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Der Ochsenkrieg

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Auch Marimpfel lachte. »Wenn eins den Wolfen nennt, kommt er gerennt! Malimmes! Kein halbes Stündl ist’s her, da hab ich mit dem Mareiner geredet von dir. Und jetzt bist da. Herzbruder! Gottes Gruß im Land!«

Malimmes streckte dem Reiter die Hand hinauf. »Gott grüß dich, Bruder! Ich hab dich schon gesucht im Gaden draußt. Hätt gern zum Einstand ein Häflein mit dir gelupft. Und hab gehört, du wärst in der Ramsau. Bist bei der Mutter gewesen? Wie geht’s dem guten Weibl?«

Marimpfel erkannte in den Augen des Bruders die ehrliche Sehnsucht, wurde ein bißchen verlegen und sagte: »Es geht der Mutter nit schlecht. Allweil schnauft sie noch.«

Das Gesicht des andern strahlte. »Gute Botschaft! Will dem lieben Herrgott danken dafür. Am Sonntag werf ich dem Meßpfaffen einen Goldpfennig in den Bettelsack. Ich hab’s. Einen Winter lang kann ich mich auf die Faulhaut legen und kann der Mutter ein gutes Leben machen. Komm, Bruder, kehr um! Laß uns selbander heim!«

»Ich kann nit, hab eilfertigen Herrendienst. Aber auf ein Ständerlein beim Leutgeb hab ich Zeit.«

»So komm! Ein Bruder ist auch ein kostbar Ding. Dreh dich, Schätzlein, dreh dich!« Malimmes faßte lachend den Zügel und wandte den Gaul des Bruders. »Auftragen laß ich dir, als wärst ein römischer Delegat. Friß und sauf und tu mich anlachen! Not und Hader sind draußen in der Welt. Daheim ist daheim. Und was ich anguck, ist liebreich und friedsam.« Er schrie einen Jauchzer in die sonnige Luft hinaus, so gellend, daß Marimpfels Gaul einen scheuenden Sprung machte.

Auf dem Wege zum nahen Leuthaus schwatzte Malimmes in seiner frohen Laune immerzu. Marimpfel war nachdenklich geworden. Und plötzlich, den Bruder von der Seite musternd, fragte er: »Einen Winter lang willst feiern? Bist in Ehren ledig worden von Herr und Dienst? Oder mußt dich verstecken? Hat’s eine Sauerei gegeben?«

Malimmes sah ernst an dem Reiter hinauf. »Da wär alleweil ein andrer die Sau gewesen.«

»Meine Frag war nit schiech gemeint.«

»Muß ich halt dumm gehört haben.« Malimmes lachte schon wieder. »Ich will einmal für ein Zeitl mein eigner Herr sein. Viel Grund sind gewesen, daß ich gegangen bin. Der letzte war, daß mich das Heimweh angefallen hat, derweil ich sechs Wochen im Spittel gelegen bin. Wegen dem da!« Er deutete auf den frischen Narbenriß, der wie ein roter Feuerstrich in dem braunen Gesichte glomm.

»Ein böser Streich! Bruder, da mußt dich schlecht gedeckt haben?«

Lustig zwinkerte Malimmes mit den Augen und schüttelte den Kopf. »Es hätt ein feiner Hieb sein können! Hätt aus meinem Hirndach schier zwei Äpfelschnitten gemacht. Aber grad, wie der Hieb schön kunstvoll ansetzt, hat der ander, ein Pegnitzer Heckenreiter, meinen Spieß in der Seel gehabt. Seine Faust hat nur noch ein lützel rutschen können. Für sechs Wochen hat’s bei mir noch ausgegeben. Aber der ander ist nimmer aufgestanden. Ist ein braver Kerl gewesen, mit dem ich oft gebechert und geknöchelt hab. Hat mir’s nit schlecht vermeint, hat halt auch nur seinem Fähnl die Treu gehalten. Wegen sieben Ballen flandrisch Tuch, die sein Edelherr gekrapst hat.« Malimmes lachte nimmer.

Verwundert guckte Marimpfel auf den Bruder hinunter.

