Besonderes Verwaltungsrecht

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VI. Öffentliche Einrichtungen in privatrechtlicher Form

265

Die Gemeinde kann sich dem Benutzungsanspruch der Einwohner nicht dadurch entziehen, dass sie die öffentliche Einrichtung in privatrechtlicher Form betreibt[76]. In solchen Fällen bleibt der kommunalrechtlich fundierte Anspruch gegen die Gemeinde gerichtet und ist hier dann darauf bezogen, dass diese dem Einwohner durch entsprechende Einwirkung auf die von ihr dirigierte Gesellschaft (vgl Art. 93 bay.GO, § 71 m.v.KVerf., § 138 NKomVG, § 113 GO NRW) die erstrebte Zugangsmöglichkeit verschafft („Ingerenzpflicht“)[77]. Richtige Klageart ist dann die allgemeine Leistungsklage.

Das gilt auch, wenn die Gemeinde die Einrichtung nicht durch eine Eigengesellschaft (o. Rn 247) betreibt, sondern damit ein Unternehmen der Privatwirtschaft konzessioniert hat. Auch dann hat sie den Anspruch auf Benutzung der Einrichtung zu angemessenen Bedingungen durch Einwirkung auf diesen Privaten mit geeigneten Mitteln sicherzustellen[78]. Einer gesetzlich angeordneten Kostenbefreiung hat sie auch in dieser Ausgestaltung nachzukommen[79].

Gerade bei einer solchen organisatorischen Gestaltung tritt die in der Separierung von (a) Zulassung zur Benutzung („Ob“) und (b) Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses („Wie“) angelegte Abstufung, für deren rechtsdogmatische Bewältigung die Zwei-Stufen-Theorie entwickelt wurde, plastisch hervor[80].

Bei Streitigkeiten, die lediglich das – zivilrechtlich ausgestaltete – Benutzungsverhältnis einer kommunalen Einrichtung zum Gegenstand haben, ist der Verwaltungsrechtsweg daher nicht eröffnet[81]. Er ist grundsätzlich auch nicht eröffnet, wenn jemand auf Zutritt gegen die mit dem Betrieb der kommunalen Einrichtung beauftragte juristische Person des Privatrechts klagt[82].

Im Übrigen aber ist auf zivilrechtlicher Grundlage, etwa über § 826 BGB (Kontrahierungszwang), ggf die Durchsetzung eines Benutzungsanspruchs unmittelbar gegen das Betreiberunternehmen erreichbar[83].

266

Lösungshinweis zu Fall 7 (Rn 235):

Im Ausgangsfall wäre die – als zulässig erkannte – Klage des Kreisverbandes auch begründet. Zwar können sich, da ein Benutzungsanspruch aus § 8 II, IV GO NRW[84] nur im Rahmen der Widmung besteht, Schranken für die Art, die Zahl und die Größe von Veranstaltungen auf dem Gelände in Ermangelung satzungsmäßiger Festlegungen nur in Orientierung an der bisherigen Überlassungspraxis bestimmen lassen; angesichts der technischen Ausstattung der Wiesen ergibt sich jedoch von der Größenordnung her kein Einwand. Eine spezielle Beschränkung für Veranstaltungen politischer Parteien ist nicht ersichtlich und wäre mit Blick auf den § 5 ParteiG auch bedenklich. Eine anderweitige Belegung zum beantragten Zeitpunkt liegt nicht vor. Einem Veranstalter, der seinen Sitz in der betreffenden Stadt hat, kann in Ansehung des Wortlauts des gemeinderechtlichen Zugangsanspruchs auch nicht entgegengehalten werden, bei den Veranstaltungsbesuchern handele es sich überwiegend um Ortsfremde[85].

Wiederholungs- und Verständnisfragen


1. Was versteht man unter einer öffentlichen Einrichtung? Rn 237
2. In welchen Rechtsformen können öffentliche Einrichtungen betrieben werden? Rn 244 ff
3. Kann bei der Erhebung von Benutzungsgebühren zwischen Einheimischen und Fremden unterschieden werden? Rn 255
4. In welchen zwei Fällen haben auch Auswärtige einen Anspruch auf Nutzung kommunaler öffentlicher Einrichtungen? Rn 256
5. Was ist bei der Benutzung öffentlicher Einrichtungen durch politische Parteien zu beachten? Rn 261
6. Wie lässt sich der Benutzungsanspruch durchsetzen, wenn die öffentliche Einrichtung in privatrechtlicher Form betrieben wird? Rn 265

Anmerkungen

[1]

Vgl § 10 II-IV bd.wtt.GO; Art. 21, 57 bay.GO; § 12 BbgKVerf; § 20 Verf.Bremerhaven; §§ 19 I, 20 hess.GO; § 14 II, III m.v.KVerf.; §§ 4 S. 2, 30 NKomVG; § 8 GO NRW; § 14 II rh.pf.GO; §§ 2 I, 10 II sächs.GO; §§ 4 S. 2, 24 LSA KVG; § 19 saarl.KSVG; § 18 schl.h.GO; §§ 1 IV, 14 thür.KO.

