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Die schönsten Märchen

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Vogel Holgott und Vogel Mosam

In einen See strömten lustige Bäche, und er war voll Fische und war gelegen in einsamer Gegend, dahin weder Menschen kamen noch Fischreiher und andere fischefressende Vögel vom Meere her. Diesen See entdeckte ein bejahrter Vogel, der hieß Holgott und war vom Geschlecht der Fischadler, und es gefielen ihm die angenehme Lage, die friedsame Stille rings um den See und die Reichlichkeit der Nahrung. Da gedachte er bei sich selbst: Hierher willst du ziehen mit deinem Weib und allen den Deinen, denn hier finden wir genug an allem, was wir bedürfen, hier ist niemand mir widerwärtig und entgegen, und meine Kinder mögen dies Gebiet, wenn wir tot sind, als ein schönes Erbe innehaben. Nun hatte Vogel Holgott ein Weib, die saß daheim im Nest auf ihren Eiern, die nahe daran waren, ausgebrütet zu sein, und dieses Weibchen hatte einen lieben Freund, auch einen Vogel, der hieß Mosam. Dieser Freund war ihr so lieb, daß ihr nicht Trank und nicht Speise schmeckte, wenn er nicht um sie war, und ohne ihn hatte sie kein Vergnügen.

Als nun ihr Mann seinen Ratschlag und Beschluß entdeckte, in jene schöne Gegend zu ziehen, aber ihr hart verbot, dem Freund Mosam davon zu sagen, so war das ihr außerordentlich leid, und sie sann auf Fünde und Ränke, wie sie diesem ihres Mannes Vorhaben heimlich stecken könne, ohne daß dieser es merke. Und da sagte sie zu ihrem Manne: »Siehe, mein teurer Holgott, nun werden unsre Jungen bald ausschlüpfen, und da ist mir eine Arznei verraten worden, sie für die Jungen zu brauchen, wenn sie auskriechen, daß ihnen ihr Gefieder stark und fest wächst; auch behütet diese Arznei sie lebenslänglich vor bösen Zufällen. Diese Arznei nun möchte ich gern holen, so du mir das gestattest und es dir gefällig wäre!«

»Was ist das für ein Arcanum?« fragte Vogel Holgott.

Und die Frau erwiderte: »Das ist ein Fisch in einem See, der um eine Insel fließt, den niemand weiß als ich und der, welcher es mir verraten. Darum rate und bitte ich dich, setze dich an meiner Statt auf die Eier und brüte, so will ich indes den Fisch holen oder zwei, und wir wollen sie dann mitnehmen in den neuen Aufenthalt, den du uns erwählt hast.«

Darauf entgegnete der Mann: »Nicht ziemt es den Vernünftigen, alles zu versuchen, was der erste beste Arzt ihm rät; denn manche raten Dinge uns an, die zu erlangen unmöglich sind. Was frommt das Unschlitt des Löwen wohl dem Kranken oder der Nattern Gift? Soll einer darum den Löwen bestehen und die Nattern in ihrer Höhle besuchen und in die Gefahr selbsteigenen Todes sich wagen, auf eines Arztes Rat? Laß ab, o Frau, von deinem törichten Vorhaben und laß uns an jenen Ort ziehen, während unsre Jungen hier bleiben; dort findest du Fische mancherlei Art, vielleicht auch jene heilsamen, und die weiß niemand dann, außer uns. Wer an besorglicher gefahrvoller Stätte sein Heilkraut sucht, dem möcht es ergehen, wie es dem alten Affen erging.«

»Wie erging es diesem?« fragte das Vogelweibchen, und Vogel Holgott erzählte:

Von zwei Affen

»Ein alter Affe lebte an einem fruchtbaren Ort, wo Bäume und Früchte, Wasser und Weiden im Überfluß vorhanden waren. Da er nur immer im Wohlleben war, so bekam er in seinem Alter die Raute und war damit sehr geplagt, wurde mager und kraftlos, so daß er seine Speise nicht mehr erlangen konnte. Da kam ein andrer Affe zu ihm und fragte ihn verwundert: ›Ei, wie kommt es, daß ich dich so krank und abgezehrt sehen muß?‹ ›Ach!‹ seufzt der alte Affe, ›ich weiß keine andere Ursache als den Willen Gottes, dem niemand zu entfliehen vermag.‹

