Coaching

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Der Begriff: Was ist ein Coach?

DER BEGRIFF: WAS IST EIN COACH?

Der Kern der Sage-Learning-Methode ist nicht das Trainieren der Menschen, sondern das Hervorbringen und Trainieren der Neugier der Menschen. Mit Kant teilen wir die Grundüberzeugung, dass jeder Mensch ein „Zweck an sich“ ist, der ein einzigartiges Talent in sich birgt, das hervorgebracht und dann trainiert werden kann. „Zweck“ bedeutet „Ziel“.

Dieses Ziel zu erkennen und zu verfolgen, ist der Sinn unseres Lebens. Wenn wir es nicht tun, werden wir nicht glücklich. Wenn wir es tun, sind wir schon auf dem Weg dorthin zufrieden. Neugierde ist der wesentliche Faktor der Zielerkennung und –verfolgung. Coaches bringen diese Neugier in anderen hervor. Sie gebieren übrigens immer andere „Neugierden“, je nachdem, in welchem persönlichen Stadium man sich befindet. Sonst wollten wir alle immer noch Tankwart, Lokomotivführer oder Kindergärtnerin werden. Tatsächlich aber ist es vielleicht so, dass Sie Ihre Neugier kennen und zum Teil bereits erfüllt haben. Dann kommt wieder Langeweile auf – ein Zeichen, dass eine neue Neugier Sie wieder wecken muss.

Die Ziele, die wir im Training verfolgen, sind keine Umsatzziele und auch keine „Selbstverwirklichungsziele“. „Zweck an sich“ bedeutet nicht, dass jede Person ein Selbstzweck ist, sondern 1. ein zu respektierender Mensch mit einer ihm innewohnende „Würde“, der deshalb als „Person“ wahrgenommen wird und niemals von anderen als „Mittel zum Zweck“ eingesetzt werden darf. Und 2., dass dieser Zweck bei jedem Menschen verschieden ist, also bei jedem Menschen individuell erkannt werden muss. Diesen Zweck, dieses Ziel zu erkennen, zu verfolgen und zu erreichen, dient die zeitliche Spanne, die wir „Leben“ nennen. Es gibt also viel zu tun.

So viel zur unsäglichen Sinn-Des-Lebens-Diskussion, die viele Menschen nur in ihrem persönlichen Wachstum aufhalten und über Abertausenden von Milchkaffees, Rotweinflaschen und selbstgedrehten Zigaretten ihren Narzissmus nähren, und bei dem sie in ihrer Verkennung dann gerade einmal etwas „Kreatives“ wie eine Makramée-Arbeit auf die Reihe bekommen, eine Galerie in der Vorstadt eröffnen oder einfach abdrehen und unter philosophischen Vorzeichen am Strand von Goa eine Menge Sex haben. Wer meint, seinen Zweck selbst bestimmen zu können und sich bei guten Freunden die Bestätigung abholt, bitte. Das Gequatsche der letzten zwanzig Jahre von „Individuum“, „Selbstverwirklichung“ und „Lebenssinn“ kommt über die Dynamik eines Kirchentags nicht hinaus und hat uns sehr viel Zeit gekostet. Es verleugnet ein paar wesentliche Tatsachen. Zum Beispiel, dass es nicht nur „des Menschen“, sondern „der Menschen“ braucht, um sich zu erkennen. Dass es nicht um Sie allein geht, wenn es um Ihre Entwicklung geht. Und dass Geld und Erfolg eben doch eine deutliche Sprache sprechen. Wer dies verleugnet – wie es unter Intellektuellen, Vulgärmarxisten und anderen Theoretikern immer noch der Fall ist – findet sich dummerweise schnell am unteren Ende der sozialen Skala.

Wer wissen will, in welchem Bereich er wirklich brilliert, wo er Talent und Freude hat, wo er/sie andere überraschen und begeistern kann, und deswegen einen Haufen Geld verdient – der nehme sich einen Coach.

Ein Coach ist das Gegenteil von jemandem, der Sie in Ihren Ansichten und Mutmaßungen über sich selbst unterstützt. Er ist kein Psychologe, der Sie mit Ihrer Vergangenheit konfrontiert oder Ihnen „Lösungen“ auf Ihre „Probleme“ bietet. Coache analysieren nicht. Ein Coach, der eine vermeintlich kindliche Neugier in Ihnen weckt, ist jemand, der die Neugier für etwas weckt.

