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Die schönsten Märchen

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Die dankbaren Tiere



Es reiste einst ein Pilger über Land, der kam auf seinem Wege durch den Wald an eine Wolfsgrube und nahm wahr, daß etwas Lebendiges darin sei. Und wie er hinunter blickte, so sah er darin einen Menschen, der war ein Goldschmied, und bei ihm waren ein Affe, eine Schlange und eine Ringelnatter; die waren alle drei unversehens in die Grube gefallen. Da gedachte der Pilger bei sich: Übe Barmherzigkeit mit den Elenden und hilf den Menschen von seinen Feinden. Da warf er ein Seil in die Grube und hielt das eine Ende fest in der Hand, willens, den Goldschmied heraufzuziehen, schnell sprang aber der Affe zu, kletterte herauf und sprang aus der Grube. Zum andern Mal warf der Waller das Seil hinab, da ringelte sich die Natter daran empor. Und beim dritten Mal erfaßte die Schlange das Seil und kam auch zu Tage. Diese drei Tiere dankten dem Waller für seine Güte und sprachen zu ihm: »Was du uns Gutes getan, das wollen wir dir wieder zu vergelten suchen, und wann dich dein Weg in unsre Nähe trägt, so magst du auf uns rechnen, daß wir nach Kräften dir zu Diensten sind; sei aber treulich gewarnt vor dem Menschen da drunten, denn nichts, was da lebt, ist so undankbar wie er. Dieses haben wir erfahren und sagen es dir an, daß du wissest, dich zu verhalten.«



Damit schieden die drei Tiere von dem Pilger, dieser aber gedachte an seine Pflicht, daß dem Menschen zieme, dem Menschen zu helfen, und warf das Seil wiederum in die Grube und zog den Goldschmied heraus. Dieser bedankte sich mit vielen Worten für die Gnade und Barmherzigkeit, die der Pilger an ihm getan, und bat, ihn ja in der Königsresidenz, wo er wohne, zu besuchen, und verließ ihn.



Auf seinem Weiterwege kam der Waller in die Nähe der Residenz und an den Ort, wo der Affe, die Natter und die Schlange wohnten. Die freuten sich, und der Affe brachte dem Waller, der sehr ermattet war, Obst und süße Feigen, die Natter zeigte ihm eine kühle, angenehme Grotte, wo er ruhen und rasten konnte, und legte sich davor und bewachte seinen Schlaf, denn niemand wagte sich dorthin, wo die große Natter lag. Die Schlange aber schlüpfte in die Königsburg und stahl dort einige goldne Kleinode, die gab sie dem Waller zur Verehrung, sagte ihm aber nicht, woher sie dieselben hatte. Als dieser von den Tieren aufbrach, ging er in die Königsstadt und suchte den Goldschmied auf; dem zeigte er die Kleinode und bot sie ihm zum Kaufe an. Der Goldschmied sah, daß sie des Königs Eigentum waren, schwieg still, ging zum König und zeigte an, daß er den Dieb dieser Kleinode in seinem Hause gefangen habe. Dafür empfing er eine stattliche Belohnung, und der König sandte seine Häscher, die fingen den Waller, schlugen ihn, führten ihn durch die Straßen und hinaus zum Galgen, um ihn zu henken. Da gedachte der alte Mann auf dem Wege an die Warnung der Tiere und seufzte laut: »O hätte ich euren Rat befolgt, ihr getreuen Tiere, so wäre diese Trübsal mir nicht beschieden worden!«



Nun hatte die Schlange just ihre Wohnung an dem Weg, der zum Hochgericht führte, und hörte die Klagerede des unschuldigen Mannes, an dessen Unglück sie mit schuld war, und betrübte sich und dachte darauf, wie sie ihm helfe. Da nun der Königssohn, ein junger Knabe, auch des Weges geführt ward, damit er des Diebes Strafe zusehe, kroch sie hin und biß ihn in das Bein, daß es bald aufschwoll. Da blieb alles Volk erschrocken stehen, und man sandte eiligst nach Ärzten und nach Astrologen, wo möglich zu helfen. Die Ärzte brachten Theriak herbei, eine Arznei, die gepriesen war gegen den Schlangenbiß, er half jedoch nichts. Die Astrologen aber lasen in den Sternen, daß der zum Tode geführte Waller unschuldig war, und der Königsknabe rief selbst mit heller Stimme: »Bringt mir den Pilger her, daß dieser seine Hand auf meine Wunde und meine Geschwulst lege, so werde ich heil sein!«



