Die Genehmigung der Vorteilsannahme und der Vorteilsgewährung

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(4) Zwischenergebnis

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Der Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung hat den Befugnisrahmen der Behörde nicht näher bestimmen können. Der Grundsatz besagt lediglich, dass es der Widerspruchsfreiheit der Rechtordnung bedarf, zeigt jedoch keinen Weg auf, wie diese zu erreichen ist. Diese kann letztlich nur das Ergebnis einer vorherigen Auslegung sein.

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§ 331 Abs. 3 StGB ist nicht deshalb zu unbestimmt, weil er auf das öffentliche Dienstrecht Bezug nimmt. Für die Bestimmtheit einer Norm ist nicht entscheidend, dass sie den Vorschriften anderer Teilrechtsgebiete vollständig entspricht. Weicht sie hiervon ab, kommt es allein darauf an, dass dieser Umstand für den jeweiligen Normadressaten erkennbar ist. § 331 Abs. 3 StGB ist insoweit unmissverständlich, als sich das Verhältnis zwischen Straf- und öffentlichen Dienstrecht nach dem Umfang der behördlichen Genehmigungsbefugnisse bestimmt. Es kommt deshalb darauf an, inwieweit § 331 Abs. 3 StGB auf dienstrechtliche Wertungen Bezug nimmt. Lassen sich diese hinreichend konkretisieren und wird dem Beamten dadurch ein eindeutiger Verhaltensmaßstab vorgegeben, scheitert die Bestimmtheit des § 331 Abs. 3 StGB nicht daran, dass dessen Tatbestandsmerkmale einer Ausfüllung durch außerstrafrechtliche Rechtsquellen bedürfen.

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Daneben ist unzweifelhaft dem Prinzip der Rechtssicherheit Rechnung zu tragen. Wird die Genehmigung dem Beamten erteilt, muss er den Vorteil regelmäßig annehmen dürfen, ohne sich der Gefahr seiner Bestrafung auszusetzen. Das bedeutet jedoch nicht, dass dem Vertrauen des Beamten zwingend bei der Bestimmung des behördlichen Befugnisrahmens Beachtung geschenkt werden müsste. Für das Strafrecht lassen sich Vertrauensschutzaspekte vielmehr auch mit Hilfe der §§ 16, 17 StGB berücksichtigen.

cc) Der Vorrang der Auslegung

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Die Ansichten in der strafrechtlichen Literatur unterstellen § 331 Abs. 3 StGB eine Verwaltungsakzessorietät, sei es bezogen auf die Vereinbarkeit der Genehmigung mit dem materiellen Dienstrecht, sei es bezogen auf die Tatbestandswirkung verwaltungsverfahrensrechtlich wirksam zustande gekommener Genehmigungen. Die sog. „Verwaltungsakzessorietät des Strafrechts“ ist allerdings kein Dogma, welches § 331 Abs. 3 StGB zwingend zugrunde zu legen wäre. Dies zeigt bereits die in der strafrechtlichen Literatur an verschiedenen Stellen anhaltende Diskussion über das Verhältnis der beiden Teilrechtsgebiete. Eine Anbindung des Straf- an das Verwaltungsrecht kann vielmehr nur dann erfolgen, wenn dieses überhaupt auf die Ausfüllung durch andere, hier „verwaltungsrechtliche Vorgaben“[148] angelegt ist. Dies macht stets eine gesonderte Betrachtung der in Rede stehenden strafrechtlichen Vorschrift erforderlich. Im Rahmen des § 331 Abs. 3 StGB kommt es deshalb entscheidend auf die Auslegung seiner Tatbestandsmerkmale an. An deren Ende kann die Verwaltungsrechts- oder die Verwaltungsaktsakzessorietät des § 331 Abs. 3 StGB stehen. Zwingend ist dies jedoch nicht. Denn auch der Umfang etwaiger verwaltungsrechtlicher Vorgaben lässt sich nur durch eine vorherige Gesetzesauslegung bestimmen.

