Die Gesandte des Christus Gottes, Seine Prophetin der Jetztzeit, Gabriele

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„Tue uns das nicht an! Sei still und schweige.
Wir wohnen in einem kleinen Ort,
wo viel geredet wird ...“

Das Mädchen Gabriele, das zu einer Jugendlichen heranreifte, war ein sehr aufgeweckter Mensch voller Tatendrang. Meiner Mutter fiel auf, dass ich seit einiger Zeit schweigsamer und in mich gekehrter war als sonst. Sie blickte mich forschend an: „Wo bist du denn die ganze Zeit?“, fragte sie behutsam. Ich erschrak – ich war doch hier! Sie meinte jedoch meine Gedankenwelt. Ich war in der Welt des Denkens und Überlegens.

Als ich an einem Sommerabend mit meiner Mutter im Garten saß, erzählte ich ihr von meinen Gedanken: Was ich über Gott denke, und warum Er so viel Wert legt auf das ganze Drumherum, auf das Brimborium, das in der Kirche um Ihn gemacht wird. „In der evangelischen Kirche ist alles anders. Warum gibt es dort keine Heiligen und auch keinen heiligen Vater? Ich habe gehört, dass Gott die Liebe ist, und ich habe auch gehört, dass alle Menschen Seine Kinder sind. Wieso macht Er dann Unterschiede? Warum muss der eine – z.B. der Papa - Tag für Tag sich mühen und arbeiten, damit wir einigermaßen genug zum Leben haben, und du“ – damit meinte ich meine Mutter – „auch noch, während andere sich nicht abrackern müssen? Zum Beispiel der Herr Pfarrer kann es sich doch die ganze Woche gutgehen lassen.“ Gerechterweise fügte ich hinzu: „Jedenfalls dann, wenn nicht mal eine Trauung oder eine Beerdigung dazwischenkommt, wo er den lieben Gott vertritt und den Segen erteilen muss.“

Damals verwendete ich sicherlich noch ganz andere Worte, doch sinngemäß brach es so oder ähnlich aus mir heraus. Ich holte tief Luft und fuhr fort: „Warum müssen die Evangelischen nicht zur Beichte gehen? Ist das gerecht? Wenn die lügen oder Äpfel klauen oder Schule schwänzen – sind das dann etwa keine Sünden? Und zur Beichte habe ich noch eine andere Frage: Gehen die Pfarrer eigentlich auch zur Beichte? Und wer gibt dann ihnen die Absolution? Geben sie sich die selber? Denn gerade neulich habe ich den Herrn Pfarrer gesehen, wie er ...“ Doch da unterbrach mich meine Mutter. „Evangelisch ist eben evangelisch, und katholisch ist katholisch“, sagte sie, und Röte stieg ihr ins Gesicht. „Warum stellst du solche Überlegungen und Vergleiche an? Das ist einfach so. Du bist katholisch getauft, und das ist nun mal der Schlüssel zum Himmelreich.“

Was meine Mutter mit scheinbar selbstverständlicher Gelassenheit und Sicherheit aussprach, rief in mir eine heftige Reaktion hervor. Ich unterbrach ihre katholischen Hinweise mit der aufmüpfigen Frage: „Man soll doch den Menschen erst fragen, wie er es möchte. Haben Vater und du mich eigentlich gefragt, ob ich in die katholische Kirche hineingetauft werden möchte? Vielleicht wollte ich evangelisch werden? Ich weiß, ihr meint es gut mit mir; ich bezweifle also nicht, dass ihr mich zu einem guten, brauchbaren Menschen erzogen habt. Aber sicherlich wollt ihr doch keine Marionette, die Gott nach der Willkür der Kirche Gehorsam leisten muss und die deshalb alles so sehen muss, wie die Kirche es vorschreibt, dass ich also nur das denken darf, was sie erlaubt. Macht Gott aus uns Sündern Marionetten – denn getauft ist nun mal getauft?“

So ähnlich sagte ich damals. Heute ist mir bewusst, dass aus meinem inneren Wesen immer mal wieder einiges hervorbrach wie z.B. der Wunsch nach Freiheit und Gerechtigkeit.