Da wurde der Pilger vor den König geführt, der fragte nach seinen Schicksalen, und der Pilger erzählte dem König alles treulich, von den guten dankbaren Tieren und des Goldschmieds, den er vom Tod errettet, schändlichem Undank. Und dann hob er Hände und Augen zum Himmel und flehte: »O allmächtiger Gott, so wahr es ist, daß ich unschuldig bin an dem Diebstahl, so wahr wird meine Hand diesen Menschen heilen!« Und da wurde von Stund an der Königssohn gesund. Als das der König sah, ward sein Herz froh und freudevoll, und er ehrte den Pilger mit köstlichen Gaben, ließ ihm auch alle Kleinode, um derentwillen der Pilger Todesangst ausgestanden hatte, und ließ zur Stelle den Goldschmied henken, zur Strafe seines großen und schwarzen Undanks.





Die vier klugen Gesellen



Es waren einmal vier Reisegesellen, die wanderten miteinander und hatten sich ganz zufällig auf dem Wege getroffen. Der eine von ihnen war ein Königssohn, der zweite ein Edelmann, der dritte ein Kaufmann, der vierte ein Handarbeiter. Allen vieren war die Barschaft ausgegangen, wie das bisweilen Reichen und Armen auf Reisen zu gehen pflegt, und sie hatten nichts als die Kleider, die sie auf dem Leibe trugen; ihre Säckel waren leer. Wie sie sich nun einer großen königlichen Residenz näherten und mächtigen Hunger verspürten, so warfen sie die Frage auf, woher sie Geld und Nahrung bekommen würden. Und da sprach der Königssohn: »Wir mögen ratschlagen, wie wir wollen, so geht es doch allein den Weg, den Gott geordnet hat, und wer an Gott hangt mit getreuer Hoffnung, der wird nicht verlassen.«



Da sprach der Kaufmann: »Vorsichtigkeit mit Vernunft gepaart geht über alles.«



Und der Edelmann: »Eine kräftige wohlgestalte Jugend ist noch mehr wert.«



Darauf bemerkte der Wandergesell, der ein Handarbeiter war: »Nach meinem geringen Verstand halte ich dafür: Sorgsamkeit mit Übung sei das Beste.«



Wie unter solchen Gesprächen die vier Reisegefährten gegen Abend in die Nähe jener Stadt gekommen waren, ruheten sie vor dem Tore aus, und da sprachen die drei andern zu dem vierten, dem Wandergesellen: »Du rühmst vor allen Sorgsamkeit, ei, so gehe du hin und trage Sorge, daß wir alle diese Nacht unsre Speisen bestreiten!«



»Das will ich tun«, antwortete der Arbeiter, »wenn ein jeder hernach auch tun will nach seiner Lehre, daß es uns allen frommt.« Das verhießen ihm die Gefährten, und so ging jener in die Stadt hinein und befragte sich, was wohl ein Mann tun müsse, um so viel zu verdienen, daß vier Männer sich einen Tag lang sättigen könnten. Da beschied man ihn, nichts sei einträglicher, als Holz zu tragen, denn Holz sei teuer, der Wald weit und die Stadtleute seien bequem. Da ging der Mann eilend in den Wald, band sich eine tüchtige schwere Bürde Holz zusammen, trug es in die Stadt, empfing dafür zwei Silberpfennige, wofür er für sich und seine Gesellen Speise und Trank bestreiten konnte, und schrieb überaus freudig mit Kreide an das Tor der Herberge, worin sie übernachteten: Die Sorgsamkeit des Redlichen hat durch Übung seiner Kraft an einem Tage zwei Silberpfennige gewonnen.