Darauf sprach jener: ›Ich kannte einen Freund, der trug dasselbe Siechtum, und es half ihm nichts als das Haupt einer schwarzen Natter. Als er das aß, so genas er, das solltest du auch tun!‹

Ihm entgegnete der alte Affe: ›Wer gibt mir ein solches Natterhaupt, da ich so schwach bin, kaum eine Frucht von dem Baume zu erlangen?‹

Darauf versetzte jener: ›Vor zwei Tagen sah ich vor einer Höhle in einem Felsen einen Mann stehen, der lauerte auf die schwarze Natter, die in der Höhle lag, und wollte ihr die Zunge ausziehen, weil er einer solchen bedürftig war; da will ich dich hinbringen. Hat der Mann die Natter getötet, so nimmst du das Haupt und ißt es.‹

Der alte Affe sprach: ›Ich bin siech und krank, werde ich gesund und stark, so will ich dir gern deinen Dienst vergelten.‹ Da führte jener Affe den alten in die Felsenhöhle, darin er einen Drachen wohnen wußte. Vor der Höhle waren große Fußtritte, wie die eines Menschen, der alte Affe dachte, die habe der Mann zurückgelassen, der die Natter getötet, kroch hinein und suchte das Haupt. Da zuckte der Drache hervor und erwürgte ihn und fraß ihn. Der junge aber freute sich, daß er seinen Gesellen verlockt und betrogen hatte und nun im alleinigen Besitz der schönen Fruchtbäume war.«

Als Vogel Holgott seinem Weibchen dies erzählt hatte, fügte er noch hinzu: »Dies sage ich der Lehre halber, die darinnen liegt: Es soll kein Vernünftiger sein Leben wagen auf einen törichten und betrüglichen Rat hin.« Aber das Weibchen sprach: »Ich habe dich recht wohl verstanden, allein hier ist es doch ein ganz andrer Fall, denn die Fische, die ich meine, sind ohne Gefahr zu holen und werden unsern Jungen sehr dienlich sein.«

Als Vogel Holgott sah, daß verständige Überredung bei seiner Frau nicht anschlage, so gab er nach: »Kannst du es nicht lassen, so hole die Fische; bewahre dich aber, daß du niemandem weder das eine noch das andere Geheimnis vertrauest, denn also lehren die Weisen: Löblich ist jeder Vernunft Übung, aber die größte Vernunft beweist der, der sein Geheimnis begräbt, also daß es keiner zu finden vermag.«

Darauf flog das Weibchen fort und auf der Stelle zu seinem lieben Freund Mosam und teilte ihm alles mit, was der Mann im Sinn hatte, und daß er an einen lustigen Ort ziehen wolle, wo weder von Tieren noch von Menschen etwas zu fürchten sei. Und sprach: »Möchtest du, o Freund, einen Fund finden, daß auch du dorthin kommen könntest, doch mit Wissen und Willen meines Mannes, denn soll mir etwas Gutes widerfahren, so hab ich keine Freude ohne dich.«

Darauf erwiderte der Vogel Mosam: »Warum sollte ich gezwungen sein, nur mit Bewilligung deines Mannes dort zu weilen? Wer gibt ihm solche Gewalt an die Hand über mich und andre? Wer verbietet mir, auch dorthin zu ziehen? Zur Stunde will ich hinfliegen und dort mein Nest bauen, da es so eine genügliche Stätte ist. Und wird dein Mann kommen und mich vertreiben wollen, so werde ich ihm das wohl zu wehren wissen und ihm sagen, daß weder er noch seine Vorfahren dort seßhaft waren und er also nicht mehr Recht an jener Gegend hat als ich und andere.«

Da erwiderte das Weibchen: »Du hast nicht unrecht, aber ich wünschte doch deine Gegenwart dort in der Voraussetzung, daß allewege Friede und Eintracht unter uns seien. Gehst du gegen meines Mannes Willen dorthin, so haben wir üble Nachrede zu gewärtigen, und unsre Freundschaft wird sich in Trauer verkehren. Mein Rat ist dieser: Du gehst zu meinem Manne, läßt ihn nicht wissen, daß wir uns gesprochen, und sagst zu ihm (ehe ich zurück bin), du habest jene sehr schöne Gegend gefunden und dir vorgenommen, dorthin zu ziehen, so wird er dir erwidern, daß er auch zuvor schon diese Stätte entdeckt habe und entschlossen sei, hinzuziehen; dann sprichst du: ›O Freund Holgott, so bist du der erste und jener Stätte würdiger denn ich, aber ich bitte dich, laß mich bei dir wohnen, so will ich dir dort ein treuer Freund und Gefährte sein.‹«