Er zeigt Ihnen das Medium auf, in dem Sie brillieren. Den Rest erledigen Sie selbst. Denn es fällt Ihnen leicht, in diesem Medium eine Arbeit zu leisten, die für die meisten anderen eine schwere Last wäre. Ihre Begeisterung und Ihr Können bleibt von anderen nicht unbemerkt, und deshalb wird es eine Menge Leute geben, die dafür bezahlen, wenn Sie sie partizipieren lassen. Später wird man sich vielleicht anders entwickeln. Viele wechseln das Medium, weil sie merken, dass sie hier am Ende sind und dort eine Menge Spaß haben. Andere verwirklichen endgültig ihren Lebenstraum. Und wiederum andere werden selbst Coaches. Sie setzen sich in ihrem Medium an eine andere Position. Jungcoaches gibt es selten. Das Potenzial von Coaches ist ihre Erfahrung – und ihre nachhaltige Energie in dem Bereich.

Das beste Beispiel geben diejenigen Coaches, die dem Job ihren Namen geben: Die meisten Trainer waren früher Spieler, die aus rein physischen Gründen irgendwann aufhören müssen. Dann gehen sie an eine Sporthochschule und machen den Trainerschein. Viele von ihnen hören dort zum ersten Mal Dinge über rein menschliche Angelegenheiten: Teamführung beruht schließlich auf Psychologie und Sozialkompetenz.

Deshalb sind die besten Trainer nicht unbedingt die besten Fußballspieler, sondern diejenigen mit der besten Menschenkenntnis und dem größten Einfühlungsvermögen. Sie setzen ja nicht die Ziele, die erreicht werden müssen, sondern schweißen ein Team zusammen, das diese Ziele erreicht. Ottmar Hitzfeld, ehemaliger Trainer der mehrfachen Deutschen Meister Borussia Dortmund und Bayern München ist sicherlich einer der erfolgreichsten Fußballtrainer der Welt – und war ein zweitklassiger Fußballspieler, der es nicht weit brachte. Lothar Matthäus – einer der genialsten Liberos seiner Zeit, über dessen mangelnde Sozialkompetenz als Trainer die ganze Welt lacht. Die deutschen Bundestrainer Jürgen Klinsmann und Oliver Bierhoff haben das amerikanische Coaching-Prinzip importiert, das die Spieler in verschiedenen Bereichen trainiert, inklusive Mental-, Sprech- und Medientraining. Ach ja, wo wir bei Amerika sind: Was antwortet Phil Jackson, erfolgreichster Trainer der NBL, auf die Frage, womit er es schafft, seine millionenschweren Spieler namens Shaquil O’Neill oder Michael Jordan weiter zu Höchstleistungen anzutreiben? „Mit Neugier“. Achtung, da kommt ein Ball auf Sie zu! Sie haben keine andere Chance, als aufzuwachen und zu versuchen, ihn zu fangen. Es bleibt keine Zeit, nachzudenken. Sie fangen den Ball und wundern sich, dass sie so gut fangen können.

So funktioniert Coaching. Ein Coach jagt Sie über die Hindernisse, die Sie sich selbst gestellt haben, durch all Ihre Probleme und verkrusteten Schichten der schlechten Erfahrungen, durch all Ihre Vorstellungen vom Leben, Ihre Ideen und Begründungen – um Sie einfach zum Handeln zu zwingen.

Coaching ist handlungsorientierte Betreuung: Man wird aus dem Kopf in die Aktion gejagt. Man verliert seine Ängste, Bedenken, falschen Vorstellungen. Und seine Rückzugsmöglichkeiten. Ein Coach fragt Sie, was Sie machen würden, wenn Sie doch nur könnten. Dann zeigt er Ihnen, dass Sie es können. Dann sind Sie dran...