[2]

So OVG NRW, NWVBl. 1997, 29 unter Bezugnahme auf OVGE 31, 252 (255); in diesem Sinne auch Nds. OVG, NdsVBl 2013, 204 (205) und die Lit., vgl nur Burgi, KommR, § 16 Rn 5; Geis, KommR, § 10 Rn 12.

[3]

Vgl OVG NRW, NWVBl. 2000, 300 (301); Sächs.OVG, SächsVBl. 2005, 14 (18); OVG Rh.Pf., KStZ 2006, 237; OVG Saarlouis, NVwZ-RR 2009, 533; Wellkamp, Der Städtetag 2000, 27 (29).

[4]

Vgl Bd.Wtt. VGH, NVwZ 1998, 540 f; Hellermann, in: Dietlein/Hellermann, Öffentliches Recht in NRW, 7. Aufl. 2019, § 2 Rn 329; Lange, DVBl. 2014, 753 (754 f).

[5]

VG Gera, LKV 2002, 39 (40); Geis, KommR, § 10 Rn 17; s. auch Schoch, NVwZ 2016, 257 (260).

[6]

Nds.OVG, NdsVBl 2011, 191; Bd.Wtt. VGH, DVBl. 2015, 59 f.

[7]

VG Aachen, Urt. v. 10.12.2009 – 4 K 1405/06 –, BeckRS 2010, 50424.

[8]

OVG NRW, DVBl. 2007, 454.

[9]

Bd.Wtt. VGH, ESVGH 25, 203.

[10]

BVerwG, NVwZ 2012, 112 Rn 15; OVG Schleswig, Urt. v. 15.1.2015 – 2 LB 21/13, BeckRS 2015, 45218.

[11]

Bd.Wtt. VGH, NVwZ 1991, 583.

[12]

OVG NRW, OVGE 24, 175 (179).

[13]

Nds.OVG, DÖV 2004, 963.

[14]

BayVGH, NVwZ-RR 2003, 771; Bd.Wtt. VGH, GewArch 2003, 486; Donhauser, NVwZ 2010, 931.

[15]

BVerwG, NVwZ 2009, 1305.

[16]

OVG Münster, MMR 2015, 775; speziell zu kommunalen Linklisten im Netz Duckstein/Gramlich, SächsVBl. 2004, 121 ff; Frey, DÖV 2005, 411 ff; Mann, NdsVBl. 2007, 26 ff.

[17]

Thiele, Niedersächsisches Kommunalverfassungsgesetz, 2. Auflage 2017, § 30 Anm. 1; Burgi, KommR, 2015, § 16 Rn 8.

[18]

Sächs.OVG, SächsVBl. 2003, 48.

[19]

Vgl näher Lange, KommR, Teil 3 Kap. 13 Rn 10 ff.

[20]

Entsprechend Art. 21 I bay.GO; § 14 II m.v.KVerf.; § 30 I NKomVG.

[21]

Entsprechend Art. 21 IV bay.GO; § 14 III m.v.KVerf.; § 30 III NKomVG.

[22]

Dies gilt etwa für die konzeptionelle (Um-)Gestaltung kommunaler Volksfeste. Vgl parallel für gewerberechtlich (vgl §§ 69, 70 GewO) festgesetzte Veranstaltungen BayVGH, GewArch. 1996, 477.

[23]

Vgl OVG NRW, NWVBl. 1997, 29 zur Zusammenfassung technisch getrennter Entsorgungssysteme.

[24]

Demgegenüber will Pappermann unter Hinweis auf das Tatbestandsmerkmal „erforderlich“ – insbesondere im kulturellen Bereich – ein Herabsinken der kommunalen Ausstattung unter bestimmte Standards blockiert wissen (DVBl. 1980, 705). Andererseits soll laut Hess.VGH, RdE 1993, 143 (144) eine gemeindliche Wasserversorgung nur dann erforderlich sein, wenn der Bedarf der Einwohner nicht bereits durch ein anderes Versorgungsunternehmen gedeckt ist. Zu den sich aus der Daseinsvorsorge-Aufgabe ergebenden Sicherstellungspflichten siehe auch oben Rn 57.

