Weiches Management für knallharte Ergebnisse

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Autorität? Na klar! Autoritär? Auf keinen Fall!
Autoritäre Führung

Ob man es glaubt oder nicht, es gibt sie noch, die autoritären Führungspersönlichkeiten, die sich an der Spitze einer Organisation oder eines Teams sehen und entsprechend auftreten. Sie sind Alleinherrscher, Bestimmer, und dulden nur ab und zu, aus Alibigründen, ein anderes Wort. Und sie haben oft das Menschenbild der Theorie X. Den einzigen Grund, dass man diese Art Führungskraft nicht mehr so klar wahrnimmt wie früher den cholerischen Patriarchen ist, dass die heutige autoritäre Führungskraft cleverer geworden ist und ihr Auftreten besser verpacken kann. Trotzdem gibt es sie noch und zwar in Massen. Autoritär zu sein, wird in Führungskreisen zu oft noch als eine Tugend gesehen. Man hat es sich erarbeitet, man ist ‚wichtig‘ und somit hat man auch das ‚Recht‘, rücksichtsloser zu sein. Ob diese autoritären Führungskräfte tatsächlich auch schlauer sind, bessere Ideen haben, bessere Vorschläge machen, mehr wissen oder letztlich wertvoller sind, das spielt keine Rolle; sie sind halt der ‚Boss‘.

Nun müssen wir diese Behauptung aber auch ein wenig präzisieren und relativieren. Eine Organisation braucht entscheidungsstarke und dynamische Führungskräfte, die auf Grund ihrer Rolle dann auch mal dominant auftreten können. Ist die Führungskraft in Situationen, wo ein schnelles Durchgreifen gefragt ist, zu rücksichtsvoll, dann kann es passieren, dass Schaden angerichtet wird und das hilft nun auch nicht. Eine Organisation braucht Leader, die, wenn es die Situation verlangt, aber auch nur dann, einen autoritären Führungsstil anwenden können. Das trifft zum Beispiel auf Krisensituationen und bei Konflikten zu, wenn in erster Linie entschlossenes Handeln abseits von Diskussionen und Kompromissen gefragt ist. In solchen Fällen reden wir ganz klar von einem situationsbedingten autoritären Führungsstil und nicht von einer autoritären Persönlichkeit.

Allerdings geht es hier nicht um Momentaufnahmen und situations­bedingtes Auftreten, sondern um ein grundsätzliches Verhalten. Entscheidungsstarke und aktive Vorgesetzte benötigen auch ein großes Maß an Besonnenheit und Entgegenkommen für die Mitarbeiter.

Ist dies nicht der Fall, ist die Gefahr da, dass man zu autoritär ist, mit allen entsprechenden Nebenwirkungen.

Wenn Autorität total ist, dann ist es auch der Wahnsinn des Mannes, der sie deklariert, und ebenso das Potenzial für Machtmissbrauch. Rick Wilson

Autoritäre Persönlichkeiten haben ihr Ego oft nicht im Griff und werden entsprechend von ihrem Ego geführt. Studien haben herausgefunden, dass autoritäres Verhalten seinen Ursprung in der Vergangenheit, meist der Kindheit der autoritären Person hat. Es sind irgendwann narzisstische Gefühle von Minderwertigkeit, Ohnmacht und individueller Bedeutungslosigkeit entstanden, die von den Betroffenen (der autori­tären Person) als Liebe oder Loyalität rationalisiert werden. Bei der ‚Flucht ins Autoritäre‘ wird die Unabhängigkeit und Integrität des Selbst aufgegeben.

In gewissem Maße sind autoritäre Persönlichkeiten somit auch Betroffene und Opfer. Sie brauchen eine Kompensation für ein emotionales oder mentales Defizit und finden diese, indem sie sich eine Machtposition erarbeiten. Und das geht am besten über ein autoritäres Auftreten. Ein zusätzliches Problem dabei ist, dass solche Persönlichkeiten diese Kompensation brauchen, um (mental) zu überleben. Das führt wiederum dazu, dass die Angst, die Machtposition zu verlieren, zu eine Verstärkung des autoritären Verhaltens führt. Es wird also nicht besser und solche Teufelskreise können für eine Organisation bzw. für ein Team demotivierend wirken und somit destruktiv sein.

