Tödliches Verlangen

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Alexanders Hand streicht behutsam über meinen Kopf und hält mich in seinen Armen, bis ich mich von Noahs groben Worten erholt habe. Erst als ich mich von ihm löse, sieht er mich besorgt an. In seinem Gesicht lese ich deutlich, dass ihm viele Fragen auf der Zunge brennen, auf die er gerne Antworten hätte, aber sich eisern zurückhält.

Er führt mich zu meinem Bett, woraufhin ich mich völlig ermattet darauf lege. Zu meinem Erstaunen setzt sich Alexander nicht auf einen Stuhl, sondern streckt sich hinter mir aus und hält mich ganz fest an sich gedrückt, mit seiner Brust an meinem Rücken. Eigentlich sollte mir das nach all den wüsten Vorfällen nicht gefallen, doch das Gegenteil ist der Fall. In diesem Moment kann ich mir nichts Tröstenderes vorstellen, als genauso hier zu liegen. Seinen warmen Körper ganz nah an meinem wahr zu nehmen.

Einige Zeit bleiben wir in dieser Position. Ich geniesse seine starke Umarmung, so wie sein Atem, der leicht meinen Hals liebkost. Ich wage es nicht, mich zu bewegen, denn ich befürchte, dass diese Geborgenheit in sich zusammenfällt, sobald ich nur meine Hand etwas nach oben hebe. Still bleibe ich zusammengerollt an ihn gekuschelt liegen und höre seinem Atem zu, der ganz gleichmässig zu sein scheint.

„Wer war das?“

Ich habe mich schon davor gefürchtet, aber mir war schon von Anfang klar, dass dieses Gespräch unausweichlich sein wird. Obwohl es mir gleichgültig sein könnte, was Alexander von mir und all dem was hier passiert ist, denkt, möchte ich ihn nicht zurückweisen.

„Noah.“

„Dein Ex?“

Mein Herz krampft sich zusammen. „J...ja.“

„Was hat er dir angetan?“

Warum muss er mich diese Frage stellen? Ich kann und will ihm nicht die Wahrheit erzählen. Ich brauche Zeit, um mich all dem zu stellen, was mir widerfahren ist. Ausserdem befällt mich eine Angst, dass sich Alexander von mir zurückzieht, wenn er das tragische Ereignis zwischen mir und Noah, in seiner ganzen Tragweite erfährt.

„Nichts.“ flüstere ich kaum hörbar.

„Warum willst du es mir nicht sagen?“ Alexander dreht mich vorsichtig auf meinen Rücken und sieht mich mit einem finsteren Blick an, den ich noch nie an ihm gesehen habe. Was denkt er nur von mir? Ich möchte mich aus diesem Gespräch davonstehlen, aber Alexander hält mich eisern fest. Sein Körper drückt halb auf meinen Brustkorb, während er mich eingehend mustert. Dabei machen sich meine gebrochenen Rippen schlagartig bemerkbar und der Schmerz breitet sich in Windeseile in meinem ganzen Körper aus.

„Bitte lass mich los. Meine Rippen...“ hauch ich.

Völlig verschreckt lässt Alexander mich los und springt auf. „Es tut mir Leid, Zoe. Habe ich dir wehgetan? Das wollte ich nicht. Ehrenwort.“ Er starrt mich an, als hätte er mich soeben geschlagen. Er ist so fürsorglich und lieb. Er hat es nicht verdient, dass ich ihn so belüge, wie bisher, aber auch wenn ich ihm alles erzählen möchte, kann ich es einfach nicht. Langsam erhebe ich mich und setzte mich ebenfalls hin. All die aufgestauten Gefühle stürzen auf mich ein und schwirren wie ein Schwarm Bienen wild in meinem Kopf herum. Ich brauche unbedingt einen Moment, um mich wieder zu sammeln und flüchte ins Bad.

„Zoe?“

„Gib mir einen Augenblick, bitte.“ Ich kann ihn nicht ansehen, denn er soll meine Tränen nicht sehen. Kaum ist die Tür hinter mir verschlossen, sinke ich an der Wand hinunter auf den Boden und lasse meinen zurückgedrängten Tränen freien Lauf. Mein Körper wird ständig von meinen tiefen Schluchzern, die nicht enden wollen, durchzuckt.

Keine Ahnung, wie lange ich schon auf diesem kahlen Boden sitze, aber ich bekomme allmählich kalt.

