auf welche Art und Weise sie die Aufgaben erledigen, spricht man von weisungsfreien Pflichtaufgaben.

Beispiel

Zu den weisungsfreien Pflichtaufgaben zählen etwa


die Straßenbaulast, §§ 9, 44 StrG;
die Beleuchtung und das Räumen der Straßen, § 41 StrG;
die Errichtung und der Betrieb von Schulen, § 48 SchulG;
die Aufstellung von Bauleitplänen, § 1 Abs. 3 BauGB.

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Gerade wie die freiwilligen Aufgaben werden auch die weisungsfreien Pflichtaufgaben in eigener Verantwortung der Gemeinde ausgeführt. Auch bei ihnen handelt es sich demnach um Selbstverwaltungsangelegenheiten.

Hinweis

Rechtliche Auswirkungen hat die Charakterisierung einer Aufgabe als weisungsfreie Aufgabe für die Frage der gemeindlichen Aufsicht. § 118 Abs. 1 GemO beschränkt die Aufsicht über weisungsfreie Aufgaben auf die Rechtsaufsicht (Rn. 321 ff.). Überprüft werden kann nur die Rechtmäßigkeit, nicht aber die Zweckmäßigkeit der Aufgabenerfüllung.

 

Entscheidend ist die Klassifizierung der Aufgabe auch für die Bestimmung der zuständigen Widerspruchsbehörde: Große Kreisstädte und Stadtkreise sind betreffend den weisungsfreien Aufgaben Widerspruchsbehörde nach § 73 Abs. 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 17 AGVwGO, da sie gem. § 119 GemO nicht der Rechtsaufsicht des Landratsamts unterstehen (zur Unterscheidung von kreisangehörigen Gemeinden, Großen Kreisstädten und Stadtkreisen, Rn. 10 ff.).

4. Teil Aufgaben der Gemeinde › B. Weisungsaufgaben

B. Weisungsaufgaben

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Haben die Gemeinden bei der Erfüllung der ihnen kraft Gesetzes zugewiesenen Pflichtaufgaben keinen Spielraum, wie sie diese Aufgaben erledigen, spricht man von weisungsgebundenen Pflichtaufgaben oder kurz von Weisungsaufgaben, § 2 Abs. 3 GemO.

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Weisungsaufgaben werden den Gemeinden durch Gesetz zur Erfüllung nach Weisung auferlegt, wobei im Gesetz der Umfang des Weisungsrechts zu bestimmen ist (§ 2 Abs. 3 GemO). Weisungsaufgaben sind solche, bei denen die Gemeinden als untere staatliche Verwaltung tätig werden, wie etwa als untere Baurechtsbehörde (weitere Beispiele sind die Aufgaben nach dem PolG, dem GastG etc.). Darüber hinaus sind gemäß § 15 Abs. 2 LVG die von den Stadtkreisen und Großen Kreisstädten wahrgenommenen Aufgaben der unteren Verwaltungsbehörden Weisungsaufgaben. Weisungsaufgaben sind im jeweiligen Gesetz regelmäßig ausdrücklich als solche benannt.

Beispiel

§ 62 Abs. 4 PolG normiert: „Ortspolizeibehörden sind die Gemeinden. Die den Gemeinden hiernach übertragenen Aufgaben sind Pflichtaufgaben nach Weisung.“

Da hinsichtlich der Weisungsaufgaben sowohl das „ob“ als auch das „wie“ der Aufgabenerfüllung gesetzlich bestimmt ist, unterliegen die Gemeinden diesbezüglich der Fachaufsicht (§ 118 Abs. 2 GemO, Rn. 374 ff.). Überprüft werden kann folglich sowohl die Recht- als auch die Zweckmäßigkeit des Verwaltungshandelns.

Hinweis

Die Abgrenzung von freiwilligen Aufgaben, weisungsfreien Pflichtaufgaben und Weisungsaufgaben kann man sich einfach mit der Frage nach dem „ob“ und „wie“ der Aufgabenerfüllung merken: Bei freiwilligen Aufgaben ist die Gemeinde sowohl hinsichtlich des „ob“ als auch des „wie“ der Erfüllung frei. Bei weisungsfreien Pflichtaufgaben ist das „ob“ staatlicherseits bestimmt, das „wie“ liegt in der Verantwortung der Gemeinde. Bei der Erfüllung von Weisungsaufgaben ist den Gemeinden sowohl das „ob“ als auch das „wie“ der Aufgabenerfüllung vorgegeben.

4. Teil Aufgaben der Gemeinde › C. Bundesauftragsangelegenheiten

C. Bundesauftragsangelegenheiten

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Eine Sonderform der Weisungsaufgaben bilden die Bundesauftragsangelegenheiten. Führen die Länder Bundesgesetze im Auftrag des Bundes aus, bleibt die Errichtung der entsprechenden Behörden und damit die Bestimmung der Vollzugskompetenz dennoch Angelegenheit des Landes (vgl. Art. 85 GG). Auf diesem Wege können die Länder den Gemeinden die Erledigung von Bundesaufgaben übertragen. Man spricht dann von Bundesauftragsangelegenheiten. Nicht zulässig ist indes die Übertragung von Aufgaben durch Bundesgesetz an die Gemeinden (Art. 84 Abs. 1 S. 7 GG). Ausnahmen sind aufgrund der Übergangsvorschrift des Art. 125a GG möglich.


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