Täglich sehen wir Tausende von Menschen um uns herum. Ganz selten sehen wir uns selbst. Die eigene Person mit ihren Zielen und Möglichkeiten ist oft der Wald, den wir vor lauter Bäumen nicht sehen können. Coache und Mentoren können Dinge in anderen entdecken, die diese vielleicht für möglich, aber nie für wirklich halten. Sie betrachten ihre Schützlinge, wie diese noch nie vorher betrachtet wurden. Sie sind immer auf der Suche nach der Wahrheit: Was sie inspiriert. Sie müssen über hundert Arten und Weisen verfügen, eine Frage wie „Was ist es, was Sie wirklich wollen?“ zu formulieren.

Zum Beispiel „Was könnte Ihre nächste Herausforderung sein?“, oder „Wie sieht Ihre Karriere aus?“ Wenn darauf eine prompte Antwort kommt: „Und wie...?“, „Was dann...?“ Man muss so lange bohren, bis der Coachee über seine eigenen Antworten erstaunt ist. Dann erwacht die Inspiration: die Gier nach dem Neuen in sich.

Coache müssen penetrant sein. Denn für viele Fragen liegen einfache Antworten auf der Hand. Was wird wohl als erstes auf die Frage kommen, was man erreichen will? Genau: „Ich will einmal reich sein.“ Der Coach fragt am besten sofort: „Na gut, und danach?“

Das wird den Patienten vermutlich in Staunen versetzen. Jeder andere würde es wahrscheinlich bei solcherlei oberflächlichen Antworten belassen. Sie sind nicht falsch, aber bei weitem nicht erschöpfend. In einem Seminar fragten wir einmal einen 21jährigen Menschen nach seinen Wünschen, und es kam genau diese Antwort: „Ich will eine eigene Insel besitzen, eine Menge Autos und 800 Milliarden Dollar!“ Einen Augenschlag weiter fragten wir: „Okay, und was dann?“ Der Mann war für einige Minuten vollkommen irritiert. Schließlich meinte er nachdenklich: „Vermutlich würde ich mir eine Kugel durch den Kopf jagen“. Viele unserer vermeintlichen Ziele sind nicht inspirierend. Reich sein heißt vielleicht frei sein, aber das ewige Streben nach Glück ist eben nur ein Streben, wie Voltaire schon bemerkt hat. Reichtum ist eine Lebensform, aber kein Lebensinhalt. Das sieht man sehr schön an Leuten, die reich geboren werden, die durch diese Last ihr Leben nicht ausfüllen können oder in die Rolle des Nachfolgers ihrer Väter gedrängt werden: Patricia Hearst, Arndt von Bohlen und Halbach... rebellisch, desorientiert, abgedreht. Am Ende der Sitzung mit dem jungen Mann war übrigens nichts mehr so, wie es vorher war. Es war kein einfaches Interview. Am Anfang schien er sehr müde zu sein. Aber am Ende rutschte er vor Aufregung auf der Sesselkante und schilderte mit leuchtenden Augen sein Projekt, das er sofort in Angriff nehmen wollte. Er war ein vollkommen anderer Mensch. Was ist passiert? Sagen wir, wir haben unseren Job gemacht.

Die Praxis: Was tut ein Coach?

DIE PRAXIS: WAS TUT EIN COACH?

Ein guter Coach hat ein hohes emotionales Potential, um überhaupt in die persönliche Sphäre eines anderen Menschen gelangen zu können. Er muss sich in die Situation anderer versetzen können, um die Person, um die es geht, genau aus dieser Situation herauszuhebeln, ohne sie zu verletzen. Wie tut er das? Mit Gefühl. Nur auf diese Weise wird auch sein Gegenüber mit Gefühl reagieren. Dann wird er verschiedene Dinge erreichen, die er sonst niemals erreichen würde: Das Vertrauen seines Coachees. Eine Partnerschaft zu erzeugen, die angelegt ist, ein dieser Person zugehöriges, also einzigartiges Ziel zu erreichen. Ihr helfen, ihr authentisches Ich zu finden. Sie so lange in die Hitze zu halten, bis die Person sich zwingt, ihr inneres Feuer zu offenbaren. Keinerlei Entschuldigung und kein Selbstbedauern zu akzeptieren. Die Grenzen ausloten, sie überschreiten, die Person mit ihren Befürchtungen und Beschränkungen zu konfrontieren. So lange herausfordern, bis sie entdeckt, was in ihr steckt. Während eines Interviews besteht der Job eines Coaches zunächst nur darin, die Person zu beobachten und jeweils ein Feedback zu dem zu geben, was der Coach sieht. Zu diesen beiden Elementen kommen wir zu Beginn des nächsten Teils ausführlicher.