Nun spiegelten sich im Gesicht meiner Mutter Unmut und Erschrecken. Ich dachte: „O je, was habe ich da Schlimmes gesagt?! Ich habe doch nur meine Gedanken ausgesprochen!“ Als sie mir antwortete, war ihre Stimme belegt. Sie sagte: „Tue uns“ – und damit meinte sie unsere Familie – „das nicht an. Sei still! Schweige und verhalte dich so, wie es einer Katholikin geziemt.“ Sie sprach weiter: „Wir wohnen in einem kleinen Ort, wo jeder jeden kennt und wo die Leute viel und über alles reden, was nicht in das hier Übliche, in das Ortsschema, passt.“ Und so nebenbei erwähnte sie: „Du hast ähnliche Ansichten wie der Freund deines Vaters, unser Bekannter, Helmut, der die Kirche meidet. Weil er nicht mehr in die Kirche geht, wird er von vielen Mitbürgern kaum mehr beachtet.“

Zu meinem großen Erstaunen fuhr sie fort: „Auch ich bin keine überzeugte Kirchgängerin.“

Sie sprach weiter: „Helmut ist ein sehr, sehr guter Mensch; ich schätze ihn sehr. Wir sprechen oft über unsere Ansichten, den Glauben betreffend. Es gab eine Zeit“, so erzählte meine Mutter weiter, „da war ich in großer Not. Als der Unterhalt der Familie nicht mehr gesichert war, als ich an vielem zweifelte und kleingläubig wurde, sprach ich mit Helmut darüber. Helmut sagte mir damals einen Satz; er stammt von Jesus, aus der Bergpredigt, und ist mir seitdem in vielen Situationen eine Hilfe gewesen. Er lautet: ‚Was du willst, dass dir andere tun, das tue du ihnen zuerst.’“ Als meine Mutter sah, dass ich mit dieser Aussage nicht auf Anhieb zurechtkam, ergänzte sie: „Eventuell kennst du das Sprichwort: ‚Was du nicht willst, dass man dir tu’, das füg’ auch keinem anderen zu.’

Helmut sagte damals sinngemäß zu mir: ‚Die Worte des Jesus halfen mir, zu meinem Glauben zu stehen. Seine Worte waren und sind für mich die Prämisse in meinem Leben. Sie zeigen mir den Weg zum wahren Leben auf.’ – Ich habe mir“, so sprach meine Mutter, „diese Aussage von Helmut gut gemerkt, denn mir schien, dass er das, was er sagte, auch mit seinem Leben verkörperte.“

Meine Mutter erklärte mir, ihrer Tochter, dass diese Worte des Jesus, von Helmut zu ihr gesprochen, gerade damals gleichsam als Gravur in ihre Seele eingegangen waren, denn ihr Herz war zu jener Zeit wund von Sorgen und Ängsten gewesen. Sie sagte: „Diese Worte des Jesus nahm ich für mich, für mein Leben. Sie wurden entscheidend auf meinem Lebensweg. Aus ihnen konnte ich fast immer ableiten, was als nächstes für mich zu erkennen und zu tun war. So gelang es mir, mehr und mehr über allen Widrigkeiten zu stehen und meinen Weg zu finden. Heute kann ich sagen: Sie haben mein Leben reich gemacht.“

Mutter wandte sich an mich: „Liebes Kind, wie du auch denkst, diese Worte des Jesus, des Christus, will ich dir mitgeben auf deinen weiteren Lebensweg. Nimm sie in dein Denken und Wollen auf, und bleib’ auf dem Weg, den du seit der Taufe gehst.“

