Deutsches Sagenbuch - 999 Deutsche Sagen

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Dieser ging nun stracks auf die Platte zu und nahm

ungehindert den Schlüssel, der Geist sprang hinweg.

Ungehindert kam der Liebhaber in sein Haus und

schloß es schnell. Der Begleiter bekam Kludde nicht

ein einziges Mal zu Gesicht.

148. Die Tückebolde Lodder und lange Wapper

Ein dem Kludde verwandter Geist spukt in der Gegend

um Brüssel umher, ganz in ähnlicher Weise.

Schnitter, die abends ihre Kleider abgelegt hatten und

ruhten, hörten von fernher kommend ein Gerassel, wie

von Ketten, das näherte sich bis an den Ort, wo ihre

Kleider lagen, die aber lagen ganz ruhig. Ein Gewitter

zog heran, die Schnitter zogen ihre Kleider an und

wollten heimgehen, da rasselte und prasselte es ganz

in der Nähe, und plötzlich schrie einer der Schnitter:

Lodder! Lodder! Schlagt zu! Schlagt zu! Ich sitze

drauf. – Und da ritt er schreiend fort, und keiner sah,

auf was er ritt, und alle lachten, denn der Geist Lodder

war unsichtbar und rannte fort mit der erfaßten

Last des Schnitters und warf ihn bei einem Weiher in

das Gras und plumpste ins Wasser, und mußte jener

froh sein, daß nicht er in das Wasser geworfen worden.

Einem Zechgesellen begegnete es, daß er, als er

abends ziemlich spät nach Hause kam, an der Erde

etwas ticken und tacken hörte. Neugierig lauschend

bog er sich nieder, ticketack, ticketack ging es fort

und fort. Er griff hin, und siehe, unter einem Stein lag

eine gehende Uhr. Er nahm sie und steckte sie ein,

und in seiner Kammer zog er sie hervor, sie im Mond-

schein recht augenscheinlich zu betrachten, da zeigte

ihr Zeiger auf Zwölf, und auf der Kirchenuhr schlug

es Zwölf, die Uhr ging also genau, aber sie wurde mit

einmal so kalt, eiskalt, und feucht, und so schwer, und

wie der Gesell recht hinsah, hielt er eine dikkaufgeschwollene

Kröte in der Hand. Schaudernd

warf er das Ungetüm zur Erde, und in dem Augenblick

hatte er einen großen Hund bei sich in der Kammer,

der hatte ein paar Augen wie zwei Schiffslaternen,

und der Gesell fiel vor Schreck auf sein Bett, der

Hund aber sprang zum Fenster hinaus und schlug ein

Höllengelächter auf. So hat der Tückebold Lodder gar

viele geäfft und mit seinem nächtlichen Erscheinen,

teils mit seiner Stimme und seinem Gelächter, manche

zum Tode erschrecken gemacht.

Ein anderer Tückebold ist der lange Wapper, der

spukte vornehmlich zu Antwerpen und gehörte zu

demselben Gelichter; er verschmähte es nicht, selbst

unschuldige Kinder zu betören. Er spielte mit ihnen

um Schüsser und Knickers, ließ sie gewinnen, und

wenn sie meinten, die Tasche recht voll gewonnene

Küglein zu haben, und wollten sie zeigen, dann waren

es Schaflorbeeren. Wenn er mit den Jungen das Diebspiel

spielte, kartete er es so ab, daß er den Henker

machte, und dann henkte er die armen Buben wirklich,

und wenn sie sich zu Tode zappelten und die andern

alle davonliefen, so schlug er ein unmenschliches

Gelächter auf. Ein Büttnergesell trat bei einem Meister

ein, schien ein anstelliger Bursche. Da der Meister

ein Faß pichen wollte, hieß er den Gesellen das

Pech einwerfen und Hobelspäne im Faß anzünden;

der Gesell tat's, steckte aber mit dem brennenden Faß

das ganze Haus in Brand, und als der Meister ihn wütend

verfolgte, sprang der Gesell ins Wasser und puttelte

darin herum und lachte wie ein rechter Kobold.

Mit Mühe wurde der Meister Meister des Feuers.

