Besonderes Verwaltungsrecht

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[146]

Zu letzterer BVerwG, NVwZ 1988, 1119 ff; VGH Kassel, NVwZ 2007, 107.

[147]

Ipsen, KommR, § 10 Rn 504; vgl OVG Lüneburg, NvwZ 1994, 506 f (betr. Fraktionsausschluss). Näher Schoch, in: Ehlers/Schoch (Hrsg.), Rechtsschutz im Öffentlichen Recht, 2009, § 28 Rn 93.

[148]

So hM: Vgl BVerwGE 36, 192 (199); Mann/Wahrendorf, Verwaltungsprozessrecht, 4. Aufl. 2015, Rn 285; Bethge, in: HKWP3, § 28 Rn 59 ff.

[149]

OVG Münster, NWVBl. 2003, 309 (310); DÖV 2013, 992 Rn 33; Ogorek, JuS 2009, 511 (514); Hufen, Verwaltungsprozessrecht, § 21 Rn 17, 21; Schoch, in: Ehlers/Schoch, Rechtsschutz, § 28 Rn 104 ff; Würtenberger/Heckmann, Verwaltungsprozessrecht, Rn 765.

[150]

OVG NRW, OVGE 41, 118 (119); OVG NRW, NWVBl. 2002, 434; 2003, 267; 2004, 378.

[151]

Vgl OVG Rh.Pf., DÖV 1996, 474 f.

[152]

So OVG Rh.Pf., NVwZ 1985, 283; OVG NRW, StuGR 5/2007, 37 f.

[153]

OVG NRW, NWVBl. 1993, 91; insoweit deutlich auch BVerwG, DVBl. 1994, 866 (867); s. auch v. Bargen, VBlBW 2000, Beilage, S. 4 (5) bzgl der Beanspruchung einer Eilentscheidungskompetenz durch den Bürgermeister.

[154]

OVG NRW, NWVBl. 2002, 434.

[155]

OVG NRW, NVwZ-RR 2007, 627.

[156]

Vgl nur OVG Münster, NVwZ 1983, 485 (486); zum Ganzen näher Mann/Wahrendorf, Verwaltungsprozessrecht, 4. Aufl. 2015, Rn 141 f mwN.

[157]

Vgl OVG NRW, NVwZ 1983, 485 (486) u. NVwZ 1990, 188; Bd.Wtt.VGH, VBlBW 1990, 457 (459).

[158]

S. OVGE 27, 258 (260).

[159]

VerwRspr 28 (1978), S. 460; BayVBl. 1988, 16.

[160]

Vgl auch OVG Lüneburg, OVGE 19, 338 (344 f).

[161]

VGH Bd.Wtt., BWVPr. 1978, 88.

[162]

Bei Organstreitigkeiten wird das sogar ganz überwiegend und auch von denjenigen Autoren angenommen, die ansonsten die zusätzliche Notwendigkeit einer Klagebefugnis bei Feststellungsklagen eher ablehnen, vgl Mann/Wahrendorf, Verwaltungsprozessrecht, Rn 309, 377 mwN.

[163]

Franz, Jura 2005, 156 (160).

Teil I Kommunalrecht › § 5 Der Aufgabenkreis der Gemeinden

§ 5 Der Aufgabenkreis der Gemeinden

Inhaltsverzeichnis

I. Selbstverwaltungsangelegenheiten

II. Auftragsangelegenheiten

III. Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung

IV. Zum Rechtsinstitut der Organleihe

V. Staatlich-kommunale Gemeinschaftsaufgaben?

193

Fall 5: „Atomwaffenfreie Zone Kleinkleckersdorf“

Die Mehrheitsfraktion im Rat der Gemeinde Kleinkleckersdorf in NRW, auf deren Gebiet freilich keinerlei militärische Anlagen vorhanden oder geplant sind, möchte als Zeichen besonderen Friedenswillens und im Einklang mit gleich lautenden Forderungen einiger Organisationen die Gemeinde zur „Atomwaffenfreien Zone“ deklariert wissen und beantragt eine Diskussion und Abstimmung über folgenden Beschlussvorschlag:

„Der Rat der Gemeinde K unterstützt im Rahmen seiner kommunalen Zuständigkeit keine Maßnahmen, die der Produktion, dem Transport, der Stationierung und Lagerung von atomaren, biologischen oder chemischen Massenvernichtungsmitteln dienen.“