Am andern Morgen sprachen die drei Gesellen zum vierten, dem Edelmann: »Nun schaue und siehe zu, daß du uns heute mit Speise versorgst, und nimm deine Schönheit und Jugendkraft, und was du sonst weißt, dabei zu Hilfe.« Der ging auf die Stadt zu und dachte bei sich: Arbeiten kannst und magst du nicht und weißt auch sonst nichts anzufangen. Und doch wäre es dir eine Schande, mit leerer Hand zu deinen Gefährten zurückzukehren. Und stellte sich in trüben Gedanken an die Säule eines Hauses, willens, sich mit Kummer von seinen Wandergesellen zu scheiden. Da ging eine junge, schöne und reiche Witwe vorüber, sah die jugendliche Wohlgestalt des Edelmanns und wünschte zu erfahren, von wannen er sein möge. Sie sandte ihre Dienerin, ließ ihn zu Gaste bitten, erfuhr seine Umstände und befreundete sich so mit ihm, daß sie ihm, als er von ihr schied, hundert Goldpfennige verehrte. Da kehrte er mit reicher Zehrung zu den Kameraden in die geringe Herberge vor dem Tore zurück und schrieb an die Pforte: Mit frischer Jugend gewann einer eines Tages einhundert goldner Pfennige.



Nun am dritten Tage sprachen die drei zu dem Kaufmann: »Heute ziehe du hin und gewinne mit deiner Vorsichtigkeit, die mit Vernunft gepaart ist, uns auch einen guten Tag und erwünschte Zehrung.«



Da ging der Kaufmann fort und durch die Stadt, welche am Meere lag, hinab nach dem Hafen; da legte sich eben ein Kauffahrer im Hafen vor Anker, und die Kaufleute begrüßten den Patron des Schiffes, fragten nach seinen Waren und wollten mit ihm handeln, aber dieser forderte ihnen allen zu viel, und sie konnten sich nicht mit ihm einigen. Da sprachen sie untereinander: »Wir wollen ihm jetzt nichts weiter bieten; in kurzer Frist gereut ihn seine hohe Forderung, und wenn auch seine Waren so viel wert sind, so ist doch außer uns keiner, der Belieben trägt, sie zu kaufen.« Und da gingen jene Kaufleute von dem Patron weg. Der arme Kaufmann aber, welcher der Sohn eines reichen Kaufmanns war, ging zu dem Patron hin, entdeckte sich ihm, nannte ihm den Namen seines Vaters und kaufte ihm die ganze Schiffsladung um fünfzigtausend Gulden ab. Bald kehrten die Kaufleute noch einmal zurück, und weil sie die Waren brauchten, so bezahlten sie dem Käufer fünftausend Gulden Gewinn und bezahlten die Kaufsumme für die Waren. Da ging der junge Kaufmann fröhlich zu seinen Gesellen und schrieb an das Tor, wo die Schrift der Gefährten schon stand: Durch Vorsicht und Vernunft hat ein Mann eines Tages fünftausend Gulden gewonnen. Und hielt nun mit seinen Gesellen ein stattliches Freudenmahl.



Am folgenden Morgen sprachen nun die drei zu dem Königssohn, dessen Herkunft sie nicht kannten: »Gesell, es ist an dir, daß du hingehest und uns mit Speise und Trank versorgst. Siehe zu, was Gott dir und deiner getreuen Hoffnung beschert, und möge es reichlich ausfallen!«



Da machte sich der Königssohn auf den Weg in die Stadt und dachte: Was sollst du tun und beginnen? Du hast keine Arbeit gelernt, hast keine Jugend-Schönheit, hast keinen reichen Kaufmann zum Vater und bist nicht klug und nicht vorsichtig. Du hast nur dein Vertrauen auf Gott, und Gott wird dir helfen. Da setzte sich der Königssohn an die Straße auf einen Stein und versank in tieftrübe Gedanken.