Diesen Rat befolgte Vogel Mosam und flog eiligst zu Vogel Holgott hin, während das Weibchen an den ersten besten Teich flog und zwei Fische fing und heim trug, als seien es die heilsamen Wunderfische, und Vogel Holgott erwiderte auf den Antrag, daß ihm Mosams Gesellschaft wohlgefällig sei. Das Weibchen aber stellte sich, als wäre ihr ihres Mannes Nachgiebigkeit gegen ihren Freund nicht lieb, damit er ihre Verräterei nicht merke, und sagte: »Wir haben doch jene Stätte für uns allein erwählt, und ich besorge, wird Vogel Mosam mit uns ziehen, so folgen seine vielen Freunde auch nach, und zuletzt müssen wir weichen vor ihrer Überzahl.«

Darauf entgegnete ihr Mann: »Du hast recht; aber ich vertraue Mosam und hoffe, mit seinem Beistand werden wir uns der Zudringlichkeit erwehren, darum ist es vielleicht gut, daß dieser Freund bei uns wohne. Niemand vertraue allzuviel der eigenen Kraft und der eigenen Macht. Wir sind zwar mit die stärksten unter den Vögeln, aber Hilfe dienet dem Schwachen, zu überwinden den Starken, wie die Katzen den Wolf überwanden.«

»Wie war das?« fragte Holgotts Weibchen, und dieser erzählte ihr:

Von dem Wolf und den Maushunden

»Am Meeresgestade war eine Schar Wölfe, darunter war einer besonders blutdürstig, der wollte zu einer Zeit sich einen besondern Ruhm unter seinen Gesellen erwerben und ging in ein Gebirge, wo viele und mancherlei Tiere sich aufhielten, da zu jagen. Aber dieses Gebirge war umfriedet, und die Tiere waren da sicher vor andern Tieren und wohnten in Eintracht beieinander; darunter war auch eine Schar Maushunde oder Katzen, die hatten einen König. Nun war der Wolf mit List durch das Gehege gekommen, verbarg sich, fing sich jeden Tag eine Katze und fraß sie. Das war den Katzen sehr leid, und sie sammelten sich zur Beratung unter ihrem König; und da waren insonderheit drei weise, einsichtsvolle Kater, die berief der König in seinen Rat und fragte den ersten um sein Votum gegen den schädlichen Wolf. Der erste Kater sprach: ›Ich weiß keinen Rat gegen dieses große Ungeheuer, als uns in Gottes Gnade zu befehlen, denn wie möchten wir dem Wolf Widerstand tun? Der König fragte den zweiten Kater, und dieser sprach: ›Ich rate, daß wir gemeinschaftlich diesen Ort verlassen und uns eine andere ruhigere Stätte suchen, da wir hier in großer Trübsal, Leibes- und Lebensgefahr verweilen müssen.‹ Der dritte Kater aber sprach: ›Mein Rat ist, hier zu bleiben und des Wolfs halber nicht auszuwandern. Auch wüßte ich einen Rat, ihn zu überwinden.‹

 

›Sag ihn‹, gebot der König.

Und der Kater sprach weiter: ›Wir müssen acht darauf haben, wenn der Wolf sich neuer Beute bemächtigt hat, wohin er sie trägt und verzehrt, dann müssen du, o König, ich und unsre Stärksten, ihm nahen, als wollten wir das essen, was er übrig läßt, so wird er sich für ganz sicher halten und von uns sich nichts befürchten. Dann will ich auf ihn springen und ihm die Augen auskratzen, und dann müssen alle anderen über ihn herfallen, so daß er sich unsrer nicht mehr erwehren kann, und es darf uns dabei nicht irren, daß einer oder der andre von uns das Leben einbüßt oder Wunden davon trägt; denn wir erlösen dadurch uns und unsre Kinder von dem Feind, und ein Weiser scheidet nicht feig und furchtsam von seinem Vatererbe; nein, er verteidigt es mit Leibes- und Lebensgefahr.‹

Diesen Rat hieß der König gut. Darauf geschah es, daß der Wolf einen guten Fang getan hatte, den er auf einen Felsen schleppte, und da führten die Katzen ihre Tat aus, die der tapfere weise Kater angeraten; und der Wolf mußte schämlich unter ihren Krallen und zahllosen Bissen sein Leben enden.«