»Kriegsmann sein, war ein gutes Handwerk!« sagte Malimmes. Er hob den belasteten Spieß auf die andre Schulter. Die Eisenstücke klirrten. »Man sollt nur allweil wissen, daß es hergeht um eine Sach, die nötig und ehrlich ist. Da war das Dreinhauen eine Freud. Aber die meisten Händel müßten nit sein. Und geht’s nit um einen städtischen Pfeffersack, so geht’s um einen herrischen Hennendreck. Mich freut’s schon lang nimmer. Im Ausland solden, wie’s andere tun, das mag ich nit. Ich mag nit welschen, hab das Deutsche lieb. Aber bei uns im Reich, da ist’s ein Elend. Der König, sagen die Leut, wär bloß ein Schatten noch. Die Fürsten reißen ihm den letzten Fetzen aus dem Mantel. Von denen trachtet ein jeder nach dem wärmsten Hosenfleck für seinen eignen Hintern. Jeder ist seines Nachbarn Feind und Neider. Daß man zusammengehört im Reich, das weiß man nimmer. Ein Grausen, wo man hinschaut! Hab mir’s oft schon denken müssen. Und jetzt, derweil ich sechs Wochen im Spittel gelegen bin und es hat der Feldscher so grob geschustert an meinem Hirnkastl, da hat mich allweil gedürstet nach einer Hand, die linder nähen tat.« Nun lachte Malimmes wieder. »Da ist mir die Mutter nimmer aus dem Sinn gefallen. Und jetzt bin ich daheim. Und will meinen lustigen Fried haben ein Zeitl.«

Marimpfel gab dem Bruder einen Puff. »Ein Kerl wie du! Wirst doch kein Sinniervogel sein! Elend im Reich? Was geht denn uns das an? Wie mehrer das Gold, so fester der Sold, wie feiner der Brei, so besser die Treu, wie größer die Ehr, so blanker die Wehr! Die als Kriegsleut anders denken, sind Rindviecher.«

Malimmes lachte. »So bin ich halt eins.«

»Geh, Bruder, sei ein lützel stolzer! Aber ich weiß schon, wo’s fehlt bei dir. Als Stadtknecht bis du gut bei Gold und Brei gewesen, aber mager bei der Ehr. So was wurmt einen festen Kerl, der aufwärts möcht. Tu den Kopf heben! Ich schaff dir einen fürnehmen Herren. Hofmann sein bei guter Farb, das ist allweil das Beste. Da kannst herunterspeien auf die, wo minder sind.«

Die beiden lenkten von der Straße in den Hof des Leuthauses ein. Und wieder hob Malimmes das braune, von dem feurigen Strich durchsägte Gesicht und sah hinauf zu dem höfischen Reiter. »Du!« Er schmunzelte. »Ich hab einmal einen Frosch gesehen. Der ist der stolzeste gewesen unter allen Fröschen. Und weißt, warum? Weil ihn der Ochs getreten hat. Und die andern Frösch, die haben nur den Tritt der Kuh gespürt. Drum sind sie minder gewesen.« Heiter lachend trat Malimmes in den Flur des Leuthauses und machte lustige Späße über Bauch und Doppelkinn des Wirtes, der den Kriegsknecht unterwürfig begrüßte. »Und jetzt trag auf, du Gauner! Bring Wurst und Selchfleisch! Her mit dem besten aus deinem Keller! Nimm die größte von deinen Bitschen! Ich weiß wohl, Saufen ist der Deutschen Spott vor der Welt wie auch vor Gott! Aber wenn mich halt dürsten tut! Was soll ich machen? Ist nit der liebe Gott dran schuld, wenn an siedheißem Sommertag dem Menschen die Leber brandig wird?«

Der heitere Rumor, den Malimmes anhub, brachte gleich das ganze Haus in vergnügten Aufruhr. Die Wirtin kam gezappelt, die zwei jungen Mägde kicherten und sprangen. Und der Knecht, der den Gaul Marimpfels versorgen mußte, trug die Freudenbotschaft in den Stall: »Der lustige Malimmes vom Taubensee ist heimgekommen!«

In der großen Leutstube ließ der Soldknecht seine schwere Last auf eine Tischplatte hinklirren. Marimpfel trat mißmutig zur Tür herein; des Bruders Gleichnis von den Fröschen hatte ihn geärgert, und er schien nicht recht zu wissen, wie er den Heimgekehrten nehmen sollte. Doch als er prüfend den Spieß des Bruders mit der daranhängenden Last zu lupfen versuchte, wandelte sich sein Verdruß in ehrliches Staunen. »Gotts Teufel und Bohnenstroh! Herzbruder! Da hast dich aber schuftig schleppen müssen! Und hast bei solcher Hitz kein Tröpfl Wasser auf deiner Näs!«

Malimmes rückte hinter den Nachbartisch. »Die hurtig schwitzen müssen, sind leichtfertige Leute und Schwächlinge. Wer mannsfest lebt, dem bleibt auch in harter Mühsal das Häutl trocken.«

Für diese Lebensweisheit hatte Marimpfel kein hörendes Ohr. Er musterte neugierig den strotzenden Lederbinkel am Spieß, statzte ihn fest auf die Tischplatte hin und öffnete weit die Augen, ah er dieses leicht zu deutende Geklirr vernahm.