 



Es war aber in dieser Königsstadt der König abermals gestorben, und man führte an diesem Tage seine Leiche aus der Stadt in ein nahes Kloster, und alles Volk folgte dem Zuge. Der Königssohn aber saß so vertieft in Nachdenken über das widerwärtige Schicksal, welches er erfahren hatte, daß ihn nichts kümmerte, was außer ihm vorging, und so versäumte er aufzustehen, als der Zug mit der königlichen Bahre vorüberging. Da trat ein Gewaltiger hinzu, der ergrimmte über diese Unschicklichkeit, gab dem Königssohn einen Backenstreich und sprach, indem er ihn von dem Stein stieß, auf dem er saß: »Du verwünschter Bösewicht! Trägst du keine Trauer im Herzen über des Königs Tod, den alle beweinen? Hinweg mit dir!«



Der Königssohn ließ schweigend den Zug vorübergehen, und als dieser zurückkam, da saß er wieder auf dem Stein, traurig und in gedankenvollem Sinnen. Da trat jener Gewaltige ihm wieder zornig nahe und fuhr ihn mit harter Rede an: »Sagte ich dir nicht vorhin, du solltest dich hier nicht mehr finden lassen?« Und er winkte den Schergen und ließ ihn in einen Kerker führen. Dort saß er, doch mit voller Hoffnung zu Gott, daß dieser ihn erlösen werde. Und als darauf das Volk zusammentrat, einen neuen König zu wählen, weil der vorige ohne Erben verstorben war, so sprach jener Gewaltige, daß er einen Mann im Kerker habe, der ein Verräter scheine, und man solle ihn öffentlich verhören und Recht über ihn sprechen. So wurde der Gefangene über alles Volk gestellt und gefragt, wie und warum er in dieses Land gekommen sei. Und er sprach: »Wisset, daß ich eines Königs Sohn bin« (und nannte den Namen seines Vaters), »und da mein Vater starb, so fiel an mich das Reich; aber mein jüngerer Bruder hatte mehr Anhang, darum drängte er mich vom Throne, und weil ich besorgen mußte, daß er mich töte, so bin ich entwichen aus meinem Erbe und in dieses Land gekommen.«



Unter dem Volke, welches dies hörte, waren viele Männer, die hatten des Königssohn Vater gekannt und hatten auch in jenem Reiche gewandelt. Die sagten aus, daß jener König ein gerechter und frommer Mann gewesen und daß sein älterer Sohn auch fromm und tüchtig sei, und einige schrien: »Vivat! Es lebe der König!« Und da schrien die andern auch so: »Vivat! Es lebe der König!« und wählten den Königssohn zu ihrem Herrn. Da wurde er erhoben und im Triumph durch die Stadt geführt, nach des Landes Brauch und Sitte, und auch um die Stadt, und da kam er mit der Menge an die nahe Herberge, wo er mit seinen Wandergesellen gehaust und an deren Pforte die drei Denksprüche seiner Gefährten standen, und sah sie an und befahl, dazu zu schreiben: Fleißige Sorge, kräftige Jugend, vorsichtige Vernunft und was dem Menschen Gutes und Böses begegnet, das kommt alles von Gott, wie es die Menschen verdienen.



Da wunderten sich alle über den Sinn des neuen Königs, freuten sich ihrer Wahl und erkannten, daß Gott ihnen diesen Herrscher gesendet habe. Als nun der König in den Thronsaal geführt ward und auf dem Stuhle des Königtums saß, da sandte er nach seinen Wandergesellen und sammelte um sich alle Edlen des Reichs, alle Weisen und alles Volk, so viel der Saal fassen konnte, und sprach: »Gepriesen sei Gott, der König der Könige, und Dank seinem heiligen Namen! Meine lieben Gefährten glaubten nicht, daß Gott unsre Schritte lenkt, nun müssen sie aber das an mir erkennen, denn weder die Kraft des Leibes, verbunden mit tätiger Sorgfalt, noch die Jugendkraft und Wohlgestalt, noch Handelswitz und Weisheit haben mir zum Throne verholten. Nie hoffte ich von dem Tage an, als ich durch meinen Bruder aus dem Reich verstoßen wurde, solcher Ehren und Würde wieder teilhaft zu werden; arm und im Pilgerkleid kam ich hierher, aber Gottes Hand war es, die mich führte, Gott war es, der mich erhöhte, an dem mein Herz mit treuer Hoffnung gehangen!«



