Performance-Steigerung Krankenhaus

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2.1.4 Massnahmen zur Ertragssicherung

Wenn wir oben erwähnte Grundlagen zusammenfassen, wird klar, dass es Aspekte gibt, welche positiv auf Erträge einwirken können (z.B. eine vollständige und präzise Dokumentation oder das Durchführen einer Prozedur), dass es Aspekte gibt, welche einen negativen Einfluss auf Erträge haben (z.B. Abschläge) und dass es Aspekte gibt, welche keinen Einfluss auf den Ertrag haben resp. welche wir nicht steuern können (z.B. die Höhe der Basisrate).

Wir sollten uns also an dieser Stelle fragen, welche von diesen Aspekten wir in der täglichen klinischen Arbeit beeinflussen können (s. Abb. 2.5):

Basisrate: Die Basisrate ist, wie schon beschrieben, ein über das Jahr konstanter monetärer Wert, welcher als Produkt mit dem für eine DRG spezifischen Kostengewicht den Ertrag generiert. Sinkt die Basisrate im Verlauf der Jahre, so sinken bei gleichbleibenden oder nicht ansteigenden Kostengewichten auch die Erträge. Im eher unwahrscheinlichen Fall einer Erhöhung der Basisrate können auch die Erträge steigen. Die Basisrate allerdings können wir in der täglichen klinischen Arbeit nicht beeinflussen.

Kostengewicht: Je höher das Kostengewicht, desto höher der Ertrag. Wir sollten also sicherstellen, dass wir mit einer vollständigen und präzisen Dokumentation das einer Klinik zustehende Kostengewicht ansteuern. Das Kostengewicht können wir somit durch eine disziplinierte Dokumentation beeinflussen.

Low Outlier: Befindet sich die Verweildauer eines Falles unterhalb der UGVD, so wird ein Abschlag fällig, der Ertrag sinkt. Theoretisch können wir mit der Vermeidung von Low-Outlier-Fällen die Erträge beeinflussen, indem die Entlassung des Patienten solange hinausgezögert wird, bis sich seine Verweildauer oberhalb der UGVD befindet. Von dieser Massnahme distanzieren wir uns klar, da aus unserer Sicht im Sinne des Patienten eine Entlassung primär dann erfolgen sollte, wenn diese medizinisch Sinn macht.

High Outlier: Befindet sich ein Fall nach Entlassung oberhalb der OGVD, so wird ein Zuschlag fällig, der Erlös steigt. Auf den ersten Blick zwar interessant, selten werden durch Zuschläge allerdings die Kosten gedeckt. Des Weiteren werden allenfalls Bettenkapazitäten belegt, sodass weniger Patienten behandelt werden können. High-Outlier-Fälle sollten somit vermieden werden. Wir können High-Outlier-Fälle in der täglichen klinischen Arbeit in der Art positiv beeinflussen, indem wir versuchen, die Verweildauer zu senken. Solche Massnahmen zur Verweildauerreduktion werden wir im späteren Verlauf dieses Buches diskutieren.

Prozeduren: Mit der Durchführung einer bestimmten Prozedur kann das Kostengewicht teilweise dramatisch gesteigert werden. Wir distanzieren uns aber klar von der Option, eine Prozedur zur ökonomischen Optimierung durchzuführen und vertreten klar die Haltung, dass Prozeduren nur bei klarer Indikation und im Sinne des Patienten durchgeführt werden sollten.

Zusatzentgelte sind zusätzliche Vergütungen für eine Klinik bei speziellen, sehr teuren Therapien, welche nicht pauschal vergütet werden können resp. deren entstandene Kosten nicht durch den pauschalen Ertrag im DRG-System abgegolten sind. Eine vollständige und präzise Dokumentation kann auch hier der Medizinischen Kodierung helfen, entsprechende Leistungen für Zusatzentgelte zu erkennen.

Komplexbehandlungen sind im DRG-System für ein Krankheitsbild spezifische, aus mehreren Teilen zusammengesetzte Therapien, welche gesondert vergütet werden und aufgrund des hohen Aufwandes ein höheres Kostengewicht aufweisen können. Hierzu gehören spezifische Behandlungen bei Patienten mit multiresistenten Erregern oder auch die geriatrisch orientierte, frührehabilitative Komplexbehandlung bei älteren Patienten z.B. nach einem Bruch des oberen Teils des Oberschenkelknochens (= Schenkelhalsfraktur). Auch bei Komplexbehandlungen spielt die vollständige und präzise Dokumentation des geleisteten Aufwandes eine grosse Rolle.