Als Helmut uns wieder einmal besuchte, sprach ich ihn auf die Worte Jesu an, und er sagte: „Gerade diese Lehre des Jesus hat mich zu einem freien, gottbewussten Menschen gemacht. Ich will dich zu nichts überreden, sondern aus meiner eigenen Erfahrung heraus möchte ich dir nur raten, dich daran zu halten; dann findest du deinen Weg. Gott hat viele Möglichkeiten, uns Menschen zu berühren. Verlange von Ihm nichts. Warte, bis die Zeit gekommen ist, dann wirst du Seine Führung erfahren und auf deine drängenden Fragen Antwort erhalten.“

Die Goldene Regel

Gabriele erhielt also trotz der dogmatischen Konfession, in die sie hineingeboren wurde, von ihren Eltern, insbesondere von ihrer Mutter, ein gutes Rüstzeug mit auf ihren Lebensweg. In einer Gesprächsrunde erzählte sie hierzu eine aufschlussreiche Begebenheit, für die wir noch einmal kurz gedanklich in ihre Kindheit zurückgehen. Und zwar gab ihre Mutter ihr des öfteren mit auf den Schulweg: „Tue nichts Böses, dann widerfährt dir nichts Böses!“ Als Gabriele ihre Mutter fragte, was sie denn damit meinte, erhielt sie zur Antwort: „Möchtest du, dass andere dich schlagen, dass andere dich prügeln, dass andere dich stoßen, dass andere dir deine Brotzeit wegnehmen, dich nicht beachten und vom Spiel ausschließen, dich als Außenseiter betrachten und sich dir gegenüber auch entsprechend verhalten?“ Gabriele machte große Augen und sah ihre Mutter mit der Bemerkung an: „Was sagst du mir da? Das tue ich doch nicht.“

Und die Mutter erklärte ihr: „Als ich dich die ersten Wochen auf deinem Schulweg begleitete, habe ich so manches gesehen, was du an dir selbst nicht bemerkt hast. Z.B. willst du nur mit bestimmten Kameradinnen spielen, andere sind dir gleichgültig. Willst du das auch so?“ Die Tochter schüttelte den Kopf und meinte: „Nein, nein, so will ich das nicht!“ – „Siehst du“, sagte die Mutter, „die anderen, die du nicht beachtest, die wollen es auch nicht.“ Das Mädchen Gabriele verteidigte sich und führte Begebenheiten an, in denen sie sich von Kameraden verunglimpft gefühlt hatte. Doch die Mutter ließ das nicht gelten: „So beginnt nun mal das Erdenleben, aber wenn du nicht willst, dass andere sich dir gegenüber ungut verhalten, dann tue du es eben erst recht nicht, denn Böses, das in den anderen Einlass findet, kann wiederum Böses hervorrufen und dieses unter Umständen verstärken.“

Die junge Gabriele konnte das nicht verstehen. Die Mutter erklärte es ihr mit einfachen Worten: „Mein Mädchen“, so sagte sie, „pass auf, wenn du Böses tust, wenn du deine Kameraden schlägst, wenn du ihnen das Pausenbrot wegnimmst, wenn du sie vom Spiel ausgrenzt, also wegstößt, wenn du lachst, wenn sie hingefallen sind, und was es noch so alles auf eurem Schulweg, in der Schule und während der Pause gibt, wisse und merke dir: Was du anderen tust, werden andere dir auch tun.“ Als ihre Tochter meinte, das wäre ja Rache, entgegnete die Mutter: „So kann man das sehen, denn der, dem es widerfährt, will das, was z.B. ihm angetan wurde, heimzahlen, was zurückgeben bedeutet, oder er stiftet andere an, das zu tun, was ihm widerfahren ist. Auf diese Weise wird Stimmung gegenüber Mitschülern gemacht.“

Gabriele fragte ihre Mutter, wie sie denn auf Bedrängnisse seitens der Schulgefährten reagieren sollte. Die Mutter erklärte: „Weiche einfach aus und frage: ‚Was habe ich dir denn getan?’ Und wenn dich einer schlägt, schlage nicht zurück, weiche aus und beschäme ihn unter Umständen, indem du ihm einen Teil deines Pausenbrotes gibst.“ Gabriele verstand das nicht. Doch jedes Mal, wenn es in der Schule Schwierigkeiten gab, dachte sie an die Worte der Mutter: „Tue nichts Böses, dann widerfährt dir nichts Böses.“ Später dann wurde ihr klar, was sie damit im übertragenen Sinn meinte: Wiederum die Regel „Was du nicht willst, dass man dir tu’, das füg’ auch keinem anderen zu.“ Ohne dass es der Mutter bewusst war, lehrte sie ihre Tochter das Gesetz von Saat und Ernte.