»Gelt«, rief Malimmes lachend, »da drin, da klingelt’s?«

Der Wirt und seine Leute begannen aufzutragen, als wären zwei große Hansen zu Gast gekommen. Malimmes, immer schwatzend, immer lachend, schnitt dem Bruder das Selchfleisch und die Würste in großen Brocken vor und füllte ihm fleißig den zinnernen Becher. Auch der Leutgeb, sein Weib und die zwei jungen Mägde mußten mithalten. Jeder Knecht und Stallbub, der kudernd zur Tür hereinguckte, wurde fröhlich zu dem gastfreien Tisch herangewunken, und jeder Bauer wurde angerufen, der draußen auf der Straße vorüber wollte — mancher schüttelte den Kopf und ging seines Weges, doch mancher kam. Bald saßen an die dreißig um die lange Tafel, zu der man Tisch neben Tisch zusammenrückte. Marimpfel, um dem lustigen Bruder gefällig zu sein, bezwang seinen Hofmannsstolz und gab sich als Herr, der sich gnädig niederbeugt zu den Minderen. Doch Malimmes hatte eine Art von kameradschaftlicher Freude an der randalierenden Gesellschaft, nannte sie seine Kump- und Dumpanei, war der Obrist Schluckhauptmann und kommandierte mit drolligen Sprüchen den Becherlupf.

Der städtische Soldknecht und der gadnische Hofmann vertrugen viel. Sie schluckten munter und behielten klare Köpfe, während die andern bald in einen feuchtfröhlichen Dusel gerieten. Ein altes, dürres Bäuerlein, das die billige Schluckstunde eifrig nützte, kam in so mutige Laune, daß es, neben scheuer Ehrfurcht vor Marimpfel, gegen den lachenden Stadtknecht spöttische Redensarten zu werfen wagte.

Wieder ließ Malimmes die leergelupfte Bitsche füllen. »Leutgeb! Spring und bring! Ich zahl’s. Ich bin ein redlicher Kriegsmann und hab’s! Bin nit der deutsche König, der Atzung, Trunk und Herberg schuldig bleiben muß, seit ihm die Fürsten das letzte Hellerlein aus dem Säckel gerissen.«

»Haben tust du’s?« schrie das mutige Bäuerlein. »Woher denn hast du’s? Vom Sold wirst dir’s nit abgespart haben! Wie, Mensch, zeig deine Händ her! Hast Christnägel oder Geierkluppen? Kriegsleut sind schieche Greifer.«

»Wozu hätt’s denn der Bauer und Pfeffersack«, fiel Marimpfel ein, »wenn’s ihm der Kriegsmann nit nehmen sollt?«

Malimmes lachte. »Denen man nimmt, die verstehen’s nit.«

Der Gadnische Hofmann wartete mit Sprichwörtern auf. »Rauben ist keine Schand, das tun die Besten im Land. Mir flecket’s nit die Händ, wenn’s einen Ritter nit schändt.«

 

»Ist aber schon oft so ein Ehrenschilder gefangen worden und hat verschnaufen müssen im Hanfsamen.« Ein Griff, den das Bäuerlein nach dem Halse tat, erklärte deutlich, wie das Wort vom Hanfsamen gemeint war.

Marimpfel verlor die gnädige Laune und wollte mit der Faust über den Tisch hinüberschlagen. Doch Malimmes fing den Arm des Bruders auf. »Tu Fried halten, Herr Hofmann! Der Bauer hat recht. Wie die Fürnehmen das Beispiel aufstellen, so machen’s die Minderen nach. Drum ist es Gesetz geworden im Land: Schlupf durch, und alles ist erlaubt, laß dich fangen, und alles ist verboten.«

»Und du?« kreischte das Bäuerlein. »Bist noch nie nit erwischt worden?«

»Schon oft! Bin viermal schon im Hanfsamen gelegen, und jedesmal bin ich wieder ledig worden.« Malimmes spreizte auf dem Tisch die Fäuste auseinander und lachte vergnügt. »Ich stirb nit am Rappenholz. Vor achtzehn Jahr, auf meinem ersten Kriegszug, hat mir’s Zigeunerweibl im Ungerland geweissagt aus der Hand, es täten mich sieben Strick nit umbringen, erst vor dem achten müßt ich mich hüten.«

Ein lustiges Geschrei erhob sich um die Tafel her, man witterte abenteuerliche Schwänke und rückte neugierig zusammen.

»Vier Hänfene haben mir keinen Schaden getan. Drei kann ich noch ausprobieren und lachen dazu. Und eh sie den achten für mich drehen, schlupf ich in ein Kloster und laß mich zum Franziskaner weihen. Da hab ich den achten Strick um den Bauch, därf mir erlauben, was ich mag und brauch keine Angst nit haben um mein Hälsl!«

Im Dutzend kreischten die neugierigen Fragen durcheinander. Und Malimmes fing zu erzählen an.