Abb. 2.5Schematische Darstellung der möglichen Einflussmöglichkeiten auf den Ertrag im DRG-System.

Somit bleibt als medizinisch vertretbare und sinnvolle Massnahme zur Ertragssicherung die bestmögliche Dokumentation. Wie wir genau eine solche erreichen können, werden wir im Weiteren diskutieren.

Massnahme 1: Verständnis und Akzeptanz erlangen

Massnahme 1 ist mehr eine Voraussetzung als eine Massnahme. Bevor wir einzelne spezifische Massnahmen diskutieren, sollten wir uns bewusst werden, warum es mitunter so herausfordernd ist, ärztliche Kollegen für das Beachten von ökonomischen Fragestellungen – wie in diesem Fall die Bedeutung der Dokumentation im DRG-System – zu gewinnen. Aus unserer Sicht spielen hier mehrere Faktoren eine Rolle:

Zum einen können wir festhalten, dass bereits während des Studiums ökonomischen Aspekten im Gesundheitswesen kaum oder gar keine Beachtung geschenkt wird. Der ärztliche Nachwuchs wird zwar in der Regel sehr gut auf der medizinischen Sachebene ausgebildet, es fehlen während der langjährigen Studienzeit allerdings medizin-ökonomische Inhalte. So gesehen ist es auch nicht verwunderlich, dass Berufsstart und Weiterentwicklung häufig ohne grundlegende Kenntnisse im medizin-ökonomischen Bereich erfolgen.

Zum anderen sind unserer Erfahrung nach das Generieren von Erträgen einerseits und das Senken von Kosten im Gesundheitswesen andererseits immer noch negativ konnotiert. Viel zu oft noch ist die Meinung bei den ärztlichen Kollegen vertreten, man solle sich „nur um die medizinischen Belange kümmern“. Hierbei wird leider häufig vernachlässigt, dass nur durch eine interprofessionelle Zusammenarbeit von medizinischem Personal und Personal aus dem Finanzbereich eine anhaltende, erfolgreiche Bewirtschaftung einer Klinik möglich ist.

Aus eben genannten Punkten folgert ein weiterer Aspekt: Da ökonomische Grundlagen kaum geschult und die Akzeptanz für medizin-ökonomisches Denken vielerorts immer noch nicht vorhanden ist, setzen sich viele ärztliche Kollegen auch nicht mit dem in seiner Komplexität herausfordernden DRG-System auseinander. So sind auch die Möglichkeiten, die einer Klinik zustehenden Erträge zu erwirtschaften, hier und da immer noch nicht bekannt.

Massnahme 2: Regelmässige Schulungen durchführen

Regelmässige Schulungen, insbesondere im ärztlichen Bereich, sollten dazu beitragen, Verständnis und Akzeptanz für medizin-ökonomisches Denken zu fördern und die Awareness für das DRG-System zu erhöhen. Die Erfahrung zeigt, dass folgende Themen eine besondere Bedeutung haben:

Als Grundlagenkenntnisse sollten ärztliche Mitarbeiter verstehen, wie überhaupt ein Ertrag zustande kommt. Hierbei spielen oben genannte Details wie Partitionen im DRG-System oder PCCL-Werte zunächst einmal eine weniger wichtige Rolle. Wichtig zu vermitteln ist zu allererst einmal die Bedeutung eines Pauschalsystems im Gesundheitswesen und mögliche Implikationen auf das eigene Handeln im klinischen Alltag. Hier bereits treten erfahrungsgemäss die ersten „Aha“-Effekte auf, wenn erkannt wird, dass nicht jede Leistung im stationären Alltag extra vergütet wird, sondern im Allgemeinen über eine Pauschale abgegolten ist.

Es lohnt sich immer wieder, Beispiele aufzuzeigen, in welchen deutlich wird, auf welche Erträge eine Klinik bei nicht vollständiger Dokumentation von relevanten Komorbiditäten und Komplikationen verzichtet. Einfache Fallbeispiele wie jenes aus Kapitel 2.1.1 sind einleuchtend und einfach erklärbar.

