Churning

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II. Die Abschlussvermittlung

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Mit der Finanzportfolioverwaltung meist einher geht die Abschlussvermittlung im Sinne der § 2 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 WpHG, § 1 Abs. 1a S. 2 Nr. 2 KWG. Danach versteht sich die Abschlussvermittlung als „die Anschaffung oder Veräußerung von Finanzinstrumenten in fremdem Namen für fremde Rechnung (Abschlussvermittlung)“. Von dem Begriff der Abschlussvermittlung sollen sämtliche Fälle der Ausführung von Kundenaufträgen über Finanzinstrumente in offener Stellvertretung im Sinne des § 164 Abs. 1 BGB erfasst und von dem Finanzkommissionsgeschäft im Sinne des § 2 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 WpHG abzugrenzen sein, welches vorliegt, wenn der Vermittler im eigenen Namen für Rechnung des Kunden handelt.[20] Wie soeben gesehen, verwaltet der Finanzportfolioverwalter fremdes Vermögen nicht notwendigerweise aber zumeist aufgrund einer Vollmacht seines Kunden durch das Tätigen von Geschäften auf dessen Rechnung. Der auf dieser Grundlage handelnde Vermögensverwalter erfüllt zudem den Tatbestand der Abschlussvermittlung.[21] Dies hat in praktischer Hinsicht zur Folge, dass das geschäftliche Spektrum für die isolierte Abschlussvermittlung in Deutschland faktisch eher begrenzt ist.[22] Zurückzuführen ist dies darauf, dass die Anforderungen, die ein Unternehmen erfüllen muss, um eine Erlaubnis zum Betreiben der Finanzportfolioverwaltung zu erhalten, höher sind als die Anforderungen zum Betreiben der Abschlussvermittlung.[23] Daraus ergibt sich, dass der erlaubterweise die Finanzportfolioverwaltung Betreibende zugleich die Abschlussvermittlung durchführen darf, wenngleich er für diese keine separate Erlaubnis hat; umgekehrt ist dies aufgrund der fehlenden erhöhten Erlaubnisanforderung für die Vermögensverwaltung selbstredend nicht möglich.[24]

Teil 1 Der kapitalmarkt- und börsenrechtliche Hintergrund › D. Die zentralen Finanzdienstleistungen des WpHG › III. Die Anlageberatung

III. Die Anlageberatung

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Die Anlageberatung wird in § 2 Abs. 3 S. 1 Nr. 9 WpHG und § 1 Abs. 1a S. 2 Nr. 1a KWG als „die Abgabe von persönlichen Empfehlungen an Kunden oder deren Vertreter, die sich auf Geschäfte mit bestimmten Finanzinstrumenten beziehen, sofern die Empfehlung auf eine Prüfung der persönlichen Umstände des Anlegers gestützt oder als für ihn geeignet dargestellt wird und nicht ausschließlich über Informationsverbreitungskanäle oder für die Öffentlichkeit bekannt gegeben wird (Anlageberatung)“ definiert. Um die Anbieter der erforderlichen Aufsicht zu unterwerfen, muss, wer gewerbsmäßig oder in einem Umfang, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, die Anlageberatung betreiben will, seit dem 1.11.2007 vor Aufnahme der Tätigkeit eine Zulassung nach § 32 Abs. 1 KWG seitens der Bundesanstalt einholen.[25] Bei dem Anlageberatungsvertrag handelt es sich regelmäßig um einen Dienstvertrag mit Geschäftsbesorgungscharakter im Sinne der §§ 611, 675 BGB, aus dem sich die Pflicht zur anleger- und objektgerechten Beratung ergibt.[26] Die Kundenempfehlung ist dabei zu verstehen als ein Raten zu einer bestimmten Handlung als im Anlegerinteresse liegend.[27] Keine persönliche Empfehlung liegt bei bloßer Informationsweitergabe vor, das heißt, wenn der Anlageberater dem Kunden lediglich Erläuterungen über dessen in Finanzinstrumenten angelegtes Vermögen gibt, ohne gezielte Vorschläge zur Änderung der Zusammensetzung dieses Vermögens zu unterbreiten.[28] Persönlich ist die Empfehlung nur, wenn sie entweder auf einer Prüfung der persönlichen Umstände des Anlegers gestützt sind oder zumindest als für ihn geeignet dargestellt werden.[29] Der Anlageberater tritt dem Anleger nicht als Vertreter eines bestimmten Produktgebers gegenüber, sondern ermöglicht dem Kunden die Auswahl unter Produkten vieler verschiedener Anbieter.[30] Bei der Anlageberatung verbleibt die Dispositionsbefugnis über das eigene Vermögen allein beim Anleger, der nach der Beratung seine Entscheidung trifft, die der Berater dann ausführt.[31] Der Anlageberater ist zur umfassenden Information und zur Nachforschung sowie zur schriftlichen Aufklärung verpflichtet.[32] Die Informationspflicht begründet für den Berater die Pflicht, dem Anleger alle Informationen zuzutragen, die für dessen Anlageentscheidung von Bedeutung sind oder sein können.[33] Um der Recherchepflicht oder auch Informationsbeschaffungspflicht zu entsprechen, muss der Berater die Anlageziele, Erfahrungen, Kenntnisse und finanziellen Verhältnisse seines Kunden ermitteln („Know Your Customer“), aber auch das zu empfehlende Produkt kennen („Know Your Merchandise“).[34]