I. Bestehen rechtliche Bedenken gegen einen entsprechenden Ratsbeschluss?
II. Muss der Bürgermeister diesen Punkt auf die Tagesordnung der nächsten Ratssitzung setzen? Rn 203 f

194

Die Gemeinden sind in ihrem Gebiet, soweit gesetzlich nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist, ausschließliche und eigenverantwortliche Träger der öffentlichen Verwaltung (vgl § 4 NKomVG, § 2 GO NRW). Die damit zum Ausdruck gebrachte lokale Allzuständigkeit umschließt einen Aufgabenkreis, der aus unterschiedlichen Aufgabenkategorien zusammengesetzt ist. In Abhängigkeit vom jeweiligen Aufgabenmodell (dazu bereits o. Rn 5) erfolgt in den Ländern, die dem dualistischen Aufgabenmodell[1] folgen, eine Einteilung nach Selbstverwaltungs- (s.u. I.) und Auftragsangelegenheiten (s.u. II.), während es in den Ländern mit monistischem Aufgabenmodell[2] zudem noch die Aufgabenkategorie der Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung gibt (s.u. III.).

Wenn man die Besonderheit der Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung ausblendet (dazu Rn 208 ff), lassen sich die Aufgaben der Gemeinden im Überblick mit folgendem Schema veranschaulichen:

Übersicht 6:

Der Aufgabenkreis der Gemeinden (im dualistischen Aufgabenmodell):


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Teil I Kommunalrecht › § 5 Der Aufgabenkreis der Gemeinden › I. Selbstverwaltungsangelegenheiten

I. Selbstverwaltungsangelegenheiten

195

Die Selbstverwaltungsangelegenheiten, die Aufgaben des eigenen Wirkungskreises[3], geben der kommunalen Verwaltung ihr eigentliches Gepräge und dokumentieren die kommunale Individualität. Sie umfassen ein breites, gesetzlich nur unvollkommen erfassbares Spektrum an Aktivitäten, orientiert an den örtlichen Bedürfnissen und der gemeindlichen Leistungskraft, das allenfalls mit dem klassischen Begriff der Daseinsvorsorge (im weitesten Sinne verstanden; vgl dazu oben Rn 58) umschrieben werden kann. Beispielhaft sind insoweit die Beschreibungen in Art. 57 I bay.GO:

„Im eigenen Wirkungskreis sollen die Gemeinden in den Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit die öffentlichen Einrichtungen schaffen und erhalten, die nach den örtlichen Verhältnissen für das wirtschaftliche, soziale und kulturelle Wohl und die Förderung des Gemeinschaftslebens ihrer Einwohner erforderlich sind, insbesondere Einrichtungen zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, der Feuersicherheit, der öffentlichen Reinlichkeit, des öffentlichen Verkehrs, der Gesundheit, der öffentlichen Wohlfahrtspflege einschließlich der Jugendhilfe, des öffentlichen Unterrichts und der Erwachsenenbildung, der Jugendertüchtigung, des Breitensports und der Kultur- und Archivpflege; hierbei sind die Belange des Natur- und Umweltschutzes zu berücksichtigen. Die Verpflichtung, diese Aufgaben zu erfüllen, bestimmt sich nach den besonderen gesetzlichen Vorschriften.“

196

Entscheidend für die Zuordnung ist dabei die Dominanz des örtlichen Bezuges (siehe auch oben Rn 52 ff zu den Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft iSv Art. 28 II 1 GG).

Beispiele:

 

Festlegung von Namen zur Kennzeichnung für öffentliche Straßen (vgl § 51 I m.v.StrWG; § 4 II 3 StrWG NRW). Auch wenn die Bestimmung eines Straßennamens sowie die Zuteilung einer Hausnummer (dazu § 126 III BauGB) primär der genauen Orientierung und damit der Gefahrenabwehr dienen, handelt es sich bei der Namensgebung selbst um einen schöpferischen Akt der Kommunalpolitik[4]. Die Dominanz des örtlichen Bezuges fehlt hingegen bei der Unterbringung von Asylbewerbern. Ihre Versorgung mit einer Unterkunft ist Aufgabe des Staates, keine Aufgabe des örtlichen Wirkungskreises einer Gemeinde[5]. Die Länder haben jedoch durchweg diese Aufgabe gesetzlich auf die Gemeinden übertragen; siehe zu verfassungsrechtlichen Grenzen oben Rn 72.

