Besonderes Verwaltungsrecht

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IV. Zum Rechtsinstitut der Organleihe

212

Wenn der Staat im Wege der Organleihe[32] auf Organe kommunaler Träger zurückgreift, handelt es sich nicht um eine Aufgabenübertragung auf kommunale Körperschaften, sondern um die Erledigung staatlicher Verwaltungsaufgaben durch staatliche Aufgabenträger.

Beispiel:

Der Hauptverwaltungsbeamte als (ausgeliehenes) Organ bei der Durchführung von Aufgaben der Verteidigung und des Zivilschutzes (§ 16 II LOG NRW).

Während die Organleihe auf der Gemeindeebene einen Sonderfall bildet, findet sich häufig eine Organleihe des Landrats (o. Rn 178). Der Fall der Organleihe bedarf gegebenenfalls nach Maßgabe der Einzelheiten der Inanspruchnahme der genauen Abgrenzung gegenüber der auftragsweisen Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben Dritter, die in eigenem Namen erfolgt (siehe oben III.)[33]. Eine genaue Zuordnung erweist sich im Übrigen allein schon mit Blick auf Kostenlast und Amtshaftung als notwendig[34].

Teil I Kommunalrecht › § 5 Der Aufgabenkreis der Gemeinden › V. Staatlich-kommunale Gemeinschaftsaufgaben?

V. Staatlich-kommunale Gemeinschaftsaufgaben?

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In vielfältiger Weise nehmen Bund, Land und Kommunen bestimmte Aufgaben in gemeinsamer Verantwortung wahr. Zu erwähnen sind hier insbesondere die Bereiche der Raumordnung und Landesplanung, kostspielige publikumswirksame Aktivitäten wie die Organisation und Abwicklung internationaler Sportwettkämpfe (Olympische Spiele, Fußball-Weltmeisterschaft) sowie kulturelle Gemeinschaftsprojekte, aber auch etwa Bereiche wie die Versorgung der Bevölkerung mit Krankenhäusern[35].

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Es erscheint jedoch mehr als fraglich, ob der Begriff der Gemeinschaftsaufgabe, der für das Bund-Länder-Verhältnis in Art. 91a, b GG verankert ist, auch im Verhältnis Staat-Kommunen eine eigenständige Aufgabenkategorie darzustellen vermag[36]. Gerade mit Blick auf die kommunale Bauleitplanung und die Raumordnung ist demgegenüber darauf zu beharren, dass sich hier in kompetenzieller Hinsicht jeweils eigenständige lokale Angelegenheiten und solche überörtlicher und regionaler Dimension begegnen, die harmonisierende materielle und verfahrensmäßige Lösungen notwendig erscheinen lassen, ohne dass aber einer Kompetenzvermischung das Wort geredet werden soll[37].

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Sofern bei bestimmten Verwaltungsangelegenheiten in Ansehung der normativen Vorgaben sowohl die prinzipielle Eigenverantwortlichkeit der Kommunen als auch ein staatliches Mitwirkungsrecht zur Wahrung legitimer eigener staatlicher Interessen (Sicherung anerkannter Belange des Landes, anderer Kommunen oder sonstiger Aufgabenträger) zu konstatieren ist, spricht man von „res mixtae“ oder einem staatlich-kommunalen „Kondominium“[38]. Gängige Erscheinungsformen einer solchen Konstellation sind staatliche Genehmigungsvorbehalte

Beispiel:

Einzelkreditgenehmigung (vgl Art. 71 IV, V bay.GO; § 120 IV, V NKomVG; § 86 III GO NRW; § 52 IV, V m.v.KVerf.) in Orientierung an den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts (§ 19 StabG) bzw an Gefährdungen des Kreditmarktes.

und staatliche Bestätigungserfordernisse[39].

Beispiel:

Bestellung des Kreisdirektors als allg. Vertreter des Landrats in NRW (vgl § 47 I 4 KrO NRW).

Aus der Sicht der Kommunen ist wichtig, dass bei solchen eigenständigen staatlichen Mitwirkungsrechten sichergestellt wird, dass auch die berechtigten kommunalen Belange bei der jeweiligen Entscheidung angemessene Berücksichtigung finden. Insofern ist der „Grundsatz des gemeindefreundlichen Verhaltens“ als eine aus Art. 28 II GG abgeleitete allgemeine Rücksichtnahmepflicht auf gemeindliche Belange zu beachten[40].