 

[25]

Vgl BVerwGE 31, 125; OVG NRW, NWVBl. 2004, 387; Bay.VGH, NVwZ-RR 2013, 494 (495); Köster, KommJur 2007, 244 (245) mwN.

[26]

Vgl näher Donhauser, NVwZ 2010, 931 (934).

[27]

Dazu noch u. Rn 256.

[28]

Vgl Tettinger/Wank/Ennuschat, GewO, Komm., 8. Aufl. 2011, § 69 Rn 14.

[29]

Dazu Ehlers, Jura 2012, 692 (695 f).

[30]

Die Schaffung rechtsfähiger juristischer Personen des öffentlichen Rechts bedarf generell der gesetzlichen Grundlage; vgl Maurer/Waldhoff, Allg.VerwR, § 23 Rn 44.

[31]

Dazu näher Mann, NVwZ 1996, 557 f.

[32]

Dieser ursprünglich für den Bereich kommunaler Wirtschaftsaktivitäten vorgesehene Organisationstyp (dazu noch im Folgenden und u. Rn 307) steht nunmehr verbreitet auch für den Komplex nichtwirtschaftlicher Betätigung (dazu noch u. Rn 296 f) zur Verfügung; vgl Art. 88 bay.GO, §§ 136 III, IV, 139, 140 NKomVG.

[33]

Siehe nur Maurer/Waldhoff, Allg.VerwR, § 3 Rn 18 f; Mann, Die öffentlich-rechtliche Gesellschaft, 2002, S. 39 ff, jeweils mwN.

[34]

Vgl OVG NRW, DÖV 1992, 930 zu einer Kreisumlage für Verluste eines Verkehrsbetriebes in der Rechtsform der AG.

[35]

Vgl BGH, NJW 2004, 693.

[36]

BVerwG, NVwZ 2009, 1305 (1307); vgl Geis, KommR, § 12 Rn 105 ff.

[37]

Bd.Wtt.VGH, NJW 1979, 1900; OVG NRW, OVGE 24, 175 (179 f).

[38]

Vgl BVerwG, KommJur 2014, 54.

[39]

So VG Gießen, Beschl. v. 14.11.2011 – 8 L 3460/11 –, BeckRS 2012, 48340 mwN unter Berufung auf ein aus § 19 I hess.GO folgendes Annexrecht der Sicherstellung eines störungsfreien Betriebs.

[40]

So OVG NRW, NWVBl. 1995, 313 unter Berufung auf ein aus § 8 I u. II GO NRW folgendes Annexrecht, den Betrieb der Einrichtung aufrechtzuerhalten und Störungen abzuwehren. Siehe auch OVG NRW, DÖV 2003, 418 f.

[41]

Vgl auch § 10 II 2 bd.wtt.GO; Art. 21 I bay.GO; § 12 I BbgKVerf.; § 20 I Verf.Bremerhaven; § 20 I hess.GO; § 14 II m.v.KVerf.; § 30 I NKomVG; § 8 II GO NRW; § 14 II rh.pf.GO; § 10 II sächs.GO; § 24 I LSA KVG; § 19 I saarl.KSVG; § 18 I schl.h.GO; § 14 thür.KO.

[42]

Vgl § 13 Raumordnungsgesetz vom 18.8.1997 (BGBl. I S. 2081).

[43]

So J. Dietlein, Jura 2002, 445 (449); T.I. Schmidt, DÖV 2002, 696.

[44]

So die hM; vgl OVG NRW, NJW 1979, 565 zur „Gebührenstaffelung für einen kommunalen Friedhof“. Gegen die Erhebung eines Nicht- und Andersgläubigenzuschlags zu den Friedhofsgebühren bei einem kirchlichen Friedhof mit örtlicher Monopolstellung unter Berufung auf den Grundsatz der leistungsgerechten Gebührenbemessung Nds.OVG, NVwZ-RR 1994, 49.

[45]

Siehe BVerwGE 104, 60 ff – „Musikschule“.

[46]

BVerfG, NJW 2016, 3153 Rn 40.

[47]

EuGH, EuZW 2003, 186 ff.

[48]

J. Dietlein, Jura 2002, 445 (449); für NRW ausdrücklich auch OVG NRW, OVGE 21, 70 (74).

[49]

Vgl zur Zulassung Ortsfremder BayVGH, NVwZ-RR 2004, 599.