Auch wenn das autoritäre Verhalten einer Führungskraft nicht selbstverschuldet ist, ist das in einem wirtschaftlichen Unternehmen keine Rechtfertigung, dieses destruktive Verhalten zu tolerieren. Autoritäres Auftreten dient nur der autoritären Führungskraft und nicht dem Wohl des Teams.

In den vielen Jahren in der ich in der dynamischen und auf Wirtschaftlichkeit ausgerichteten Hotelbranche tätig bin, habe ich sehr viele Führungskräfte kennengelernt mit vielen unterschiedlichen Führungsstilen. Noch nie bin ich einer autoritären Führungskraft begegnet, die das Maximale aus ihrem Team herausgeholt hat. Die Mitarbeiter haben unter einer solchen Führungskraft selten das getan, was sie wirklich konnten, sondern nur das, was sie mussten. Autoritäre Führungskräfte schaffen es aufgrund ihres falschen Fokus nicht, Potenziale in ihren Mitarbeitern abzurufen. Und im Endeffekt geht es in einer Organisation darum, das Optimum aus den Mitarbeitern und aus dem Team herauszuholen, um nachhaltig zu den bestmöglichen Ergebnissen zu kommen. Leader wissen das und werden ein zu starkes autoritäres Verhalten von Seiten der Führungskräfte im Unternehmen nicht auf die Dauer akzeptieren, damit der Bestand der Teams und ihre Ergebnisse nicht gefährdet werden.

Generell wird die Kritik am autoritären Führungsstil heutzutage lauter und die neuen Generationen agieren anders. Start-ups und Agenturen machen es vor. Sie möchten soziale Verbindungen in jeder Abteilung aufbauen und sich als Team wahrnehmen, um das Maximum aus einem Unternehmen herauszuholen. Autoritär und dominant möchten da die wenigsten Vorgesetzten auftreten. Sie respektieren jeden Mitarbeiter als Individuum und möchten von seinen Kernkompetenzen und Vorteilen profitieren. Ein Angestellter wird sich wohl nur dann in ein Team einbringen, wenn er das Gefühl hat, im Unternehmen eine wichtige Rolle zu spielen. Bleiben seine Wünsche, Ideen oder Denkanstöße ungehört, wird er sie zukünftig auch für sich behalten und nicht gewinnbringend für den Betrieb einsetzen.

Autorität

Es gibt einen entscheidenden Unterschied zwischen Autorität und Autoritär: Autorität ist ein Persönlichkeitsmerkmal, eine Ausstrahlung, die eine Person hat. Autoritär bezieht sich auf das Verhalten einer Person.

Autorität ist nur dann authentisch und wertvoll, wenn es einem zugesprochen wird und nicht, wenn es, wie bei einer autoritären Person, eingefordert oder erzwungen werden muss.

Im Ursprung – in den Zeiten von Jägern und Sammlern – wurde Autorität grundsätzlich basiert auf Kompetenz. Derjenige, der etwas sehr gut konnte bzw. in etwas der Beste war, hatte damit auch die Autorität auf dem jeweiligen Gebiet.

Unsere heutige Gesellschaft ist viel größer und deutlich komplexer und oft wird Autorität aufgrund von Kompetenz, durch Autorität aufgrund von sozialem Status abgelöst. Auch wenn Kompetenz für die Erreichung eines gewissen Maßes an Autorität nach wie vor wichtig ist, ist sie nicht mehr die Hauptvoraussetzung. Autorität, die nicht mehr auf sozialem Status beruht, basiert auf der Fähigkeit, bestimmte gesellschaftliche Funktionen zu erfüllen. Und sie basiert auch auf der Persönlichkeit eines Menschen, der ein hohes Maß an Selbstverwirklichung und Integration erreicht hat.