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Deutlich wird dies am Beispiel des § 113 Abs. 3 StGB. Danach ist der Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte straffrei, wenn „die Diensthandlung nicht rechtmäßig“ ist.[149] Trotz des scheinbar eindeutigen Wortlauts stellt sich in § 113 Abs. 3 StGB die Frage, welcher Rechtmäßigkeitsbegriff der Vorschrift zugrunde zu legen ist.[150] Die Ansicht, die für die strafrechtliche Rechtmäßigkeit der Diensthandlung auf deren verwaltungsrechtliche Wirksamkeit abstellen will, hat sich nicht durchsetzen können.[151] Der Gesetzgeber hat in § 113 Abs. 3 StGB ursprünglich einen „strafrechtlichen Rechtmäßigkeitsbegriff“ befürwortet.[152] Die Rechtsprechung hat sich dem angeschlossen.[153] Durch den „strafrechtlichen Rechtmäßigkeitsbegriff“ werden die verwaltungsrechtlichen Anforderungen an die Diensthandlung des Beamten dahingehend abgeändert, als grundsätzlich nur dessen sachliche und örtliche Zuständigkeit gewahrt, die wesentlichen Förmlichkeiten eingehalten und der Pflicht zur situationsangemessenen Beurteilung erkennbarer Eingriffsvoraussetzungen nachgekommen werden muss.[154] Grund hierfür ist das Allgemeininteresse am Schutz staatlicher Amtshandlungen, dem im Rahmen der Auslegung des § 113 Abs. 3 StGB der Vorrang gegenüber einem streng am materiellen Verwaltungsrecht orientierten, für den Bürger grundrechtsfreundlicheren Rechtmäßigkeitsbegriff eingeräumt wurde.[155] Entgegen anderer Ansichten in der Literatur[156] setzt § 113 Abs. 3 StGB gerade keine formell und materiell dem Verwaltungsrecht entsprechende Diensthandlung voraus und kann deshalb nicht als streng verwaltungsrechtsakzessorisch verstanden werden.

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Nun verlangt § 331 Abs. 3 StGB nicht die „Rechtmäßigkeit“ der Genehmigung. Jedoch macht der in § 113 Abs. 3 StGB verwandte „Rechtmäßigkeitsbegriff“ deutlich, dass selbst bei scheinbar eindeutiger Terminologie eine vom Verwaltungsrecht abweichende Auslegung strafrechtlicher Vorschriften nicht ausgeschlossen ist. Hinzu kommt, dass es dem Gesetzgeber im Hinblick auf § 331 Abs. 3 StGB frei stand, eine verwaltungsrechts- bzw. verwaltungsaktsakzessorische Regelung zu treffen. Er hätte die Straflosigkeit der Vorteilsannahme unmittelbar von der Erteilung einer dienstrechtmäßigen Zustimmung abhängig machen können. Ebenso hätte er in § 331 Abs. 3 StGB die Tatbestandswirkung dienstrechtlicher Zustimmungen betonen können. Für Letzteres hätte sich etwa eine den §§ 324 Abs. 1, 326 Abs. 1 StGB vergleichbare Regelung angeboten. Eine solche Regelung trifft § 331 Abs. 3 StGB aber gerade nicht, sondern macht die Rechtswirkungen der Genehmigung seinerseits von der Einhaltung des behördlichen Befugnisrahmens abhängig. Bei unbefangener Betrachtung lässt er deshalb weder auf ein verwaltungsrechts- noch auf ein verwaltungsaktsakzessorisches Verständnis schließen. Ebenso vorstellbar ist, dass der Rahmen der behördlichen Genehmigungsbefugnisse auf andere, dem § 331 Abs. 3 StGB spezifische Weise zu ziehen ist.

dd) Der behördliche Befugnisrahmen

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Kommt es für das Verhältnis des § 331 Abs. 3 StGB zum öffentlichen Dienstrecht somit auf den Rahmen der behördlichen (Genehmigungs-) Befugnisse an, gilt es in einem ersten Schritt zu klären, unter welchen Umständen überhaupt von einer solchen Befugnis auszugehen ist. In einem zweiten Schritt gilt es zu erörtern, unter welchen Umständen die Behörde den festgestellten Rahmen ihrer Genehmigungsbefugnis überschreitet.

(1) Die behördlichen Befugnisse im Verwaltungsvollstreckungsrecht

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In der verwaltungsrechtlichen Terminologie bezeichnet die „behördliche Befugnis“ die Handlungsermächtigung der Behörde gegenüber dem Bürger.[157] Bei den durch oder aufgrund eines Gesetzes statuierten Befugnissen handelt es sich also um die Mittel, die der Behörde zur Erledigung einer ihr zugewiesenen Aufgabe zur Verfügung stehen.[158] Die behördlichen Befugnisse erschöpfen sich jedoch nicht in einer terminologischen Umschreibung. So machen die Polizeigesetze bzw. die Verwaltungsvollstreckungsgesetze des Bundes- und der Länder die Einhaltung der behördlichen Befugnisse ihrerseits zur Tatbestandsvoraussetzung der Ausübung von Verwaltungszwang. Danach ist der Behörde die sofortige Erzwingung eines Verhaltens gestattet, wenn dies zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr notwendig ist und die Vollzugsbehörde bei der Erzwingung eines Tuns, Duldens oder Unterlassens „innerhalb ihrer Befugnisse“ handelt.[159] Die Einhaltung der behördlichen Befugnisse wird hier dahingehend verstanden, dass die Behörde einerseits für den Erlass der Grundverfügung zuständig, andererseits auf Grund des materiellen Verwaltungsrechts im konkreten Fall dazu berechtigt sein muss, das zu erzwingende Verhalten von dem in Anspruch Genommenen zu verlangen.[160] Daraus wird geschlossen, dass die Behörde im Fall des Sofortvollzugs nur dann innerhalb ihrer Befugnisse handelt, wenn eine fiktive Grundverfügung nach materiellem Verwaltungsrecht rechtmäßig erlassen werden könnte.[161]

