Wenn Liebe nicht genug ist

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„Ich hoffe, es geht um etwas Positives.“

Marianne lachte leise und sah Thomas forschend an. Thomas räusperte sich.

„Marianne, wie du weißt, war ich anfangs nicht davon begeistert, durch ein arrangiertes Treffen eine Frau kennenzulernen. Aber da meiner Mutter so viel daran lag, konnte ich ihr das auch nicht ausschlagen. Als sie mir dann dich vorstellte, habe ich meine Meinung grundlegend geändert. Niemals im Leben hätte ich gedacht, dass sie mir eine dermaßen hübsche, intelligente und sexy Frau wie dich vorstellen würde. Seit unserem ersten Treffen sind mittlerweile sechs Monate vergangen und ich denke, es ist an der Zeit für den nächsten Schritt.“ Thomas machte eine kleine Pause und zog Mariannes Hand näher zu sich. Marianne holte tief Luft und sah gespannt in Thomas’ Gesicht.

„Marianne, willst du meine Frau werden?“

Marianne nickte erfreut und strahlte Thomas an. Ohne darüber nachzudenken antwortete sie kurzerhand: „Ja, ich möchte gerne deine Frau werden.“

Thomas beugte sich über den Tisch und küsste sie flüchtig auf den Mund. Dann griff er in die Tasche seines Smokings und holte ein kleines, dunkelblaues Schmuckkästchen aus Samt heraus. Er öffnete es und zog einen wunderhübschen Diamantring heraus, den er Marianne an den linken Ringfinger steckte.

„Das ist ein altes Familienerbstück und wird von Generation zu Generation weitergegeben. Es ist der Verlobungsring meiner Großmutter.“

Thomas nahm ihre Hand und küsste sie formvollendet und sah ihr dabei tief in die Augen.

Eigentlich hätte er ebenfalls überglücklich sein müssen, aber in seiner Bauchgegend hatte er ein seltsames Gefühl. Er konnte nicht genau definieren, was es war und warum er sich nicht wirklich freuen konnte, aber er hatte große Mühe nicht ständig an Susan zu denken, die in seinem Gästezimmer ihre Krankheit auskurierte. Warum zum Teufel ging ihm diese Frau einfach nicht mehr aus dem Kopf? Er hatte soeben Marianne einen Heiratsantrag gemacht und dennoch kreisten seine Gedanken weder um eine bevorstehende Hochzeit, noch um die hübsche Marianne. Nein, seine Gedanken drehten sich einzig und alleine um Susan. Wundervolle, fremde Susan. Thomas schüttelte über sich selbst den Kopf und versuchte, sich wieder auf Marianne zu konzentrieren, die immer noch freudestrahlend vor ihm saß und entzückt den Brillantring musterte.

Marianne, Susan, Marianne, Susan. Er dachte, er wurde schön langsam verrückt. Ungeduldig fuhr er sich mit der Hand durch das Haar und kratzte sich am Kopf. Er hoffte inständig, dass Marianne nicht bemerkte, in welchem Dilemma er sich momentan befand.

Thomas und Marianne gingen nach dem Dinner noch in das große Casino, um ein wenig ihr Glück zu versuchen. Nach ein paar Stunden in ausgelassener Stimmung brachte Thomas Marianne nach Hause und verabschiedete sie höflich vor der Tür.

„Kommst du noch mit hoch?“

„Nein, Marianne. Ich muss morgen ganz früh raus. Ich habe einen wichtigen Kundentermin.“

Traurig und enttäuscht sah Marianne ihren Verlobten an und zog eine Schnute.

„Marianne, wenn du so dreinschaust, fällt es mir verdammt schwer zu gehen.“

Thomas blickte sie vorwurfsvoll an und drückte ihr schließlich zum Abschied einen Kuss auf die Lippen.

„Das ist auch Sinn und Zweck der Sache“, sagte sie mit einem breiten Grinsen.

„Ein anderes Mal. O. k.?“

Thomas küsste sie erneut und ging dann zurück zu seinem Wagen. George hielt ihm die Tür zum Fond des Bentley auf und Thomas stieg ein und setzte sich auf die Rückbank. Marianne beobachtete das Auto, wie es in der Dunkelheit verschwand, ehe sie nachdenklich den Schlüssel ins Schloss steckte und die Haustür aufsperrte.