Eine Führungskraft, die sich auf seine Titel bezieht, ist stark auf Positionsmacht angewiesen, um Dinge zu erledigen. Ein natürlicher Leader kann andere ohne formale Autorität mobilisieren. Gary Hamel

Solch ein hochentwickeltes Individuum strahlt Autorität aus, ohne die Muskeln spielen zu lassen. Das unterscheidet uns auch von der Tierwelt, wo Autorität aufgrund physischer Stärke meist noch entscheidend ist. Nun möchte ich nicht behaupten, dass autoritäre Führungskräfte, die übermäßig kräftig auftreten, animalisch sind. Allerdings fehlt bei solchen Persönlichkeiten schon eine gewisse soziale Entwicklung oder soziales Verständnis, das Gespür für das ‚Ganze‘.

Doch gerade diese soziale Kompetenz ist es, die einen Leader ausmacht, der mit Autorität sein Team oder seine Organisation zu Höchstleistungen führt. Das ist der Grund, weil Autorität, unabhängig von der Position, in einer Organisation unentbehrlich ist. Sie gibt Teammitgliedern Halt und Orientierung und öffnet Möglichkeiten zu besseren Ergebnissen. In diversen Studien wird bestätigt, dass Personen Autorität folgen, weil es sie besser macht und nach vorne bringt. Positive Autorität unterstützt unsere Entwicklung. Es ist dann auch nicht weit hergeholt, zu behaupten, dass Autorität, die auf stark entwickelten sozialen Fähigkeiten basiert, also Leadership, eine Organisation und deren Ergebnisse nach vorne bringt.

Demut – Servant Leadership

Es geht nicht nur um dich! Es geht auch und vor allem um die anderen, dein Team, deine Organisation, die Partner, die Ergebnisse. Deine Rolle als Leader ist, zu helfen. Mal ganz abgesehen von den Bestimmungen Autoritär oder Autorität: Leader sind keine besonderen Menschen und sie sind auch nicht wichtiger als jeder andere sonst. Leader haben bestimmte Fähigkeiten, die andere nicht haben und das macht sie wertvoll für Menschen und für Unternehmen.

Als du zum Leader ernannt wurdest, wurde dir keine Krone gegeben. Es wurde dir die Verantwortung gegeben, das Beste aus anderen herauszuholen. Jack Welch

Leader werden auch niemals behaupten, dass sie Manager, Chef oder wichtig sind. Sie sind einfach da, um zu helfen.

Ego

„Die zwei größten Hindernisse für eine gute Entscheidungsfindung sind dein Ego und deine Unwissenheit“, meint Börsenguru Ray Dalio. Seine These wird von einigen Experten, die sich mit diesem Thema beschäftigen, bestätigt. Wenn ein Leader gute, fundierte Entscheidungen treffen muss, dann ist er in der Lage, sein Ego da rauszulassen.

 

Oh ja, wir alle haben ein Ego und das ist auch gut, sonst würden wir gar nicht überleben. Unser Ego schützt uns und hilft uns, uns um uns selbst zu kümmern, wenn nötig. Die Frage ist, wann lassen wir unserem Ego den Vortritt und wann nehmen wir es etwas zurück? Sind wir in der Lage, unser Ego zu kontrollieren? Wir haben ja schon festgestellt, dass autoritäre Persönlichkeiten ihr Ego oft nicht im Griff haben und entsprechend von diesem Ego geführt werden. Das führt zu Situationen, worin sie autoritär, arrogant, hart oder rücksichtslos auftreten, egal ob das angebracht ist oder welche Auswirkung das auf die Umgebung hat.

Bemühe dich nicht, ein erfolgreicher Mensch zu sein, sondern ein wertvoller. Albert Einstein

Mutige Leader haben ihr Ego fest im Griff und machen nicht der Fehler, sich davon führen zu lassen. Sie verstehen, dass Führung ‚Einfluss‘ ist und dass die Qualität dieses Einflusses entscheidend für das Team und die Organisation ist. Leader führen nicht für sich selbst, sondern für ein höheres Wohl. Das ist authentische Führung, dienende Führung oder auf gut Englisch: Servant Leadership.