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Das Erfordernis einer rechtmäßigen Grundverfügung folgt jedoch nicht aus der bloßen Berechtigung der Behörde, von dem Vollstreckungsschuldner ein bestimmtes Verhalten zu verlangen. Im Verwaltungsvollstreckungsrecht wird mit der Bezugnahme auf die behördlichen Befugnisse lediglich klargestellt, dass mit der Regelung über den Sofort-Vollzug keine eigenständige materielle Eingriffsbefugnis der Behörde geschaffen wurde. Diese muss sich weiterhin aus den jeweiligen Spezialgesetzen ergeben.[162] Deshalb scheidet eine Vollstreckung im Sofortvollzugsverfahren aus, wenn der Behörde schon von Gesetzes wegen keine Eingriffsermächtigung zukommt. Sie muss das zu vollstreckende Verhalten auch verlangen können.[163] Anderenfalls überschreitet sie ihre spezialgesetzlichen Befugnisse. Der Terminus der behördlichen Befugnis wird im Verwaltungsvollstreckungsrecht also nicht als Synonym für die Rechtmäßigkeit der Vollstreckungsmaßnahme verwandt.

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Im Sofortvollzugsverfahren folgt das Erfordernis einer materiell rechtmäßigen und zudem fiktiven Grundverfügung aus einer anderen Überlegung. Für das gestreckte Vollstreckungsverfahren gilt der Grundsatz, dass Rechtsfehler des Grundverwaltungsaktes für die Vollstreckung unbeachtlich sind, soweit sie nicht zu dessen Nichtigkeit führen.[164] Entscheidend ist die Vollziehbarkeit des Verwaltungsaktes.[165] Vollziehbar ist der Verwaltungsakt mit seiner Unanfechtbarkeit, mit der Anordnung seiner sofortigen Vollziehung oder wenn einem Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung zukommt. Die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes ist für die Ausübung von Verwaltungszwang im gestreckten Vollstreckungsverfahren dagegen nicht erforderlich. Der Vollziehbarkeit rechtswidriger Verwaltungsakte steht im gestreckten Vollstreckungsverfahren allerdings ein Anspruch des Bürgers auf rückwirkende Aufhebung des Verwaltungsaktes sowie auf Vollzugsfolgenbeseitigung gegenüber, den er mit Hilfe der Anfechtungsklage nach § 113 Abs. 1 S. 1, 2 VwGO gerichtlich durchsetzen kann. Bis zu ihrer verwaltungsbehördlichen bzw. -gerichtlichen Aufhebung können demnach auch rechtswidrige Vollstreckungstitel rechtmäßig vollstreckt werden.[166]

 

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Dass im Sofortvollzugsverfahren von diesem Grundsatz abgewichen und eine rechtmäßige Grundverfügung verlangt wird, beruht auf der besonderen Eilbedürftigkeit der Vollstreckung. Der Behörde ist im Sofortvollzugsverfahren der Erlass einer vorherigen Grundverfügung regelmäßig unmöglich.[167] Damit besteht die Gefahr, dass die getroffenen Maßnahmen der Vollstreckungsbehörden in einem nachfolgenden Gerichtsverfahren nicht wieder rückgängig gemacht werden können. Die Rechtsschutzmöglichkeiten des Bürgers sind zugunsten des Schutzes von Rechten Dritter sowie der verfassungsmäßigen Ordnung beschränkt.[168] Als Ausgleich dafür wurden die Anforderungen an die Rechtmäßigkeit der Vollstreckungsmaßnahme erhöht. Im Gegensatz zum gestreckten Vollstreckungsverfahren setzt der Sofortvollzug deshalb voraus, dass die Behörde das zu erzwingende Verhalten des Vollstreckungsschuldners auch im allgemeinen Verwaltungsverfahren in rechtmäßiger Weise hätte einfordern können.[169] Grund für das Erfordernis der Rechtmäßigkeit einer fiktiven Grundverfügung sind folglich die Besonderheiten des Sofortvollzugsverfahrens und die für den Vollstreckungsschuldner eingeschränkten Rechtsschutzmöglichkeiten. Das Erfordernis der Rechtmäßigkeit der Verfügung folgt nicht unmittelbar aus der Formulierung der Polizei- bzw. Verwaltungsvollstreckungsgesetze. Diese stellen lediglich klar, dass sie die Eingriffsermächtigung nicht ersetzen können.[170] Sie konkretisieren somit nicht die weiteren Anforderungen an die (fiktive) Grundverfügung. Diese richten sich weiterhin nach der jeweiligen Ermächtigungsgrundlage.