 

In diesem Prozess ist der Coachee Aladin auf der Suche nach der Lampe, aus der sein Genie aufsteigt. Er ist bereit, in die Höhle einzutreten. Jeder Mensch hat so eine Höhle. Es gibt eine Menge Türen dort hinein, aber nur eine ist die richtige.

Wir versuchen, herauszufinden, welche die richtige Eingangspforte ist. Wir wissen auch nicht, welche Tür die richtige ist. Aber wir merken es sofort, weil wir auf die Zeichen unseres Mandanten hören – wie er die Dinge sagt, welche Mimik er hat, welche Laute er von sich gibt. Sie werden ruhiger, erleichterter, überraschter, wenn wir an die richtige Tür klopfen. Sie haben Vertrauen und entwickeln Neugier. Wenn wir das richtige Feedback geben, öffnen sich die Augen, und wir können hineingehen. Wir sind eingeladen. Nur wenn wir die Erlaubnis haben, suchen wir in der Höhle nach der Lampe, in der das Genie steckt.

Zwei Dinge sind absolut tabu: Niemals die Tür zu öffnen, wenn es jemand nicht will. Und niemals zu spekulieren. Wir achten nur auf die feinen Signale unseres Gegenüber. Diese Methode steckt voller kleiner Risiken. Welche Frage stellen, welches Feedback geben, wo bestätigen und wo nicht? Nur wenn wir die richtigen Dinge sagen, öffnet sich die Tür. Bei der falschen Tür springt ein Tiger heraus: Argwohn, Unsicherheit, eventuell sogar das Vertrauen verspielt. Das größte Problem für einen Coach besteht darin, dass er sich keinen einzigen Fehlerleisten darf. Der Wendepunkt ist die Neugier. Wenn man dorthin gelangt, wendet sich das Spiel. Plötzlich öffnen sich noch mehr Türen. Was vorher verborgen und unnahbar war, bricht plötzlich aus den Menschen heraus.

Wie gelangt man zur Neugier? Durch das, was wir „Denken zum Handeln“ („action thinking“) nennen. Achten Sie auf Signale, die die Personen zwingen, zu handeln. Es sind vornehmlich Körpersignale. Wenn sie keine Lust haben, reagieren die Muskeln nicht darauf. Wenn man dagegen etwas sagt, das die Neugier weckt, gerät der Körper in Bewegung. Wenn etwas Angenehmes ist, huscht Erleichterung durch das Gesicht – vielleicht sogar durch ein Lächeln. Und noch einmal: Das Tödlichste ist, zu versuchen, den Coachee in seine Gewalt zu bringen. Schlechte Therapeuten versuchen immer, ihre Patienten in ihr eigenes Weltbild zu pressen. Der Coachee ist ein Partner, mit man das Ziel gemeinsam erreichen will. Ihr Partner wird nur dann ein Trainingspartner, wenn er es selbst zulässt. Er gibt die Signale durch seine Sprache, seine Haltung, seine Gestik und Mimik. Sie verraten, wohin die Reise geht.

Unsere primäre Kommunikation besteht aus diesen Komponenten. Wir benutzen beispielsweise unseren Atem, um unsere Sprache zum Ausdruck zu bringen – und damit unsere Glaubwürdigkeit. Es reicht nicht, etwas zu sagen – wir verleihen unserer Meinung Nachdruck, damit eine andere Person es auch glaubt. Das geschieht unbewusst. Wenn man versucht, sein Sagen vom Bewusstsein aus zu steuern, ist das harte Arbeit, wenn nicht Selbstbetrug oder Lüge. Wenn ein anderer auf die Signale hört, kann man leicht erkennen, ob das Gesagte auch so gemeint ist.