Servant Leadership ist mehr eine Attitude, eine Haltung als ein Leadership-Stil und unumstritten höchst wertvoll in Organisationen und Teams. Solche Führungskräfte verstehen sich als Diener des Teams und haben als Ziel, die Team-Mitglieder zu Höchstleistungen zu führen.

Als Servant Leader brauchst du allererst die Fähigkeit, dich selbst zu führen. Kennst du dich selbst? Kennst du deine Stärken, Schwächen, Fähigkeiten und Kenntnisse? Kennst du deine Werte, Präferenzen, deinen Persönlichkeitstyp und dein Repräsentationssystem?

Weißt du wohin du gehst, wohin du willst und warum du dahin willst? Bist du zufrieden mit dir selbst? Nur wenn du dich selbst führen kannst, kannst du auch andere mitnehmen.

Servant Leader sind mutig; sie sind keine Ja-Sager, sondern Problemlöser. Sie sind keine Bremser, sondern Förderer. Sie sind keine Kritiker, sondern Kümmerer. Servant Leadership ist eines der besten Beispiele von weichem Management und es ist unnötig zu sagen, dass es eine starke Persönlichkeit braucht, um dies konsequent zu leben.

Key learnings:

 Es gibt einen großen Unterschied zwischen Autorität und Autoritär; Autorität ist ein Persönlichkeitsmerkmal, eine Ausstrahlung. Autoritär bezieht sich auf das Verhalten.

 ‚Servant Leadership’ ist eine Attitude, eine Haltung. Servant Leader führen nicht für sich selbst, sondern sie dienen einem höheren Wohl.

Hierarchie
Flache oder steile Hierarchie?

Braucht eine Organisation eine Hierarchie? Eine Hierarchie ist eine Rangordnung, die aus verschiedenen Ebenen besteht. Höhere Ebenen haben in der Regel mehr Rechte und Befugnisse als niedrigere Ebenen.

Vorteile einer Hierarchie sind, dass es eine klare Aufteilung von Verantwortung gibt, eine klare Kommunikationsstruktur und eine konkrete Arbeitsaufteilung. So weit so gut; eine Hierarchie schafft Klarheit.

Jede Führungskraft weiß, und dies wird von viele Studien und Untersuchungen bestätigt, dass eine Firma oder Organisation funktionierende Strukturen und klare Kommunikationslinien braucht, um Chaos zu vermeiden und den gemeinsamen Fokus in die richtige Richtung zu leiten. Nur, braucht man hierfür unbedingt eine Hierarchie oder reicht vielleicht auch eine klare Rollen- und Aufgabenverteilung?

Nachteile von Hierarchien sind, dass sie Kommunikations- und Entscheidungsprozesse verlangsamen, die Potenzial­entfaltung und damit Entwicklung hemmen. Diese Nachteile hängen direkt zusammen mit der Qualität der Führung in einer Organisation. Das Problem der Hierarchie liegt somit nur zum Teil in den Ebenen; die Herausforderung der Hierarchie liegt vor allem bei der Qualität der Führung und in der Einengung der ‚niedrigeren‘ Ebenen.

Das ursprüngliche militärisch-hierarchische Pyramidenmodell funktioniert heute schlichtweg nicht mehr, jedenfalls nicht in der Wirtschaft. Eine weitere Gefahr liegt darin, dass eine zu starre Hierarchie zu fehlendem Austausch und zu starren Arbeitsabläufen führt. Die Quantität der Arbeit wird bewältigt, während die Qualität stagniert. Im Extremfall kann es auch zu Widerstand, Ablehnung oder Trotzreaktionen gegen die autoritäre Führung kommen. In manchen Strukturen, wie der einer kleinen Firma mit nur wenigen Angestellten oder z. B. einem Start-Up gibt es in der Regel sehr flache Hierarchien. Hier wird man eher eine Holokratie antreffen; einen Führungsansatz, der ohne Hierarchien auskommt. Es gibt ein festes Regelwerk für alle selbstständigen Einheiten. Dieser Struktur gehört zum New Work – darüber später mehr.