[50]

Vgl aus der Rspr zum kommunalrechtlichen Benutzungsanspruch und zu § 70 GewO Nds.OVG, NVwZ 1983, 49; BayVGH, GewArch. 1982, 98; BVerwG, NVwZ 1982, 194; siehe auch Pitschas, BayVBl. 1982, 641.

[51]

Dazu näher allg. Burgi, JZ 1999, 873 ff.

[52]

So Hess.VGH, NJW 1987, 145 – „Versteigerungshalle“.

[53]

Vgl BayVGH, BayVBl. 2014, 632 ff.

[54]

Vgl Bd.Wtt.VGH, GewArch. 1996, 215; kritisch Schröder, NdsVBl. 2009, 197 ff.

[55]

Vgl Bd.Wtt.VGH, GewArch. 1996, 215.

[56]

Vgl BVerwGE 32, 333; 47, 280 (286); BVerwG, NVwZ 1992, 263; Bd.Wtt.VGH, DVBl. 1994, 867; OVG Saarlouis, NVwZ-RR, 2009, 533; vgl auch StGH BW, BeckRS 2014, 58150 hinsichtlich eines gleichberechtigten Zugangsanspruchs aus Art. 3 I i.V.m. Art. 21 I GG.– Instruktiv insoweit auch der Klausurfall von Bader, Jura 2009, 940 ff.

[57]

Siehe Bd.Wtt.VGH, NJW 1987, 2698 – „Volkszählungsboykott“; Hess.VGH, DVBl. 1993, 618. Zum polizeirechtlichen Aspekt „Zweckveranlasser“ siehe auch u. Rn 497 f.

[58]

Vgl etwa § 20 I KrWG mit Blick auf Hausmüll und Abfälle zur Beseitigung aus anderen Herkunftsbereichen.

[59]

Dazu näher Lange, DVBl 2014, 753 (756 f); Dietlein, Jura 2002, 145 ff; vgl auch OVG NRW, OVGE 24, 175 – „Stadttheater“: Grds. Anspruch auf Vergabe von Einzelkarten im freien Verkauf.

[60]

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach den allgemeinen Grundsätzen des öffentlichen Sachenrechts ohnehin für „jedermann“, also auch für Auswärtige, im Rahmen der Widmung ein Benutzungsanspruch besteht.

[61]

VGH München DÖV 2003, 819 (820); Beckert/Sichert, JuS 2000, 348 (350); Hartmann, in H/M/M, LandesR Nds., 2. Aufl. 2018, § 6 Rn 56.

[62]

Vgl VG Aachen, Urt. v. 20.1.2015 – 4 K 699/14 –, BeckRS 2015, 42159 mwN.

[63]

Bd.Wtt.VGH, DVBl. 2015, 59 f.

[64]

Donhauser, NVwZ, 2010, 931 (934, 936). Die Anwendung dieses Kriteriums als alleiniger Maßstab ist jedoch kritisch zu sehen, weil es zu einem gleichheitswidrigen Ausschluss von Neubewerbern führt.

[65]

Vgl Nds.OVG, NdsVBl. 2012, 238 sowie Tettinger/Wank/Ennuschat, GewO, 8. Aufl. 2011, § 70 Rn 40 ff zu den in § 70 II, III GewO bundesrechtlich verankerten Vorgaben für gewerberechtlich (vgl § 69 GewO) festgesetzte Veranstaltungen, welche die Auslegung des kommunalrechtlichen Zulassungsanspruchs mit beeinflussen; dazu auch Dietlein, Jura 2002, 445 (449).

[66]

BVerfG(K), NJW 2002, 3691 f.

[67]

Vgl dazu die Übungsklausur „Die kommunale Linkliste“ von Mann, NdsVBl. 2007, 26 (29 f).

[68]

Vgl Bd.Wtt.VGH, DVBl. 2015, 59 f.

[69]

Nds. OVG, BeckRS 2015, 55604; BayVGH, BeckRS 2011, 45192.

[70]

Vgl VGH Bd.Wtt., DÖV 1990, 792; Burgi, KommR, § 16 Rn 32 mwN.

[71]

VGH BW, NJW 1987, 2698 – Aufforderung zum Volkszählungsboykott.

[72]

OVG Saarl., NVwZ 2009, 533 (534).