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Sofern es darüber hinaus gar zu institutionellen Verschränkungen kommt, ist besondere Vorsicht angebracht. Eine Ausprägung der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie ist die Befugnis, selbst darüber zu befinden, ob eine bestimmte Aufgabe eigenständig oder gemeinsam mit anderen Verwaltungsträgern wahrgenommen wird und ob zu diesem Zweck gemeinsame Institutionen gegründet werden (o. Rn 55). Hinzu kommt, dass die Verwaltung des Bundes und die Verwaltung der Länder, zu denen auch die Kommunen gehören, organisatorisch und funktionell im Sinne von in sich geschlossenen Einheiten prinzipiell voneinander getrennt sind und die Verwaltungszuständigkeiten von Bund und Ländern in den Art. 83 ff GG eine erschöpfende Regelung erfahren haben.

Vor diesem Hintergrund hat das BVerfG Ende 2007 die seinerzeit in § 44b SGB II enthaltene Verpflichtung der Landkreise beanstandet, Arbeitsgemeinschaften mit der Bundesagentur für Arbeit zu bilden, um einzelne Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende („Hartz IV“) erbringen zu können. Diese Arbeitsgemeinschaften seien als gemeinschaftliche Verwaltungseinrichtungen der Bundesagentur und der kommunalen Träger zum Vollzug der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach der Kompetenzordnung des Grundgesetzes nicht vorgesehen. Überschreite der Gesetzgeber aber die ihm im GG gesetzten Grenzen des zulässigen Zusammenwirkens von Bundes- und Landesbehörden, führe dies gleichzeitig zu einer Verletzung der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie in ihrer Ausprägung als Garantie eigenverantwortlicher Aufgabenwahrnehmung[41].

Wiederholungs- und Verständnisfragen


1. Welche Arten von Selbstverwaltungsangelegenheiten lassen sich unterscheiden? Rn 198 f
2. Wie unterscheiden sich Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung und Auftragsangelegenheiten von Selbstverwaltungsangelegenheiten? Rn 194 ff, 206, 211

Anmerkungen

[1]

Dies sind Bayern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen-Anhalt und Thüringen; vgl Art. 8 bay.GO, § 4 NKomVG, § 2 rh.pf.GO, § 5 saarl.KSVG, § 4 s.anh.KVG, § 2 thür.KO.

[2]

Dies sind: Baden-Württemberg, Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Schleswig-Holstein; vgl § 2 III bd.wtt.GO; § 2 IV 2 BbgKVerf; § 4 I 1 hess.GO; § 3 I m.v.KVerf; § 3 GO NRW; § 2 III sächs.GO; § 3 schl.h.GO.

[3]

Vgl Art. 57 bay.GO; § 2 bd.wtt.GO; § 2 BbgKVerf; § 2 Verf.Bremerhaven; § 2 hess.GO; § 2 m.v.KVerf; § 4 NKomVG; § 2 GO NRW; § 2 rh.pf.GO; § 5 saarl.KSVG; § 2 I sächs.GO; § 4 s.anh.KVG; § 2 schl.h.GO; § 2 thür.KO.

[4]

Inwieweit bei Straßenumbenennungen Interessen der Anwohner zu berücksichtigen sind, ist str; siehe dazu die Falllösungen von Ennuschat, NWVBl. 1992, 337 ff und Zilkens, NWVBl. 2001, 369 ff sowie aus der Rspr Nds.OVG NVwZ 2018, 1236; BayVGH, BayVBl. 1995, 726; VG Hannover, BeckRS 2011, 49703; VG Köln, BeckRS 2016, 49204; Zur Änderung von Hausnummern siehe BayVGHE 55, 78.

[5]

BVerwG, NVwZ 1990, 1173 f.

[6]

Siehe auch BVerfGE 22, 180 (210).

[7]

Vgl OVG NRW, NWVBl. 1993, 156 zur Stellplatzvergabe auf einem von der Gemeinde veranstalteten Volksfest.