Kapitel 2

Thomas stand am nächsten Morgen im Besprechungsraum seines Büros und besprach mit seinen Angestellten den Tagesablauf. Er schrieb gerade ein paar Daten auf ein Flipchart und erklärte, was zu tun war, aber in Gedanken war er nicht bei der Sache. Ständig musste er an Susan denken, die immer noch krank daheim in seinem Bett lag. Nein! Er korrigierte sich gedanklich, sie lag nicht in seinem Bett. Sie lag in einem seiner Betten, so musste es richtig heißen. Bei dem Gedanken daran, dass sie jemals in seinem Bett liegen könnte, wurde ihm ganz heiß und er kam ins Stottern.

„Ähm … ja, also Sie wissen alle, worauf wir uns heute konzentrieren müssen. Viel Erfolg und gute Geschäfte.“

Er klappte den Deckel seiner Aktenmappe zu und marschierte mit der Mappe unter dem Arm so schnell er konnte aus dem Besprechungsraum. Einige neugierige Blicke folgten ihm. Als Thomas draußen war, hörte er wie einige Mitarbeiter zu tuscheln begannen. Instinktiv wusste er, dass er Thema der Unterhaltung war. Wütend über sich selbst und sein unprofessionelles Verhalten stapfte er in sein Büro und schloss die Tür mit einem lauten Knall. Verdammter Mist. Wieso zum Teufel konnte er nur noch an diese Frau denken? Er hatte das Gefühl, sich eben völlig zum Affen gemacht zu haben und das alles nur wegen dieser Frau. Dabei sollten seine Gedanken um Marianne und die bevorstehende Hochzeit kreisen und nicht um eine fremde Frau, die er kaum kannte. Wie sollte das erst werden wenn er für Susan für die Werbekampagne arbeiten würde? Thomas bemerkte, wie seine Gedanken erneut um Susan kreisten; er versuchte, sich wieder auf seine Arbeit zu konzentrieren. Er musste noch den Kunden kontaktieren, mit dem er am Vortag die Golfpartie gehabt hätte, die ins sprichwörtliche Wasser gefallen war. Er seufzte laut und kramte nach seinem Terminkalender.

Susan erwachte am nächsten Morgen und fühlte sich wie gerädert. Sie hatte geschlafen wie ein Murmeltier, dennoch fühlte sie sich, als hätte sie kein Auge zugetan. Ständig schwirrte Sir Thomas Stanton III. in ihrem Kopf herum. Vorsichtig streckte sie Arme und Beine aus und wartete auf die Reaktion ihres Körpers auf diese Bewegung. Ein leicht schummriges Gefühl machte sich in ihrem Kopf breit und sie griff im Zeitlupentempo nach dem Glas Wasser, das auf dem Nachttisch stand. Susan trank das Glas in einem Zug leer. Danach fühlte sie sich bereits etwas besser. Vorsichtig stand sie auf und sah sich in dem großen, freundlich eingerichteten Gästezimmer um. Neben dem großen, breiten Bett, das aus massivem dunklem Holz gefertigt war, stand ein kleiner, passender Nachttisch. Gegenüber dem Bett befand sich die Tür zum Badezimmer. Links neben der Tür hing ein großer Spiegel in einem wunderschönen, reichlich verzierten, goldenen Rahmen. Darunter befand sich ein kleiner Konsolentisch, auf dem eine geblümte Stehlampe stand. Der Raum war mit einem dicken, beigen Teppich ausgelegt und die Wände waren mit einer geschmackvollen Tapete verkleidet. An der Wand rechts von ihr befanden sich ein offener Kamin und die Tür, die auf die Galerie führte. An der Wand gegenüber waren ein massiver Kleiderschrank und ein großes Fenster. Susan ging zu dem Kleiderschrank und öffnete ihn in der Hoffnung, dort ihre Kleidung zu finden, aber der Schrank war leer. Suchend sah sie sich in dem Raum um, aber sie konnte ihre Kleidung nirgends entdecken. Also ging sie ins Badezimmer, um sich frisch zu machen. Als sie damit fertig war, blickte Susan an sich herunter und stellte fest, dass sie nur mit dem kurzen Hemd bekleidet schwerlich das Haus verlassen konnte. Sie musste die Haushälterin ausfindig machen, denn die wusste mit Sicherheit, wo sich ihre Kleidung befand. Susan durchquerte das Gästezimmer und öffnete vorsichtig die Tür und spähte hinaus. Es war niemand zu sehen. Leise ging sie auf nackten Füßen über die Galerie zur Treppe. Sie stieg die Treppe hinab und sah sich im Erdgeschoss um. Susan stand in der großen Eingangshalle, von wo aus die beeindruckende, breite Treppe auf die Galerie führte. Links neben dem Eingang führte eine doppelte Flügeltür, die offen stand, in einen großzügigen Wohnsalon. Susan betrat den riesigen Raum und sah sich um. Vor dem offenen Kamin standen ein großer, mit dunkelrotem Samt bezogener Ohrensessel und eine schwere Ledercouch. Davor befand sich ein Couchtisch aus Glas und auf dem Boden lag ein dicker, geknüpfter Orientteppich. Es roch leicht nach Rauch und alten Büchern. Susan drehte sich um und entdeckte ein riesiges Bücherregal, das die Wand neben der Flügeltür vollständig einnahm und bis zur Decke reichte. Eine fahrbare Treppe war an dem Regal montiert und diente als Aufstiegshilfe, um an die obersten Regale und Bücher zu gelangen. Susan sah sich weiter um. Unter den beiden großen Fenstern stand ein massives, mit Messing beschlagenes Sideboard aus dunklem Teakholz. Darauf standen einige saubere Gläser. Sie vermutete, dass sich in dem Sideboard eine Bar verbarg. Susan wandte sich um, durchquerte die Eingangshalle und suchte weiter nach der Haushälterin. Schließlich erreichte sie die Küche, aus der unüberhörbare Geräusche kamen. Susan klopfte an die Tür und trat ein.