197

Rechtsfolgen der Einordnung einer Angelegenheit in die Aufgabenkategorie der Selbstverwaltungsangelegenheiten sind


eigenverantwortliche Entscheidung über die Modalitäten der Aufgabenwahrnehmung,
grundsätzlich eigene Finanzierung,

Innerhalb dieses eigenen Wirkungskreises sind, wie der letzte Satz des in Rn 195 zitierten Artikels der bay.GO bereits verdeutlicht, die freiwilligen von den pflichtigen Selbstverwaltungsangelegenheiten zu unterscheiden.

1. Freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben

198

Das Spektrum der gemeindlichen Eigenverantwortlichkeit ist am größten bei den freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben. Hierbei handelt es sich um klassische „Aufgaben der örtlichen Gemeinschaft“, bei denen die Gemeinde sowohl über das „Ob“ einer Aufgabenbefassung als auch über das „Wie“ der Aufgabenwahrnehmung entscheiden kann.

Beispiele:

Veranstaltung von Musikwochen oder künstlerischen Wettbewerben; psychologische Dienste; Errichtung oder Förderung kultureller Institute; Herausgabe heimatkundlicher Schriften.

Ebenso wie es im Ermessen der Kommunen steht, freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben zu übernehmen, so ist es ihnen auch jederzeit möglich, sich dieser Aufgaben wieder zu entledigen. Insbesondere steht es einer Gemeinde frei, bisher von ihr betriebene freiwillige öffentliche Einrichtungen zu privatisieren (allg. zur Privatisierung Rn 328 f, zur Gegenansicht des BVerwG s. bereits Rn 74).

199

Die Gemeinden haben auf Grund ihrer verfassungsrechtlich garantierten Eigenverantwortlichkeit bei der Inangriffnahme von Aufgaben der örtlichen Gemeinschaft die Option, neue örtliche Aufgaben für sich zu reklamieren („Recht der Spontaneität“)[8]. Dies geschah etwa in großem Stil hinsichtlich der Begründung von Städtepartnerschaften.

2. Pflichtige Selbstverwaltungsaufgaben

200

Auch pflichtige Selbstverwaltungsaufgaben sind als „Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft“ vom Gewährleistungsgehalt der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie umfasst, doch hat der Gesetzgeber ihre Bedeutung für das Gemeinwesen so hoch veranschlagt, dass er ihre Wahrnehmung nicht allein der freien Entscheidung der Gemeinden überlassen will, sondern diese verpflichtet, sich dieser Aufgaben anzunehmen[9]. Die „eigene Verantwortung“ der Gemeinden erschöpft sich also auf das „Wie“ der Aufgabenwahrnehmung, während das „Ob“ der Aufgabenbefassung bereits vorgegeben ist[10].

Beispiele:


Schulträgerschaft für Grund- und Hauptschulen (§ 102 nds.SchG; § 103 m.v.SchulG)
Straßenreinigung (§ 52 nds.StrG; § 50 IV m.v.StrWG)
Bauleitplanung (§§ 1 III, 2 I BauGB).

3. Öffentliche Äußerungen der Gemeinde

201

Durch die Selbstverwaltungsgarantie abgesichert ist auch die Befugnis, grundlegende Auffassungen der Gemeinde zu wesentlichen, ihren Aufgabenbereich betreffenden Fragen in öffentlichen Äußerungen darzulegen[12]. Dabei ist auf Objektivität im Sinne eines Sachlichkeitsgebots zu achten[13].

202

Wie aber das Bundesverfassungsgericht deutlich gemacht hat, überschreitet eine Gemeinde die ihr gesetzten rechtlichen Schranken, wenn sie zu allgemeinen, überörtlichen, brisanten politischen Fragen, zu denen Entscheidungen auf dem Gebiet des Verteidigungswesens zu zählen sind, Resolutionen fasst bzw für oder gegen eine Politik Stellung nimmt, die sie nicht als einzelne Gemeinde besonders trifft, sondern die der Allgemeinheit eine Last aufbürdet oder sie allgemeinen Gefahren aussetzt[14].

Sie hat kein allgemeines politisches, sondern nur ein kommunalpolitisches Mandat. So darf sie auch nicht bei Ausübung hoheitlicher Funktionen eine eigene, von den Wertungen des zuständigen Gesetzgebers abweichende „Gemeindepolitik“ betreiben, indem sie für ihr Gemeindegebiet bestimmte Verhaltensweisen ausschließt, die nach der Gesetzeslage allgemein zulässig sind[15].