 

Lehrjahre

Der Lebensweg führte Gabriele nach der Schulzeit, wie erwähnt, zunächst in eine Berufsausbildung. Sie fand in den Aufbaujahren der Nachkriegszeit mit einiger Mühe eine Lehrstelle, und zwar als Kontoristin. Nach drei Jahren legte sie die Gesellenprüfung ab und wurde in einer Münchner Tuchgroßhandlung angestellt.

Bis heute liegt ihr das Schneidern im Blut. Sie kann sehr gut mit Stoffen umgehen und hat sich schon häufig Kleider selbst genäht. Den Nachfolgern des Jesus von Nazareth, die heute im Bereich von Kleidung und Mode tätig sind, hat Gabriele unzählige unbezahlbare Hinweise und Anregungen vermittelt – doch wir wollen hier nicht vorgreifen.

Nun, die „Führung“, von der Familienfreund Helmut gesprochen hatte, sah für sie etwas anderes vor. Gabriele war Linkshänderin, und ihr Vater hatte Bedenken, dass das in diesem Beruf zur Beeinträchtigung werden könnte. Heute würde man sicher anders darüber denken. Aber was wäre gewesen, wenn sie, wie man aufgrund ihrer vielen großen Talente durchaus annehmen kann, in diesem Beruf großen Erfolg gehabt hätte? Hätte dieser Erfolg nicht möglicherweise früher oder später die in ihr so lebendige Sehnsucht nach Gott überlagern können? Entsprechend äußerte sie selbst einmal sinngemäß in der Rückschau.

Kurz bevor Gabriele ihre Berufstätigkeit in München aufnahm, lernte sie ihren zukünftigen Ehemann kennen, der in München Maschinenbau und Wirtschaftswissenschaft studierte. 1955 heirateten sie und bezogen eine Wohnung in München. In den ersten Ehejahren waren beide berufstätig, um gemeinsam die Basis für eine Familie zu legen: Gabriele als Kontoristin, ihr Mann als Ingenieur.

Lassen wir wieder Gabriele selbst zu Wort kommen, die uns im „Gabriele-Brief für Freiheitsdenker“ schildert, welche Erfahrungen mit dem Thema „Religion“ sie in dem Lebensabschnitt machte, von dem wir gerade berichtet haben: 3)

Die Suche nach Gott geht weiter.

Die Jungmädchenzeit ging zu Ende; die Pubertät brachte andere Akzente in mein Leben. Plötzlich interessierte ich mich für Mode, begann mich so zu kleiden, wie es nun mal in der Zeit der Pubertät üblich ist. Mit Freundinnen und Freunden besuchte ich Tanzveranstaltungen; unserem Alter entsprechend gingen wir hin und wieder in eine Operette, hörten gemeinsam die uns damals angemessene Musik. Man verliebte sich, orientierte sich nach außen und setzte weltliche Prioritäten. Im entsprechenden heiratsfähigen Alter heiratete man die „große Liebe“.