Zum wiederholten Mal frage ich mich, ob sich Alexander noch in meinem Zimmer aufhält oder ob er bereits weggegangen ist. Es würde mich nicht verwundern, wenn er schon längstens verschwunden wäre. Jedes Mal wenn wir uns begegnen, breche ich in Tränen aus. Was sollte er schon von einer solchen Heulsuse wie mir halten? Geschieht mir recht oder? Frage ich mein Spiegelbild, sobald ich es erblicke. Meine Augen sind total gerötet, vom vielen Weinen, sowie meine Nasenspitze. Ich nehme ein Taschentuch und putze mir meine Nase. Danach wasche ich mein Gesicht und kämme kurz meine Haaren durch, die sich vollends aus dem Pferdeschwanz gelöst haben. Für wen mache ich mich überhaupt zurecht? Mein Zimmer ist bestimmt verlassen, denn es herrscht absolute Stille darin.

Leise drücke ich die Tür auf und gehe vorsichtig hinaus. Da steht er. Am Ende von meinem Bett steht er. In seiner Hand hält er eine grosse Sonnenblume.

„Ich wusste nicht, welche Blumen du magst, da habe ich mich für meine Lieblingsblume entschieden.“

Ich mache meinen Mund auf, doch es dringt kein Laut heraus. So überrascht darüber, dass er noch hier ist und mir eine Blume schenken möchte, bleiben die Worte in meiner Kehle stecken.

„Sie ist wunderschön.“ bringe ich schliesslich heraus.

„So wie du.“

Es stiehlt sich doch tatsächlich ein Lächeln auf mein Gesicht, obwohl ich noch vor kurzem geglaubt habe, dies nicht mehr tun zu können. Mein Blut steigt langsam in meinen Kopf und meine Wangen fangen an zu glühen. Verlegen schaue ich zu Boden.

Alexander kommt zu mir und legt seinen Daumen und Zeigefinger an mein Kinn und dreht mein Gesicht so, damit er mich ansehen kann.

„Ich hätte dich nicht so bedrängen sollen, aber ich dachte, dass du vielleicht reden möchtest. Ich kann es verstehen, wenn du es für dich behalten möchtest. Nur habe ich mir schreckliche Sorgen um dich gemacht. Ich sehe dir doch an, wie schlecht es dir geht, aber ich werde dich nicht mehr unter Druck setzten. Wenn du dich mir anvertrauen möchtest, kommt es aus deinem eigenen Impuls heraus.“

Seine herzliche Art lässt mein Herz wild gegen die Brust schlagen. Erstaunt sehe ich ihn an. Warum bin ich ihm nicht schon früher begegnet? Warum musste zuerst dieser Unfall geschehen, bevor ich diesen Mann kennenlernen durfte? Ist das wirklich mein Schicksal? Ich kann nicht anders und falle ihm um den Hals. Er schliesst mich in seine starke Arme und hält mich etliche Minuten so fest.

Seine Hand gleitet durch meine Haare und rückt etwas von mir ab, um mir wieder ins Gesicht sehen zu können.

„Du hast so wunderbar, feines Haar. Du bist wunderschön, Zoe.“

Seine Worte schmeicheln mir zutiefst. Noch bevor ich etwas erwidern kann, sind seine weichen Lippen auf den Meinen. Er schmeckt wunderbar und fühlt sich grossartig an. Erst zögernd und scheu, dann immer fordernder küssen wir uns, als könnten wir sonst etwas verlieren. Seine Zunge kitzelt meine Lippen, bis ich sie ein wenig öffne. Sanft drängt er in meinen Mund und umspielt gekonnt meine Zunge. Ein warmer Schauer durchrieselt meinen Körper. Solche Gefühle habe ich schon seit einer geraumen Zeit nicht mehr empfunden. Eigentlich kann ich mich nicht daran erinnern, schon einmal so gefühlt zu haben, denn dieser Mann bringt mich auf eine angenehme Art noch um den Verstand.

Seine Berührungen auf meinem Rücken, wie er mit seinen Händen langsam nach oben und unten streicht, lösen ein sonderbares Kribbeln in mir aus. Er ist so rücksichtsvoll und fürsorglich, dass mich seine Liebkosungen total verwirren.

Alexander drückt mich behutsam nach hinten, bis ich die Bettkante in meiner Kniekehle spüre, ohne den Kuss zu unterbrechen. Wir gleiten auf das Krankenhausbett, worauf er achtet, dass er nicht auf mich zu liegen kommt. Meine Verletzungen hätten ganz bestimmt gleich angefangen zu protestieren und er, sowie ich wollen auf keinen Fall, dass diese intime Nähe aufhört.