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An dieser Stelle bestehen Parallelen zu § 331 Abs. 3 StGB. Auch dieser ermächtigt die Behörde nicht zur Erteilung der Genehmigung. Auch nach der Einführung des § 331 Abs. 3 StGB muss die Behörde hierzu dienstrechtlich ermächtigt sein.[171] Besteht schon keine dienstrechtliche Ermächtigungsgrundlage, ist § 331 Abs. 3 StGB ohne Bedeutung.[172] Die Vorteilsannahme ist in diesem Fall ausnahmslos verboten. Aus dem Erfordernis einer behördlichen Genehmigungsbefugnis lässt sich deshalb zunächst nur schließen, dass der Behörde nach den Vorschriften des öffentlichen Dienstrechts ein Genehmigungsrecht zukommen muss. Ihr lässt sich dagegen nicht entnehmen, ob die Behörde von ihrem Genehmigungsrecht auch in rechtmäßiger Weise Gebrauch gemacht haben muss oder ob die Einhaltung des Befugnisrahmens lediglich verlangt, dass sie die Genehmigung auf eine dienstrechtliche Berechtigung stützen kann.

(2) Die Konkretisierung der Genehmigungsbefugnisse durch behördliches Innenrecht

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Bislang konnte lediglich festgestellt werden, dass die Behörde nach den dienstrechtlichen Vorschriften berechtigt sein muss, die Genehmigung zu erteilen. Die Beamtengesetze kennen als Ausnahme von dem Verbot der Vorteilsannahme die Möglichkeit einer behördlichen Zustimmung, knüpfen diese Befugnis allerdings nicht an die Einhaltung weiterer Voraussetzungen. Letztlich steht die Entscheidung über die Erteilung der Zustimmung deshalb im Ermessen der Behörde.[173] Fraglich ist deshalb, wann die Behörde den Rahmen ihrer dienstrechtlichen Genehmigungsbefugnis überschreitet. Auf den ersten Blick scheint sie nur dann zur Erteilung der Genehmigung befugt, wenn sie von ihrem Ermessen in pflichtgemäßer Weise Gebrauch macht. Fraglich ist jedoch, ob der „Rahmen der behördlichen Befugnisse“ damit zutreffend beschrieben ist.

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Nach der Gesetzesbegründung soll sich der Umfang der behördlichen Genehmigungsbefugnisse durch die „allgemein bestimmten Grenzen der Genehmigung“[174] bestimmen. Als allgemein bestimmte Grenze wird beispielhaft die Möglichkeit genannt, die Genehmigung nach Landesrecht auf eine bestimmte Art von Vorteilen zu beschränken.[175] Weicht die Genehmigung in der Folge hiervon ab, überschreitet die Behörde ihre Genehmigungsbefugnisse. Sie ist für die Erteilung der Genehmigung „konkret unzuständig“[176]. Der Gesetzgeber ging offenbar davon aus, dass die Behörde die Genehmigung auch dienstrechtlich nicht ohne Weiteres erteilen darf.