Zu meiner Eheschließung bekam ich Geschenke, so auch von Helmut, dem Freund der Familie. Die Glückwunschkarte, die dem Geschenk beilag, hatte eine besondere Widmung. Sinngemäß wünschte Helmut mir: „Halte dich in allen Lebensfragen an Christus. Seine Lehre möge dir Vorbild sein. Für jeden Menschen ist jedes Jahr Reifezeit. Mit Jesus, dem Christus, kann jedes Jahr ein inneres Wachsen und geistiges Reifen sein. Im Leben werden immer wieder in dir Fragen auferstehen, die zuerst einmal unbeantwortet bleiben. Warte geduldig, bis in dir die Antwort reift. Es wird die Zeit kommen, da sie dir beantwortet werden.“

Mit meinem Mann zog ich in die Großstadt. Beide hatten wir viele materielle Wünsche, die sich auf Wohnen, Auto, Sport, Urlaub, Konzerte und Erlebnisse an Wochenenden bezogen. Trotz meiner materiellen Wünsche und Anliegen betete ich; ich betete entsprechend der katholischen Lehre, zu „Gott im Himmel“.

Rückblickend waren die materiellen Wünsche und die verschiedenen Anliegen nur ein kurzer Lebensabschnitt, der heute, nach etwa vierzig Jahren betrachtet, wie ein Schleier war, der sich über die Schulmädchenerfahrungen legte und über einige Jahre Ehe, in denen die Wellen der Wünsche vieles übertönten.

Schon als Jugendliche ging ich immer seltener in die Kirche und als junge Frau nur noch an hohen Feiertagen oder wenn wir zu Besuch bei meinen Eltern waren, wobei ich – wie früher – den Gang zum Friedhof bevorzugte, um für die Seelen zu beten, wofür meine Mutter schon in der Zeit meiner Jugend wenig Verständnis aufgebracht hatte. Das Versprechen, das ich ihr gegeben hatte, auf dem katholischen Weg zu bleiben, hielt ich. Die Frage nach Gott jedoch blieb: Gibt es Gott? Und: Wo ist Gott? Wenn mich diese Fragen beschäftigten, fiel mir oft die sinngemäße Aussage des alten Freundes unserer Familie ein: „Gott hat viele Wege, den Menschen zu erreichen. Wir müssen lernen, zu warten, bis wir auf unsere vielen Fragen Antworten erhalten.“

Das Herzensanliegen meiner Mutter, die Worte Jesu, die sie mir auf meinen Lebensweg mitgegeben hatte, begannen, in mir immer mehr anzuklingen. Insbesondere dann, wenn in meinem Erdendasein Schwierigkeiten auftraten, wenn Menschen über Menschen negativ sprachen, wenn Menschen gegensätzlich handelten, gegen Menschen, gegen Tiere, vor allem, wenn ich von Kriegen las und hörte, in denen viele Menschen getötet wurden, dachte ich an meine Mutter und hörte sie gleichsam sprechen: „Was du willst, dass dir andere tun, das tue du ihnen zuerst.“ Oder, anders gesprochen: „Was du nicht willst, dass man dir tu’, das füg’ auch keinem anderen zu.“

Gerade die Kriege, in denen viele Menschen ihr Leben lassen mussten und die von Christen befürwortet wurden, konnte ich nicht in die Lehren Jesu einordnen. Hörte oder las ich, dass Geistliche, Militärpfarrer also, die Waffen und die Soldaten segneten, so konnte ich das nicht verstehen. Hieß es nicht in den Zehn Geboten: „Du sollst nicht töten“? Und befahl nicht Jesus dem Jünger Petrus, der Ihn im Garten Gethsemane verteidigen wollte: „Stecke dein Schwert in die Scheide!“? – Es gab niemanden, mit dem ich ernsthaft und eingehend darüber hätte reden können. War Gott gegen Seine eigenen Gebote? War Er eventuell doch für das Leiden, die Schmerzen und den Tod so vieler Menschen? Konnte es unter Umständen Ausnahmen geben, die das rechtfertigten? Darauf gab mir niemand Antwort.