In meiner Magengrube regt sich ein seltsames, brennendes Gefühl, das sich weiter nach unten ausbreitet, während seine Hände vorsichtig einen Weg unter mein T-Shirt bahnen und zögernd nach oben gleiten. Ich wünsche mir, dass er mich überall anfasst und mit mir das anstellt, was wir hier in diesem Zimmer nicht tun sollten. Niemals tun sollten. Noch nie hatte ich solche Sehnsucht nach einem Mann, wie nach diesem atemberaubendem Schönling, der hier neben mir liegt und mich berührt. Noch nie habe ich mich so sehr danach verzerrt, einen Mann ganz in mich aufzunehmen. Ein mir unbekannter, wohliger Seufzer dringt aus meiner Kehle, als er mit seinen Fingerspitzen meine Brustknospen kitzelt, die sich sogleich aufrichten, als er mit ihnen zu spielen beginnt.

Plötzlich hört er auf, mich zu liebkosen. Sein Mund entfernt sich von meinem und seine Finger bleiben ganz ruhig liegen. Verwirrt und etwas verlegen öffne ich meine Augen. Sein Blick senkt sich sogleich in den meinen und wir sehen uns stumm an. Niemand von uns wagt etwas zu sagen, bis sich einer von uns wieder gefasst hat.

„Ich würde dich am liebsten hier und jetzt vernaschen. Aber ich habe Angst, dass ich dir wehtun würde, wenn ich die Kontrolle über mich verliere.“

„Du tust mir bestimmt nicht weh.“

Es scheint mir, als hätte er meine Worte gar nicht gehört. Unbeirrt fährt er fort. „Ausserdem sind wir hier in einem Krankenhaus. Uns könnte jederzeit jemand erwischen.“ Ein Lächeln umspielt seinen ausgesprochen süssen Mund. „Und ich möchte dich ganz für mich alleine. Unser erstes Mal soll etwas besonderes werden. Ich möchte dich nach Strich und Faden verwöhnen und dich mit all meinem Können beglücken.“

Alexander wirft mich einfach um. Ich kann nicht anders und laufe, wie eine reife Tomate, rot an. Hat er das jetzt wirklich offen und ehrlich gemeint? Er will mich? Aber was ist mit dieser anderen Frau? Seiner angeblichen Managerin? Darüber hinaus möchte ich doch nur einen kurzen Flirt. Ich brauche keine Beziehung. Nie mehr. Traurig über diese Erkenntnis drehe ich mich von ihm weg. Ich möchte nicht, dass er diesen verstörten Ausdruck in meinem Gesicht sehen kann und allenfalls falsch deutet.

 

„Habe ich etwas Falsches gesagt?“ erklingt seine sanfte Stimme neben meinem Ohr.

„Nein.“

„Aber warum wendest du dich von mir ab?“

„Was machen wir hier?“

„Das was zwei erwachsene Menschen manchmal so tun.“

„Aber.“ Ich zögere kurz, ehe ich weiterspreche. „Ich weiss doch überhaupt nichts von dir.“

„Wir haben noch alle Zeit der Welt, um uns kennenzulernen.“

„Nur denke ich, dass ich dir nicht das bieten kann, was du dir wünschst.“

„Woher willst du das wissen?“

Ich zucke nur mit meinen Schultern. Unfähig etwas darauf zu erwidern.

„Er muss dir schrecklich wehgetan haben.“

Sofort drehe ich ihm mein Gesicht zu und schaue ihm direkt in die Augen. Was weiss er denn schon?

„Was auch immer er dir angetan hat, ich bin nicht so einer wie er.“ Er streicht mir sanft über die Wange und wischt eine Träne weg, die sich aus meinen Augenwinkel gelöst hat. Sein durchbohrender Blick haftet sich auf mein Gesicht.

„Was willst du von mir?“

„Ich will dich besser kennenlernen.“

„Warum?“

„Du faszinierst mich, seit ich dich das erste Mal gesehen habe.“

„Das kann nicht sein. Ich bin ein Häufchen Elend. Schau mich an.“

„Man braucht nicht immer eine deutliche Erklärung. Vor allem nicht, wenn es um Gefühle geht. Du machst vielleicht eine schwere Zeit durch, aber ich kann dir ansehen, dass du eine sehr starke Frau bist und diese Hürde überwinden wirst.“

„Ich kann dir nicht geben, was du dir wünschst.“ wiederhole ich abermals.

„Woher willst du das wissen?“

„Ich....“ Ich kann keine Einwände mehr hervorbringen. Doch wo führt das mit uns nur hin?