„Guten Morgen“, sagte sie freundlich.

Miranda drehte sich zu Susan um und machte einen höflichen Knicks.

„Guten Morgen, Miss Walsh.“

„Wissen Sie vielleicht, wo sich meine Kleidung befindet?“

Miranda nickte.

„Die sind in der Waschküche. Ich sehe sofort nach, ob Ihre Sachen schon trocken sind.“

Wieder machte sie einen Knicks und eilte durch eine weitere Tür davon. Susan blieb zurück und wartete auf die Rückkehr der Haushälterin. Wenige Augenblicke später kam Miranda zurück. In ihrer Hand hielt sie einen Kleiderbügel aus Holz, auf dem Susans Kleider hingen. Susan wollte ihn ihr aus der Hand nehmen, aber Miranda ließ es nicht zu.

„Kommen Sie, ich helfe Ihnen.“

Miranda ging voraus. Höflich hielt sie Susan die Küchentür auf und ließ sie vorgehen. Miranda folgte ihr die Treppe hinauf in das Gästezimmer. Dort legte sie die Kleidung sorgfältig auf das Bett und wartete darauf, dass sie Susan behilflich sein konnte. Susan setzte sich mit einem leisen Seufzen auf das Bett und sagte schließlich: „Danke, Miranda. Ich brauche keine Hilfe. Aber können Sie mir vielleicht erklären, warum Sir Thomas und sein Vater nicht mehr miteinander sprechen?“

 

Miranda sah sich verstohlen um und flüsterte hinter vorgehaltener Hand.

„Miss Walsh, eigentlich steht es mir nicht zu, darüber zu sprechen.“

Sie rückte noch etwas näher zu Susan und setzte dann leise fort.

„Sir Thomas Stanton hatte vor ein paar Jahren eine, sagen wir einmal, nicht standesgemäße Geliebte. Damit war Sir Christian Stanton überhaupt nicht einverstanden. Deswegen kam es zu einem Streit und die beiden Herrschaften haben seither kein Wort mehr miteinander gewechselt.“

Susan nickte nachdenklich. So etwas in der Richtung hatte sie sich schon gedacht. Allerdings verstand sie nicht ganz, warum so eine Lappalie Vater und Sohn derart entzweit hatte. Aus ihrer Sicht hätte man so eine Sache doch auch friedlich klären können. Aber was wusste sie schon über die Bedeutung einer nicht-standesgemäßen Freundin in einer Adelsfamilie. Sie selbst stammte aus einer reichen Unternehmerfamilie und obwohl unter ihren frühen Vorfahren auch Adelige waren, war sie bodenständig erzogen worden. Susan schüttelte den Kopf und machte sich dann daran, in ihre Klamotten zu schlüpfen.

„Danke, Miranda“, sagte sie und Miranda verabschiedete sich mit einem Knicks, ehe sie das Gästezimmer verließ.