Der Ausweg für mich war das Gebet. Ich betete für Menschen, für die vielen Kriegsopfer und für die Tiere, die auch im Krieg ihr Leben lassen mussten. Immer noch glaubte ich, dass Gott außerhalb vom Menschen zu finden sei. Es war sonderbar: Trotz meiner Zweifel an Gott betete ich zu dem Gott im Himmel und bat, die Worte Jesu ganz und in jeder Situation verstehen zu können: „Was du willst, dass dir andere tun, das tue du ihnen zuerst.“

Oder: „Was du nicht willst, dass man dir tu’, das füg’ auch keinem anderen zu.“

Neue Herausforderungen

Als Gabriele und ihr Mann Rudolf etwa neun Jahre verheiratet waren, kam ihre Tochter zur Welt. Daraufhin gab Gabriele ihre Berufstätigkeit auf, und die Familie mietete sich am Stadtrand von München ein hübsches Reihenhaus mit einem kleinen Garten, damit das Kind mehr Freiheit hatte. Gabriele und ihr Mann führten eine gute Ehe und ein normales mittelständisches Leben. Sie lebten – wie es dem schwäbischen Naturell ohnehin entspricht – eher sparsam und machten einmal im Jahr Urlaub. Auch der Geselligkeit waren sie nicht abgeneigt. Im Rückblick auf diese Zeit sagte Gabriele einmal, dass sie in jener Zeit stark nach außen orientiert war: Sie wollte aus der Enge heraus, wollte die Welt sehen, wollte in und mit der Welt leben.

Wer München kennt, der weiß um den hohen Freizeit-, Kultur- und Einkaufswert dieser Stadt. Doch die Idylle besaß keine Ewigkeitsdauer. Bereits drei Jahre nach der Geburt der Tochter und dem Umzug ins Stadtrand-Reihenhaus trat eine neue Herausforderung ins Leben des jungen Paares: Gabrieles Mann wurde von seinem Arbeitgeber, einem großen Konzern, ein neuer, größerer Aufgabenbereich angeboten: in Würzburg! Er sollte dort eine Zweigfirma übernehmen und ausbauen.

Würzburg ... Gabriele, aus einer Kleinstadt kommend, hatte sich in der Weltstadt München gut eingelebt. Würzburg erschien ihr wie ein Rückschritt in provinzielle Enge. Erst drei Jahre zuvor hatten sie ihr Reihenhaus mit Garten bezogen. Und die Eltern in der Nähe Augsburgs waren von hier aus so leicht erreichbar. Kurzum: Gabriele wollte nicht weg. Doch für ihren Mann war es ein aussichtsreicher Karrieresprung, den er nutzen wollte.

Was tun? Der Ehemann suchte Rat bei Gabrieles Mutter. Er wusste: Wenn es jemanden gab, der Gabriele umstimmen konnte, dann war sie es. Bereits im Verlauf der Kriegszeit war zwischen Gabriele und ihrer Mutter eine vertrauensvolle, innige Beziehung gewachsen. Und während der zwölf Jahre in München waren Gabriele und ihr Mann häufig bei ihren Eltern zu Besuch gewesen. Man fühlte sich dort wie in einer Großfamilie. Gabriele und ihre Mutter teilten seit langem Freud und Leid miteinander – wie zwei Schwestern, die sich von Herzen zugetan sind.

Und tatsächlich: Gabriele ließ sich umstimmen. Sie sah ein, dass sie ihrem Mann ermöglichen sollte, sich beruflich zu verbessern. Von da an ging alles sehr rasch: Die Eheleute fuhren nach Würzburg, fanden dort gleich ein Reihenhaus etwas außerhalb der Kernstadt – und bereits nach einem halben Jahr wurde umgezogen. Für Gabriele war es trotz des reibungslosen Ablaufs ein harter Einschnitt in ihr Leben. Sie wohnte mit ihrer Tochter in der neuen Umgebung während der Woche allein auf weiter Flur, denn die Nachbarhäuser wurden erst noch gebaut. Der Ehemann war zunächst nur am Wochenende zu Hause, denn er hatte beruflich noch ein Jahr in München zu tun.

Eine neue Lernaufgabe für Gabriele: Nun hieß es, die ungewohnte Einsamkeit zu ertragen, die von einem Tag auf den anderen in ihr Leben Einzug hielt. Oft war sie nun tagelang mit ihrer Tochter allein.

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