Auf diese Rede erhob sich ein Mann aus dem Volke und sprach: »Nun hören wir erst, wie würdig du, o König, dieses Reiches bist, da Gott dir so viel Weisheit und Vernunft verliehen hat. Wir werden mit dir, als einem weisen König, wohl beraten sein, denn seine Treue führte dich nicht ohne Ursache zu jener Gesellschaft. Ihm sei Lob und Dank!«



Da stimmte das Volk freudig bei, und der König nahm wieder das Wort und redete: »Als ich vertrieben war, diente ich unerkannt eine Zeitlang einem Edelmann, allein ich fand mich bewogen, den Dienst zu verlassen, und als ich meinen Lohn empfing, so blieben mir nach dem, was ich für meine Kleider zu bestreiten hatte, nur zwei Pfennige. Da dachte ich in meinem Sinn: Einen Pfennig willst du Gott opfern und einen zu deiner Notdurft verwenden. Da begegnete ich einem Vogelhändler, der trug ein Turteltauben-Paar zu Markt, und ich dachte: Nicht besser kann der Mensch Gott dienen, als wenn er ein Geschöpf vom Tod erlöst, und da feilschte ich um die beiden Tauben, und da der Vogler mir beide nicht um einen Pfennig geben wollte, so dachte ich bei mir selbst: Läßt du die eine gefangen, so sind sie voneinander getrennt, und das ist ihnen der schlimmste Dienst. Da gab ich meine beiden Pfennige hin um die zwei Tauben, trug sie auf einen weiten Acker und ließ sie hinfliegen. Da flogen sie auf den Ast eines wilden Birnbaumes, unter dem ich stand, und wie ich wieder von dannen gehen wollte, so hörte ich, daß die eine Taube zu ihrer Freundin sprach: ›Dieser Mann hat uns vom Tod erlöst und uns unser Leben um all sein Gut, so viel er hatte, erkauft. Wir sind ihm Dank und Wiedervergeltung schuldig.‹ Und da riefen mir die Tauben und sagten: ›Du hast an uns große Barmherzigkeit geübt, und es ist unsere Pflicht, daß wir dir wieder vergelten. Unter dieses Baumes Wurzeln liegt ein großer Schatz, grabe nach, so wirst du ihn finden.‹ Ich grub und fand den Schatz und bewahrte ihn, lobte Gott und bat ihn, die guten Tauben in seinen Schutz zu nehmen und sie vor allem Übel zu bewahren, dann aber sprach ich zu ihnen: ›Wenn doch eure Vernunft und Weisheit so groß sind, und da ihr sogar zu fliegen vermögt, wie kam es denn, daß ihr in die Haft des Mannes geraten seid, aus dessen Händen ich euch kaufte?‹ Darauf antworteten die beiden Turteltauben: ›O du weiser Frager! Weißt du nicht, daß der Flug der Vögel, die Schnelle der Rehe, die Stärke der Stiere nichts vermag gegen das Verhängnis oder die göttliche Anordnung? Dagegen vermag sich keine Kreatur zu schützen, und so wenig wie ein Geschöpf unsrer Art, so wenig kann auch der Mensch auf Erden göttlicher Schickung entrinnen.‹«



Als der König den Edlen und dem Volke ausgelegt hatte, wie er zu einem ruhevollen Gottvertrauen gelangt sei, wurde er aufs neue gepriesen, und er bestellte, daß seine Wandergesellen in der Nähe blieben. Den Edelmann machte er zu einem Herrn am Hofe, den Kaufmann setzte er über die Einkünfte des Reiches, und den Handarbeiter machte er zum Oberaufseher der Gewerbe, und so war durch Verstand, Vernunft, Klugheit und Gottvertrauen ihrer aller Glück begründet.