»Den ersten Hänfenen haben sie mir selbigsmal im Ungerland geflochten, sieben Tag nach der Weissagung, die mir das Zigeunerweibl gemacht hat. Achtzehn Jahr alt bin ich gewesen. Ein fester Lackl! Aber gut gewachsen sein, ist ein Segen Gottes.«

Eine aufgeregte Stimme schrie: »Was hast du verbrochen, selbigsmal?«

»Für meinen Herren hab ich wie ein blinder Narr gefochten und hab mich tief in den ungerischen Haufen hineingeschlagen, bis mir der Bidenhänder in Scherben gegangen ist. Da haben sie mich bei den Ohren erwischt. Und fünf andre fromme Gnoten dazu. Und weil ich von uns sechsen der Längste gewesen bin, drum haben mich die Ungern für den Schlechtesten gehalten und haben mich zur Bußverschärfung aufgehoben auf die Letzt. Hab zuschauen müssen, wie sie die fünf hinaufgezogen haben auf einen Birnbaum neben der Straß. So große Birnen hat er noch nie getragen wie selbigsmal. Für jeden von den fünfen hab ich ein Vaterunser gebetet. Sind brave Kerle gewesen. Unser Herrgott wird sie selig haben in Gnad und Barmherzigkeit. ›So‹, sagt der Drosselmeister, ›jetzt haben wir gleich das halbe Dutzend voll!‹ Sagt’s. Und wirft mir den Hänfenen übers Köpfl. Mir ist ein lützel dumper zumut geworden. Anfangen müssen ist allweil schwer, beim Sterben nit anders als bei der Lieb oder sonst bei einem kunstvollen Ding. Und derweil mir übel gewesen, hab ich aufs Beten für mich selber ganz vergessen. Und muß meine Hand noch anschauen und muß mir denken ›Jetzt wird’s aufkommen, ob mein Zigeunerweibl eine Gans gewesen oder meine Hand ein Lugenschüppel!‹ Und da haben die vier Löwen des Drosselmeisters zugegriffen und haben mich auf den dicksten Ast hinaufgezogen.«

Um die Tafel her war eine fiebernde Spannung. Und eine junge Magd, der die blonden Zöpfe dick um die Ohren lagen, betete angstvoll: »Heilige Mutter, steh ihm bei!«

»Hinaufgezogen! Ja! Hängt einem ein feines Maidl um den Hals, ihr lieben Leut, das druckt linder als ein Hänfener. Und wie mir schon lützel blau wird vor den Augen, saust eine Staubwolke her übers Feld, und die unsrigen sind da und schlagen drein wie fleißige Bauren mit dem Drischel. ›Aushalten‹, schreit’s in mir. Ich pluster den Hals auf wie ein Truthahn und seh durch farbigen Nebel noch, daß einer auf hohem Gaul zu uns sechsen herreitet. Ich will noch sagen: Guck, mein Zigeunerweibl war ein gescheites Luder! Aber da geht mir kein Schnaufer nimmer durch den Hals, und es ist mir eine süße Finsternis durchs Leben geronnen. Jählings tu ich die Augen auf, lieg im schönsten ungarischen Gras, neben meiner liegen fünf stille Gnoten, die nimmer haben aufwachen mögen, und mein dicker Hauptmann steht vor mir: ›Wie geht’s, Malimmes?‹ Ich heb mich aus dem Gras und sag: ›Nit schlecht, Herr Hauptmann, aber krieg ich nit gleich ein Mäßl Wein, so wird mir das Zäpfl kitzeln, daß ich räuspern muß.‹«

Ein freudiger Jubel erhob sich am Tisch. Es macht den Menschen die Seelen warm, wenn sie einen lachen sehen, der dem kalten Tod entronnen. Zärtlich sagte die blonde Magd: »O heilige Mutter, dem hast beigestanden!« Marimpfel, in dem das Abenteuer des Bruders ein stolzes Wohlgefallen weckte, schob ihm die Kinne hin: »Schluck, Herzbruder, schluck, daß dich das Zäpfl nit kitzelt!« Und als Malimmes nach festem Trunk die Kanne niederstellte, drängten die aufgeregten Stimmen schon: »Das andermal? Wie war’s das andermal?«

»Das ist im Clevischen gewesen, vier Jährlein nach dem ungerischen Handel.«

Die Zärtliche fragte: »Hast im Clevischen auch so treu gefochten wie im Ungerland?«

»Nein, Maidl!« Malimmes bekam einen Zug von Ernst im Gesicht. »Da hab ich im trunken Übermut eine schieche Sache verübt.«