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Der Blick auf die Vorschriften, die der Behörde die Möglichkeit der Genehmigung eröffnen, zeigt jedoch, dass sie die Genehmigung in das Ermessen der Behörde stellen, ihr also zunächst keine spezifischen Grenzen setzen.[177] Daraus wird in der strafrechtlichen Literatur der Schluss gezogen, dass die Einhaltung der behördlichen Befugnisse deshalb (zumindest) eine ermessensfehlerfreie Entscheidung des Dienstherrn voraussetzt.[178] In Bezug auf das Erfordernis der Erteilung einer „befugten Genehmigung“ ist die Gesetzesbegründung allerdings missverständlich. Dies liegt daran, dass für die Einhaltung der behördlichen Befugnisse die Beachtung der „allgemein bestimmten Grenzen der Genehmigungsbefugnis“ gefordert wird, diese Grenzen in der Folge aber nicht weiter konkretisiert werden. Es wird lediglich klargestellt, dass der Richter ihre Einhaltung überprüfen können soll. Vor dem Hintergrund, dass auch die Beamtengesetze die Genehmigungsmöglichkeit der Behörde nicht begrenzen, sind die Ausführungen der Gesetzesbegründung an dieser Stelle unzureichend. Hinzu kommt, dass der Richter nach der Gesetzesbegründung zwar die allgemein bestimmten Grenzen der Genehmigung kontrollieren, nicht aber überprüfen darf, ob „innerhalb dieser Grenzen das verwaltungsmäßige Ermessen pflichtgemäß ausgeübt worden ist“.[179] Mutmaßlich wird deshalb in der strafrechtlichen Literatur der Schluss gezogen, dass im Rahmen des § 331 Abs. 3 StGB allein Zweckmäßigkeitserwägungen der Behörde einer richterlichen Kontrolle entzogen sind.[180] Insoweit würde die strafrichterliche Kontrolle der Genehmigung ihrem Umfang nach der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle behördlicher Ermessensentscheidungen entsprechen (§ 114 S. 1 VwGO).[181] Konsequenterweise müsste der Strafrichter im Fall einer ermessensfehlerhaften Genehmigung von einer Überschreitung der behördlichen Befugnisse ausgehen und die Genehmigung für unwirksam erklären. Die Vorteilsannahme bliebe dem Beamten weiterhin verboten.

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Eine strafrichterliche Kontrolle der Ermessensgrenzen findet nach der Gesetzesbegründung aber gerade nicht statt.[182] Nimmt man die dortige Unterscheidung zwischen den einer gerichtlichen Kontrolle zugänglichen allgemeinen Grenzen der Genehmigung und den einer gerichtlichen Kontrolle entzogenen allgemeinen Ermessengrenzen beim Wort, handelt es sich bei der Pflichtgemäßheit der behördlichen Ermessensausübung nicht um eine Genehmigungsvoraussetzung des § 331 Abs. 3 StGB. Vielmehr ist für die Straflosigkeit der Vorteilsannahme allein die Einhaltung der allgemein bestimmten Grenzen, also auf die Genehmigungsfähigkeit der Vorteilsannahme abzustellen. Auf die Ermessensfehlerfreiheit ihrer Entscheidung kommt es dagegen nicht an. Ein Ermessensfehler der Behörde führt nur dann zur Unwirksamkeit der Genehmigung, wenn dieser zugleich die Genehmigungsfähigkeit der Vorteilsannahme berührt.

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Kommt es für die Erteilung einer strafrechtlich wirksamen Genehmigung auf die Einhaltung der allgemein bestimmten Grenzen der Genehmigung an, lenkt dies den Blick auf die zum dienstrechtlichen Verbot der Annahme von Belohnungen und Geschenken erlassenen Verwaltungsvorschriften. Diese enthalten unter anderem Regelungen, nach denen die Erteilung der Genehmigung ausgeschlossen ist. Die Genehmigung ist nach dem Rundschreiben der Bundesregierung vom 8.11.2004 zu versagen, wenn die Gefahr besteht, dass durch die Annahme des Vorteils die objektive Amtsführung des Beschäftigten beeinträchtigt oder bei Dritten der Eindruck der Befangenheit oder der Käuflichkeit erweckt werden kann.[183] Nach der Verwaltungsvorschrift zu § 59 LBG NW darf die Zustimmung dann nicht erteilt werden, wenn mit der Zuwendung von Seiten der zuwendenden Person erkennbar eine Beeinflussung des amtlichen Handelns beabsichtigt ist oder in dieser Hinsicht Zweifel bestehen.[184] In der Freien und Hansestadt Hamburg werden bestimmte Vorteile von der Genehmigungsmöglichkeit ganz ausgenommen. Eine Genehmigungsmöglichkeit scheidet für Beamte des Bundeslandes Hamburg aus, wenn der Vorteil in der Unterstützung privater Veranstaltungen der Behörde oder einer ihrer Organisationseinheiten bzw. in der Unterstützung privater Familienfeiern einzelner Beschäftigter liegt.[185]

Daneben finden sich in den Richtlinien auch Regelungen, die dem Dienstherrn die Möglichkeit der Zustimmung ausdrücklich eröffnen. In der Regel besteht an dieser Stelle eine allgemeine Zustimmungsmöglichkeit im Vorfeld der Vorteilsannahme. Den Beschäftigten der Bundesverwaltung ist neben der Annahme geringfügiger Aufmerksamkeiten die Bewirtung anlässlich allgemeiner Veranstaltungen, an denen die Beschäftigten im dienstlichen Auftrag oder mit Rücksicht auf die durch die Wahrnehmung ihrer Aufgaben auferlegten gesellschaftlichen Verpflichtungen teilnehmen, allgemein gestattet.[186] Weiter ist die Annahme von Vorteilen, die die Durchführung eines Dienstgeschäftes erleichtern oder beschleunigen, z.B. das Abholen eines Beamten mit dem Kraftfahrzeug vom Bahnhof, als stillschweigend genehmigt anzusehen.[187]