Rupert, der Bärenhäuter



Es war einmal ein Bursch von stämmigem Bau, der schaute trutziglich in die Welt und hatte Mut, mit aller Welt anzubinden, ging dieserhalb unter die Soldaten und schlug sich wacker und tapfer mit dem Feind herum, bis man Frieden machte und den Soldaten ihren Abschied gab, daß sie hingehen konnten, woher sie gekommen waren, oder wohin sie sonst wollten. Da dachte Rupert: Ich will zu meinen Brüdern gehen — denn Eltern hatte er nicht mehr — und wollte bei ihnen bleiben, bis wieder Krieg wäre. Die Brüder aber sagten: »So einer fehlte uns eben, der auf den Krieg wartet — ei, warte du! Wir wollen nichts wissen von Krieg und von Kriegern, wir wollen Ruhe haben! Hast du dich im Kriege durchgeschlagen, so schlage dich auch im Frieden durch; vor der Türe ist dein, daß du es weißt!«



Da gab der Soldat Rupert seinen Brüdern kein einziges gutes Wort, nahm seinen Schießprügel und ging wieder fort in die Welt — und kam in einen großen Wald und sprach zu sich: Es ist schändlich, einen tapfern Burschen und Kriegsmann so fortzuschicken mitten in den Frieden hinein, mit dem unsereiner doch auf der Gotteswelt nichts anzufangen weiß. Ich muß Krieg haben! Wenn nur einer käme, mit dem ich anbinden könnte, und wann‘s der Teufel selber war! — Und wie Rupert das dachte, lud er sein Gewehr und tat einen starken Schuß hinein mit doppelter Ladung und auch zwei Kugeln. Da kam ein großer Mann durch den Wald auf Rupert zu, hatte einen schwarzen Schlapphut auf, mit roter Hahnenfeder darauf, eine krumme Habichtsnase, einen fuchsfeuerroten Bart und einen grünen Jägerrock an und fragte: »Wo hinaus, Gesell?«



»Was habt Ihr danach zu fragen?« fragte Rupert grob zurück, weil er gern anbinden wollte mit dem ersten besten.



»Hoho! Nur nicht so patzig!« rief der Grüne mit dem Schlapphut und der roten Hahnenfeder. »Fehlt dir was, so kann ich helfen!«



»Mir fehlt es bloß am besten, am Geld!« antwortete Rupert.



»Solltest Geld die Fülle haben, wenn du Mut hättest!«



»Mut? Sappernunditjö! Herr, wer sagt Ihm, daß ich keinen Mut habe? Ich, ein Soldat, und keinen Mut? Mut wie der Teufel!«



»Schau um dich!« sprach der Grüne.



Und da schaute Rupert um, da stand ein Bär hinter ihm, schier so groß wie ein Nashorn und sperrte den Rachen auf und brüllte und kam, auf den Hinterbeinen gehend, auf Rupert zu — der aber nahm sein Gewehr, legte an und sagte:



»Willst du eine Prise Schnupftabak? Da hast du eine Prise!« — und schoß dem Bär die doppelte Ladung in seine Nase hinein, in jedes Loch eine Kugel, die bis ins Hirn drang — und da tat der Bär einen mächtigen Satz und einen lauten Brüll, fiel um und war hin.



»Schau, schau, Mut hast du, wie ich merke!« sagte der Grüne im Schlapphut mit der roten Hahnenfeder, »und so sollst du auch Geld von mir haben, so viel du nur willst, doch unter einer Bedingung!«



»Die möcht ich hören!« sprach Rupert, der längst gemerkt hatte, mit wem er‘s zu tun, denn zu dem einen Stiefel hatte der Schuster, wie es schien, ein absonderliches Maß genommen, gerade als wenn er einem Pferd einen Stiefel gemacht. »Soll‘s etwa die Seligkeit sein — so dank ich schönstens!« fuhr Rupert fort.