„Darf ich dich küssen?“

Ich muss einfach über ihn schmunzeln. Auch wenn ich noch vor Sekunden hätte weinen können, sind meine schlimmsten Ängste wie weggeblasen.

„Ja.“

Sein Gesicht nähert sich mir, wobei er seine Augen nicht von den meinen abwendet und sich sein Blick in mich bohrt. Wir küssen uns zuerst scheu und mit einer gewissen Unsicherheit, bis wir uns unseren Gefühlen heisshungrig hingeben.

Doch dieser Moment hält nicht lange an, da uns ein energisches Klopfen in die Wirklichkeit zurückbringt. Alexander richtet sich abrupt auf und streicht seine Kleider wieder in einen makellosen Zustand. Er sieht nochmals kurz zu mir hinab, um sich zu vergewissern, dass bei mir alles in Ordnung ist.

„Herein.“

Natürlich ist es wieder einer dieser Leibwächter. Eine Krankenschwester oder Arzt wäre schon längstens eingetreten. Wenn ich mich richtig entsinne, ist der Name von diesem Bodyguard Kuhn. Aber warum diese Männer nicht von Alexanders Seite weichen, weiss ich immer noch nicht.

„Was gibts?“

„Herr Drenk. Es ist bereits fünf Uhr. Wir müssen um sechs bei ihrem Termin sein. Vorher müssen wir noch bei Frau Fehrlin vorbei. Sie erwartet uns bestimmt schon.“

„Gut. Ich komme in fünf Minuten.“

Die Tür wird von aussen zugezogen und Alexander dreht sich wieder zu mir um.

„Wer bist du?“

„Alexander Drenk.“ Er schenkt mir ein Lächeln, womit seine ebenmässigen weissen Zähne zum Vorschein kommen.

„Jetzt bin ich genauso schlau, wie vor ein paar Minuten.“

„Wir haben alle Zeit der Welt, um uns kennenzulernen und um alles von einander zu erfahren. Aber leider rufen die Geschäfte. Auch wenn ich viel lieber hier bei dir bleiben würde, muss ich jetzt los.“

„Zu dieser Frau Fehrlin? Die Frau im Rollstuhl?“

„Ja.“

„Wer ist sie?“

Er hebt eine Braue in die Höhe und sieht mich fragend an. „Das habe ich dir doch schon gesagt? Sie ist meine Managerin.“

„Und....?“

„Nichts und? Du brauchst dich nicht zu beunruhigen. Sie ist meine beste Freundin und meine Managerin, die ihren Job hervorragend macht.“

„Warum ist sie hier?“

„Sie hatte einen Autounfall. Ein betrunkener Fahrer überfuhr ein Rotlicht.“

„Oh.“

„Ihr geht es den Umständen entsprechend gut. Aber jetzt möchte ich nicht über sie sprechen, sondern wissen, wann wir uns wiedersehen.“

„Ich hoffe, dass ich morgen Nachmittag das Krankenhaus verlassen kann.“

„Das freut mich.“

„Definitiv Bescheid erhalte ich erst morgen.“

„Darf ich dich abholen?“

„Mein Bruder hat sich schon angeboten.“

„Na dann.“ Seine Hände in den Hosentaschen, bleibt er reglos stehen und sieht mich lange an. „Sehen wir uns vorher noch?“

„Ja.“ flüstere ich.

Ein Lächeln huscht kurz über seine Lippen, bevor er sich zu mir beugt und mir einen zarten Kuss auf den Mund drückt.

„Ich freue mich darauf.“

„Ciao Alexander.“

Endlich bin ich draussen an der frischen Luft. Ich sitze auf derselben Bank, auf der ich gestern schon mit Alexander war. Ich konnte doch tatsächlich ohne Krücke gehen. Was mir ein gewisses Hochgefühl verlieh. Meine blauen Flecken sind nur noch gelbe kleine Kleckse, die man bald nicht mehr sehen wird und ich kann auch meine rechte Hand wieder gut bewegen. Die zwei gebrochenen Rippen werden auch irgendwann wieder geheilt sein. Aber das was mir Noah angetan hat und dass ich mein Baby wegen ihm verloren habe, wird wahrscheinlich mein Leben lang an mir zehren. Ich darf gar nicht daran denken, dass ich wegen ihm keine Kinder mehr bekommen kann. Das werde ich ihm niemals verzeihen können.

Man müsste meinen, ich könnte mich glücklich schätzen, dass ich kein Kind von so einem miesen Typen bekomme, aber es war trotz allem ein Teil von mir, das gestorben ist.