In größeren Organisationen, mit mehreren Abteilungen und Führungsebenen, ist eine gewisse Hierarchie sinnvoll und hilfreich, allerdings kommen auch hier deren Vorteile nur zur Geltung, wenn die entscheidenden Führungskräfte auch Leader sind. Die Effektivität einer Hierarchie hängt direkt zusammen mit der Grundkultur des Unternehmens und auch der einer Nation.

Die hierarchischen Strukturen und Kommunikationen in Deutschland sind sehr anders als in den Niederlanden, und in den USA sehr anders als in Japan. In der Industrienation Deutschland wird nach wie vor eine etwas steilere Hierarchie bevorzugt, in den Niederlanden finden hingegen flachere Hierarchien mehr Anklang.

Bekämpfe Hierarchie und Bürokratie so hart wie möglich. Lass sie niemals zum Meister werden; Denke immer daran, sie sind Diener. Herb Kelleher

Sachlich betrachtet ist es besser, dasjenige hierarchische System anzuwenden, das am besten zur Kultur passt. Nur, die Frage ist nicht, wie es bisher am besten funktioniert hat, sondern wie können wir es besser machen und vor allem, wie wird es in der Zukunft am besten funktionieren?

Heute flachen die Hierarchien ab. Im Gegenzug nimmt die Bedeutung von Innovation zu und damit auch die der Individualität und Mündigkeit der Mitarbeiter. Dies kommt nicht nur durch den Switch der Generationen in Unternehmen und Organisationen, sondern auch aus der Beispielwirkung anderer Organisationen und Nationen, wo flachere hierarchische Strukturen als effektiver oder angenehmer empfunden werden. Beispiel dafür sind viele der umsatzstärksten Unternehmen der Welt, wie Facebook, Amazon, Apple und Google, die alle die Vorteile flacher Hierarchien nutzen.

Starre, steile Hierarchien, die mehr mit harter Führung verbunden sind, werden immer weniger effektiv sein, dafür immer mehr destruktiv.

Jene Führungskräfte in Wirtschaftsunternehmen, die überzeugt sind von der Notwendigkeit einer starren Hierarchie, werden an Boden verlieren und die Firmen, in denen sie tätig sind, auch. Die Lösung ist natürlich eine flachere Hierarchie und dafür braucht es weiches Management, bold Leadership, welches versteht, dass Hierarchie reduziert werden muss auf das, was wirklich wichtig ist.

Du oder Sie?

Ganz klar Du!

Es sei denn, du möchtest Distanz zu deinen Mitarbeitern, dann ist Sie natürlich besser. Nur, ich kenne keine guten und effektiven Führungskräfte, die Distanz zu ihren Mitarbeitern und Kollegen haben möchten. Führungskräfte, welche auf dem Sie bestehen, können zwar sehr gute Manager sein, sie haben aber niemals das komplette Team hinter sich stehen. Das Basiskonzept des autoritären Führungsstils geht auf Befehle und Kontrolle zurück. Demzufolge verlaufen die Entscheidungen von oben nach unten und werden ohne Kritik oder Gegenargumente umgesetzt. Das erfordert eine strikte Trennung von Untergebenen und Führungskräften. Und das alles ist wesentlich einfacher für die autoritäre Führungskraft, wenn eine gewisse emotionale und menschliche Distanz zum Mitarbeiter existiert. Und das geht zunächst sehr einfach über Herr X‚ Frau X und natürlich über Sie. Vorname und du wären schon sehr vertraulich und somit natürlich auf keinen Fall gewünscht. Und hier hat die autoritäre Führungskraft recht; du und Vorname sind deutlich weniger distanziert, als Sie und Nachname.