Susan schlüpfte in ihre Jeans und war erstaunt darüber, wie weich diese war. Noch nie in ihrem ganzen Leben hatte sie es geschafft, ihre Jeans so weich zu bekommen. Verwundert fuhr sie mit der flachen Hand über den weichen Stoff. Es fühlte sich an, als ob man mit den Fingerspitzen über einen Pfirsich streichelte. Danach schlüpfte sie in ihre weiße Bluse und schnupperte genießerisch an dem frischen Duft. Die Bluse war offensichtlich gewaschen, gebügelt und gestärkt worden. Susan fühlte sich wie im siebten Himmel oder wie in einem Luxushotel. Sie sah sich suchend im Raum um. Schuhe. Wo waren ihre Schuhe? Susan bückte sich und fand ihre Schuhe schließlich unter dem Bett, wo Miranda sie feinsäuberlich mit Zeitungspapier ausgestopft und zum Trocknen hingestellt hatte. Mit einem Lächeln im Gesicht entfernte Susan das Zeitungspapier und schlüpfte in ihre Schuhe. Sie wollte Sir Stanton nicht länger zur Last fallen und sich auf den Heimweg machen. Susan fühlte sich zwar immer noch schwach und wackelig, aber sie konnte von ihm nicht verlangen, sie, als quasi Fremde, länger bei sich aufzunehmen als unbedingt nötig. Susan hatte Thomas’ Gastfreundschaft schon viel zu sehr strapaziert. Daher griff sie nach ihrer Tasche, die auf einem der Bettpfosten hing. Mit der Hand strich sie die Bettdecke glatt und machte sich dann auf den Weg nach unten. Gerade als sie die Villa verlassen wollte und ihre Hand auf die Türklinke legte, hörte sie einen Schlüssel im Schloss klimpern und einen Augenblick später trat Sir Thomas Stanton durch die Tür. Überrascht sah er Susan an.

„Was tun Sie hier?“, entfuhr es ihm.

„Ich gehe nach Hause“, antwortete Susan trotzig und sie reckte ihr Kinn kämpferisch in die Höhe.

„Sie gehen nirgendwo hin!“, sagte er energisch und verschloss die Tür hinter sich.

Susan holte entrüstet Luft und wollte eben zu einer Antwort ansetzen, als er erklärend und etwas sanfter hinzufügte:

„Ich habe Dr. Lexington mein Wort gegeben, dass sie die verordnete Bettruhe einhalten und sich auskurieren werden.“

Thomas griff nach ihrer Schulter und schob sie sanft Richtung Treppe.

„Und ich pflege mein Wort zu halten.“

Mit diesen Worten griff er nach ihrer Hand und zog sie mit sich die Treppe hinauf. Susan wollte protestieren, ließ es aber dann doch lieber bleiben. Sein Gesichtsausdruck verriet ihr, dass sie besser nicht widersprach. Amüsiert beobachtete sie ihn von der Seite, wie er verbissen versuchte, sich auf die Treppe zu konzentrieren. Als sie das Gästezimmer erreicht hatten, öffnete er die Tür und zog sie hinein. Sachte schloss er die Tür hinter ihnen und sah ihr tief in die Augen. Susan schluckte hart, denn sein intensiver Blick machte sie nervös und sie bemerkte, wie ihre Knie weich wurden. Mit der Zungenspitze fuhr sie sich nervös über die trockenen Lippen. Unaufhörlich beobachtete Thomas jede Regung in Susans Gesicht und sie bemerkte, dass er schneller atmete als normal. Thomas machte einen Schritt auf sie zu und sie dachte schon, er wollte sie küssen, aber im nächsten Moment ließ er abrupt ihre Hand los, machte auf dem Absatz kehrt und ging zum Fenster. Susan musste sich am Bettpfosten festhalten, um nicht umzukippen. Ihre Knie zitterten und ihr Herz pochte bis zum Hals. Sie beobachtete, wie Thomas sich nervös mit einer Hand durch sein blondes Haar fuhr. Er stand am Fenster und starrte unentwegt hinaus. Nach einer gefühlten Ewigkeit ergriff er das Wort.

„Bitte bleiben Sie“, sagte er leise und ohne sich umzudrehen.

Susan atmete tief durch und versuchte, ihr wild pochendes Herz zu beruhigen. Wieso lag ihm soviel daran, dass sie blieb? Sie hatte keine Ahnung, aber sie wollte es herausfinden.

Schließlich sagte sie etwas zögerlich:

„In Ordnung. Wenn Sie darauf bestehen, dann bleibe ich. Ich könnte ohnehin noch etwas Pflege und Fürsorge gebrauchen.“

Susan lächelte zaghaft, während sie ihre Tasche zurück an den Bettpfosten hängte.