203

Lösungshinweis zu Fall 5 (Rn 193):

Im Ausgangsfall ist im Anschluss an diese Darlegungen zu Frage I festzustellen, dass die Zuständigkeit der Gemeinde (gebräuchliches Stichwort: „Verbandskompetenz“) auf die Angelegenheiten des örtlichen Wirkungskreises beschränkt ist. Mit einer Grundsatzerklärung im Sinne einer Ablehnung bestimmter Waffen, wie sie in der Beschlussvorlage zum Ausdruck kommt, ist dieser Zuständigkeitsbereich überschritten, denn nach der grundgesetzlichen Ordnung ist es allein Sache des für Verteidigungsfragen zuständigen Bundes (vgl nur Art. 73 I Nr 1, 87a GG), über die Einführung und Stationierung von Waffensystemen zu befinden. Da auf dem Gebiet von K weder militärische Anlagen existieren noch solche vorgesehen sind, besteht zudem kein lokaler Anknüpfungspunkt. Dass die Beschlussvorlage sich ausdrücklich „im Rahmen kommunaler Zuständigkeit“ bewegen will, führt zu keiner anderen Beurteilung, da es keine (prophylaktische) kommunale Zuständigkeit, bestimmte Waffen oder Waffensysteme abzulehnen, gibt und eine daran anknüpfende Verweigerungshaltung verboten wäre[16].

Ergebnis zu I: Ein Ratsbeschluss entsprechend der Vorlage ist rechtswidrig.

204

Zu Frage II: Zweifelhaft ist, ob der Vorsitzende des Gemeinderates es ablehnen kann, diesen Antrag unter Berufung auf eine fehlende kommunale Entscheidungszuständigkeit auf die Tagesordnung zu setzen. Das OVG NRW[17] lehnt eine inhaltsbezogene Verwerfungskompetenz des Bürgermeisters ab, da der Wortlaut des § 48 I 2 GO NRW zwingend sei und der Minderheitenschutz es verlange, jede von einer Minderheit für bedeutungsvoll gehaltene Angelegenheit vor den Rat zu bringen, welcher selbst zu entscheiden habe, ob eine Angelegenheit in seine Zuständigkeit falle oder nicht. Hierauf könnte auch § 54 I GO NRW hindeuten, der mit dem Widerspruchsrecht dem Bürgermeister lediglich ein nachträgliches Kontrollrecht hinsichtlich der Ratsbeschlüsse einräumt, wenngleich für Letzteres ein gänzlich anders gearteter Prüfungsmaßstab vorgesehen ist. Auch eine eingeschränkte Verwerfungskompetenz bei einer „offensichtlichen“ Unzuständigkeit wird teilweise als unpraktikabel abgelehnt[18]. Demgegenüber bejaht der VGH Bd.Wtt.[19] mit Blick auf § 34 I 5 bd.wtt.GO („Die Verhandlungsgegenstände müssen zum Aufgabengebiet des Gemeinderats gehören.“) ein materielles Prüfungsrecht des Ratsvorsitzenden. Folgt man dieser Sicht, so ist zu prüfen, ob die Gemeinde durch Rüstungsmaßnahmen unmittelbar in ihrem Selbstverwaltungsrecht, etwa in ihrer Planungshoheit, betroffen ist. Da im Ausgangsfall entsprechende militärische Anlagen weder vorhanden noch geplant waren, wäre danach der Bürgermeister befugt, diesen Punkt von der Tagesordnung abzusetzen[20].

4. Handeln in Privatrechtsform

205

Die Gemeinde darf in Selbstverwaltungsangelegenheiten neben dem öffentlich-rechtlichen Instrumentarium, soweit nicht öffentlich-rechtliche Normen oder Rechtsgrundsätze entgegenstehen, auch Mittel des Privatrechts einsetzen, so etwa zivilrechtliche Kaufverträge. Für die Organisation der kommunalen Gemeinschaftsarbeit (dazu o. Rn 29) ist dies bisweilen normativ ausdrücklich bestätigt (vgl § 2 II hess. KGG; § 1 III GkG NRW; § 2 II sächs. KomZG).

Teil I Kommunalrecht › § 5 Der Aufgabenkreis der Gemeinden › II. Auftragsangelegenheiten

II. Auftragsangelegenheiten

206

Bei den gemeindlichen Auftragsangelegenheiten[21] handelt es sich um die Bewältigung staatlicher und damit fremder Aufgaben, die den Gemeinden durch Gesetz zur selbstständigen Erledigung, allerdings einer umfassenden Fachaufsicht unterliegend, übertragen wurden. Diese Auftragsangelegenheiten werden nicht vom Schutzgehalt des Art. 28 Abs. 2 S. 1 erfasst, d.h. eine staatliche Reglementierung in diesem Bereich kann eine Gemeinde unter Berufung auf ihr Selbstverwaltungsrecht nicht abwehren[22].