Ich darf nicht mehr an das ungeborene Baby denken, denn es stimmt mich unglaublich traurig und klemmt mein Herz zusammen. Ich versuche meine Gedanken auf etwas Erfreulicheres zu lenken, da taucht Alexander vor meinem geistigen Auge auf und tatsächlich geht es mir gleich besser. Dieser Mann ist so einfühlsam, dass es schon fast nicht mehr wahr zu sein scheint. Bilder von der letzten Begegnung mit ihm tauchen vor mir auf und ich kann nichts gegen meine aufkommendes Schamgefühl unternehmen. War ich das wirklich vorhin in meinem Zimmer? Es kommt mir so unwirklich vor. Noch nie habe ich mich so schnell auf einen Mann eingelassen, wie auf Alexander. Kann ich ihm wirklich vertrauen und all die Dinge, die er zu mir gesagt hat, glauben? Und was ist mit seiner besten Freundin? Seiner angeblichen Managerin, für was auch immer sie zuständig ist? Woher soll ich wissen, dass er mich nicht gründlich verarscht? Ich habe Angst davor, dass er es nicht ernst meint. Ich muss mich unbedingt davor hüten, echte Gefühle für ihn zu entwickeln. Bei einem Flirt bin ich dabei, aber mehr darf es nicht werden. Mein Unterbewusstsein weiss, dass es nicht gut enden würde. Also werde ich mich morgen von ihm für immer verabschieden. Obwohl mir jetzt schon klar ist, dass dies nicht einfach werden wird, muss ich es trotzdem tun. Es ist besser und einfacher so.

6.

Ich packe meine Sachen zusammen und lege sie in den Koffer, der offen auf meinem Bett liegt. Es fehlen nur noch meine Toilettenartikel, dann bin ich fertig und zur Abreise bereit. Vor einer guten Stunde war Dr. Stevens hier und teilte mir mit, dass ich nach Hause kann. Jedoch muss ich in wenigen Tagen zur Nachuntersuchung nochmals hierher kommen, um zu kontrollieren, wie gut meine Verletzungen bis dahin verheilt sind.

Obwohl ich es kaum erwarten kann, das Krankenhaus zu verlassen, schnürt sich mein Herz etwas zusammen, wenn ich an den bevorstehenden Abschied von Alexander denke. Ich nehme die wunderschöne Sonnenblume, die er mir gestern gebracht hat, in die Hand und betrachte sie. Aber statt die Blume wahrzunehmen, sehe ich seinen besorgten Gesichtsausdruck, den er mir gestern zuwarf, als er mich völlig aufgelöst vorgefunden hat. War er wirklich von einer solchen Sorge erfüllt? Nicht weiter darüber nachdenken, befiehlt mir mein Unterbewusstsein. Nicht weiter darüber nachdenken.

Ich hole die restlichen Sachen und schliesse meinen Koffer. Die Blume stecke ich behutsam in eine kleine Öffnung, oben an meiner Tasche und werfe noch kurz einen Blick durchs ganze Zimmer, froh darüber endlich hier herauszukommen.

Mit all meinen Sachen gehe ich hinunter ins Café und hoffe Alexander dort anzutreffen. Denn verabschieden möchte ich mich noch von ihm. Einfach zu verschwinden ohne auf Wiedersehen zu sagen, ist nicht meine Art. Da ich ihn nicht anders erreichen kann, als ihm hier in diesem Krankenhaus zu begegnen, hoffe ich ihn unten im Restaurant zu finden.

Mein Bruder kommt mich um elf Uhr abholen. Mit einem Blick auf meine Uhr stelle ich fest, dass ich noch über eine halbe Stunde Zeit habe. Ich sehe mich im ganzen Café um und hoffe mit jeder Drehung in sein anmutiges Gesicht zu blicken.

Ein kleiner Stich jagt durch meinen Körper, als ich mir sicher bin, dass er nicht hier ist. Keine Spur von Alexander, seiner Managerin oder von seinen Leibwächtern. Enttäuscht setzte ich mich an einen Tisch und nippe an meinem heissen Tee. Ständig hebe ich meinen Kopf und halte Ausschau nach ihm. Es ist wie verhext. Jetzt wo ich mir wünsche, ihn zu sehen, taucht er nicht auf. Dauernd sehe ich auf meine Uhr, nur um mir einzuhämmern, dass mir die Zeit davon läuft. Hat er gar nicht vor, mich noch einmal zu sehen? War all das, was er zu mir gesagt hat nur Theater? Mit jeder Minute, die verstreicht, ohne von ihm zu hören, fühle ich mich immer mehr niedergeschlagen.