Schulungen sollten in regelmässigen Abständen erfolgen. Dies bedeutet aus unserer Sicht: klar mehr als ein- oder zweimal im Jahr. Aufgrund der hohen Fluktuation insbesondere der jüngeren ärztlichen Kollegen erreichen Schulungen in derart niedriger Frequenz kaum einen anhaltenden Effekt. Eine Schulung ca. 1 x/Quartal erscheint hier deutlich sinnvoller, zielführender und kann wenig zeitintensiv durchgeführt werden.

Schulungen sollten nicht nur eine Gelegenheit darstellen, Wissen zu vermitteln. Schulungen können auch eine gute Gelegenheit sein, mehr über „Sprache“ und „Verständnis“ der jeweils anderen Berufsgruppe zu lernen. So z.B. kann ein Mitarbeiter des Medizin-Controllings eine vorliegende Hyponatriämie von lediglich 133 mmol/l aus seiner Perspektive als relevant und damit dokumentationsbedürftig erachten. Für einen Mediziner ist eine solche milde Hyponatriämie vermutlich nicht relevant, wird demnach häufig nicht dokumentiert und kann dazu führen, dass eine potenzielle Ertragssteigerung nicht realisiert wird. Natürlich stellt sich hier auch die Frage nach der Sinnhaftigkeit der Dokumentation bestimmter Auffälligkeiten. Und genau diese Diskussionen sind in Schulungen eine gute Gelegenheit, andere Perspektiven kennenzulernen, sich auszutauschen und schlussendlich auch einen gemeinsamen Nenner zu finden, was dokumentiert werden soll und was nicht.

 

Zuguterletzt sollte in diesen Schulungen den ärztlichen Mitarbeitern auch der Zusammenhang zwischen der erfolgten Kodierung bei suboptimaler Dokumentation und Qualitätsaspekten wie z.B. einer Mortalitätsstatistik erklärt werden. Erfolgt die Dokumentation eines Falles z.B. bei einer schweren Blutvergiftung (= Sepsis) nicht genügend, so kann es unter Umständen bei Todesfällen zu einer Verzerrung der Statistik kommen. Werden Fälle – wie oben beschriebene Lungenentzündung – in der untersten Partition eingeteilt mit einem darauffolgenden Todesfall, so entsteht – bei reinem Blick auf die Statistik – der Eindruck, dass in einer Klinik Patienten an relativ komplikationsarmen Lungenentzündungen versterben. Dies ist eine Aussenwirkung, die bestimmt jede Klinik vermeiden möchte, insbesondere weil es in diesem Fall keiner korrekten Abbildung der Realität entspricht.

Massnahme 3: Standardisierung von Entlassungsberichten

Auf den ersten Blick erscheint die Lösung des Dilemmas im DRG-System recht einfach: Offenbar ist ja die vollständige und präzise Dokumentation entscheidend für die Medizinische Kodierung. Daher dokumentiere man am besten „einfach alles“ in der Hoffnung, dass die entscheidenden CCL-relevanten Parameter schon dabei seien. Leider birgt diese Ansicht gleich mehrere Gefahren und Probleme:

Zum einen ist in einem Entlassungsbericht an den Hausarzt und an weiterbehandelnde ärztliche Kollegen eine aufgeblasene Diagnosenliste mit allenfalls nicht medizinisch-, sondern nur kodierrelevanten Problemen nicht erstrebens- und lesenswert. Zum anderen zeigt sich, dass bei unkontrolliertem Dokumentationseifer die Präzision der Dokumentation bei den wirklich entscheidenden Punkten deutlich zu kurz kommt. Gleichwohl ist bekannt, dass sich ein nicht zu unterschätzender Teil von Diagnosen im klinischen Alltag stets wiederholt: Lungenentzündungen, Harnwegsinfekte, Patienten mit Herzschwäche (= Herzinsuffizienz) und allenfalls Wasser auf der Lunge u.a. sind gängige Krankheitsbilder mit häufig festgelegten Behandlungsrichtlinien (z.B. die empirische Antibiotikagabe auf der Notfallstation, die Umstellung der i.v.-Antibiotika auf Tabletten im Verlauf, der Ausbau einer Herzinsuffizienztherapie etc.). Wenn wir also unsere Behandlungsrichtlinien standardisieren, wo es sinnvoll und vertretbar ist, warum sollten wir uns nicht auch um eine gewisse Vereinheitlichung der Entlassungsberichte kümmern, welche ja bekanntermassen die Grundlage darstellen für die Kodierung und schlussendlich die Ertragsgenerierung?