Solche Auftragsangelegenheiten konnten – teilweise auch als Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung – bis zur Föderalismusreform 2006[23] den Gemeinden sogar kraft Bundesrechts übertragen werden (Bundesauftragsangelegenheiten). Dies ist nach Art. 84 I 7, 85 I 2 GG nunmehr ausdrücklich nicht mehr möglich. Bereits erfolgte Aufgabenübertragungen gelten gem. Art. 125a I GG aber weiter fort.

207

Daher sind es vor allem die Länder, welche Angelegenheiten aus ihrem Aufgabenbereich im Auftragswege auf die Gemeinden (Landesauftragsangelegenheiten) übertragen. Die Landesverfassungen sehen hierfür durchgängig besondere Voraussetzungen wie gesetzliche Grundlage und Kostenausgleich vor (zu den Konnexitätsklauseln bereits o. Rn 72, 97).

Beispiele für Landesauftragsangelegenheiten:


Gefahrenabwehr (§ 97 I NPOG)
Meldeangelegenheiten (§ 1 nds.AG BMeldeG, Art. 1 bay.AG BMeldeG)

Teil I Kommunalrecht › § 5 Der Aufgabenkreis der Gemeinden › III. Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung

 

III. Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung

208

In den Ländern mit sog. monistischem Aufgabenmodell (s. o. Rn 194), das den Dualismus von Selbstverwaltungs- und Auftragsangelegenheiten aufgibt und durch die einheitliche Vorstellung öffentlicher Aufgaben ersetzt, die, wenn sie auf dem Gemeindegebiet anfallen, „unabhängig davon, ob sie Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft betreffen oder nicht, grundsätzlich gemeindliche Selbstverwaltungsaufgaben sind“[24], wird terminologisch dennoch zwischen freiwilligen Selbstverwaltungsangelegenheiten, weisungsfreien Pflichtaufgaben und Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung differenziert[25].

1. Rechtsnatur

209

Die Rechtsnatur dieser Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung, deren Relevanz sich vor allem bei Maßnahmen der Aufsichtsbehörde (dazu unten § 11) zeigt, ist strittig. Während die einen von umetikettierten Auftragsangelegenheiten sprechen[26], betrachten andere sie als (unechte) Selbstverwaltungsangelegenheiten[27]. Anfangs vom OVG NRW und daran anschließend auch von einer verbreiteten Meinung in der Literatur werden sie – vermittelnd – auch als „Zwischenform“ apostrophiert[28].

210

Wohl überwiegend wird heute in NRW eine Zuordnung zu den Selbstverwaltungsangelegenheiten vorgenommen[29], auch unter Hinweis auf § 111 JustG NRW, der sich angesichts der bundesgesetzlichen Vorgaben in § 73 I 2 Nrn 1 und 3 VwGO nur dann als notwendig erweist, wenn man von vorgenannter Zuordnung ausgeht; parallel erfolgt auch die Zuordnung in Brandenburg[30] und Mecklenburg-Vorpommern[31].

2. Wesensmerkmale

211

Kennzeichnend für diese Aufgabenkategorie ist die gesetzliche Auferlegung, die dabei angeordnete – vom Umfang her ggf divergierende, aber in der Regel zu begrenzende (vgl § 3 II GO NRW) – Weisungsmöglichkeit staatlicher Instanzen, die Existenz einer staatlichen Fach- bzw Sonderaufsicht (vgl § 118 II bd.wtt.GO; § 119 II GO NRW) und die Befugnis der Aufsichtsbehörde, als Widerspruchsbehörde über Widersprüche gegen gemeindliche Verwaltungsakte zu entscheiden (vgl § 73 I 2 Nr 3 VwGO iVm § 111 JustG NRW).

Beispiele für Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung:


Aufgaben als örtliche Gefahrenabwehrbehörden (§§ 1, 3, 9 OBG NRW),
Feuerschutz und Hilfeleistung bei Unglücksfällen (§ 2 II BHKG NRW),
Meldeangelegenheiten (§ 1 II ba.wtt.AGBMeldeG; § 1 MeldeG NRW).

Teil I Kommunalrecht › § 5 Der Aufgabenkreis der Gemeinden › IV. Zum Rechtsinstitut der Organleihe