„Hast du auf mich gewartet?“

Ich brauche mich nicht umzudrehen, um zu wissen, dass er es ist. Seine tiefe, sanfte Stimme hat sich in mein Gedächtnis eingeprägt, so wie sein köstlicher Duft nach orientalischem Holz.

Seine festen Hände kommen auf meinen Schultern zu liegen, während er mir einen Kuss auf die Wange drückt. Geschmeidig setzt er sich neben mich und lächelt mich an.

Warum küsst er mich nicht auf den Mund, so wie er es gestern getan hat? Hat er sich ebenfalls vorgenommen, sich von mir zu verabschieden? Auch wenn ich seine Lippen noch so gerne auf den meinen spüren würde, ist es wahrscheinlich besser, das Unausweichliche nicht noch weiter herauszuschieben und an der Zeit Lebewohl zu sagen.

„Es kostet mich unendliche Kraft, mich nicht auf dich zu stürzen. Ich wünsche mir nichts sehnlicher, als dich an mich zu drücken und dich mit meinem Mund zu verschlingen. Aber es starren fast alle zu uns hinüber und ich möchte nicht, dass es irgendein dummes Gerede gibt.“

Ich kann nicht anders, als ihn anzustarren. Habe ich ihn richtig verstanden? Er möchte mich verschlingen? Warum sollten alle zu uns sehen? Um zu verstehen, was Alexander meint, sehe ich mich im Café um. Tatsächlich, fast alle haben ihre Augen auf uns gerichtet. Einen Tisch weiter erkenne ich seine Managerin mit seinen Bodyguards. Alle drei lächeln zu uns hinüber. Ich glaube sogar, dass die Frau mir kurz zugenickt hat, bevor ich den Blick wieder auf Alexander richte.

„Was geht hier vor sich? Warum mustern uns alle so, als wären wir Ausserirdische?“

Ein grosses Lächeln steht in sein Gesicht geschrieben.

„Ich glaub ich falle gleich in Ohnmacht. Alexander Drenk sitzt mit meiner Schwester am selben Tisch. Hallo Schwesterherz. Wie hast du das denn wieder angestellt?“

„Hallo Janosch.“ Mein Bruder beugt sich zu mir hinunter und begrüsst mich mit einem Kuss auf jede Wange.

Plötzlich stehen Alexanders Leibwächter hinter uns. „Alles in Ordnung.“ gibt Alexander ihnen mit einem Handwink zu verstehen.

„Ich kann es kaum glauben, dass ich je an einem Tisch mit Alexander Drenk sitzen werde.“ Janosch streckt ihm seine Hand entgegen. „Janosch Berner, Zoes Bruder.“

„Die Freude ist ganz meinerseits.“

Warum kennt mein Bruder Alexander und warum ist er so aus dem Häuschen? Verdutzt sehe ich von meinem Bruder zu Alexander und wieder zurück. Ich versuche das Ganze zu verstehen und suche jeden noch so kleinen Winkel meines Gehirns nach Informationen ab, woher Janosch Alexander kennen könnte. Gerade als ich glaube mich an etwas zu erinnern, stupst mich jemand in die Seite.

„Konntest du mich nicht früher Bescheid geben, dass Alexander Drenk hier ist?“

„Was?“

„Du weisst schon, dass ich sein grösster Fan bin oder?“

„Wie? Von wem redest du?“

„Tu jetzt nicht so schwer von Begriff. Alexander Drenk, natürlich.“

Erst jetzt bemerke ich, dass sich Alexander gar nicht mehr an unserem Tisch befindet. „Wo...?“

„Er musste kurz zu seiner Managerin und seinen Beschützern.“ Mit einem Kopfnicken deutet er in ihre Richtung.

 

„Woher kennst du ihn und wieso weisst du, wer diese drei sind?“

„Also Schwesterchen. Ist das dein Ernst?“

„Hör endlich auf damit und klär mich auf der Stelle auf!“

„Alexander Drenk ist der beste Formel 1 Rennfahrer der letzten fünf Jahren. Und er ist auf dem besten Weg es das sechste Mal zu werden.“

„Willst du mich zum Narren halten?“ Doch in seinen vor Freude glitzernden Augen erkenne ich, dass dies absolut nicht der Fall ist. „Das kann nicht sein oder? Ich dachte mir vorhin, dass mir dieser Name irgendwie bekannt vorkommt, aber es wollte mir nicht einfallen.“

„Einfach unglaublich. Meine Schwester schäkert mit dem weltbekanntesten Formel 1 Fahrer herum.“

„Unsinn.“ zögernd blicke ich mich zu Alexander um, der mich im selben Moment anlächelt. Mir scheint als erginge ihm nichts. Sofort lenke ich meine Aufmerksamkeit wieder meinem Bruder zu.