[8]

Röhl, BesVerwR, Rn 18.

[9]

Durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes; vgl. Art. 57 IV Nds. Verf., Art. 78 III Verf. NRW; zur Überbürdung neuer Aufgaben siehe bereits Rn 72.

[10]

Dreier, in: Dreier, GG, Bd. 2, Art. 28 Rn 105; Hellermann, in: BeckOK GG, Art. 28 Rn 42.1.

[11]

OVG NRW, OVGE 25, 106; HessVGH, NVwZ-RR 2009, 852.

[12]

Der (Ober-)Bürgermeister nimmt insoweit die Funktion eines „Sprachrohrs“ des Rates wahr; vgl OVG NRW, NVwZ 1991, 176 zur Warnung vor einer Religionsgemeinschaft. Vgl dazu etwa auch BayVerfGH, NVwZ 1998, 391 ff; BayVGH, NVwZ 1995, 502 ff und den Übungsfall von Tettinger/Ennuschat, NWVBl. 1994, 396 ff.

 

[13]

So BayVerfGH, BayVBl. 1996, 597 („Faltblatt zu Bürgerbegehren“) unter Bezugnahme auf BayVerfGHE 47, 1 (17); siehe auch OVG NRW, NWVBl. 2004, 151; BVerwG NVwZ 2018, 433 („Licht aus“), s. hierzu die Examensklausur von Muckel, JA 2017, 523.

[14]

So schon BVerfGE 8, 122 (134) – „hess.Volksbefragung“.

[15]

Siehe BVerfGE 98, 106 (122 ff) zu einer eigenständigen kommunalen Abfallvermeidungsstrategie – „Kasseler Verpackungsteuer-Satzung“; VGH Bd.Wtt., GewArch. 1993, 19 (20); OVG NRW, NWVBl. 1995, 170 – dazu krit. Jacobs/Machens, NWVBl. 1996, 1 ff.

[16]

So zutreffend BVerwGE 87, 228 ff, allerdings mit der Einschränkung (S. 234), dass „antizipatorische“ Äußerungen im Sinne vorausschauender Vorsorge „zu einer etwaigen, noch nicht konkret zu prognostizierenden Waffenstationierung in ihrem örtlichen Umfeld“ gestattet sein sollen; vgl auch BayVGH, BayVBl. 1989, 14 ff; OVG NRW, DVBl. 1984, 155 (156); Heberlein, NVwZ 1992, 543 ff; Seewald, DV 25 (1992), 175 ff.

[17]

OVG NRW, DVBl. 1984, 155 u. NVwZ-RR 1996, 222; vgl auch OVG Schleswig, BeckRS 2014, 45511.

[18]

So OVG Lüneburg, DVBl. 1984, 734.

[19]

VGH Bd.Wtt., DVBl. 1984, 729.

[20]

Vgl insoweit auch BVerfG, NVwZ 1990, 355.

[21]

Vgl § 130 bd.wtt.GO; Art. 8 f bay.GO; § 2 III BbgKVerf; § 6 I NKomVG; § 132 GO NRW; § 2 rh.pf.GO; § 6 saarl.KSVG.

[22]

BVerfGE 78, 331 (341); 83, 363 (382).

[23]

BGBl. I 2006, S. 2034, dazu BT-Drs. 16/816; BR-Drs. 178/06; Ipsen, NJW 2006, 2801 (2802); Kesper, NdsVBl. 2006, 145 (153 f).

[24]

Lange, KommR, Kap. 11 Rn 13; s. auch Schmidt, KommR, Rn 235 ff.

[25]

Vgl Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, Art. 28 Rn 87.

[26]

BVerfGE 6, 104 (116); Schmitt-Kammler, in: FS Stern, 1997, S. 763 ff; Gern, KommR, Rn 239.

[27]

Etwa Nierhaus, in: Sachs, GG, Art. 28 Rn 52 mwN; vgl auch §§ 2, 3 des Weinheimer Entwurfs.

[28]

OVG NRW, OVGE 13, 356 (359); Maurer/Waldhoff, AllgVerwR, § 23 Rn 21; Röhl, BesVerwR, Rn 39.