»Was denn für eine?«

»Dir sag ich’s nit! Junge Maidlen müssen nit alles wissen. Dem Kapuziner hab ich’s gebeichtet. Der hat arg geschumpfen. Und hat gesagt: ›Ich absolvier dich bloß, weil du sterben mußt!‹ So schiech ist die Sach gewesen, daß mein eigener Hauptmann mich zum Baum hat führen lassen, derweil ein grobes Unwetter am Himmel gehangen hat. An mein Zigeunerweibl hab ich gar nit denken mögen. Denn meine Straf ist redlich verdient gewesen. Auf dem Weg zum Eichbaum, der nit weit vom Geläger war, hat’s grau zu schütten angehoben. Derweil ich Reu und Leid gemacht hab, ist das Wasser von mir niedergeronnen. Unter dem Eichbaum bin ich neben dem Meister Ungut auf der Staffel gestanden. Und wie der Hänfene an den Ast gebunden war, tu ich ein Kreuz machen und sag: ›Stoß mich hinaus, Meister, ich hab’s verdient!‹ Und grad, derweil ich den Stoß verspür, da tut’s in den Lüften einen Böller als wie von der Cölnerin Unverzagt, und Feuer ist vom Himmel gefallen, daß die Welt wie in blauer Glut geschwommen hat. Der mächtige Eichbaum ist in Scherben gewesen. Wie die Fliegen, wenn’s zum Frieren anhebt, sind die Leut auf dem Boden gelegen und ich dabei, ich weiß nit wie. Viere hat der Blitz erschlagen. Und mit den andern, die sich aufrappeln, lauf ich ins Geläger hinein. Meine Zeltgnoten haben mir gesagt, wie das Feuer gefallen wär, da hätt ich am Ast gehangen und hätt einen großen Heiligenschein um den ganzen Leib herumgehabt. Jetzt denket, Leut! Ein grauslicher Sünder! Und schaut wie ein Benedeiter aus! Viel Ding im Leben sind hart zu verstehen, ist schon wahr! Und ich geh zum Herrenzelt und sag: ›Herr Hauptmann, morgen, da wird’s wohl wieder trücken Wetter geben, da muß man’s halt zum andernmal mit mir versuchen.‹ Und da ist mein grober Hauptmann wie ein gütiger Heiland worden und sagt: ›Geh hin und sündige nimmer! Ich muß vergeben, wenn der Herrgott mit himmlischen Pulverbüchsen nach deinen irdischen Richtern schießt.‹«

Schweigen blieb an der Tafel, während Malimmes trank. Von seiner Geschichte, die ihn selber ernst gemacht, war’s wie der Hauch eines Wunders ausgegangen. Sogar Marimpfel schwieg. Aber sein Stolz auf den Herzbruder war im Schwinden. Hatte die Geschichte sich wirklich so zugetragen? Oder verstand sich Malimmes nur so fein aufs Lügen? So oder so — Marimpfel begann auf den Bruder eifersüchtig zu werden, begann es ihm zu neiden, daß diese Grübelnden am Tisch mit großen Augen und offenen Mäulern zu ihm aufstaunten.

Die Zärtliche hatte einen feuchten Schimmer unter den Wimpern und fragte leis: »Hast nimmer gesündiget?«

»Ein lützel schon. Weißt, Maidl, Mensch bleibt Mensch.« Malimmes schmunzelte. »Aber so grauslich wie selbigsmal im Clevischen ist’s niemals nimmer ausgefallen.« Er ließ die Bitsche kreisen. »Und wie sie mich das drittmal hätten hängen mögen, das ist bei Ulm gewesen, vor sieben Jahr. Da hab ich das feindliche Geläger ausspähen müssen. Und da haben sie mich hopp genommen.«

Marimpfel reckte sich. »Wirst es halt dumm gemacht haben!«

»So? Meinst?« Der Bruder blinzelte ihn heiter an. »Mach’s achtzehn Jahr lang mit, und nachher komm und sag mir, wie’s am besten ist.«

Ein Gelächter surrte um den langen Tisch, und Marimpfel tat, als wäre ihm das Mitlachen ein Vergnügen. Da erschien der junge Knecht des Runotter in der Tür und rief dem Gadniscben Hofmann zu: »Mein Bauer ist heimgekommen, jetzt kannst ihm Botschaft sagen.«

Marimpfel schlug mit der Faust auf den Tisch. »Die soll er sich holen! Der! Wo ich sitz, das siehst. Da kannst es ihm sagen. Fahr ab!«

Der Knecht verschwand.