Thomas drehte sich zu ihr um und sah sie besorgt an. Sie wirkte in ihrer weißen Bluse blass und zerbrechlich. Er trat auf Susan zu und reichte ihr die Hand, die sie dankbar drückte.

„Danke, Susan.“

Er schien unschlüssig, ob er noch etwas sagen sollte. Susan wartete geduldig, während Thomas immer noch ihre Hand festhielt. Sie spürte die Wärme seiner Hand in ihrer. Erneut sah er sie intensiv an und ihr wurde schon wieder schummerig. Sie wusste nicht, ob es von ihrem Gesundheitszustand oder von Thomas’ Anwesenheit herrührte, aber sie hatte das Gefühl, sich hinlegen zu müssen, denn sie begann bereits leicht zu schwanken. Thomas schien es bemerkt zu haben und er legte fürsorglich einen Arm um ihre Schultern, um sie zu stützen. Bei der plötzlichen Berührung zuckte sie zusammen. Thomas ignorierte es und drückte sie sanft auf das Bett.

„Sie legen sich sofort ins Bett und ruhen sich aus.“

Thomas sah sie ernst und besorgt an.

„Mit so einer Infektion ist nicht zu spaßen. Sie gehören ins Bett und damit basta.“

Susan nickte erneut und machte sich gedankenverloren daran, ihre Bluse aufzuknöpfen. Thomas räusperte sich und wandte sich abrupt von Susan ab. Erschrocken ließ Susan die Hände sinken.

„Ich gehe jetzt besser und lasse Sie alleine.“

Thomas verließ beinahe fluchtartig das Gästezimmer. Vor der Tür blieb Thomas einen Moment stehen und fluchte leise. Er hatte das Gefühl, dass er in Susans Nähe nicht mehr Herr seiner Sinne war. Als sie begonnen hatte, ihre Bluse aufzuknöpfen, hätte er sie ihr am liebsten vom Leib gerissen und sie bis zur Besinnungslosigkeit geküsst. In ihrer Nähe konnte er den Blick nicht von ihr wenden und die schmutzigsten Gedanken schossen ihm durch den Kopf. Dabei kannte er diese Frau doch gar nicht. Zugegeben, sie war äußerst attraktiv und als Inhaberin einer Werbeagentur war sie erfolgreich und mit Sicherheit auch nicht dumm, aber er war im Begriff, Marianne zu heiraten. Thomas hatte keine Ahnung, was bloß mit ihm los war. Er zwang sich, seine Gedanken auf Marianne zu lenken. Ja, Marianne. Seine Verlobte Marianne.

Thomas fand, dass sich das seltsam anfühlte, und er schnaubte verächtlich. Mit einem Blick auf seine Armbanduhr sprintete er die Treppe hinunter und machte sich auf den Weg zurück in sein Büro. Um elf hatte er einen Termin mit Dexter Bowles, einem seiner wichtigsten Kunden.

Susan ließ sich erleichtert und erschöpft in die Kissen sinken. Die paar Minuten auf den Beinen hatten sie mehr angestrengt, als sie zugeben wollte und sie musste sich eingestehen, dass sie wirklich noch nicht fit war. Sie fühlte sich, als ob sie Fieber hätte und in ihrer Kehle brannte es. Susan schenkte sich ein Glas Wasser ein und trank es gierig. Plötzlich klopfte es an der Tür und Miranda trat ein und brachte ihr ein Tablett mit Frühstück. Sie stellte das Tablett auf das Bett.

„Sir Stanton hat mir aufgetragen, Ihnen das Frühstück ans Bett zu bringen. Haben Sie sonst noch einen Wunsch?“

Susan schüttelte den Kopf.

„Vielen Dank, Miranda. Nein, ich brauche sonst nichts.“

Miranda machte einen Knicks und verließ das Gästezimmer. Susan blickte erfreut auf das Frühstückstablett. Es enthielt alles, was das Herz begehrte. Auf dem Tablett stand ein kleines Kännchen Tee, Zucker, Milch, ein Teller mit Schinken und Käse und ein kleines Körbchen mit Toast und Gebäck. Daneben standen ein kleines Schälchen mit Butter und ein weiteres mit Honig. Sie bemerkte, dass sie hungrig war, und sie machte sich gierig über das köstliche Frühstück her. Nachdem sie einen Toast mit Butter und Honig gegessen und eine Tasse Tee getrunken hatte, fühlte sie sich schon deutlich besser. Ihre Lebensgeister kehrten langsam zurück und ihr Kreislauf stabilisierte sich.