Feedback ist ein einfaches und auch sehr effektives Mittel, bei dem man sein Gegenüber mit seiner eigenen Wahrheit konfrontiert. Dann stellt sich heraus, ob es sich um eine Wahrheit oder eine „konstruierte Wirklichkeit“ (Watzlawick) handelt. Feedback steigert die Selbstwahrnehmung, und deshalb Coaching-Tool Nummer Eins.

Sie werden in dieser Anleitung erfahren, wie man die größten Fähigkeiten eines Menschen herauskitzeln kann. Wenn man ein Team von Geschäftsleuten oder eine individuelle Gruppe professioneller Manager vor sich hat, erfordert dieser Job jede Menge Kenntnis menschlichen Temperaments. Das kann man in fast keiner Universität lernen. Die Tools in diesem Buch bilden das Handwerkszeug zu einem Top-Coach. Wenn man sie einmal beherrscht, kann man den „Zweck an sich“, das Beste in Menschen hervorbringen, das sie zu bieten haben. Wenn man einmal Neugier aktiviert hat, sind Menschen in der Lage, ungeheure Energien in ihrem Bereich zu entwickeln.

Und nicht nur das: In „Neugier“ steckt das Wort „Neu“. Es ist nicht ein Genie, das in einem steckt, und das man in seiner Eitelkeit pflegt. Man legt sich selbst auf die Lauer, um zu schauen, was daraus wird, wenn man dies oder jenes tut – um dann selbst von dem Ergebnis überrascht zu sein. Man wird nicht der einzige sein, der dieses Geschehen gespannt verfolgt. Wer Begeisterung zeigt, macht andere neugierig, die daran partizipieren wollen – vorausgesetzt, es ist echte Neugier, die derjenige vermittelt. Diese glaubwürdige Begeisterung auszulösen, ist der Job eines Coaches.

Wenn man dieses Buch auswendig lernen würde, ist man kein Coach. Es ist in der Hoffnung geschrieben, dass der Leser eine Neugier oder eine lebenslange Leidenschaft für etwas entwickelt, das sein ganz eigener Bereich ist. Aber die Tools sind ein Ausschnitt aus einer unüberschaubaren Menge an Methoden, Techniken und Orientierung, die im Coaching nützlich sind. Sie sollen ermutigen, zu lesen, lernen, üben, Fragen zu stellen und selbst zu recherchieren.

In unserer Vision träumen wir von einem weltweiten Coaching-Netzwerk, in dem sich viele Menschen gegenseitig unterstützen und anderen zeigen, was sie wirklich wollen. Dahinter steckt die Idee, dass Coaching ein universelles Lebensprinzip wird, durch das einerseits mehr Harmonie gestiftet wird, andererseits jeder einzelne einen hohen geschäftlichen Erfolg verbuchen kann. Warum fährt Jan Ullrich die Berge im Sitzen hoch? Weil er es kann. Coaches inspirieren Teams zu hoher Performance. Das ist nicht immer unkompliziert. Unternehmensberater sind dazu da, Probleme zu lösen, während Coaches manchmal auch Probleme generieren.

Coaching ist bis zu einem gewissen Punkt keine gemütliche Angelegenheit. Sie treiben Ihre Mandanten aus ihrer Kuschelecke zu einem Punkt, wo sie mehr Leistung zeigen müssen – weil sie es können. Und weil der Coach weiß, dass sie es können.

In einem Seminar erzählt eine Frau, sie sei ein ehemaliges Model und hatte einen Vertrag als Sängerin. Sie wirkte traurig, als sie ihre Geschichte erzählte. Später erklärte sie, dass sie beide Karrieren aufgegeben hätte, weil sie damit nicht zurecht kam und ihr Selbstvertrauen verlor.

Die Trainer gaben ihr die Aufgabe, eine One-Woman-Show auf die Bühne zu bringen, in die sie allein der Star ist und alles machen kann, was sie will – singen, modeln, Comedy, was immer ihr gefällt. Sie musste auch die Tickets selbst verkaufen. Sie entwickelte ein Projekt mit einem klaren Ziel: 100 Gäste, jeder für 20 Dollar Eintritt, in einem bestimmten Theater an einem bestimmten Termin. Niemand zweifelte daran, dass sie es schaffen würde – nur sie selbst. Ihre Lippen zitterten, als sie fragte, wie sie das innerhalb von drei Wochen hinbekommen sollte. Das ist entweder ein Problem, oder eine Herausforderung. Wir wussten, dass sie es kann. Sie auch, aber sie traute sich nicht. Am Ende war sie der glücklichste Mensch auf der Welt – weil sie es geschafft hatte. Das ist Coaching, nicht Consulting.