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Nach § 31d Abs. 1 Nr. 2 WpHG darf das Wertpapierunternehmen in Zusammenhang mit der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen, zu denen nach § 2 Abs. 3 Nr. 9 WpHG auch die Anlageberatung gehört, keine Zuwendungen von Dritten annehmen, es sei denn, Existenz, Art und Umfang der Zuwendung oder soweit sich der Umfang noch nicht bestimmen lässt, die Art und Weise seiner Berechnung, wird dem Kunden vor der Erbringung der Wertpapierdienstleistung oder Wertpapiernebendienstleistung in umfassender, zutreffender und verständlicher Weise deutlich offen gelegt.

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Um den Anlageberater als tauglichen „Churning-Täter“ qualifizieren zu können, muss auch dieser das Depotkonto des Anlegers beherrschen. Wurde dem Anlageberater vom Anleger eine Kontovollmacht zur Ausführung der freigegebenen An- oder Verläufe erteilt, ist davon auszugehen, dass er das Konto kontrolliert. Ebenfalls muss eine faktische Kontokontrolle des Anlageberaters bejaht werden, wenn dieser eigenmächtig in dem Konto handelt oder nach Widerruf der Handlungsvollmacht weiterhandelt.[35] Spricht der Anlageberater hingegen jedes einzelne Geschäft mit dem Anleger ab, kommt eine faktische Beherrschung nur in Betracht, wenn der Kunde kognitiv nicht in der Lage ist, Empfehlungen des Anlageberaters kritisch zu beurteilen und bei deren Ungeeignetheit zurückzuweisen.[36] Das Depotkonto kann demnach zum Beispiel faktisch beherrscht werden bei fehlender Börsenerfahrung, mangelnder Zeit zur Beobachtung des Depots, besonderem Vertrauen in den Anlageberater und dem dadurch bedingten blinden und unüberlegten Tätigen der Geschäfte.[37] Nur in diesen Fällen ist es im Hinblick auf die Phänomenologie des Churning unschädlich, dass der Anlageberater jede Kontobewegung vorab mit dem Anleger abspricht.