Ein Brauer hatte auch einen neuen Gesellen gedingt;

der war gar kräftig und fleißig; am Abend rollte

er eine schwere Tonne voll Bier mit einem Nebengesellen

von ihrer Stelle, stellte dem Nebengesellen

flink ein Bein, daß er fiel und unter die Tonne kam,

die drückte ihn breit wie eine Oblate, und der neue

Gesell lachte, daß die Gewölbe erbebten. Als die andern

Braugesellen darüber sich erzürnten und ihn prügeln

wollten, rannte er dicht vor ihnen her, und

plumps, lag er im Braubottich, und plumps, purzelten

drei, viere, die ihm dicht auf den Fersen waren, auch

hinein und verbrühten sich elendiglich. Der lange

Wappers aber schaute plötzlich aus einer Trebernbütte

heraus und lachte, daß alle hohlen Fässer dröhnten.

Eines Tages kam ein Mann zu Antwerpen die

Straße entlang, der schrie: Kauft Muscheln, kauft Muscheln!

Vor einer Türe saßen vier Frauen, die riefen

den Mann an und hatten Lust, Muscheln zu kaufen.

Er öffnete eine zur Probe, die war aber faul, er öffnete

eine andere, die war desto besser. Die eine der Frauen

führte sie zum Mund und wollte schmecken, ob sie

gut sei. Da krabbelte es ihr im Munde, und sie spie

das Eingenommene aus, da war es eine große, ganz

schwarze, haarige Spinne. Die Frau brach vor Ekel

alles aus dem Leibe heraus, der Tückebold lachte und

verschwand samt seinen Muscheln.

Zahllos sind die Sagen, die vom langen Wapper im

Volke zu Antwerpen umgehen, es war nicht gut, ihn

zu nennen, es ging mit ihm wie mit dem Weiberwetzstein

zu Wendhausen in Franken, den keiner loben

und keiner schelten durfte, und wer seinen Namen

nannte, tat mehr übel als klug. Häufig hielt dieser

Geist sich unter einer Brücke auf, sie heißt heute noch

die Wapperbrücke, machte sich klein wie ein Schulbube,

nahm der Abwesenden Gestalt an, absonderlich

gegen die Dämmerung, wenn die Knaben spielten,

und spielte ihnen selbst allerlei Schabernack. Der

lange Wapper konnte sich so hoch und lang strecken,

daß er bequemlich den Leuten in den höchsten Häusern

in die obersten Stockwerke hineinsehen konnte.

Da rief er denn denen, die er drinnen erblickte, und

nicht immer in allertugendsamster Hantierung, manches

erschreckende Wort zu. An vollen Tafeln saß er

als Gast und zechte mit; ehe man es sich versah, besonders

aber wenn der Teller umging, um die Zeche

zu zahlen oder eine Auflage für Arme zu machen, hörten

die andern sein Gelächter, er selbst war verschwunden.

Gern weilte er bei Spielgesellen, spielte

mit, verlor die größten Summen, dann hatte er nichts

zu zahlen, begann Streit, lockte die Mitspieler vor die

Türe, hetzte sie aneinander, daß sie zu den Messern

griffen, und wollte sich totlachen, wenn ihrer einer

oder etliche auf dem Platze blieben.

Nur eifriges Gebet konnte und kann der lange

Wapper nicht vertragen, das ist nicht seine Farbe.

Damit war er leichtlich abzutreiben; so auch waren

ihm Christus- und Marienbilder sehr zuwider. Als die

Leute zu Antwerpen solches merkten, stellten sie

deren Bilder an allen Straßenecken und schier in allen

Straßen auf, da gab der lange Wapper der Stadt Antwerpen

Valet und machte sich nach der See zu und

hat seinen Spuk mit Fischern, Schiffleuten und Matrosen.

149. Der Geist Osschaert

Ganz Holland ist voll Spukgeister, Kobolde und Tükkebolde;

die stillen Flächen, die weiten Ebenen, die

tiefen Gewässer – das flüsternde Röhricht, das murmelnde

Wellenrauschen – aus allen brechen und sprechen

die Stimmen der Natur geheimnisvoll, und des

Volkes eigner Sinn gibt sich dem geisterhaften Geheimnis

gern gefangen.