»Dieses Beispiel«, fuhr Vogel Holgott fort, »sage ich dir, liebes Weib, damit du begreifst, daß treue Freundschaft hilfreich ist, und darum nehme ich gern Vogel Mosam als meinen Freund und Gefährten mit.«

Als dieses das Weibchen hörte, jubilierte sie innerlich, daß ihr Anschlag so unverdächtig und nach ihres Herzens Wunsch ausging. Und da erhoben sich die drei Vögel nach jener lustigen Stätte; ließen im alten Nest die indes ausgebrüteten Jungen zurück, bauten dort Nester und wohnten dort friedsam und freundlich bei reichlicher Nahrung eine Zeit miteinander. Und Vogel Holgott, der alt und schwach wurde, und sein Weib hatten den Vogel Mosam viel lieber in ihren Herzen als er sie, wie sich gleich zeigen wird.

Es kam eine dürre heiße Zeit, daß alles verdorrte, der See austrocknete und die Fische starben; da sprach Vogel Mosam zu sich selbst: Es ist ein schönes Ding um treue Kameradschaft, und es ist löblich, wenn Freunde zusammenhalten. Aber ein jeder ist doch sich selbst der Nächste. Wer sich selbst nichts nütze ist, wie soll der andern nützlich sein? Wer künftigen Schaden nicht voraussieht und ihn meidet, der wird ihm nicht entgehen, wenn er da ist. Nun sehe ich voraus, wie mir die Gesellschaft dieser Vögel Schaden und Abbruch tun wird, da von Tag zu Tag die Nahrung sich mindert; und zuletzt werden sie mich verjagen. Mir aber gefällt es hier wohl, und ich könnte auch allein, ohne jener Gesellschaft, hier wohnen; da wäre es wohl gut, wenn ich ihnen zuvorkäme und mich ihrer entledigte, und zwar zuerst des Mannes, denn das Weib vertraut mir ganz, die zwinge ich dann ungleich leichter. Sie kann sogar den Mann töten helfen.

Mit solchen argen und schändlichen Gedanken flog Vogel Mosam zu dem Weibchen und nahte ihr ganz traurig und niedergeschlagen. Die fragte ihn: »Warum sehe ich dich so traurig, mein Freund?«

Und er antwortete: »Ich traure über die schwere Zeit und sehe schreckvoll daher schreiten des Hungers Gespenst. Und zumeist deinetwegen trauert mein Herz. Eines nur wüßt ich, das dir frommte, wenn mein Rat nicht unweise dir dünkt.«

»Welcher ist das?« fragte das Weibchen.

Und Mosam sprach: »Bande der Freundschaft sind mehr wert als Bande der Blutsverwandtschaft, denn diese ist oft schädlicher als Gift. Ein Sprichwort sagt: Wer eines Bruders mangelt, der hat einen Feind weniger, und wer keine Verwandten hat, der hat keine Neider. Ich will dir etwas ansinnen, das dir nützlich sein wird, liebe Freundin, obschon es dir hart ankommen wird, es zu vollbringen, und du wirst es mir als ein Unrecht auslegen, daß ich es dir offenbare, wenn auch es in meinen Augen geringfügig erscheint.«

Da sprach das Weibchen: »Deine Rede erschreckt mich, ich kann mir nicht denken, was du meinst, und glaube nicht, daß du mir Übles raten wirst. Doch wäre mir ein leichtes, den Tod zu erleiden um deinetwillen; darum so sprich! Denn wer nicht sein Leben einsetzt für einen treuen Freund, der ist sehr töricht, denn ein Freund ist immer nützlicher als ein Bruder oder als Kinder.«

Jetzt sprach Mosam mit Arglist: »Mein Rat ist, daß du suchtest, deines alten schwachen Mannes los und ledig zu werden, für den du so mühevoll sorgen mußt; da wird dir Glück und Heil zureifen und mir mit dir! Und frage nicht nach der Ursache dieses Rates, bis du ihn vollzogen hast, denn hätte ich nicht guten Grund dazu, so glaube mir, würde ich dir solches nicht anraten. Ich schaffe dir schon einen bessern und jüngern Mann, der dich immer lieben und beschützen wird. Und tust du nicht nach meinem Rat, so wird es dir gehen wie jener Maus, die auch guten Rat verachtete.«

Da fragte das Vogelweib: »Wie war das mit jener Maus?«

Und Mosam erzählte:

Die Katze und die Maus

»Es war einmal ein Mann, dem taten die Mäuse in seiner Speisekammer vielen Schaden, da nahm er eine Katze an, damit sie die Mäuse vertreibe und vertilge. Nun war unter den Mäusen eine recht große, die war auch stärker als die andern, und wie sie wahrnahm, was geschehen war, da suchte sie eine Gelegenheit, wo sie von einem sichern Ort aus mit der Katze sprechen konnte, und sagte zu dieser: ›Ich weiß, daß dein Herr dich bestellt hat, mich und meine Freunde zu vertreiben und zu töten. Nun freut es mich, deine Bekanntschaft zu machen, und ich möchte mich deiner Gunst empfehlen und guten Frieden mit dir halten.‹

Sprach die Katze: ›Es freut mich ausnehmend, dich kennenzulernen, und es wird mir äußerst schätzbar sein, wenn du mich mit deiner Freundschaft beehren willst. Auch wäre dein Umgang mir der erwünschteste, allein ich darf dir nichts versprechen, was ich dir nicht zu halten vermag. Siehe, verehrteste Maus, mein Herr hat mich zum Bewahrer seines Hauses gesetzt, daß du und deine Sippschaft ihm nicht länger Schaden zufügst, schonte ich nun deiner, so würde es heißen: Das ist eine schlechte Katze! Darum meide entweder, meinem Herrn zu schaden, oder meide das Haus und suche dir einen andern dir genehmen Aufenthalt.‹

Die Maus sprach: ›Ich habe dich höflich gebeten, und so bitte ich nur noch, verzeihe mir meine Freiheit und schenke mir deine Freundschaft.‹

›Ja‹, sprach die Katze, ›du bist mir lieb und wert, wie soll ich aber die Freundschaft zu dir vereinigen mit meiner Pflicht bei dem Schaden, den deine Gesellen meinem Herrn zufügen? Lasse ich euch leben, so tötet er mich, das ist billig. Darum, so gewähre ich dir drei Tage Frist, in welcher Zeit du dich nach einer andern Wohnung umtun magst.‹

Die Maus erwiderte: ›Sehr schwer und ungern trenne ich mich von dieser Wohnung; ich werde mich hüten, dir zu nahe zu kommen, und hierbleiben, so lange es mir gefällt.‹ Die Katze schonte die Maus, ihrem Wort getreu, drei Tage lang, da wurde diese ganz sicher und tat nun gar nicht mehr, als sei eine Katze im Hause vorhanden; als die drei Tage herum waren und die Maus wieder ganz unbesorgt aus ihrem Löchlein lief, da lag die Katze im Winkel der Speisekammer und lauerte, sprang zu und fing und fraß die Maus mit Haut und Haaren.«

»Das ist ein Gleichnis«, fuhr Vogel Mosam fort, »an dem du sehen kannst, daß nicht ziemt dem Verständigen, zu verachten der treuen Freunde Rat. Und das Sprichwort sagt, daß der Freunde Rat oft gleiche bittrer Arznei, die doch heilsam ist und das Siechtum bannt.«

Das Vogelweib bedachte sich lange und schwankte, was sie tun solle, und wie es zu vollbringen sei, daß auch kein Schein böser Tat auf sie fiele. Da riet der falsche Freund, sie solle einen Fisch nehmen, durch den die Fischer zur Lockung großer Fische eine spitze Angel gesteckt, und den dem Mann unter die andern Fische, die er speise, legen, so werde er daran erwürgen. Das tat das Weib, und weil Vogel Holgott alt war und nicht selbst mehr Fische fing und sein Weib ihn bisweilen Hunger leiden ließ, so schluckte er gierig den Fisch mit dem Angelhaken in sich hinein und erwürgte daran, und wie das geschah, so verfluchte er die, die ihn so schmählich dem Tod geweiht. Als das geschehen war, lebte der Vogel Mosam noch eine kurze Zeit mit dem ungetreuen Weibe, aber weil die Nahrung immer seltener wurde, so begann er ihrer sehr überdrüssig zu werden und stürzte sich auf sie, sie zu töten. Da flogen gerade ihre Söhne daher, die kamen, um ihre lieben Eltern zu besuchen, und fielen herab auf den Vogel Mosam, als schon ihre Mutter im Sterben lag, die ihnen alles bekannte und verschied. Da hackten sie mit ihren spitzigen Schnäbeln dem Vogel Mosam die Augen aus, ließen ihn elendiglich verhungern und rächten so den Doppelfrevel, der von ihm an ihren Eltern begangen worden war.