Als Susan mit dem Frühstück fertig war, stellte sie das Tablett auf das kleine Tischchen unter dem Fenster. Danach machte sie sich daran, ihre Klamotten auszuziehen und sie schlüpfte wieder in das blaue Hemd. Obwohl es frisch gewaschen war, nahm sie den Duft von Sir Thomas Stanton ganz klar wahr. Sie schnupperte daran und augenblicklich schossen ihr Gedanken und Bilder durch den Kopf, die sie besser nicht hätte haben sollen. Seufzend legte sich Susan in das Bett und zog die Decke bis unters Kinn. Erst jetzt bemerkte sie, wie erschöpft sie von ihrem kurzen Ausflug war und sie schloss müde die Augen.

Kapitel 3

Thomas saß zusammen mit Dexter Bowles in seinem Büro und versuchte, sich auf das Gespräch zu konzentrieren. Er präsentierte dem Kunden gerade eine übersichtliche Aufstellung der Investitionen, die er für ihn als sinnvoll und gewinnversprechend erachtete. Dexter Bowles hörte interessiert zu und stellte ab und an einige Fragen.

„Also Mr. Bowles, das hier sind die fünf gewinnträchtigsten Aktien, die derzeit an der Börse gehandelt werden. Die ersten beiden davon würde ich Ihnen gerne empfehlen. Wenn Sie wollen, stelle ich Ihnen aber auch gerne ein Potpourri an anderen Aktien zusammen, die Ihren Erwartungen entsprechen könnten.“

„Sind Sie sicher, dass die Aktien Gewinn bringen werden?“, unterbrach der Kunde Thomas.

„Sicher ist in unserem Geschäft gar nichts“, antwortete Thomas mit einem Augenzwinkern und lächelte gewinnend.

„Aber aus der Erfahrung heraus können wir schon gewisse Prognosen stellen und hierbei habe ich ein gutes Gefühl.“

„Und sie meinen, ich investiere Tausende Pfund auf ihr gutes Gefühl hin?“

Mr. Bowles sah Thomas misstrauisch an.

„Mr. Bowles, in Aktien zu investieren beinhaltet immer ein gewisses Risiko. Aber liegt darin nicht auch der Reiz?“

Thomas sah dem Kunden herausfordernd in die Augen.

Mr. Bowles nickte langsam und antwortete mit einem leisen Lachen: „Sie haben vermutlich recht. Ohne den Nervenkitzel könnte ich genauso gut mein Geld auf ein langweiliges Sparkonto legen.“

Er machte eine kleine Pause und sagte dann weiter: „Also gut, machen wir den Deal. Ich verlasse mich da voll und ganz auf Sie.“

Mr. Bowles reichte Thomas die Hand und verabschiedete sich, während er von seinem Stuhl aufstand.

„Auf Wiedersehen. Ich höre dann von Ihnen, wenn Sie die entsprechende Menge an Aktien für mich erworben haben.“

„Selbstverständlich. Auf Wiedersehen und noch einen schönen Tag, Mr. Bowles.“

Der Kunde nickte Thomas zu und verließ sein Büro.

Zufrieden klappte Thomas seine Präsentation zu und rief über die Gegensprechanlage seine Assistentin in sein Büro.

Polly war Anfang zwanzig und ein dürres, blasses Ding. Sie trug eine große, schwarze Hornbrille auf der Nase und wirkte ein wenig unbeholfen. Sie war erst seit Kurzem Thomas’ Assistentin, aber sie machte ihre Arbeit engagiert, genau und gut.

„Polly, bitte machen Sie die Unterlagen für Mr. Bowles fertig und informieren Sie Robert, dass wir den Deal gemacht haben. Er soll sich gleich dahinterklemmen. Danke.“

Er reichte Polly eine Mappe mit Papieren und wandte sich dann wieder seinem Computer zu. Polly nahm die Mappe und ging rasch aus Thomas’ Büro, um die ihr übertragene Aufgabe zu erledigen.