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Im Gegensatz zu den Beamtengesetzen enthalten die Richtlinien abstrakt-generelle Beschränkungen der dienstrechtlichen Zustimmungsmöglichkeit. Auf diese allgemein bestimmten Grenzen der Genehmigung hat man sich in der Gesetzesbegründung zu § 331 Abs. 3 StGB bezogen und versucht, im Beamtentum bestehende Zweifel über die strafrechtliche Tragweite dienstrechtlicher Zustimmung zur Geschenkannahme zu beseitigen.[188] Ziel der Einführung der Genehmigungsvorschriften in den §§ 331 ff. StGB war es, die existierende Genehmigungspraxis der Verwaltungsbehörden strafrechtlich zu legalisieren.[189] Schon vor der Einführung des § 331 Abs. 3 StGB durch das EGStGB vom 2. März 1974 war allgemein anerkannt, dass die beamtenrechtliche Genehmigung die Annahme eines Vorteils auch strafrechtlich rechtfertigen kann. War die Geschenkannahme beamtenrechtlich erlaubt, galt auch das strafrechtliche Verbot der einfachen passiven Bestechung nicht.[190] Aus diesem Grund wurde die Vorteilsannahme zunächst als widerrechtliche Geschenkannahme bezeichnet.[191] Danach war die Geschenkannahme nur strafbar, wenn es an einer dienstrechtlichen Zustimmung fehlte. Schon nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts war deshalb die Annahme eines Vorteils straflos, wenn die zuständige Behörde die Vorteilsannahme genehmigt hatte.[192] Der Bundesgerichtshof hat sich dieser Rechtsprechung angeschlossen[193], weshalb man die dienstrechtliche Regelung der Genehmigungsmöglichkeit lange Zeit für ausreichend hielt und auf eine ausdrückliche strafrechtliche Regelung verzichtete.[194]

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Die Möglichkeit der Genehmigung wurde dem Dienstvorgesetzten allerdings schon vor der Einführung des § 331 Abs. 3 StGB nicht schrankenlos gewährt. Der Beamte sollte sich trotz dienstrechtlicher Genehmigung weiterhin wegen einfacher passiver Bestechung strafbar machen können, wenn die Genehmigung erteilt worden war, obwohl das Beamtenrecht für diesen Fall kein Genehmigungsrecht des Vorgesetzten kannte.[195] Ferner wurden aus § 331 StGB weitere Schranken der Genehmigungsmöglichkeit entnommen. Die Genehmigung war bereits zu diesem Zeitpunkt ausgeschlossen, wenn der Vorteil für eine pflichtwidrige Handlung empfangen wurde. Die Genehmigungsmöglichkeit bezog sich nur auf die einfache passive Bestechung nach § 331 StGB a.F. Die schwere Passivbestechung nach § 332 StGB a.F. war unter keinen Umständen genehmigungsfähig.[196] Ausdrücklich erforderlich war auch der Genehmigungsakt. Die vorgesetzte Behörde musste der Annahme entweder ausdrücklich oder in gewissen, der Verkehrssitte entsprechenden Sonderfällen stillschweigend zugestimmt haben.[197]

 

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Es zeigt sich, dass der Genehmigung schon vor der Einführung des § 331 Abs. 3 StGB nicht schlechthin die Wirkung zukam, dem Handeln des Beamten die Rechtswidrigkeit zu nehmen. Daraus resultierten seitens des Beamtentums zunehmend Zweifel über die strafrechtliche Tragweite der Genehmigung.[198] Die geltende Rechtslage wurde deshalb innerhalb der damaligen Bundesregierung für zunehmend „unerträglich“ empfunden, weshalb sie zu Beginn der 1960er Jahre auf die Aufnahme einer klarstellenden Regelung in das Strafgesetzbuch drängte.[199] In der Folge enthielt § 460 des Entwurfs eines Strafgesetzbuches von 1960 (E 1960) erstmals einen Fassungsvorschlag zur Schaffung einer strafrechtlichen Genehmigungsvorschrift.[200] § 460 E 1960 sollte den bis dahin geltenden Tatbestand der einfachen passiven Bestechung nach § 331 StGB ersetzen und enthielt in seinem Abs. 3 eine strafrechtliche Genehmigungsklausel, wonach die Bestechlichkeit[201] des Beamten nicht rechtswidrig sein sollte, wenn der Beamte sich einen nicht von ihm geforderten Vorteil versprechen lässt oder annimmt und die zuständige Behörde entweder die Annahme vorher genehmigt hat oder der Beamte unverzüglich bei ihr Anzeige erstattet und sie die Annahme genehmigt.[202] Damit entsprach bereits der Tatbestand des § 460 Abs. 3 E 1960 weitgehend dem des heutigen § 331 Abs. 3 StGB. Es fehlte lediglich an dem Erfordernis der Einhaltung der behördlichen Befugnisse.