Teil 1 Der kapitalmarkt- und börsenrechtliche Hintergrund › D. Die zentralen Finanzdienstleistungen des WpHG › IV. Die Anlagevermittlung

IV. Die Anlagevermittlung

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§ 2 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 WpHG und § 1 Abs. 1a S. 2 Nr. 1 KWG definieren die Anlagevermittlung als „die Vermittlung von Geschäften über die Anschaffung und die Veräußerung von Finanzinstrumenten (Anlagevermittlung)“. Konnte unter Zugrundelegung der Richtlinie 2004/39/EG[38] des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.4.2004 im Anhang I Abschnitt A Nr. 1 der Begriff der Vermittlung hauptsächlich als eine Art Weiterleitungstätigkeit in Form von Annahme und Übermittlung von Aufträgen verstanden werden, stellt die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht klar, dass von der Vermittlung ebenfalls die Zusammenführung von zwei Parteien zum Zwecke des Geschäftsabschlusses umfasst ist.[39] Das heißt, dass von Anlagevermittlung nur die Rede sein kann, wenn der, dessen Tätigkeit zu beurteilen ist, mit beiden Parteien des beabsichtigten Geschäfts in Verbindung tritt und zum Vertragsschluss beiträgt oder eben zwei Parteien zu dem zukünftigen Geschäft zusammenführt.[40] Dabei beschränkt sich das Tätigkeitsfeld des Anlagevermittlers auf den Vertrieb einer oder einer sehr begrenzten Anzahl von Kapitalanlagen.[41] Die Akquise funktioniert in zwei denkbaren Richtungen. Zum einen kann die Initiative vom Vermittler ausgehen, einem Anleger ein bestimmtes Produkt zu empfehlen oder der Anlageinteressent tritt an den Anlagevermittler mit dem Ziel heran, nähere Informationen über ein bestimmtes Produkt zu erhalten.[42] Der im Vordergrund stehende, werbende und anpreisende Charakter der Tätigkeit steht nicht der Pflicht entgegen festzustellen, ob die Anlageziele des Interessenten in Bezug auf Risiko und Rendite mit dem von ihm angebotenen Produkt korrespondieren.[43] Der Anlagevermittler hat den Anleger unter Berücksichtigung seiner Geschäftserfahrung und des Kenntnisstandes sowie der Komplexität des angebotenen Produktes, mit allen notwendigen Informationen in die Lage zu versetzen, die Risiken der Kapitalanlage zu erkennen.[44] Zur Abgrenzung der Anlagevermittlung von der Abschlussvermittlung gilt, dass der Anlagevermittler als Bote die Willenserklärung seines Kunden an den Veräußerer respektive den Erwerber der Finanzinstrumente übermittelt, wohingegen der Abschlussvermittler eine eigene Willenserklärung als Vertreter seines Kunden abgibt, weshalb ein zeitgleiches Vorliegen der beiden Dienstleistungen ausgeschlossen ist.[45] Als Faustformel gilt, dass wenn sich die Tätigkeit auf die Vermittlung von Anlagen beschränkt, es sich um Anlagevermittlung handelt; verfügt der Dienstleister aber zudem über eine entsprechende Abschlussvollmacht, handelt es sich um ein Fall der Abschlussvermittlung.[46]

Teil 1 Der kapitalmarkt- und börsenrechtliche Hintergrund › D. Die zentralen Finanzdienstleistungen des WpHG › V. Zusammenfassung

 

V. Zusammenfassung

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Nach alledem kann festgehalten werden, dass vor allem Finanzportfolioverwalter, Abschluss- und Anlagevermittler sowie Anlageberater Positionen bekleiden, die sie zumindest in die Lage versetzen, Anleger potentiell mittels Churning schädigen zu können.

Anmerkungen

[1]

BVerwG ZIP 2005, S. 385 (390); Assmann/Schütze-Schäfer § 23 Rn. 6 f.

[2]

KMRK-Kumpan § 2 WpHG Rn. 81.

[3]

Assmann/Schneider-Assmann § 2 Rn. 102b.

[4]

OLG Düsseldorf Urt. v. 30.9.2009 I-6 U 63/08; LG Düsseldorf Urt. v. 14.7.2010 16 O 81/08.

[5]

KMRK-Kumpan § 2 WpHG Rn. 80.

[6]

Assmann/Schneider-Assmann § 2 Rn. 103; Assmann/Schütze-Schäfer § 23 Rn. 1; Mölter wistra 2010, S. 53 (54).