Thomas schaltete seinen Bildschirm aus und lehnte sich in seinem Schreibtischstuhl zurück. Versonnen blickte er aus dem Fenster und dachte an den gestrigen Abend. Thomas hatte ihn zusammen mit Marianne im Casino verbracht. Wie immer hatte sie alle Blicke auf sich gezogen, sie war ja auch eine herausragende Erscheinung. Marianne und er hatten gemeinsam im Restaurant gespeist und er hatte ihr den längst fälligen Heiratsantrag gemacht. Freudig hatte sie den Antrag angenommen. Den Abend haben sie dann bei dem ein oder anderen Glücksspiel ausklingen lassen. Plötzlich fiel Thomas auf, dass er mit ihr noch nicht intim geworden war und das, obwohl sie sich bereits seit Monaten regelmäßig trafen. Gut, sie hatten sich schon geküsst, mehrfach sogar, aber er hatte noch nicht mit ihr geschlafen. Aber er verspürte auch nicht das Verlangen danach. Warum eigentlich? Sie war eine äußerst attraktive, junge Frau. Seine Mutter würde hingerissen sein, wenn er diese Frau heiratete. Bei dem Gedanken fiel ihm ein, dass er später unbedingt seine Mutter anrufen und sie über seine Verlobung mit Marianne informieren musste.

 

Woran lag es also? Thomas beantwortete sich die Frage selbst. Es lag an ihm. Er konnte mit dieser oberflächlichen Art, die in seinen Kreisen in gewisser Weise üblich war, einfach nichts anfangen. Küsschen links, Küsschen rechts. Er hasste diese Bussi-Bussi-Gesellschaft. Und zu viel mehr als das war es zwischen ihm und Marianne auch nicht gekommen. Sie waren stets höflich und respektvoll miteinander umgegangen, aber mehr war da nicht. Kein Herzklopfen, kein trockener Mund, keine Gedanken, die wilde Auswüchse annahmen. Thomas schüttelte den Kopf über sich selbst und dass er es bisher nicht erkannt hatte. Plötzlich fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Er liebte Marianne nicht. Sie war nicht mehr als ein netter Zeitvertreib für ihn. Schuldbewusst dachte er daran, dass er sich erst am Vorabend mit Marianne verlobt hatte. Ein Umstand, den er nun für als völlig haltlos erachtete. Aber wie sollte er Marianne gestehen, dass er sie nicht liebte und deswegen gar nicht heiraten konnte und die Verlobung lösen musste? Er war ratlos. Thomas beschloss erst einmal, mit seiner Mutter zu sprechen und sie um Rat zu fragen.

Thomas klappte seinen Laptop zu und räumte die Papiere, die auf seinem Schreibtisch lagen, ordentlich in eine Schublade. Prüfend blickte er auf seine Uhr. Es war beinahe Mittag. Thomas nahm seinen Terminkalender zur Hand und schlug den heutigen Tag auf und stellte fest, dass er keinen weiteren Termin an diesem Nachmittag hatte. Thomas überlegte kurz und beschloss dann spontan, zu seiner Patientin zu fahren. Bei dem Gedanken daran machte sich in ihm eine gewisse Vorfreude breit und er lächelte unwillkürlich. Thomas stand auf, griff nach seiner Aktentasche und seinem Mantel und verließ sein Büro.

„Polly, rufen Sie George, er soll vorfahren. Ich bin für heute hier fertig. Danke schön“, sagte er im Vorbeigehen und hinterließ eine überraschte Assistentin, die ihm mit offenem Mund nachstarrte. Noch nie hatte er am Vormittag das Büro verlassen und hatte blau gemacht. Thomas fühlte sich wie ein zwölfjähriger Schuljunge, der die Schule schwänzte. Mit einem breiten Grinsen im Gesicht verließ er das Bürogebäude.

Eine halbe Stunde später war er in der Stanton-Villa angekommen. Miranda nahm ihm Mantel und Aktentasche ab und begrüßte ihn freundlich.

„Guten Tag, Sir Stanton. So früh heute? Darf ich Ihnen Mittagessen im Salon servieren?“

„Danke, Miranda. Ja, Mittagessen wäre toll. Hat Miss Walsh bereits gegessen?“

„Nein. Das Essen ist in etwa zehn Minuten fertig. Möchten Sie gemeinsam mit Miss Walsh den Lunch einnehmen?“

„Das ist eine hervorragende Idee, Miranda. Bitte geben Sie ihr einen Morgenmantel und sorgen sie dafür, dass sie zum Essen im Salon erscheint. Vielen Dank.“

Mit diesen Worten drehte er sich um und marschierte in sein Büro.

Miranda klopfte an Susans Tür und trat ein. Unter dem Arm trug sie einen dunkelblauen Bademantel.