Oft werden diese beiden Dinge noch verwechselt. Die Hauptkomponente unseres Coaching-Ansatzes sind die individuellen Talente. Das unterscheidet ihn von Beratern. Der menschliche Faktor ist die wichtigste Ressource und der komplizierteste Bestandteil in einem wachsenden Unternehmen.

Berater haben ein spezielles Gebiet und analysieren die Prozesse in einem Unternehmen, um sie zu verbessern. Coache haben die Leute in einem Unternehmen als spezielles Gebiet und entwickeln eine Atmosphäre, in der diese Leute freiwillig ihr Bestes geben. Hier die wesentlichen Begriffe, die Coaching und Consulting methodisch unterscheiden:


Effektives Coaching bringt die wahren Leidenschaften in den Personen hervor, entwickelt dafür eine Struktur und kombiniert sie mit geschäftlichen Resultaten. Auf einem hohen Level kann ein Coach ein ganzes bestehendes Team reorganisieren und dazu motivieren, neue Ziele zu erreichen. Viele Leader, die ihre Position durch technische oder unternehmerische Geschicke erworben haben, müssen vielleicht noch vieles über die menschlichen Fähigkeiten lernen, wenn sie noch viel mehr Leistung erreichen wollen. Um die viel zitierten „human resources“ zu aktivieren, braucht es etwas anderes, als „das Letzte aus ihnen herauszuholen“, nämlich genau das Gegenteil: Sie ganz wörtlich als Quelle von Energie zu betrachten und dafür zu sorgen, dass diese Quellen zum Sprudeln und Fließen kommen. Technische und wirtschaftliche Kenntnisse reichen da nicht mehr aus. Man muss jede Menge Psychologie studieren – auch wenn man kein Psychologe sein muss. Nehmen Sie sich ein Beispiel an den erfolgreichen Coaches im Sport.

Die Parallele: Was unterscheidet einen Business-Coach von einem Sportscoach?

DIE PARALLELE: WAS UNTERSCHEIDET EINEN BUSINESSCOACH VON EINEM SPORTCOACH?

Das Spannendste am Fußball ist eigentlich die Trainerfrage. Ein Coach geht, ein Coach kommt, manche überstehen nicht einmal eine Saison bei einem Verein. Aber was in der letzten Mannschaft überhaupt nicht geklappt hat, ist bei der nächsten überhaupt kein Problem. Wo die Spieler überhaupt nicht mehr zu motivieren waren, scheint bei dem neuen Trainer ein Ruck durch die Mannschaft zu gehen. Alles eine Sache der Mentalität, der Ausstrahlung des Trainers, der Atmosphäre, die er verbreitet, und der Art und Weise, wie er die Spieler miteinander verbindet. Das Ergebnis: „team spirit“.

Dabei gibt es die unterschiedlichsten Typen. Bei jedem Spiel treffen nicht nur zwei Mannschaften, sondern auch zwei Trainer aufeinander, die diese Mannschaften geformt haben. Dabei gibt es die unterschiedlichsten Typen: Ottmar Hitzfeld, die Respektsperson im langen Mantel mit Krawatte, immer diszipliniert. Der leidenschaftliche Schachspieler Felix Magath, der inzwischen als Trainer noch mehr Vorbildfunktion hat als zu seinen Zeiten als Spieler. Jupp Heynckes, ebenfalls erfolgreicher Spieler, dessen deutscher Ernst vor allem in der spanischen Liga überaus erfolgreich war. Und natürlich, wie immer über allem stehend: Der Kaiser, der Unantastbare. Einer der besten Fußballer aller Zeiten. Weltmeister als Spieler der deutschen Nationalmannschaft. Weltmeister als Trainer der deutschen Nationalmannschaft. Weltmeister in internationalen diplomatischen Beziehungen, so dass die Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland stattfindet. Drei Stationen, in denen ein Mann jeweils über sich hinaus gewachsen ist. Entweder ist der Mann eine Art Übermensch, oder er hat verdammt gute Coache. Denn man muss es erst einmal alleine schaffen, seine Grenzen zu sehen, um sie hinter sich zu lassen.