[7]

Merkblatt der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht – Hinweise zum Tatbestand der Finanzportfolioverwaltung, Stand: Januar 2011, Gliederungspunkt 1 d).

[8]

Mölter wistra 2010, 53 (54); Schwintowski/Schäfer-Schäfer § 19 Rn. 28 f.; Assmann/Schütze-Schäfer § 23 Rn. 22; hält sich der Vermögensverwalter nicht an die vereinbarten Anlagestrategien, ist er zum Ersatz des dadurch entstandenen Schaden verpflichtet, vgl. BGH WM 2002, 1336; OLG Hamm Urt. v. 2.2.2012 34 U 122/10, I-34 U 122/10 und LG Itzehoe Urt. v. 26.4.2012 7 O 262/09.

[9]

Assmann/Schütze-Schäfer § 23 Rn. 22.

[10]

Siehe dazu nur Kümpel/Wittig-Seyfried Rn. 3.147, Balzer ZBB 2007, 333 (338 ff.).

[11]

Assmann/Schütze-Schäfer § 23 Rn. 6; Schimansky/Bunte/Lwowski-Kienle § 111 Rn. 1; Assmann/Schneider-Assmann § 2 Rn. 104.

[12]

Birnbaum wistra 1991, 253 (256).

[13]

Für die herausragende Bedeutung dieser Abgrenzung in Bezug auf die daraus resultierenden Pflichten sich in der Anmerkung zu BGH NJW 2001, 962 aussprechend Balzer ZIP 2001, 232.

[14]

Vgl. OLG München WM 1994, 1424 (1425); Schimansky/Bunte/Lwowski-Klanten § 72 Rn. 4.

[15]

Assmann/Schütze-Schäfer § 23 Rn. 14.

[16]

Assmann/Schütze-Schäfer § 23 Rn. 9.

[17]

Benicke S. 52 f.

[18]

Assmann/Schütze-Schäfer § 23 Rn. 11.

[19]

Balzer S. 42 ff.; Benicke S. 176 ff., 192 ff.; Hopt in: FS R. Fischer, S. 237 (239 f.); Sethe S. 99 f.; Roll S. 48 ff.

[20]

Merkblatt der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht – Hinweise zum Tatbestand der Abschlussvermittlung, Stand: Dezember 2009, Gliederungspunkt 2 b); Assmann/Schneider-Assmann § 2 Rn. 78; Schimansky/Bunte/Lwowski-Fischer § 127 Rn. 19, 34.

[21]

Merkblatt der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht – Hinweise zum Tatbestand der Abschlussvermittlung, Stand: Dezember 2009, Gliederungspunkt 2 c).

[22]

Assmann/Schneider-Assmann § 2 Rn. 79; Assmann/Schütze-Roth § 10 Rn. 42; Fuchs-Fuchs § 2 Rn. 88; Merkblatt der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht – Hinweise zum Tatbestand der Abschlussvermittlung, Stand: Dezember 2009, Gliederungspunkt 2 c).

[23]

Merkblatt der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht – Hinweise zum Tatbestand der Abschlussvermittlung, Stand: Dezember 2009, Gliederungspunkt 2 c).

[24]

Merkblatt der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht – Hinweise zum Tatbestand der Abschlussvermittlung, Stand: Dezember 2009, Gliederungspunkt 2 c).

[25]

Balzer ZBB 2007, 333 (334).

[26]

Assmann/Schütze-v. Heymann/Edelmann § 4 Rn. 7; grds. dazu BGHZ 123, 126.

[27]

KMRK-Kumpan § 2 WpHG Rn. 94 m.w.N.

[28]

Gemeinsames Informationsblatt der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht und der Deutschen Bundesbank zum Tatbestand der Anlageberatung, Stand: Mai 2011; Gliederungspunkt 2.