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Nach der Begründung des Entwurfs sollte dieser an die geltende Rechtsprechung anknüpfen. Die strafrechtliche Wirkung der Genehmigung sollte nach wie vor davon abhängen, ob das öffentliche Dienstrecht dem Dienstherrn im Einzelfall ein Genehmigungsrecht verleiht. § 460 Abs. 3 E 1960 verlangte eine Regelung im öffentlichen Dienstrecht, die bestimmt, ob und wenn ja in welchem Umfang eine erlaubte Bestechlichkeit überhaupt in Betracht kommt.[203] Bereits nach § 460 Abs. 3 E 1960 musste sich die die Genehmigung also innerhalb des zulässigen Rahmens des öffentlichen Dienstrechts bewegen.[204] Allerdings fand diese Einschränkung in § 460 Abs. 3 E 1960 zunächst keinen gesonderten Ausdruck.[205] Vielmehr war man der Meinung, dass dies schon dadurch zum Ausdruck gebracht werde, dass die Genehmigung durch die „zuständige Behörde“ erteilt werden muss.[206] Hierfür verstand man den Begriff der Zuständigkeit weiter. Mit der Erteilung der Genehmigung durch die „zuständige Behörde“ sollte nicht bloß sichergestellt werden, dass die Genehmigung durch die nach den Vorschriften des öffentlichen Dienstrechts sachlich und örtlich zuständige Behörde erteilt wird. Für die Erteilung der Genehmigung „zuständig“ im Sinne des § 460 Abs. 3 E 1960 sollte die Behörde erst dann sein, wenn ihr eine dienstrechtliche Genehmigungsbefugnis zukam.[207] So ist es zu erklären, dass die Gesetzesbegründung zu § 331 Abs. 3 StGB auch heute noch auf die „konkrete Zuständigkeit“ der Behörde abstellt. Danach ist die abstrakt zuständige Behörde nur dann für die Erteilung der Genehmigung konkret zuständig, wenn sie bei der Erteilung der Genehmigung die Grenzen ihrer dienstrechtlichen Befugnisse nicht überschreitet.[208]

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In welchen Fällen der Behörde ein materielles Genehmigungsrecht zukommt, besagte allerdings weder § 460 Abs. 3 E 1960 noch die hierzu ergangene Entwurfsbegründung. Auch die damaligen Fassungen der § 70 BBG[209] bzw. § 43 BRRG[210] beschränkten die Genehmigungsmöglichkeit der Behörde nicht.[211] Stattdessen war man der Ansicht, Einzelheiten des Genehmigungsverfahrens zweckmäßigerweise nicht im Strafgesetzbuch, sondern durch Verwaltungsvorschriften zu regeln und darin sicherzustellen, dass die Behörde von der Genehmigung nur in sinnvoller Weise Gebrauch machen kann.[212] Der Runderlass des Bundesinnenministers vom 20.3.1962 enthielt erstmals konkrete Vorgaben für die Genehmigungserteilung.[213] Im Anschluss an die bisherige Rechtsprechung erklärte dieser zunächst die Annahme bestimmter Vorteile für stillschweigend genehmigt.[214] Darüber hinaus durfte die Zustimmung nur erteilt werden, wenn nach der Lage des Falles nicht zu besorgen ist, dass die Annahme der Zuwendung die objektive Amtsführung des Beamten beeinträchtigt oder bei dritten Personen, die hiervon Kenntnis erlangen, den Eindruck seiner Befangenheit entstehen lassen könnte. Dagegen war die Zustimmungsmöglichkeit ausgeschlossen, sofern mit dem Vorteil erkennbar eine Beeinflussung amtlichen Handelns beabsichtigt ist oder in dieser Hinsicht Zweifel bestehen.[215] Aufgrund dieser Vorgaben hielt man die Zweifel an der strafrechtlichen Tragweite der Genehmigung zunächst für ausgeräumt.