Die Hauptfrage ist; warum würden Führungskräfte Distanz zu deren Mitarbeitern und Kollegen haben wollen? Welchen Nutzen hat das? Bestenfalls hilft es dabei, die eigenen emotionalen oder sozialen Inkompetenzen zu schützen, aber dem Team und der gemeinsamen Kommunikation hilft es nicht. Siezen passt eher in eine steile Hierarchie, wo Distanz zwischen den Ebenen gewollt ist. Auch hier stelle ich mir die Frage; welchen Vorteil bringt eine Distanz zwischen den Ebenen? Distanz zwischen Menschen und Ebenen führt zu Kommunikations-Defiziten; es wird weniger offen, direkt und effektiv miteinander kommuniziert. Vielleicht ist das effizienter, nur hat Effizienz nichts mit Qualität – in diesem Fall mit der Qualität der Kommunikation – zu tun.

Sehr oft habe ich von Sie-Befürwortern das Argument gehört, dass es „viel einfacher sei ‘du Arschloch‘ als ‘Sie Arschloch‘ zu sagen, und das wolle man doch nicht“. Über dieses klischeehafte Argument habe ich mich immer wieder gewundert, denn, warum will man das nicht? Wenn man jemandem nicht direkt die Meinung sagen kann, entweder aus übertriebenem Respekt oder aus Angst, dann macht man das hinter dem Rücken. Und das macht die gemeinsame Arbeit und Kommunikation nicht besser. Selbstverständlich geht es hier nicht konkret um das Wort Arschloch an sich – sicherlich gibt es bessere Worte, um eine gesunde Kommunikation zu führen – es geht um die Offenheit und Qualität der Kommunikation. Stell dir vor: Der Chef trifft eine Fehlentscheidung, demotiviert das Team damit und keiner im Team traut sich etwas zu sagen; welchen Einfluss wird das auf die Qualität der Zusammenarbeit im Team haben? Oder auf das Ergebnis? Stell dir dagegen vor, du kannst ganz offen mit dem Chef darüber kommunizieren, wenn etwas nicht passt und man schafft das Problem direkt aus der Welt; ist das dann nicht eine völlig andere Qualität?

Der beste Weg, sich Respekt zu verdienen, besteht darin, andere mit Respekt zu behandeln. Kalpana Manchikanti

Hier kommen wir direkt zu einem weiteren Mythos in Bezug auf Siezen und Duzen; Respekt. Wie oft habe ich gehört, man möchte nicht duzen, sondern siezen, aus Respekt. Mir ist natürlich bewusst, dass die Du-Hemmschwelle kulturbedingt ist und nicht wirklich mit Respekt zu tun hat. Nur leider sind sich dessen die meisten Sie-Befürworter nicht bewusst und glauben wirklich, dass Sie mit Respekt zusammenhängt. Oder anders gesagt: Es gibt die Angst, dass der Respekt weniger wird, wenn man zum Duzen übergeht. Hier die Auflösung: Respekt bekommt man nicht durch Sie oder Distanz, sondern dadurch, wie man sich verhält, wie man mit anderen umgeht und durch das, was man leistet. Das Du ist somit nicht das Kriterium schlechthin für mehr Respekt, es vereinfacht allerdings die Kommunikation und macht sie damit wesentlich effektiver.

Generell nimmt das Duzen in Unternehmen immer mehr zu und da besonders in Unternehmen mit jüngeren und internationaleren Mitarbeitern. Oft ist das du dann sogar schon selbstverständlich. Der allgemeine Trend geht definitiv zum Duzen und Führungskräfte sind sehr gut beraten, diesem Trend zu folgen, um nicht irgendwann steif, altmodisch und distanziert zu wirken.

Der Wechsel von einer Sie- in eine Du-Kultur kann langsam über Generationen erfolgen. Ich würde definitiv die Variante ‚von heute auf morgen‘ bevorzugen und empfehlen. Es gibt Mitarbeiter, die sich sehr schnell adaptieren und welche, die etwas länger brauchen, um sich an die neue Kommunikation zu gewöhnen, nur – das Ziel ist dann auf jeden Fall klar und die Vorteile werden schnell bemerkbar sein.

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