Die am Tische guckten. Und verwundert sah Malimmes den Bruder an, beugte sich zu ihm hin und tuschelte: »Du! Es wird dir doch so ein Tröpfl Wein nit den Kopf verdösen! Hast mir nit gesagt, du hättest eilfertigen Herrendienst? Mensch, tu verständig, was deines Amtes ist!«

»Was meines Amtes ist, das weiß ich schon!« Marimpfel wurde verdrießlich. »Das weiß ein Herrschaftsreiter besser wie du, Herr Baurenfreund! Schau deine lieben Knospen an der Tafel an! Die gluren auf deine Possen —«

»Bruder!«

»Wie Kinder in der Fasnacht auf die Schembarter! Erzähl doch! Erzähl! Wie! hat’s denn gegangen mit dem dritten Strick?«

Auch die Ungeduldigen am Tische riefen: »Erzähl! Erzähl!«

Malimmes sah den Bruder schweigend an. Dann legte er sich mit breiten Ellenbogen über die Tafel.

»Also, die Ulmer haben mich hopp genommen! Und flink hat’s da geheißen: Ans Rappenholz, der Lump muß hängen! Aber der Ulmer Meister vom letzten Hanf ist ein junges Schaf gewesen. Hat gemeint, er verstünd was, und hat seine nötige Kunst traktiert wie der Sautreiber die Nachtigall. Und weil er allweil so dröselt an mir und bringt die Sache nit füreinand, da ist mir die Geduld vergangen. Und ich schlag dem Hammel eine Maulschelle über den Schnabel. Und schrei: ›Du! Richten muß flinke Barmherzigkeit sein. Komm her, du Lapp, ich will dir zeigen, wie man’s macht!‹ Da geht ein lustiges Lachen durch den Leuthaufen, der um uns her gewesen ist. Die Schwaben sind ein verständigs Völkl. Ein Sprüchl sagt: Der Schwab ist froh, und ist er arm, so tanzt er noch mit leerem Darm. Und wie die Leut so lachen, streckt sich ein junges, sauberes Maidl in die Höh und schreit: ›Um den wär schad, den sollt man gnadigen.‹ Und hundert Mannsleut schreien es gleich dem Maidl nach. Und richtig! Die Ulmer haben mich laufen lassen.«

Am langen Tisch erhob sich ein glückseliges Gelächter. Und Malimmes, während er gemütlich mitlachte, sagte zu Marimpfel: »Jetzt nimm mich in die Lehr, Herzbruder! Wärst du auf dem Ulmer Schrägen gestanden, wie hättst es denn du gemacht?«

Was Marimpfel brummte, war bei dem heiteren Rumor der Tafelrunde nicht zu hören. Die blonde Magd hatte ein heißes Gesichtl und lachte: »Für das schwäbische Maidl bet ich heut nacht drei Vaterunser!« Und viele sprangen von den Stühlen und Bänken auf, vergaßen das Selchfleisch und die billige Bitsche, drängten sich um Malimmes her und wollten aus nächster Nähe hören, wie die Geschichte des vierten Strickes ihr glückliches Ende finden würde.

»Das ist in Landshut gewesen, vor dritthalb Jahr«, erzählte Malimmes, »und Landshut, Leut, das ist eine gefährliche Stadt. Da haben einmal die Wolf den Schultheiß auf offenem Markt gefressen. Die Landshuter haben zugeguckt aus ihren Fenstern. Und wie der Ärmste gefressen war, hat ein barmherziges Kindl gesagt: ›Der Schultheiß ist mager gewesen, die lieben Wolf lein müssen noch Hunger haben.‹ Im selbigen Landshut, in so einer gefährlichen Stadt, hätt ich schier mein Leben lassen müssen. Da haben wir Nüremberger, nit weit von Regensburg, einem Ritter die Burg gebrochen. Der ist mit dem Landshuter Herzog Heinrich im Bund gewesen. Auf dem Heimweg hab ich mit zwölf braven Gnoten die Nachhut gedeckt. Wir kommen zur Donau. Die zwölfe hocken schon im Fährboot. Da sprengt ein Häufl von des Herzogs Reitern auf uns ein. Ich stoß das Fährboot ins Wasser und will nachspringen. Aber weil mein Binkel ein lützel schwer gewesen ist, bin ich zu kurz gesprungen. Das Fährboot rinnt davon, ich platsche ins Wasser hinein, und die Landshuter greifen mich.«

»Jesus!« stammelte die blonde Magd erschrocken. Und das magere Bäuerlein kreischte: »Gänsl, dummes! Ist ihm doch nichts geschehen! Er hockt doch bei uns und lacht.«

 