Im Sport üben gute Coache eine spezielle Magie auf die Leute aus. Die Spieler holen mehr aus sich heraus, als sie jemals selbst für möglich gehalten haben. Sie werden die Helden, von denen die sie immer geträumt haben. Im Business bringen Top-Coache ein Team auf ähnliche Weise zur Höchstleistung, indem sie es organisieren und einen unverwechselbaren Teamgeist kreieren.

„Suche nicht die verborgenen Talente außer dir, sondern in dir“, sagt Nietzsche. Die Werkzeuge in diesem Buch sind das Handwerkszeug für hohe Performance. Wer sie beherrscht – wozu natürlich viel Studium und Übung gehört – wird den Leader in sich hervorbringen. Wer einen Coach für sein Team engagiert, muss sich vorher vergewissern, ob die Teamplayer dazu bereit sind, von jemandem an ihre Grenzen getrieben zu werden. Coache sind dazu da, um das Spiel neu zu gestalten, sei es im Sport oder im Business. Gewohntes wird niedergerissen, Altbewährtes hinterfragt, neue, anstrengende Aufgaben erscheinen am Horizont. Viele Organisationen sind zu schlapp zum Coaching. Sie hängen lustlos in der Gegend herum, tun ihren Job, und lassen sich nichts zu schulden kommen – sie sind immer pünktlich, morgens wie abends. Ein sicheres Zeichen für Mittelmäßigkeit. Andere leisten geradezu Widerstand gegen jede Form der Veränderung, also auch Coaching.

 

Teams können endlos in kontraproduktiver Ignoranz vor sich hin trotteln und auf die Uhr schauen, wann Mittag ist. So lange niemand sie darauf aufmerksam macht, dass etwas Größeres in ihnen steckt, sind sie sich dessen auch nicht bewusst. Ignoranz ist gewollte Ignoranz, nicht Unwissenheit. Unwissenheit verunsichert. Es liegt in der menschlichen Natur, sich nach Sicherheit, Ruhe und Komfort zu sehnen.

Wenn ein Coach kommt, droht Gefahr – vor allem für Leute, die nicht in Form sind. Ein Coach bricht diese Beschaulichkeit schnell auf. Er muss ein klares Ziel formulieren, das erreicht werden muss und mit dem Team erreicht werden kann. Ein Sportscoach hat es da schwerer: Er muss mit diesem Team das nächste Spiel gewinnen! Man überlege sich einmal, welche Dynamik in ein Business-Team kommt, dass eine solche Vorgabe hat.

Ein Coach bedeutet Gefahr im Anzug, im doppelten Sinne. Er macht seinem Team schnell klar, dass wir hier nicht zum Spaß da sind. Die Gefahrensituation lässt alle Alarmglocken klingen. Die Spieler erwachen. Mit dem Coach springt ein hungriger Tiger in den Raum: „Wen esse ich als erstes?“ Wir würden mal behaupten, das lässt keinen kalt. Die träge Verdauung stoppt, die Augen sind weit aufgerissen, das Gehirn läuft auf Hochtouren. Du bist plötzlich ziemlich lebendig. Die Frage stellt sich nun für jeden einzelnen, ob er kämpfen oder abhauen soll. Der Coach inszeniert solche Situationen, um die Beteiligten mal richtig auf Messers Schneide zu stellen – und macht anschließend daraus ein Spiel. Es ist nun an jedem einzelnen, ob er das Spiel mitspielt oder nicht: Auf jeden Fall gibt es ein Spielfeld, Regeln, und ein Ziel. Das hat Business-Coaching mit Sport-Coaching gemeinsam.

Die meisten Unternehmen haben keine Ziele. Sie haben Visionen und „Leitbilder“. Als hätte die unsägliche Diskussion um die deutsche „Leitkultur“ nicht genügt, gehen viele Manager – offenbar geleitet von Beratern oder merkwürdigen Unternehmensphilosophen – in Klausur, um dort ein Leitbild zu formulieren, das sich meistens auf die kleinsten gemeinsamen Nenner beschränkt und deshalb am Ende meistens austauschbar ist. Diese Leitbilder drehen sich um Werte, nicht um Regeln.