„Du kannst mir sagen, was du willst, aber ich kenne dich besser als sonst jemand. Und dein verträumter Blick verrät so einiges.“ und tätschelt meine Hand.

Jetzt wird mir auch klar, warum Alexander immer Bodyguards an seiner Seite hat und mein Bruder hat mir soeben bestätigt, dass die Frau an Alexanders Tisch wirklich seine Managerin ist. Aber warum macht er so ein Geheimnis daraus? Warum hat er mir nicht erzählt, wer er ist.

„Wie heisst seine Managerin?“

„Katharina Fehrlin. Eine heisse Braut nicht wahr?“

Typisch Bruder. Wieder mal besitzt er kein Taktgefühl. Aber er hat recht. Sie ist wirklich eine hinreissende Person, trotz den Bandagen und Pflaster, die auf ihren Armen und im Gesicht verteilt sind. Ihre langen, schwarzen Haare glänzen in der Sonne und ihre Augen sind wunderschön gross.

„Sie sehen so vertraut miteinander aus. Sind sie denn kein Paar?“

„Das war vielleicht einmal. Aber sie kennen sich schon fast ihr ganzes Leben und ich glaube sie nehmen ihre geschäftliche Beziehung viel zu ernst, als dies mit einem kurzen Techtel Mechtel zu zerstören.“

„Du weisst ja eine ganze Menge über ihn.“

„Ich sagte doch, dass ich sein grösster Fan bin.“

Es entsteht eine kleine Pause, bevor mein Bruder die Stille durchbricht und sieht mich eindringlich an. „Was ist mit Noah?“

„Noah?“

„Ja Noah. Hast du dein Freund etwa schon vergessen?“

„Ich habe Schluss gemacht.“

„Wann.“

„Letzte Woche.“

„Endlich.“

„Wie endlich?“

„Ich habe schon lange gehofft, dass du dich von ihm trennst. Der hat doch nicht alle Tassen im Schrank.“

Es kostet mich ungeheure Kraft, mein Geheimnis nicht laut herauszuschreien. „Das habe ich nun auch erkannt.“

„Aber was hast du dann? Was beschäftigt dich?“

„Nichts.“

„Sag schon.“

„Bitte Janosch, lass gut sein.“

„Ich sehe doch, dass es dir nicht gut geht.“

„Das sind nur die Schmerzen.“

„Bist du dir sicher?“

„J... ja.“ ich kann nur hoffen, dass er mein Zögern nicht bemerkt hat.

„Wir werden im Auto weiterreden. Sollen wir gehen?“

„Gerne. Ich war lange genug hier.“ Wir erheben uns und Janosch nimmt meine Tasche. Kaum habe ich einen Schritt gemacht, steht Alexander neben mir.

„Gehst du?“

„Ja. Ich möchte endlich nach Hause.“

„Darf ich dich bis zum Auto begleiten? Ich möchte mich noch kurz mit dir unterhalten.“

„Sicher.“ und sehe zu Janosch.

„Ich habe schon verstanden. Wir treffen uns beim Auto.“ Mit meinen Sachen in der Hand, geht er uns voran.

Natürlich begleiten uns die beiden Bodyguards in einem diskreten Abstand nach draussen.

„Ich wäre vorhin gerne bei dir geblieben, aber ich dachte, du möchtest dich alleine mit deinem Bruder unterhalten.“

„Warum hast du mir nicht erzählt, wer du bist? Warum hast du so ein Geheimnis daraus gemacht?“ Ich konnte einfach nicht mehr länger mit diesen Fragen warten. Sie platzten förmlich aus mir heraus.

„Mir war schnell klar, dass du nicht weisst, wer ich bin und was ich mache. Du hattest keine Vorurteile gegen mich oder sonst irgendwelche Ansprüche an mich. Ich wollte, dass du mich so kennenlernst, wie ich bin und nicht nur eine bekannte Persönlichkeit mit viel Ruhm in mir siehst, die obendrein noch viel Geld besitzt.“

„Das hätte ich sowieso nicht getan.“

„Leider habe ich bis jetzt immer eine andere Erfahrung gemacht.“

Wohin mag bloss dieses Gespräch verlaufen? Eigentlich möchte ich unseren kurzen Flirt beenden, denn ich möchte nicht, dass jemand von uns irgendwann zu sehr verletzt wird. Nur fällt es mir viel schwerer, als ich gedacht habe.