[73]

Ebenso Glaser, in: Widtmann/Grasser/Glaser, Bay.GO, Art. 21 Rn 18; Hartmann, in: H/M/M, LandesR Nds., 2. Aufl. 2018, § 6 Rn 58; Köster, KommJur 2007, 244 (247).

[74]

Vgl BayVGH, NVwZ-RR 2003, 771 (772).

[75]

Vgl BayVGH, NVwZ 1999, 1122.

[76]

BVerwG, NVwZ 2009, 1305.

[77]

Vgl BVerwG, NJW 1990, 134 – „Congress Centrum Hamburg“; ausführlich zu den gesellschaftsrechtlichen Möglichkeiten der Einwirkung auf kommunale AGen und GmbHs Mann, Die öffentlich-rechtliche Gesellschaft, 2002, S. 189 ff.

[78]

Vgl Hess.VGH, DÖV 1994, 438.

[79]

Vgl BGH, NVwZ-RR 2000, 703 – „Hallenbadbenutzung durch Schulen“.

[80]

Siehe dazu Maurer/Waldhoff, Allg.VerwR, § 3 Rn 38 f mwN.

[81]

Vgl BayVGH, NVwZ-RR 2002, 465.

[82]

Vgl BVerwG, NVwZ 1991, 59; Nds.OVG, NdsVBl. 2008, 75 (76).

[83]

Zum Streitstand vgl Herdegen, DÖV 1986, 906 (908); Kerkmann, VR 2004, 74 ff.

[84]

Entsprechend Art. 21 I, IV bay.GO; § 14 II, III m.v.KVerf.; § 30 I, III NKomVG.

[85]

Vgl im Einzelnen OVG NRW, NJW 1976, 820.

Teil I Kommunalrecht › § 8 Der Anschluss- und Benutzungszwang

 

§ 8 Der Anschluss- und Benutzungszwang

Inhaltsverzeichnis

I. Gegenstand eines Anschluss- und Benutzungszwangs

II. Voraussetzungen eines Anschluss- und Benutzungszwangs

III. Ausnahmemöglichkeit bei Unzumutbarkeit

IV. Verfassungsrechtliche Aspekte

V. Rechtsfragen aus dem Benutzungsverhältnis

267

Fall 8: „Das teure Nass“

A) Werner Wasser (W) betreibt in der im Sauerland gelegenen Stadt S eine Pension. Auf Grund vertraglicher Vereinbarung ist sein Grundstück schon seit langem an das Wasser- und Kanalisationsnetz der Stadtwerke angeschlossen. Seit Anfang 2018 besteht für diese Einrichtung ein durch Satzung angeordneter Anschluss- und Benutzungszwang. Die Stadtwerke teilen den alten und neuen Kunden mit, dass sich die Einzelheiten des Benutzungsverhältnisses weiterhin nach ihren privatrechtlich ausgestalteten „Allgemeinen Ver- und Entsorgungsbedingungen (AVB/AEB)“ richten. W ist darüber erstaunt, da seiner Ansicht nach die Einführung des Anschluss- und Benutzungszwangs denknotwendig auch die öffentlich-rechtliche Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses erfordert. Als W aus der ersten Rechnung für das Jahr 2018 entnimmt, dass auf Grund einer neuen Tarifstruktur Betreiber von Fremdenverkehrspensionen einen – mit der im Sommerhalbjahr nachweislich weit über dem Durchschnitt liegenden Beanspruchung von Wasserleitungen und Kanalisation begründeten – höheren Wasser- und Abwassergrundpreis als die übrigen Benutzer entrichten müssen, fordert er den von den Stadtwerken bereits abgebuchten Betrag insoweit zurück. Er meint, für die Forderung der Stadtwerke bestehe kein Rechtsgrund, da das Benutzungsverhältnis nicht in privatrechtlicher Form hätte ausgestaltet werden dürfen. Ist diese Auffassung zutreffend?

B) Die Stadtwerke haben die bereits 40 Jahre im Erdreich liegenden Wasserversorgungsleitungen und die davon abzweigenden Hausanschlussleitungen in der Mescheder Straße, an der auch Wʼs Pension liegt, erneuert. Können die Erneuerungskosten für die Hausanschlussleitung entsprechend den alten AVB auch dann von W verlangt werden, wenn dieser nachweist, dass die Leitung weder korrodiert noch undicht oder konkret bruchgefährdet war? Rn 269, 275, 283