In Visionen werden hohe, idealistische Ziele formuliert. Vor Jahren war in diesem Zusammenhang immer von der ominösen „Grabrede“ die Rede, die der Unternehmer, nur mit Papier und Bleistift bewaffnet in einer einsamen Berghütte formuliert. Es ist seine eigene Grabrede, die alles enthält, was man nach seinem Tode über ihn sagen soll. Mit anderen Worten: Mit solch einer Vision werden Ziele von Toten verfolgt, auch wenn sie noch leben. Stirbt der Unternehmer, wird das Unternehmen entweder komplett umstrukturiert, oder es fällt in Mittelmäßigkeit zurück.

Coaching hat keine Vision, an der man festhalten muss. Coaching arbeitet mit Dynamik und der Erwartung von Ergebnissen. Zum einen nimmt man die Dinge sportlich. Zum anderen lernt man dabei, Eigenverantwortung zu übernehmen, sowohl für die eigenen Aktivitäten als auch für die Aktivitäten in einem Team. Nicht zu verachten ist dabei das moralische Wachstum in einem Team: Einer für alle, alle für einen. Jeder ist ein Vorbild für den anderen. Wenn man andere Leute gut behandelt, antworten sie mit Großzügigkeit. Der Respekt kommt von selbst. Ein universeller Sinn für das Richtige, unabhängig von Situation, Interessen oder Verstellungen, schweißt die Leute zusammen.

Autoritäre Methoden machen die persönlichen Ziele kaputt: Moral wird auferlegt. Persönliche Prinzipien inspirieren. Coaching bedeutet, anzuerkennen, wenn Leute handeln. Statt den Mitspielern ein aufgesetztes Ideal vorzusetzen, sorgt ein guter Coach dafür, dass jeder einzelne motiviert ist, sich und seinen Charakter in Szene zu setzen. Egal, wie viel er verlangt, er weiß die Leistung der einzelnen immer zu schätzen. Nach jedem Versuch sagt ein Coach: „Prima“. Und fügt hinzu: „Und jetzt zeig’ mir mehr“. Das Ergebnis ist die so genannte „Moral“ im Team. Der Star ist am Ende die Mannschaft. Der Superstar: der Coach. Sie.

Auch wer „Business-Athleten“ coacht, braucht Assistenten. Wie im Sport muss man Theorie und Praxis, Supervision und hartes Training koppeln, um zu gewinnen. Erst- und Zweitligen (und tiefere Ligen) wie im Sport gibt es auch im Business. Amateur-Coache spielen in kleineren Ligen und steigen eventuell später auf, wenn sie mit diesen die relativ kleineren Ziele erreicht haben. Professionelle Coaches kennen das Geschäft, weil sie früher selbst in der Premier League gespielt haben. Wenn sie dort einmal Erfolg verbuchen konnten, erwarben sie soziale Kenntnisse und Fähigkeiten, um dann andere Leute und ihre Fähigkeiten erfolgreich zu trainieren. Gute Coache schaffen es, ein Team zu konstanten Siegen zu führen. Sie entwickeln eine Art humaner Bewegungsenergie im Team. Sie steigern die Eigendynamik der Mannschaft. Denn sie können die Träume ihres Teams so lange anfeuern, bis diese in unstillbare Neugier ausbrechen, ob sie das wirklich schaffen können, was er ihnen zutraut. Sie wollen dann nur noch dieses Ziel, dieses eine Ziel erreichen. Bis sie das Ziel sind. Es kann ein Traum sein, eine Geschichte, ein krankes Kind, das dieses Ziel symbolisiert. Oder ein Song. Der einfachste, schlichteste und doch beeindruckendste Song, der dieses Ambition auf den Punkt bringt: „I believe I can fly“ von R. Kelly – die Geschichte von Michael Jordan. Hören Sie das Thema? Es beginnt so harmlos, bis es sich zum Schlusschor steigert. Vom Start zum Ziel in drei Minuten. Na also.

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