»Dummer Kerl!« entgegnete der Waldjäger, »was habe ich von deiner Seligkeit? Die kannst du für dich behalten, an der liegt mir gar nichts. Nein, das ist meine Bedingung, daß du in den nächsten sieben Jahren dich nicht wäschst, nicht kämmst, dir nicht den Bart scherst, die Nägel nicht schneidest, in keinem Bette schläfst und kein Vaterunser betest, was ohnehin nicht deines Kriegshandwerks Sache ist. Dafür gebe ich dir Rock und Mantel, die du aber auch einzig und allein in diesen sieben Jahren tragen mußt. Stirbst du innerhalb dieser Zeit, so bist du mein; bleibst du am Leben, so habe ich kein Teil an dir, du aber hast Geld nach wie vor und kannst damit anfangen, was du willst, und ich putze dich wieder sauber, und sollt es mit meiner Zunge sein.«



»So — und das alles nennst du eine Bedingung?« fragte Rupert. »Mich dünkt, es wären ihrer schier ein Dutzend, doch es sei darum, ich will es probieren, probiert geht über studiert!«



»Topp!« sagte der Teufel und zog den grünen Rock aus und zog auch sehr geschwind dem toten Bären das Fell ab und fuhr fort: »Hier ist dein Rock, hier sind dein Mantel und deine Bettdecke. In die Rocktasche brauchst du nur zu greifen, so findest du Geld, und die Bärenhaut, mit der deckst du dich, du Bärenhäuter du; das ist der schönste Faulpelz, den einer sich nur wünschen kann, der die Taschen voll Geld hat und daher nicht nötig, etwas zu tun.«



Als Rupert den grünen Rock angezogen hatte, griff er vor allen Dingen in die Tasche, um zu sehen, ob es auch wahr sei mit dem Gelde, denn er traute dem Teufel nicht, dieweil dieser ein Vater der Lügen genannt wird. Da aber die Tasche sich als ein nimmerleerer Fortunatussäckel erwies, so hing Rupert seine Bärenhaut um und ging ohne Adieu vom Teufel hinweg, denn dieser war indes verschwunden.



Rupert lebte nun in den Tag hinein, ließ den lieben Gott einen guten Mann sein und den Teufel auch einen guten Mann, ließ seinen Bart stattlich wachsen, daß er ganz wahlfähig in irgendeinem deutschen oder polnischen Reichstag erschien, denn die Kraft steckt im Haar, das lehrt bereits die Geschichte Simsons, und brachte es dahin, daß er schon im zweiten Jahre aussah wie ein Schubut und Waldschratt, zumal auch seine Fingernägel außerordentlich aristokratisch-vornehm noch über das chinesische Maß hinaus gewachsen waren. Die Leute wichen ihm aus, wenn sie ihn von weitem sahen oder rochen, denn obwohl er keinen Tabak rauchte, so roch er doch schon von weitem viel ärger als ein Wiedehopf, der überhaupt mit Unrecht als Stinkhahn verschrien ist, denn der Wiedehopf selbst stinkt gar nicht, nur seine Unreinlichkeit und das, womit er umgeht, bringen ihn in so schlimmen Ruf.

 



Nun gab aber der Bärenhäuter den Armen immer viel Geld, damit sie beten sollten, daß er die sieben Jahre überdaure, und die Armen nahmen gern das Geld und versprachen, recht fleißig zu beten. Ob sie‘s getan haben, weiß ich nicht, und die Wirte nahmen ihn auch gern auf, da er viel aufgehen ließ, und überhaupt steht baumfest, daß, wenn einer nur Geld hat und es aufgehen läßt, da darf er ungescheut der ärgste Bärenhäuter sein, er findet stets Anhang und Anklang und Anerkennung, aber Geld gehört ein für allemal dazu.



Nun ging die Bärenhäuterei schon in das vierte Jahr, und der Bärenhäuter hatte sie satt, denn er gefiel sich selbst nicht mehr, geschweige andern; im Gesicht schleppte er einen sehr belebten Urwald von Haarmoos herum, an den Fingern waren ihm Mistgabeln gewachsen, und sonderlichen Spaß hatte er auch nicht, trotz allen Geldes. In den Wirtshäusern gab man ihm stets die hintersten und höchsten Zimmer, drei, vier, fünf Treppen hoch und immer nahe bei den Retiraden. Einst saß er nun so ganz verdrießlich in seinem Zimmerchen, sann über sein Schicksal nach und wünschte sehnlichst seine Zeit herum, wo er einen neuen Menschen an- und den Schweinigelsbart samt den Galgennägeln an den Fingern ablegen wollte, da hörte er nebenan jemand ächzen und krächzen zum Steinerbarmen.