Inzwischen sind wir aus dem Krankenhaus gelangt und sofort begrüsst uns die heisse Sommersonne, die hoch oben am Himmel steht. Wir gehen weiter Richtung Parkplatz und lassen uns auf die nächste Bank nieder.

„Alexander....“ fragend sieht er mich an. Ich habe keine Ahnung, wie ich das, was ich ihm sagen möchte, in Worte fassen soll. Denn mir wird immer klarer, dass ich das, was ich ihm mitteilen möchte, nicht dem entspricht, was ich fühle. Aber es geht nun mal nicht anders. Es gibt für uns keine gemeinsame Zukunft. „Ich...“ ich starre ihn weiter an. Meine Lippen bewegen sich lautlos, weil ich unfähig bin etwas zu sagen.

„Zoe?“ In seinem Blick erkenne ich eine gewisse Besorgnis.

„Wir können uns nicht mehr weiterhin treffen?“ Jetzt ist es endlich raus. Ich kann ihn nicht länger ansehen, denn es tut mir zu sehr weh. Mich überkommt eine solche Traurigkeit, dass ich Mühe habe, meine Umgebung wirklich wahr zu nehmen. Ausser natürlich den Mann, der ganz dicht neben mir sitzt und mich intensiv betrachtet.

„Warum?“

„Das könnte ich auch fragen.“

„Warum willst du mich nicht mehr sehen? War ich nur ein kurzer Flirt für dich?“

„Nein. Ja...“ Mir schnürt es fast das Herz zu. Ich komme nicht gegen meine Gefühle an, aber ich muss jetzt stark bleiben. „Wir würden nie eine glückliche Zukunft miteinander haben können. Es ist also besser, wenn wir es gar nicht erst probieren.“

„Woher willst du das wissen? Wir kennen uns ja kaum.“

„Es geht einfach nicht.“

„Hat es mit deinem Ex zu tun?“

Nur zögernd bringe ich ein nein hervor. „Ich möchte nichts mehr mit ihm zu tun haben.“

„Und das soll ich dir glauben?“

„Ja, verdammt!“ Ich kann mich nicht mehr beherrschen. Meine zitternden Hände klemme ich zwischen meine Knie und starre darauf.

„Es tut mir leid.“

„Ich wüsste nicht was dir leid tun sollte!“

„Für das was er dir angetan hat.“

Schockiert sehe ich zu ihm hinauf. Ist es so offensichtlich, dass mich Noah zutiefst beleidigt und gedemütigt hat?

Ich habe gar nicht bemerkt, wie mir die Tränen in die Augen gestiegen sind. Erst als er sie mir mit seinen Fingern wegwischt, wird mir bewusst, dass ich stumm angefangen habe zu weinen.

„Was immer er dir zugefügt hat, ich könnte dir niemals etwas zu Leide tun, wenn es das ist, was dir Angst macht.“

„Sieh mich doch an!“ schreie ich aus mir heraus. „Ich bin nur noch ein Trümmerhaufen! Ständig breche ich in Tränen aus. Im Moment bin ich nur noch ein Schatten meiner selbst und meine Verletzungen lassen mich wie ein Krüppel wirken. Also, was willst du von mir?“

„Jetzt bist du unfair. Nicht nur zu dir selbst, sondern auch zu mir. Jemand oder irgendwas hat dich zutiefst verletzt. Ich weiss, dass du eine schwere Zeit durchmachst. Aber du bist eine starke Frau und irgendwann wird dir dieses Schicksal nur noch wie ein böser Albtraum erscheinen.

Mach dich nicht selbst verrückt und schlechter, als du in Wahrheit bist. Denn ich sehe eine wunderschöne und einfühlsame Frau neben mir, die ich weiterhin sehen möchte. Und was deine körperlichen Verletzungen betrifft, die sind bald verschwunden.“

„Warum hast du mich ausgesucht? Warum willst du mich näher kennenlernen und mit mir zusammen sein? Ich bin nichts besonderes und du? Du bist der beste Formel 1 Fahrer seit den letzten fünf Jahren. Früher oder später wirst du genug von mir haben. Glaub mir!“ Obwohl ich es nicht beabsichtigt habe, klingt meine Stimme viel zu schroff. Ich möchte mich erheben, werde jedoch von Alexander zurückgehalten.

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