[29]

VerfGH NRW, DVBl. 1985, 685 (687); OVG NRW, NWVBl. 1995, 300 (301); OVG NRW, OVGE 49, 17 (19); Erichsen, KommR, S. 69 f; Riotte/Waldecker, NWVBl. 1995, 401 ff; kritisch Mann, BK, Art. 28 Rn 195.

[30]

Siehe Bbg.VerfG, NVwZ-RR 1997, 352 ff.

[31]

Siehe Meyer, KommR, Rn 100.

[32]

Zum Rechtsinstitut näher Maurer/Waldhoff, AllgVerwR, § 21 Rn 54 ff.

[33]

Vgl Hess.VGH, ESVGH 21, 74 – „Ausweisungsverfügung“.

[34]

Vgl insoweit etwa Schl.H. OVG, Die Gemeinde Schl.H. 1992, 300 ff; Hinckel, NVwZ 1989, 119 ff; v. Mutius/Groth, NJW 2003, 1278 (1283).

[35]

Dazu BVerfGE 83, 363 ff – „Krankenhausfinanzierungsumlage“.

[36]

Vgl insoweit bereits Eissing, Gemeinschaftsaufgaben von Staat und Gemeinden unter der Selbstverwaltungsgarantie in NRW, 1968.

[37]

Für das Krankenhauswesen verneint BVerfGE 83, 363 (377) eine Mischverwaltung; es lasse sich nach der gesetzlichen Regelung für jeden Aufgabenteil angeben, ob der Staat oder aber die jeweilige kommunale Körperschaft – und dann: welche – jeweils zuständiger Aufgabenträger sei.

[38]

Vgl dazu namentlich W. Weber, Staats- und Selbstverwaltung in der Gegenwart, 2. Aufl. 1967, S. 130, 135 ff; zum Rechtsschutz der Gemeinden bei staatl. Mitwirkung s. u. Rn 368 f.

[39]

Siehe aus der Rspr etwa Bd.Wtt.VGH, ESVGH 25, 47; OVG NRW, NVwZ 1988, 1156.

[40]

OVG NRW, OVGE 19, 192 (197); Röhl, BesVerwR, Rn 25.

[41]

BVerfG, NVwZ 2008, 183 (186) = BVerfGE 119, 331 (Rn 149 ff) – Hartz IV Arbeitsgemeinschaften.

Teil I Kommunalrecht › § 6 Kommunales Satzungsrecht

§ 6 Kommunales Satzungsrecht

Inhaltsverzeichnis

I. Kommunale Satzungen als Rechtsnormen

II. Formelle Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen

III. Pflichtsatzungen und fakultative Satzungen

IV. Belastungen kraft kommunaler Satzung

217

Fall 6: „Die gestaffelte Abfallgebühr“

Im Januar 2019 hat der Rat der Stadt K formell ordnungsgemäß eine neue „Gebührensatzung für die Abfallentsorgung“ beschlossen. Danach ist die Gebührenhöhe von der Größe der Abfallbehälter abhängig. So beträgt die Benutzungsgebühr je Monat und Abfallbehälter bei 50 l Fassungsvermögen 6,50 Euro, bei 240 l Fassungsvermögen 57,60 Euro und bei 1100 l Fassungsvermögen 319,00 Euro. Die C-GmbH erhält einen Gebührenbescheid, wonach sie für die Abfallentsorgung jetzt 319,00 Euro im Monat zu entrichten habe. Ihr Geschäftsführer legt sofort Widerspruch mit der Begründung ein, die konkrete Gebührenbemessung verstoße sowohl gegen die im Kommunalabgabengesetz festgelegten Gebührenprinzipien als auch gegen den allgemeinen Gleichheitssatz. Da die Abfuhr eines kleineren Abfallbehälters, bezogen auf 1 l Gefäßvolumen, aufwändiger sei als die größerer Behälter, sei nicht einzusehen, weshalb die Entsorgungsgebühr je Liter Gefäßvolumen bei einem 1100 l-Gefäß mit 0,29 Euro höher liege als bei einem Abfallbehälter mit 240 l Fassungsvermögen (0,24 Euro). Zudem habe die Stadt K ausweislich ihrer Gebührenkalkulation für das Jahr 2016 ua Kosten in Höhe von 68.890,23 Euro für die Straßenpapierkorbentleerung veranschlagt. Die Beseitigung von Abfällen aus dem Straßenraum sei aber nicht dem Funktionsbereich „Abfallbeseitigung“, sondern der Straßenreinigungspflicht zuzurechnen.