„Hallo Miss Walsh. Sir Stanton schickt mich. Er würde gerne den Lunch mit Ihnen im Speisezimmer einnehmen, wenn es Ihnen recht ist.“

Susan sah Miranda überrascht an.

„Sir Stanton ist hier? Ich dachte, er wäre in seinem Büro.“

Susan schälte sich hastig aus den Laken.

„Er ist früh zurückgekommen“, antwortete Miranda und half Susan beim Aufstehen. Als Susan aufgestanden war, half Miranda ihr dabei, in den mitgebrachten Bademantel zu schlüpfen.

„Denken Sie, ich kann so gehen?“

Susan sah zweifelnd an sich hinab.

„Aber sicher. Sir Stanton hat mir extra aufgetragen, Ihnen den Bademantel zu bringen.“ „O. k., wenn Sie meinen.“

Susan war immer noch nicht überzeugt.

„Ich möchte aber vorher noch ins Badezimmer und mich ein wenig frisch machen.“

Miranda nickte und wartete geduldig, während Susan ins Bad hastete, eilig Gesicht und Hände wusch und sich die Haare bürstete. Nach wenigen Augenblicken war Susan zurück und folgte Miranda nach unten in das Speisezimmer. Neugierig blickte sich Susan in dem großen, prunkvollen Raum um. In der Mitte des Raumes befand sich ein langer, ovaler Tisch aus massivem Mahagoni, an dem zwölf gepolsterte Stühle standen. Die Wände waren mit dunkelrotem Samt und demselben Mahagoniholz verkleidet. Rundherum befanden sich sechs große, raumhohe Fenster, die viel Licht in das Zimmer ließen und über dem Tisch hing ein prachtvoller Kronleuchter aus Kristall. Auf dem Tisch waren an einem Ende zwei Gedecke aufgelegt. In der Mitte des riesigen Tisches stand eine große Schale mit üppigem Blumenschmuck und verströmte einen betörenden Duft. Susan war beeindruckt von der Größe und all dem Prunk in diesem Raum. Miranda führte sie zu einem der Plätze, wo gedeckt war, und zog ihr höflich den Stuhl zurecht.

„Bitte sehr, Miss Walsh. Sir Stanton wird bestimmt gleich hier sein.“

„Danke schön, Miranda.“

Miranda verließ das Speisezimmer und schloss die große Flügeltür hinter sich. Susan blickte ihr nach und sah sich weiter in dem beeindruckenden Raum um. Ihr Blick blieb auf dem üppigen Blumengesteck hängen, das aus Rosen in weiß und pink, blauen Wicken, Ranunkeln und allerlei Grünzeug bestand. Als sich die Tür öffnete, blickte sie auf und sah direkt in Sir Stantons Augen.

Thomas betrat das Speisezimmer mit einem Lächeln und setzte sich zu Susan an den Tisch. Susan musterte ihn unauffällig und ihr fiel auf, dass er müde aussah. Er trug einen dunkelgrauen Anzug, ein cremefarbiges Hemd und eine passende grau und rosa gemusterte Krawatte. Er sah wie immer sehr elegant aus. Susan räusperte sich.

„Guten Tag, Sir Stanton.“

„Guten Tag, Susan. Sagen Sie doch bitte Thomas zu mir.“

Er sah ihr tief in die Augen und drückte sanft ihre Hand, die sie auf ihrem Schoss abgelegt hatte.

„Gerne, Thomas“, sagte sie mit einem strahlenden Lächeln.

„Es freut mich, dass es Ihnen besser geht.“

Thomas musterte Susan eindringlich. Sie hatte wieder etwas Farbe im Gesicht und sie erschien ihm nicht mehr so müde und erschöpft wie noch am Tag zuvor.

„Ja, mir geht es wirklich schon deutlich besser. Dank ihrer Fürsorge. Ich bin Ihnen zu tiefstem Dank verpflichtet Sir …“

„Thomas“, unterbrach er sie freundlich und lächelte Susan an.

„Thomas“, wiederholte sie und erwiderte sein Lächeln.

„Na bitte, geht doch“, sagte er erfreut.

Miranda betrat das Speisezimmer und brachte auf einem großen, silbernen Tablett zwei Teller mit Essen herein. Sie stellte je einen dampfenden Teller vor Susan und Thomas und entfernte sich dann wieder. Das Essen roch köstlich. Es gab gedünsteten Fisch, Kartoffeln und buntes Gemüse.

„Ich hoffe, sie sind hungriger als gestern“, sagte Thomas mit einem Augenzwinkern.

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