Eine mögliche Herangehensweise ist in Tabelle 2. 1 mit einer Berichtsvorlage für den späteren Entlassungsbericht dargestellt. Oben links ist die Hauptdiagnose ersichtlich, in diesem Fall die Pneumonie. Oben rechts ist eine Auswahl von kodierrelevanten Komplikationen zusammengefasst, welche gleichzeitig bei Dokumentation den Schweregrad der Erkrankung beeinflussen. Unten links sind ausgewählte Komorbiditäten aufgelistet, welche – wenn präzise dokumentiert – ebenfalls die Chance auf eine PCCL-Erhöhung liefern.

Alle anderen Komplikationen werden – sofern sie nicht medizinisch relevant sind – bewusst nicht aufgelistet, um nach wie vor noch eine übersichtliche Diagnosenliste für die nachbehandelnden Kollegen zu liefern.

Eine Berichtsvorlage kann somit einen Kompromiss darstellen zwischen der Versuchung, „einfach alles“ zu dokumentieren und der Notwendigkeit, alle „relevanten“ Komplikationen und Komorbiditäten vollständig und präzise zu erfassen.

Die Anwendung von Berichtsvorlagen für zu schreibende Entlassungsberichte ist unserer Erfahrung gemäss schnell und einfach zu schulen und zu lernen.

Tab. 2.1Beispiel einer Berichtsvorlage, anhand welcher bei gestellter Hauptdiagnose der Lungenentzündung (= Pneumonie) einige ausgewählte Komplikationen und ausgewählte Komorbiditäten erfasst werden können.


Hauptdiagnose Komplikationen
Pneumonie rechts SOFA-Kriterien
Akute Respiratorische Insuffizienz (hypoxisch, hyperkapnisch)
Chronische Respiratorische Insuffizienz (hypoxisch, hyperkapnisch)
Akutes Nierenversagen AKIN I, II, III
Komorbiditäten
Chronische Niereninsuffizienz Stadium CKD III/IV/V
Diabetes mellitus Typ 2, mit Komplikationen

Abbildungen 2.6 und 2.7 legen dar, dass sich sowohl der CMI (= das durchschnittliche Kostengewicht aller betrachteten Fälle) als auch der PCCL-Wert als Ausmass des Schweregrades einer Erkrankung teilweise signifikant beeinflussen lassen.


Abb. 2.6Vergleich des CMI ausgewählter gängiger Krankheitsbilder. Nomenklatur gemäss SwissDRG-System. E77: Infekte der oberen Luftwege; L63: Harnwegsinfekte; J64: Infekte der Weichteile; F62: Herzinsuffizienzen; G67: Magen-Darm-Erkrankungen. Vergleichszeitraum: 12 Monate.


Abb. 2.7Vergleich durchschnittlicher PCCL-Werte ausgewählter gängiger Krankheitsbilder. Nomenklatur gemäss SwissDRG-System. E77: Infekte der oberen Luftwege; L63: Harnwegsinfekte; J64: Infekte der Weichteile; F62: Herzinsuffizienzen; G67: Magen-Darm-Erkrankungen. Vergleichszeitraum: 12 Monate.

Massnahme 4: Der „DRG-Manager“ im Klinikbetrieb

Wie oben dargelegt, kann eine Standardisierung von Entlassungsberichten mittels Berichtsvorlagen bei gängigen Krankheitsbildern teilweise signifikant den CMI und den PCCL-Wert einer DRG steigern.

Aber was geschieht mit den Krankheitsbildern, welche nicht in die Kategorie der gängigen Krankheitsbilder fallen? Wie kann die Dokumentation z.B. auf der häufig multidisziplinären Intensivstation bei schwerkranken Patienten verbessert werden, sodass am Ende der geleistete Aufwand entsprechend abgebildet wird?

Ein Beispiel aus dem Klinikalltag zeigt, dass mit einem sehr überschaubaren organisatorischen und finanziellen Aufwand eine relevante Ertragssteigerung in dieser Patientengruppe möglich ist.