Die Stadt K weist den Widerspruch mit der Begründung zurück, dass die Satzung ihre Ermächtigungsgrundlage nicht im Kommunalabgabengesetz, sondern im Landesabfallgesetz finde und daher die allgemeinen Abgabenprinzipien zu modifizieren seien.

Wie ist über die fristgerecht erhobene Klage der C-GmbH zu entscheiden? Rn 233

218

Bereits aus der verfassungsrechtlichen Gewährleistung, die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft eigenverantwortlich zu „regeln“, folgt die kommunale Satzungsautonomie als Befugnis, im Selbstverwaltungsbereich für alle Einwohner maßgebliches Ortsrecht zu setzen[1].

Teil I Kommunalrecht › § 6 Kommunales Satzungsrecht › I. Kommunale Satzungen als Rechtsnormen

I. Kommunale Satzungen als Rechtsnormen

219

Kommunale Satzungen stellen originäre Rechtsquellen dar. Sie sind für das jeweilige Zuständigkeitsgebiet geltende generelle Regelungen, die nicht – wie Rechtsverordnungen – der besonderen gesetzlichen Ermächtigung bedürfen[2], sondern deren Legitimität eben unmittelbar auf der verfassungsrechtlichen Ausgestaltung der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie gründet. Auch wenn die Rangordnung der Rechtsquellen Respektierung der jeweils vorrangigen verlangt, so verbleibt dem „Ortsgesetzgeber“ im Rahmen der verfassungsrechtlichen und einfachgesetzlichen[3] Vorgaben noch ein beträchtlicher Gestaltungsspielraum, den er in Eigenverantwortung nutzen kann[4]. Nichtsdestoweniger lehnen sich in der Praxis kommunale Satzungen weitgehend allein schon aus Gründen der Rechtssicherheit an entsprechende Mustersatzungen an, die von den kommunalen Spitzenverbänden[5] formuliert und jeweils der neuesten Rechtsprechung angepasst werden.

220

Für kommunale Satzungen ist die Grundrechtssphäre in Ansehung der Formulierung mancher Grundrechtsschranke, namentlich in Art. 2 I, 12 und 14 GG, keineswegs tabu. So können etwa die Berufsfreiheit beschränkende Regelungen auf hinreichend konkreter gesetzlicher Grundlage auch im Satzungswege erfolgen. Neben der Einhaltung von Grundrechtsstandards muss der kommunale Satzungsgeber aber auch die Grenzen der Zumutbarkeit im Blick behalten[6]. In erster Linie hat aber der Gesetzgeber darüber zu entscheiden, welche Gemeinschaftsinteressen so gewichtig sind, dass das Freiheitsrecht des Einzelnen zurücktreten muss.

Dazu grundlegend der sog. Facharzt-Beschluss (BVerfGE 33, 125 [157 ff]) im Hinblick auf Satzungen von Ärztekammern: Die sog. statusbildenden Bestimmungen muss der Gesetzgeber erlassen, Einzelheiten können im Satzungswege geregelt werden. Das Bundesverwaltungsgericht sah so denn auch eine kommunale Entsorgungssatzung, durch die dem Einzelhandel ohne entsprechende gesetzliche Absicherung ein Verbot von Einwegerzeugnissen und eine Verpflichtung zur Rücknahme von Abfällen aufgegeben worden waren, als dem Regelungsgehalt des Art. 12 I 2 GG nicht genügenden Eingriff in die Berufsfreiheit an[7].

Angesichts der grundrechtlichen Gewährleistung in Art. 13 GG kann etwa durch kommunale Satzung auch kein Recht zum Betreten von Wohnungen begründet werden[8].