Gleich ging er hinüber, dem Nachbarn beizustehen, denn der Bärenhäuter hatte von Natur ein mildes und gutes Herz. Da saß ein wehklagender und jammernder alter Mann, der dachte, als der Bärenhäuter kam, der Böse sei es und wollte ihn holen, denn der Bärenhäuter sah dem Teufel viel ähnlicher als sonst einem Geschöpf Gottes, doch ließ er sich endlich besänftigen und bewegen, seine Not zu klagen. Diese Not war nun gerade dieselbe, die des Bärenhäuters Not auch gewesen war, nämlich die bekannte Geldnot. Der gute Alte hatte drei Töchter und viele Schulden und sollte eben ein sehr eingezogenes Leben führen, weil er den Wirt, der ihn ausgezogen hatte, nicht bezahlen konnte. Der Bärenhäuter lachte darüber; der freilich hatte gut lachen, wie jeder, dem ein Goldborn in der Tasche quillt. Er bezahlte des alten Mannes Schulden bei Heller und Pfennig, und dieser lud ihn ein, mit ihm zu gehen und seine Töchter zu sehen, die nicht wenig schön seien, und eine davon solle ihn aus Dankbarkeit heiraten.



Das war dem Bärenhäuter recht, denn er hatte viele Zeit übrig, und ward ihm die Zeit oft lang auf seiner Bärenhaut und ging auf Eroberungen aus, wie ein tapfrer Soldat immer tun soll, nur war es schade, daß er sich nicht nett und niedlich machen durfte, kein Stutz- und Spitzbärtchen, schwarz gewichst, und keine frisierten Löckchen und schlanke Flanken und glatte Nägel und kein Kölnisches Wasser und keine Havannazigarre erster Sorte. Das alles durfte er nicht, sondern mußte ganz Bärenhäuter bleiben und hingehen und Sturm laufen, wie er leibte und lebte, war, stand, ging und roch. Die beiden ältesten Töchter des geretteten Mannes entsetzten sich vor dem Ungetüm, das die Perücke mit unterschiedlichen Zöpfen übers Gesicht trug, statt auf dem Hinterkopf, das Patschhändchen gab wie der Vogel Greif, und das seine Wäsche bereits vier Jahre trug, davon selbige ganz isabellfarbig geworden war und roch wie ein altes leeres Essigfaß im Kellergewölbe, nichts weniger als appetitlich. Nur die jüngste Tochter, und zugleich die schönste, hielt Stand, indem sie nicht davonlief. Sie behielt im Auge, daß dieser Bärenhäuter ihren Vater gerettet und dadurch sie selbst mit von Schimpf und Schande; sie besaß die schöne Tugend der Dankbarkeit, die so viele nicht besitzen. Da nun der Bärenhäuter wahrnahm, daß dieses schöne Kind nicht vor seiner häßlichen und abschreckenden Gestalt zurückbebte, ja, daß es des Vaters Wort bei ihm erfüllen wollte — so bot er ihr einen schönen Ring, doch nur zur Hälfte — als Wahrzeichen, daß er sich mit ihr verlobe, und bat sie, recht fleißig für ihn zu beten, daß er noch drei Jahre und womöglich auch etwas darüber am Leben bliebe, und nahm auf drei Jahre Abschied, um sich in dieser Zeit zu entbärenhäutern und nach deren Ablauf als ein wohlgelecktes Herrchen wiederzukommen. Dies Kunststück kann auch nicht jeder machen; mancher geht als leidlich guter und zahmer Junge vom Elternhaus fort und kommt waldteufelähnlich zurück als der größte Bärenhäuter, den es