[29]

Gemeinsames Informationsblatt der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht und der Deutschen Bundesbank zum Tatbestand der Anlageberatung, Stand: Mai 2011; Gliederungspunkt 4; Assmann/Schneider-Assmann § 2 Rn. 115.

[30]

Bultmann/Hoepner/Lischke-Bultmann Rn. 430.

[31]

Mölter wistra 2010, 53 (54).

[32]

Mölter wistra 2010, 53 (54).

[33]

Schwintowski/Schäfer-Schäfer § 19 Rn. 28 f.

[34]

Mölter wistra 2010, 53 (54).

[35]

Rössner/Arendts WM 1996, 1517 (1523).

[36]

Rössner/Arendts WM 1996, 1517 (1523) m.w.N.

[37]

Aufgeführt bei Rössner/Arendts WM 1996, 1517 (1523).

[38]

ABl. L 145 vom 30.4.2004, S. 41.

[39]

Merkblatt der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht – Hinweise zum Tatbestand der Anlagevermittlung, Stand: Mai 2011, Gliederungspunkt 1 a).

[40]

Assmann/Schneider-Assmann § 2 Rn. 81 m.w.N.

[41]

In Abgrenzung zur Anlageberatung Schimansky/Bunte/Lwowski-Siol § 45 Rn. 2 ff.

[42]

Bultmann/Hoepner/Lischke-Bultmann Rn. 432.

[43]

Mölter wistra 2010, 53 (53 f.); Bultmann/Hoepner/Lischke-Bultmann Rn. 432, 467.

[44]

BGH NJW 2004, 1868; Bultmann/Hoepner/Lischke-Bultmann Rn. 468.

[45]

Merkblatt der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht – Hinweise zum Tatbestand der Abschlussvermittlung, Stand: Dezember 2009, Gliederungspunkt 2 a).

[46]

Fuchs-Fuchs § 2 Rn. 87.

Teil 2 Das Phänomen Churning

Teil 2 Das Phänomen Churning

Inhaltsverzeichnis

A. Das Phänomen

B. Mit Churning potentiell einhergehende Verhaltensweisen

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Aufbauend auf den eingangs kurz dargestellten Begriff des Churning soll nun das Phänomen anhand eines gängigen Geschäftsmodells (A. [Rn. 48 ff.]) und daran anschließend überblickartig potentiell damit einhergehende Verhaltensweisen (B. [Rn. 50 ff.]) dargestellt werden.