Das Rebhuhn

Es war ein reicher Jude, der reiste durch ein Königreich und trug mit sich einen großen Schatz an Geld und Gut. Da ihn nun sein Weg durch einen großen Wald führen sollte, fürchtete er sich, daß er um seines Geldes willen darin etwa sein Leben lassen müsse, und ging daher zu dem Könige des Landes, reichte ihm ein Geschenk dar und bat, daß der König ihm einen sichern Mann mitgebe zum Geleite durch den Wald und durch sein ganzes Reich.

Da gebot der König seinem Schenken, dem Juden das Geleit zu geben, und dieser tat, was ihm geboten war, und geleitete den Juden.

Als nun diese beiden in den Wald gekommen waren, da gelüstete dem Schenken nach dem Schatz des Juden, und er stand still auf dem Weg und sprach zu ihm: »Gehe voran!« Der Jude erschrak, ahnte des Schenken böse Absicht und wollte nicht vorangehen. Der Schenke zog alsbald sein Schwert aus der Scheide und rief: »Jud, so mußt du hier von meiner Hand sterben!«

»O lieber Schenke, tut das nicht!« rief der Jude, »solche Mordtat an mir würde nicht verborgen bleiben! Und ob heimlicher Mord von allen Menschen ungesehen vollzogen wird, so werden ihn die Vögel offenbaren, die unter dem Himmel fliegen!«

Wie der Jude das noch sprach, flog eben ein Rebhuhn im Walde auf und über ihnen beiden hin. Da hohnlachte der Schenke und sprach spöttisch: »Hab acht, Jud, das Rebhuhn wird‘s dem Könige sicherlich ansagen, daß ich dich hier ermordet.«

Und so ermordete der Schenke den Juden im Walde, nahm ihm all sein Geld und seinen Schatz, den er bei sich trug, begrub ihn heimlich und ging wieder zu Hofe.

Und es verging ein ganzes Jahr nach des Schenken ungetreuer Tat, da geschah es, daß dem Könige Rebhühner geschenkt wurden, die gab der Schenke dem Koch, ließ sie wohl bereiten und brachte sie zur Tafel. Und wie er die Rebhühner vor den König hin auf den Tisch stellte, dachte er an den Juden, den er ermordet hatte, und an dessen letzte Rede von den Vögeln und mußte lachen. Der König sah es und fragte, worüber er lache. Der Schenk aber gab dem Könige eine falsche Ursache seines Lachens an.

Nachher über vier Wochen geschah es, daß der König seinen Amtleuten und Dienern ein Gastmahl gab, dabei war auch der Schenke, und der König selbst war sehr fröhlich und heiter, scherzhaft und lustig und ließ so viel Wein und edle Getränke auftragen, daß etliche seiner Diener trunken wurden.

Und da alle so lustig waren, sprach der König zum Schenken: »Lieber Schenk, jetzt sage mir die freie Wahrheit, worüber hast du gelacht unlängst, da du mir die Rebhühner auftrugst, denn du hast mir damals nicht mit wahren Worten berichtet!«

Der Schenk war trunkenen Mutes, denn wenn der Wein eingeht, geht die Weisheit aus, und sprach: »Ei, mein Herr König, als der Jude schrie, die Vögel würden seine heimliche Ermordung offenbaren, die unter dem Himmel fliegen, da flog eben ein Rebhuhn in die Höhe, dessen mußte ich gedenken und darüber lachen.«

Der König schwieg auf diese Rede still, ließ sich nichts merken und tat, als sei er nicht in seiner Fröhlichkeit gestört. Aber des andern Tages ging er zu Rate mit seinen heimlichen Räten und sprach also zu ihnen: »Was hat der verschuldet, der von des Königs wegen einen durch das Reich sicher geleiten sollte und hat denselben selbst ermordet und beraubet?«

Darauf antworteten die Räte einstimmig: »Der hat den Galgen verdient!« Darauf saß der König öffentlich zu Gericht, bestellte einen Kläger, der den Schenken anklagte, und da er seine Tat vor Zeugen im Rausche erzählt, so mußte er sie auch vor Gericht bekennen und wurde zum Galgen verurteilt. So ward der heimliche Mord durch die Rebhühner kund und offenbar.