»Aber selbigmal ist mir nit zum Lachen gewesen. In meinem Binkel haben sie fünf goldene Becher und viel schönes Geschmeid gefunden. Drum haben sie mich mitgezarrt bis auf Landshut. Zwischen den Nürembergern und des Herzogs Räten hat’s eine endsmäßige Schreiberei um mein Leben abgesetzt. Und derweil sie viel gutes Papier verdorben haben, bin ich zu Landshut vom Juli bis zum Jänner im Turm gehockt. Selbigsmal hab ich min ein bayrisches Mäusl dressiert. Ist mir ein lieber Gesell gewesen bis zum Heiligdreikönigstag, an dem mir die Landshuter den Stab gebrochen haben. Am letzten Morgen hab ich mit dem bayrischen Mäusl noch meine Himmelfahrtswurst geteilt. Dann hat mich der Freimann zum Karren geholt. Die Richtstatt ist ein halbes Stündl weit vor der Stadt gelegen. Und eine schauderhafte Kält ist gewesen. Mir hat’s nit viel gemacht, im Turm gewöhnt sich einer ans Frieren. Aber dem Meister Freimann hat die schieche Kälte auf dem Karren gebeutelt, daß ihm die Zähne gescheppert haben. Und da hab ich lachen müssen. ›Freilich, du kannst lachen‹, sagte der Freimann, ›du hast es gut, du brauchst bei so einer Kält den weiten Weg heut nimmer heimfahren!‹«

Am Tisch ein heiteres Gelächter. Sogar die blonde Magd, obwohl sie zitterte vor barmherziger Sorge, mußte schmunzeln.

»An die tausend Leut sind um das Rappenholz hergestanden. Und auf den Herzog Heinrich hat ein kostbar Zelt mit einem Glutpfändl gewartet, daß der hohe Herr bei der schönen Lustbarkeit nit frieren müßt. Das Glöckl hat geläutet, und der Herzog, ein kleines, braunes, flinkes Manndl, ist dahergeritten mit stolzem Gefolge. ›Also, Freimann‹, sag ich, ›fangen wir an in Gottesnamen, fürnehme Herren därf man nit warten lassen.‹ Der Weg zum Schragen hinauf ist ganz vereist gewesen. Und da tut der Freimann einen Rutsch. ›Du‹, sag ich, ›das bedeutet nichts Gutes, heut wirst noch eine Dummheit machen!‹ Und richtig! Wie der Freimann auf dem Spreißel hockt und kletzelt mir den Hänfenen um das kitzlige Zäpfl, da tut die Leiter jählings auf dem hauen Eis einen Fahrer. ›Hoppla!‹ schreit der Freimann und will sich halten an mir. Aber für so ein schweres Paarl ist der Hänfene nit berechnet gewesen. Und ist gerissen. Und derweil der Freimann einen Purzelbaum über den Schragen macht, bin ich auf dem schönen Glatteis schlittengefahren bis vor das warme Glutpfändl des Herzogs hin. Der schaut, ich weiß nit wie. Und fragt mich: ›Nüremberger, woher so flink?‹ Ich sag: ›Gradaus vom Himmel her. Und einen schönen Gruß vom heiligen Petrus bring ich.‹ Der Herzog macht ein paar Augen, als wüßt er nit, ob er lachen oder sich ärgern soll. Und sagt: ›Warum bist du, wenn du schon vor des Himmels Tor gestanden, nit auch hineingegangen?‹ Ich sag: ›So hab ich tun wollen, gnädigster Herr! Aber der Petrus hat mich nit durch die himmlische Maut gelassen. Und hat befohlen: Kehr um, ich darf dich nit allein in den Himmel lassen, es ist so fürgesetzt im Buch der Ewigkeit, daß du selbander kommen mußt mit dem Herzog Heinrich von Laridshut.‹«

Malimmes mußte warten, bis sich der lustige Aufruhr am Tisch ein bißchen legte.

»Ich sag’s. Und der Herzog verfärbt sich ein lützel, schmunzelt aber gleich und ruft: ›Der Mann soll leben! Hütet seine Gesundheit und gebt ihm sicheres Geleit bis Nüremberg!‹ Und wie ich mit dem Freimann wieder heimgefahren bin nach Landshut, schauet, da hat mich, weil ich so lang mit meiner dünnen Hos auf dem kalten Eis gesessen bin, halt auch ein lützel gefroren. Und ich sag zum Freimann: ›Gelt, da siehst du’s, man soll den Tag nit vor dem Abend loben, schau, jetzt geht’s mir auch nit besser als dir!‹«