Fallbeispiel

Dem Medizin-Controlling einer Klinik ist seit einigen Jahren bekannt, dass ein Grossteil der Fälle mit Betreuung auf der hausinternen Intensivstation hohe Defizite aufweist. In einer aktuellen Untersuchung wird untenstehende Verteilung der auf der Intensivstation behandelten Fälle nach PCCL-Wert diskutiert. Es fällt auf, dass > 25% aller Fälle dieser Intensivstation schlussendlich einen PCCL-Wert zwischen 0 und 2 hatten. Demzufolge lagen offenbar keine schweren Komplikationen und Komorbiditäten vor. Diese Tatsache ist bei > 25% der Fälle schwer vorstellbar und stellte sich nach retrospektiver kritischer Überprüfung als falsch heraus. Offenbar ist der Klinik durch eine ungenügende Dokumentation ein relevanter Ertrag entgangen. Nur wie kann man in einer Abteilung mit hohem Patientenvolumen, täglichen kritischen medizinischen Situationen und einer hohen Belastung für das Personal die Dokumentation der entsprechenden Berichte verbessern? Ist dies überhaupt zumutbar für das ärztliche Personal?

Es ist gut vorstellbar, dass Effekt und Sinnhaftigkeit von Berichtsvorlagen und Schulungen in einem derart dynamischen Umfeld wie einer Intensivstation an ihre Grenzen stossen. Nichtsdestotrotz sollte auch und insbesondere hier auf einer Intensivstation eine gute Dokumentation erfolgen, da eine Veränderung der Kostengewichte hier einen besonders hohen Einfluss auf den der Klinik zustehenden Ertrag haben kann. Eine erprobte Option ist die zusätzliche Anstellung einer medizinisch erfahrenen Fachkraft, welche die geschriebenen Entlassungsberichte nach vorgegebenen Kriterien überprüft und optimiert.

Die oben beschriebene Klinik ging dabei folgendermassen vor:

In einem ersten Schritt wurde ein neuer Prozess definiert, nach welchem die erstellten Berichte der Intensivstation auf das Vorliegen von ausgesuchten Komorbiditäten und Komplikationen gescreent wurden (s. Abb. 2.8). Falls CCL-relevante Ergänzungen berechtigt waren, welche nicht im Entlassungsbericht erwähnt wurden, erstellte der DRG-Manager ein Ergänzungsblatt, welches zusammen mit dem Entlassungsbericht die Kodierung erreichte. Bereits nach wenigen Wochen konnte bei einem ersten Patientenkollektiv von gut 60 Patienten eine relevante Steigerung des PCCL-Wertes und auch des CMI erreicht werden. Der generierte Mehrertrag übertraf die geleistete Investition um das ca. 12-Fache.

Abb. 2.8Neuer Prozess zur bestmöglichen Dokumentation bei multidisziplinär betreuten, in der Regel schwerkranken Patienten einer Intensivstation.

Natürlich lässt sich an dieser Stelle diskutieren, ob nicht generell auf jeder Abteilung einer Klinik Entlassungsberichte durch eine medizinische Fachkraft überprüft werden sollten. Wir sind der Ansicht, dass dies nicht per se der Fall sein muss:

Berichtsvorlagen können, wie bereits oben beschrieben, bei gängigen Krankheitsbildern die Dokumentation deutlich verbessern, sind einfach zu schulen und einfach anzuwenden. Auf einer wenig spezialisierten Bettenstation ist unserer Erfahrung nach ein Grossteil der Fälle bereits deutlich besser dokumentiert, sodass es die zusätzliche Investition eines Klinikmanagers nicht immer benötigt.

Die Anwendung von Berichtsvorlagen für gängige Krankheitsbilder fördert die Awareness für das Dokumentieren von relevanten Komplikationen und Komorbiditäten. Mittelfristig führt dies dazu, dass zusammen mit durchgeführten Schulungen die wichtigsten Komplikationen und Komorbiditäten auch bei nicht gängigen Krankheitsbildern dokumentiert werden. Es lässt sich somit häufig eine Art „Strömungseffekt“ in der Dokumentation beobachten. Auch dies rechtfertigt keine generelle Anstellung eines DRG-Managers auf jeder Bettenstation.

DRG-Manager mit gutem medizinischen Hintergrundwissen einerseits und fundiertem DRG-Know-how andererseits sollten, auch weil die Kombination dieser beiden notwendigen Kenntnisse auf dem Markt nicht häufig anzutreffen ist, für spezialisierte Abteilungen und für spezielle Fälle wie z.B. auf einer Intensivstation eingesetzt werden. Bei diesen ist eine optimale Dokumentation unter Umständen mit weitaus grösseren ökonomischen Vorteilen verknüpft.