Die Sozialpflichtigkeit von Grundstückseigentümern kann so angesichts deutlicher gesetzlicher Vorgaben – etwa für einen Anschluss- und Benutzungszwang (dazu näher unten Rn 272 ff) – durchaus auch durch kommunale Satzung konturiert werden. Stets gilt, dass die Selbstverwaltungskörperschaften die von den Grundrechten in materieller Hinsicht gezogenen Grenzen mit gleicher Sorgfalt einzuhalten haben wie der Gesetzgeber[9].

 

Teil I Kommunalrecht › § 6 Kommunales Satzungsrecht › II. Formelle Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen

II. Formelle Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen

221

Die Voraussetzungen für die Gültigkeit kommunaler Satzungen sind in den Gemeindeordnungen detailliert aufgeführt (vgl Art. 23, 24, 26 bay.GO; § 5 m.v.KVerf; § 10 NKomVG; § 7 GO NRW). Dazu gehören stets ein ordnungsgemäßer Satzungsbeschluss und eine genügende Publikation sowie ggf eine aufsichtsbehördliche Genehmigung.

1. Ordnungsgemäßer Satzungsbeschluss

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Für das Zustandekommen einer gemeindlichen Satzung ist zunächst einmal ein ordnungsgemäßer Beschluss des Gemeinderates als dem zentralen demokratisch legitimierten Gemeindeorgan nötig. Hinsichtlich der Beschlussfähigkeit, der notwendigen Abstimmungsmehrheiten und der von Beratung und Entscheidung ausgeschlossenen Personen kann auf § 4 II dieser Darstellung verwiesen werden.

Besondere Verfahrensvorschriften bestehen im BauGB für Erlass, Änderung und Aufhebung eines Bebauungsplans, der gemäß § 10 BauGB als Satzung zu beschließen ist (s. unten Rn 898 ff).

2. Publikation

223

Satzungen sind öffentlich bekanntzumachen. Sie treten, wenn kein anderer Zeitpunkt bestimmt ist, mit dem Tage nach der Bekanntmachung (vgl § 5 IV 4 m.v.KVerf.; § 7 IV 2 GO NRW) bzw eine Woche (Art. 26 I 1 bay.GO) oder 14 Tage (§ 10 III NKomVG) nach ihrer Bekanntmachung in Kraft. Regelmäßig wird durch Rechtsverordnung des Innenministeriums festgelegt, welche Verfahrens- oder Formvorschriften bei der öffentlichen Bekanntmachung von Satzungen einzuhalten sind[10]. Üblicherweise muss die Satzung durch datierte Unterschrift des hierzu befugten Organs (Bürgermeister) ausgefertigt[11] und sodann in vollem Wortlaut in der vorgeschriebenen Form, dh in einem kommunalen Amtsblatt[12], in einer oder mehreren Tageszeitungen[13], sonstigen ortsüblichen Bekanntmachungsblättern[14] oder durch Bekanntmachungstafeln, öffentlich bekannt gemacht werden. Mit Inkrafttreten des NKomVG ist den Kommunen in Niedersachsen zusätzlich die Möglichkeit eröffnet worden, ihre Rechtsvorschriften auch im Internet rechtswirksam zu verkünden, vgl § 11 III, V NKomVG.

3. Aufsichtsbehördliche Genehmigung

224

Kommunale Satzungen bedürfen zum Teil der aufsichtsbehördlichen Genehmigung, in der Regel jedoch nur dann, wenn dies gesetzlich ausdrücklich vorgeschrieben ist (vgl § 5 IV 5 m.v.KVerf.; § 176 I NKomVG; § 7 I 2 GO NRW). Das ist etwa bei Bebauungsplänen (§ 10 II BauGB) oder kommunalen Steuersatzungen (Art. 2 III bay.KAG; § 2 II KAG NRW) der Fall.

Eine notwendige Genehmigung ist Wirksamkeitsvoraussetzung für die Satzung[15] (so ausdr. § 176 I 1 NKomVG). Im Falle ihrer Versagung kann sie als Verwaltungsakt[16] von der betroffenen Kommune im Wege der Verpflichtungsklage erstritten werden; Dritte haben gegen Erteilung oder Versagung einer solchen Genehmigung als einer Maßnahme der vorbeugenden Kommunalaufsicht[17] hingegen keine Rechtsschutzmöglichkeit[18].