268

Die Gemeindeordnungen[1] sehen durchgängig vor, dass Gemeinden bei öffentlichem Bedürfnis bzw. Gründen des öff. Wohls durch Satzung für die Grundstücke ihres Gebietes den Anschluss an Wasserleitung, Kanalisation und ähnliche der Volksgesundheit dienenden Einrichtungen („Anschlusszwang“) und die Benutzung dieser Einrichtungen und der Schlachthöfe („Benutzungszwang“) vorschreiben können. In der Satzung können Ausnahmen vom Anschluss- und Benutzungszwang zugelassen sein. Der Zwang kann darin auch auf bestimmte Teile des Gemeindegebiets und auf bestimmte Gruppen von Grundstücken oder Personen beschränkt werden (vgl § 15 II m.v.KVerf.; § 13 S. 2 NKomVG; § 9 S. 2 GO NRW)[2].

Teil I Kommunalrecht › § 8 Der Anschluss- und Benutzungszwang › I. Gegenstand eines Anschluss- und Benutzungszwangs

I. Gegenstand eines Anschluss- und Benutzungszwangs

269

Wenn in den Gesetzen mit Blick auf einen Anschlusszwang die Rede ist von Wasserleitung, Kanalisation „und ähnlichen“ der Volksgesundheit dienenden Einrichtungen, so wird daraus zum einen deutlich, dass es sich keineswegs um eine abschließende Aufzählung handelt, und zum anderen, dass die dienende Funktion im Hinblick auf die Volksgesundheit das entscheidende Merkmal bildet[3], sodass etwa ein Anschlusszwang für kulturelle Einrichtungen von vornherein als unzulässig ausschiede.

Gemeint sind im Kontext der entsprechenden Vorschriften weiterhin nur solche öffentlichen Einrichtungen, die grundstücksbezogen sind[4].

Im Ausgangsfall ist nach dem Gesetzeswortlaut bereits klar, dass Wasserleitung und Kanalisation zulässigerweise zum Gegenstand eines Anschluss- und Benutzungszwanges gemacht werden können[5].

270

In den einschlägigen Bestimmungen (Rn 268) weiterhin aufgeführt, aber speziell nur in Ansehung eines Benutzungszwanges, sind die Schlachthöfe und (teilw.) Bestattungseinrichtungen[6]. Diese lapidare ergänzende Benennung belegt, dass (nur) insoweit auf die vorgenannte Begrenzung durch den Grundstücksbezug der Einrichtung verzichtet wird. Daneben existieren vielfach noch weitere spezialgesetzliche Rechtsgrundlagen für einen Anschluss- und Benutzungszwang[7].

271

Die generelle Möglichkeit eines Anschlusszwangs an Einrichtungen zur Versorgung mit Fernwärme und eines auf diese Einrichtungen bezogenen Benutzungszwangs ist in vielen Ländern (vgl Art. 24 I Nr 3 bay.GO; § 15 I m.v.KVerf.; § 13 S. 1 Nr 1a, S. 2 Nr 1a NKomVG; § 9 GO NRW)[8] bereits Tradition. In jüngerer Zeit gewinnt auch die Regelung in § 16 EEWärmeG an Beachtung, nach welcher Gemeinden und Gemeindeverbände von einer landesrechtlichen Bestimmung, die sie zur Begründung eines Anschluss- und Benutzungszwanges an ein Netz der öffentlichen Fernwärme- oder Fernkälteversorgung ermächtigt, auch zum Zwecke des Klima- und Ressourcenschutzes Gebrauch machen können.[9]

Diese (Ausnahme-)Regelung hinsichtlich dieser speziellen Art der Energieversorgung würde unterlaufen werden, wollte man unter Berufung auf Gründe der Volksgesundheit (Umweltschutz) Heizen mit Erdgas mittels Brennwertkessel erzwingen[10]. Im Übrigen bietet § 9 I Nr 23 BauGB der Gemeinde die Möglichkeit, im Wege der Bauleitplanung bei hinreichendem städtebaulichem Anlass ein Verbot der Verwendung bestimmter Heizstoffe auszusprechen[11]. Dies soll letztlich dem Klimaschutz dienen, wirft jedoch in seiner konkreten rechtlichen Ausgestaltung eine Reihe verfassungsrechtlicher Fragen auf[12].

Zumindest eine angemessene Befreiungsmöglichkeit vom Benutzungszwang (dazu noch im Folgenden Rn 277) wird die kommunale Satzung im Lichte der Grundrechte vorsehen müssen[13].

Teil I Kommunalrecht › § 8 Der Anschluss- und Benutzungszwang › II. Voraussetzungen eines Anschluss- und Benutzungszwangs