Massnahme 5: Monitoring und Feedback

Nach Sensibilisierung des ärztlichen Personals für das DRG-System, nach durchgeführten Schulungen und implementierten Berichtsvorlagen sollte eine Erfolgskontrolle sicherstellen, dass die gewünschten Effekte auch eintreten und anhaltend sind.

Aus unserer Sicht ist es nicht zweckmässig, für jede erdenkliche DRG ein Monitoring aufzubereiten und in sehr engen Abständen die Anzahl von korrekt dokumentierten Komorbiditäten und Komplikationen zu dokumentieren. Die Beschränkung auf eine kleine, übersichtliche Anzahl von häufig vorkommenden DRGs, Komorbiditäten und Komplikationen kann bereits dazu führen, dass sich die Dokumentationsdisziplin bei nicht nur den häufig vorkommenden DRGs verbessert, sondern dieser Effekt sich durch einen entsprechenden Wandel im Dokumentationsverhalten auf andere DRGs überträgt.

 

Feedbackschlaufen an die einzelnen Ärzte, selbst bei sehr guter Dokumentationsdisziplin (oder auch weniger guter), tragen dazu bei, dass stets an die Wichtigkeit der vollständigen und präzisen Dokumentation erinnert wird.

Massnahme 6: IT-Support

Uns ist bewusst, dass medizinisch relevante Komorbiditäten und Komplikationen nicht automatisch relevant sind für das DRG-System. Genauso gilt, dass gewisse medizinisch nicht bedeutungsvolle Komorbiditäten und Komplikationen im Pauschalsystem zu einer deutlichen Erhöhung der Kostengewichte beitragen können. Mit diesem Dilemma werden die im klinischen Alltag arbeitenden ärztlichen Kollegen ständig konfrontiert.

Es ist unserer Meinung nach nicht zu erwarten, dass die behandelnden Ärzte vor dem Hintergrund eines sich jährlich wechselnden DRG-Kataloges und der Komplexität des DRG-Systems, vor dem Hintergrund einer eher zunehmenden als abnehmenden Arbeitslast und tendenziell eh schon steigender Administration Experten werden im Pauschalsystem. Daher braucht es aus unserer Perspektive unterstützende Massnahmen wie ein gut ausgebautes Klinikinformationssystem, welches das ärztliche Personal bei der Dokumentation unterstützt, wie folgende 2 kurze Fallbeispiele zeigen sollen:

Fallbeispiel 1

Nach einer ausgedehnten Operation im Bauchraum sinkt bei einem Patienten postoperativ der Wert der roten Blutkörperchen (Hb-Wert) deutlich von 123 g/l präoperativ auf 69 g/l. Der Operateur stellt die Indikation für eine EC-Transfusion, verordnet diese im Klinikinformationssystem und wird – da entsprechend hinterlegt – bei der Erstellung des Entlassungsberichtes an diese Massnahme erinnert, da sie unter Umständen den Schweregrad des Falles erhöht.

Fallbeispiel 2

Bei einem neurochirurgischen Patienten mit einem seit langem bekannten Diabetes mellitus Typ 2 wird bei während des Aufenthaltes entgleisten Blutzuckerwerten der Langzeit-Blutzuckerwert, der sogenannte HbA1c-Wert, bestimmt. Da dieser deutlich zu hoch ist, wird der zuständige Assistenzarzt per Warnmeldung im Klinikinformationssystem daran erinnert, in der klinischen Untersuchung nochmals ein besonderes Augenmerk auf das Vorliegen von Folgeschäden wie eine periphere Polyneuropathie zu legen. Die Diagnose einer solchen kann unter Umständen nicht nur den Schweregrad des Falles erhöhen, sondern hat auch die Konsequenz, dass für den nachbehandelnden Hausarzt eine regelmässige Fusskontrolle und allenfalls eine Anpassung des Schuhwerks empfohlen werden.

Beide Beispiele zeigen, dass Auffälligkeiten/Vorkommnisse im klinischen Alltag durch entsprechenden IT-Support u.U. eine höhere Chance auf eine vollständige und korrekte Dokumentation haben als ohne IT-Support.

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