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Im weiteren Verlauf der Reformbestrebungen kam man aufgrund der Beschlüsse der Länderkommission für die große Strafrechtsreform zu einer Neufassung des E 1960. Davon betroffen war auch die Genehmigungsklausel des § 460 Abs. 3 E 1960. Die Länderkommission hatte beschlossen, die Fassung des § 460 Abs. 3 E 1960 dahingehend zu ergänzen, dass die zuständige Behörde die Annahme des Vorteils sowohl im Fall der vorherigen als auch im Fall der nachträglichen Genehmigung „im Rahmen ihrer Befugnisse“ zu erteilen habe.[216] Damit wurde ein Fassungsvorschlag zur Regelung der Bestechlichkeit angenommen, welcher zuvor durch eine eingesetzte Unterkommission erarbeitet worden war.[217] In der Unterkommission hatten die Sachbearbeiter des Bundesjustizministeriums einen Diskussionsvorschlag[218] eingebracht, der § 460 E 1960 nicht mehr als einfache passive Bestechlichkeit, sondern fortan als Vorteilsannahme bezeichnete. Durch die begriffliche Trennung der Vorteilsannahme von den übrigen Bestechungsdelikten wurde betont, dass die Annahme eines Vorteils als Gegenleistung für eine pflichtgemäße Diensthandlung eine zur Straftat erhobene Disziplinarwidrigkeit darstellt, die ihre Rechtfertigung ohne Anstoß durch eine behördliche Genehmigung erhalten kann, wenn diese gewissen Regeln folge.[219] Der Diskussionsvorschlag enthielt – anders als noch der Entwurf von 1960 – mit dem Befugnismerkmal erstmals einen Passus, der ausdrücklich auf den beamtenrechtlichen Umfang der behördlichen Genehmigungsbefugnis verwies.[220] Dieser sollte unmissverständlich und insoweit abweichend von § 460 Abs. 3 E 1960 klarstellen, dass die Behörde eine Genehmigung nur im zulässigen Rahmen aussprechen und nur eine „in diesem Sinne rechtswirksame Genehmigung“ rechtfertigend wirken könne.[221] Allerdings war man der Meinung, die Unwirksamkeitsgründe der Genehmigung als verwaltungsrechtliche Vorfragen im Strafgesetzbuch nicht weiter regeln zu können. Dies betraf insbesondere den Fall der Erteilung einer dienst(rechts-)widrigen Genehmigung.[222] Im Hinblick auf ihre Voraussetzungen sollte die Genehmigungsvorschrift des § 460 E 1960 deshalb bewusst nicht vollständig geregelt werden.

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Gegen eine nur teilweise Regelung des Genehmigungsproblems im Strafgesetzbuch kamen in der Folge Bedenken auf.[223] Generalstaatsanwalt Dünnebier wandte hiergegen ein, § 460 Abs. 3 E 1960 erfasse nur die ordnungsgemäße, nicht aber die erschlichene oder sonst mangelhaft erteilte Genehmigung.[224] Ministerialdirektor Schafheutle erwiderte hierauf, der Hinweis sei zwar richtig, die Genehmigung sei aber ein verwaltungsrechtliches Problem und im Strafgesetz nicht zu lösen. Nach der Rechtsprechung sei (jedenfalls) die erschlichene Genehmigung irrelevant.[225] Auch Ministerialdirigent Wilkerling betonte, er habe Zweifel, ob die Fälle, in denen eine Genehmigung unter Verstoß gegen Verwaltungsrichtlinien erteilt worden sei, durch Absatz 3 eindeutig gelöst würden.[226] Er verwies auf die verwaltungsrechtliche Wirksamkeit einer unter Verstoß gegen die Richtlinien zustande gekommenen Genehmigung. Fraglich sei seiner Meinung nach, ob durch die gegenwärtige Formulierung des Abs. 3 erreicht werde, dass eine Genehmigung, die nach den Richtlinien nicht hätte erteilt werden dürfen, unabhängig von ihrer verwaltungsrechtlichen Beurteilung strafrechtlich immer unwirksam oder unbeachtlich sei.[227] In der anschließenden Diskussion wurde man sich dahingehend einig, dass die Wirksamkeit der Genehmigung strafrechtlich selbstständig beurteilt werden müsse und sich nicht von verwaltungsrechtlichen Regeln leiten lassen dürfe.[228] Ferner herrschte Übereinstimmung, dass der von der Rechtsprechung geschaffene Rechtfertigungsgrund der Genehmigung endlich normiert werden müsse, da hierfür bislang kein konkreter Gesetzesanhalt bestünde und die Gegner einer solchen Regelung bereits eingewandt hätten, die Bestimmung des § 460 Abs. 3 E 1960 wiederhole lediglich das, was ohnehin schon rechtens sei.[229]

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