Am Tische ging ein Spektakel los, so laut, daß man das einzelne Wort nicht mehr verstand. In heiterem Aufruhr schrien sie alle durcheinander und fingen darüber zu streiten an, ob der Herzog Heinrich von Landshuf einen abergläubischen Schreck verspürt oder den Galgenspaß mit einem barmherzigen Herrenscherz erwidert hätte. Während dieses Streites schlich sich die blonde Magd mit heißem Gesicht zu Malimmes hin, schlang ihm plötzlich den Arm um den Hals und flüsterte ihm ins Ohr: »Magst mich haben?« Er lachte, küßte sie schnell auf die glühende Wange, gab ihr einen Schlag auf die runde Seite und sagte: »Dummes Gänsl, du! Aber ein richtiges Weibl bist! Lauft der Tod einem Mannsbild nach, so rennt dem Tod noch allweil ein Weibl voraus, das flinker ist.«

Der Knecht des Runotter war in die Stube getreten. Marimpfel sprang auf und schrie: »Wo ist dein Bauer? Warum kommt er nit?«

»Mein Bauer laßt dir sagen, er wartet noch, bis ich heimkomm. Dann muß er wieder zur Arbeit ins Holz.« Gleich nach dem letzten Wort machte der Knecht sich wieder davon.

Dem Gadnischen Hofmann schwoll der Kamm. »Wart, Bauer! Dir sag ich ein Wörtl!«

Da faßte Malimmes den Arm des Bruders und mahnte freundlich: »Tu dich besinnen! Sei gescheit!«

»So gescheit wie du bist, bin ich schon lang gewesen.« Marimpfel befreite seine Faust, stieß ein paar der lustig Streitenden aus seinem Weg und verließ die Leutstube. Draußen fluchte er wie ein Bauer bei der Fron. Und als er im Sattel saß, bekam der Gaul so grob die Sporen, daß er ein paar rasende Sätze machte.

Zugleich mit dem jungen Knecht erreichte Marimpfel das Hagtor des Runotterhofes. Ein weites, sauber gehaltenes Gehöft. Wie ein viereckiger Hügel lag der von Geflecht umhürdete Düngerhaufen vor den zwei niederen Stallgebäuden, in denen es stille war. Eine große Scheune. Und daneben das Wohnhaus, ein schwerer Holzbau, fest und klobig, grau vor Alter. Weiße Tauben gurrten auf dem steilen Dach, das halb die Sonne hatte und halb im Schatten von drei alten, mächtigen Ulmen träumte. Hinter den Bäumen lag ein Gärtchen mit blühenden Blumen.

Außer dem jungen Knecht, der mit dem Reiter gekommen war und gegen die Ställe ging, war niemand zu sehen.

»Bauer!« schrie Marimpfel und hatte mit dem ungebärdigen Gaul zu schaffen.

Keine Antwort ließ sich hören, niemand kam.

»Gotts Teufel und Bohnenstroh! Was ist denn? Bauer! Bauer!«

Da rief der Knecht von den Ställen her: »Der Bauer ist im Haus. Wirst wohl hinein müssen.«

Marimpfel sprang aus dem Sattel, warf den Zügel des Gaules über einen Pflock und trat in den dunklen Flur. Zur Linken stand eine Tür offen. Die führte in einen großen, niederen Raum mit fünf kleinen Fenstern. Der Boden war mit Lehm glatt ausgeschlagen und mit rötlichem Sand bestreut. Wände und Decke bestanden aus dem braunen Gebälk des Hauses. Ein großer Ofen, gemauert. Und eine Bank um den ganzen Raum herum. In der Fensterecke ein schwerer Tisch mit vier dreibeinigen Stühlen davor. Und im Mauerwinkel ein hölzernes Kreuz mit frischen Wacholderzweigen.

Bei einem der kleinen Fenster saß Runotter, die Faust über die Tischplatte hingestreckt, ein Fünfzigjähriger, schwer, fest und knochig, in verwittertes Lederzeug gekleidet. Das glatt auf die Schultern fallende Haar war halb ergraut, das Gesicht von Gram und Arbeit hart versteint. Doch in diesem Gesichte glänzten die gleichen Augen, ruhig und blau, wie in den Gesichtern seiner beiden Kinder.

Als der Bauer den Spießknecht kommen sah, erhob er sich. »Gottes Gruß in meinem Haus!«

Schon auf der Schwelle fing Marimpfel zu brüllen an: »Du Kerl! Was bist denn du für einer —«

»Der Richtmann Runotter bin ich. Oder muß ich meinen weißen Stab holen, daß du merken kannst, mit wem du redest?«

Diesem ruhigen Ernste gegenüber kam Marimpfel zur Besinnung. Eines Richtmanns Stab und Würde mußten auch einem Hofmann heilig sein. Der Spießknecht schwieg. Er musterte den Mann mit funkelnden Augen, und sein Zorn erstickte in einem halben Lachen. Dann sagte er grob: »Bauer! Du bist befohlen vor meines Herren Spruch. Und mußt mir folgen. Auf der Stell.«