Teil 2 Das Phänomen Churning › A. Das Phänomen

A. Das Phänomen

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Ein häufig anzutreffendes Geschäftsmodell im Zusammenhang mit dem Phänomen Churning besteht darin, hohe eigene Gewinne zu erzielen, indem möglichst viele, für den Anleger aufgrund überhöhter Gebühren und Aufschläge chancenlose Anlagegeschäfte getätigt werden. Primäres Ziel ist es dabei, uninformierte und leichtgläubige Anleger unter Ausnutzung ihres Gewinnstrebens und Leichtsinns als Geschäftspartner zu gewinnen und sich zu deren Nachteil zu bereichern.[1] Klassischerweise kooperieren zu diesem Zwecke dem deutschen Aufsichtsrecht unterliegende Finanzdienstleister mit ausländischen, meist britischen[2] oder amerikanischen[3] Brokerfirmen. Diese ermöglichen den deutschen Finanzdienstleistern den Zugang zur Londoner oder amerikanischen Börse, den diese mangels einer dortigen Zulassung sonst nicht hätten und partizipieren im Gegenzug an deren wirtschaftlichen Erfolg. Da ein Warenterminhandel auch in Deutschland stattfindet, wäre diese Konstellation aber auch unter Beteiligung eines Deutschen Brokers denkbar, der dem an der jeweiligen deutschen Warenterminbörse nicht zugelassenen Dienstleister den Zugang ermöglichen würde. Es ist zwar Usus, aber keinesfalls Notwendigkeit, dass das Depotkonto des Anlegers durch die Brokerfirma eröffnet wird. Ebenso kann das Anlagekonto bei einem deutschen unbeteiligten dritten Kreditinstitut eröffnet werden und die Zahlungsverpflichtungen des Anlegers im Einzugsermächtigungsverfahren vollzogen werden. Der Anleger überweist im ersteren Fall von seinem in Deutschland geführten Konto auf das ebenfalls in Deutschland oder im Ausland geführte Einzelkonto des Brokers das zu Anlagezwecken bestimmte Kapital. Der Dienstleister gibt die Kauf- oder Verkaufsorder seines Kunden sowie seine eigenen anfallenden Provisionen und Gebühren in das Online-System des Brokers ein, wo sie vollautomatisch bearbeitet und verbucht werden.[4] Die in Auftrag gegebenen Geschäfte werden dann vollautomatisiert vom Depotkonto des Anlegers abgewickelt und das Kundenkonto wird wiederum vollautomatisch mit einer Broker-Kommission in einer zwischen ihm und dem Dienstleister ausgehandelten Höhe belastet. Das System schreibt die Nettokommissionen für alle Transaktionen dem Konto des Dienstleisters als Vergütung gut, soweit diese einen gewissen Betrag übersteigen. Selbst für den Fall, dass ein Geschäft vor Abzug aller Gebühren – also in gewisser Weise „brutto“ – einen Gewinn abwirft, machen die mit dem einzelnen Kontrakt verbundenen Provisionen, Gebühren und Gewinnbeteiligungen – „netto“ – für die Gesamtinvestition jede Chance eines positiven Ergebnisses äußerst unwahrscheinlich und lassen den weiteren Verlust der eingesetzten Mittel so gut wie sicher erscheinen.[5] Wird das Anlagekonto durch die berechneten Kommissionen in Gänze ausgeschöpft, spricht man von „leertraden“[6] des Kontos.

 

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In der Praxis ist Churning bei Direktkontrakten wesentlich häufiger anzutreffen als bei Optionen, weil hier zum Beispiel eine sogenannte Round-Turn-Commission[7] anfällt, die der Anleger im Gegensatz zum Einschuss[8] erst bei Glattstellung bezahlen muss.[9] Der Betrag dieser Round-Turn-Commission reicht von weniger als 1 % bis 7 % des Kontraktwertes.[10] Bei dieser Art der umsatzabhängigen Vergütung ist der Gedanke nicht von der Hand zu weisen, dass sich der Vermittler bei Direktkontrakten zumindest dazu verleitet fühlen könnte, durch mehrfaches „Ein- und Aussteigen“ – nur auf den ersten Blick in vertretbarer Weise – seine Gebühren zu erwirtschaften und beliebig in die Höhe zu treiben.[11] Nichtsdestotrotz findet Churning aber sowohl bei Futures und Optionen sowie Optionsscheingeschäften statt.

Anmerkungen

[1]

BGHZ 184, 365 (373); BGH WM 2010, 2214.

[2]

Siehe beispielhaft BGH NJW-RR 2011, 551; ZIP 2010, 2004; 2010, 1998; WM 2010, 1590.

[3]

Siehe beispielhaft BGHZ 184, 365; BGH NJW 2004, 3423 = ZIP 2004, 1699 = WM 2004, 1768; NJW 1994, 512; NJW-RR 2011, 844; 2011, 548; 2005, 558.

[4]

BGH WM 2010, 749; WM 2011, 735.

[5]

BGH NJW-RR 2011, 551 (553).

[6]

Schimmelpfeng-Marktforschungs-Institut (Hrsg.), S. 71.

[7]

Bröker S. 80; Schimmelpfeng-Marktforschungs-Institut (Hrsg.), S. 70.

[8]

Bröker S. 81.

[9]

Anstelle einer Round-Turn-Commission kann auch jeweils für Kauf und Verkauf eine Half-Turn-Commission berechnet werden.

[10]

Bröker S. 80; Wach Rn. 464.

[11]

Vgl. Schmidt Kriminalistik 1981, 18 (21); Koch JZ 1980, 704 (708).