Im Wanslande geht ein Geist um, der Osschaert

heißt, der treibt viel mannigfaltigen Spuk, guten und

schlimmen, recht nach Koboldnatur. Er teilt alle Eigenschaften

des Kludde, des Lodder und des langen

Wapper, macht sich groß, macht sich klein, macht

sich sichtbar, macht sich unsichtbar, wandelt in Tiere

sich um, wirft Trunkenbolde zur Abkühlung ihrer

Saufhitze in manch ein kaltes Bad, äfft als Esel die

menschlichen Esel, legt sich den Bezechten auf den

Rücken, daß sie ihn huckepack tragen müssen, wie

die Vollzapfen im thüringischen Städtchen Ruhla

ihren Bieresel, so daß sie, wenn sie es schon satt

haben, es noch satter kriegen, und dabei lacht er auch

so herzlich, so laut und so wunderschön, wie nur

immer ein Esel lachen kann; noch lieber aber kommt

er vom Esel aufs Pferd als vom Pferd auf den Esel,

wie so viele Gute zu kommen pflegen. Des Osschaerts

Natur ist echt holländisch-amphibisch, er ist, gleich

seinen gespenstischen Kumpanen, die oben genannt

wurden, zu Land und zu Wasser heimisch; er handhabt

Wasser und Land ganz nach seinem Belieben.

Eines Tages ging ein alter Gärtner vom Dorfe zur

nahen Stadt. Es war noch früh am Tage, aber dunkel,

denn es war Winterzeit. Da sah er ein greulich Ding

auf sich loskommen und simulierte aus, das möge

wohl gar der Osschaert sein, wich ihm aus – sprang

etwas hastig neben den Weg auf eine Wiese. Das

Ding sah ihm nach und verschwand. Wie der Gärtner

von der Wiese wieder auf die Heerstraße lenken wollte,

fand er sich abgeschnitten und zwischen lauter

Wassergräben, die in Holland das Allerhäufigste sind,

was dort zu finden. Nun hatte aber der gute Mann

Eile und war ihm gar nicht einerlei, daß er zwischen

den Kanälen von einem zum andern irrte und doch

über keinen hinwegkommen konnte, denn sie waren

alle zu breit, und wie tief sie waren, das konnte man

so eigentlich nicht wissen, gerade wie jener gute

Schulrat bei einer Schulmeisteramtskandidatenprüfung

sagte, als er die Frage nach der Höhe des Berges

Sinai zur Beantwortung aufstellte und neben denen,

 

die sie nicht beantworten konnten, er sie selbst auch

nicht beantworten konnte: Man kann es so eigentlich

nicht wissen. Da wurde dem alten Gärtner das Ding

zu bunt, und er tat den Mund auf und tat einen Fluch,

daß der Schnee sich erschrak, der auf den Baumästen

lag, und herunterfiel. Da plumpste ihm aber gleich

eine schwere Last auf den Rücken und spornte ihn,

wie ein Reiter sein Roß, nach dem breitesten der Gräben

hin und trieb ihn hinein, nolens volens, da half

kein Zittern vor dem Froste. Und siehe als der Mann

in den breiten Graben trabte, da machte er keinen

Schuh naß, denn der Graben war gar kein Graben,

sondern die salztrockne Heerstraße, aber seinen

Aufhuck, o den behielt er und mußt' ihn noch eine

gute Viertelstunde tragen und Lastgaul, wo nicht -esel

sein, bis ihm eine Bäuerin begegnete, die eine Kiepe

(Tragkorb) von Weidengeflecht trug, da hopste der

Osschaert hinein, und jenem ward es leicht, der Frau

aber schwer; sie wußte gar nicht, was sie auf einmal

so Schweres trug, und stand und nahm den Korb ab

und giekte hinein. Da flog ihr eine Fledermaus ins

Gesicht aus dem Korbe, und sie tat einen Schrei, und

die Fledermaus wurde so groß wie ein Mondkalb und

lachte, daß es durch Mark und Bein drang.

150. Die Mahr

Was in andern deutschen Landen der Alp heißt oder

die Trud, die grausen Nachtspuke, die die Menschen

quälen, das ist in Holland und den Niederlanden die

Mahr. Aber die Sagen von ihr sind häufiger und viel

fürchterlicher als im innern Deutschland. Die Mahr ist

nicht eigentlich ein Gespenst, sie ist eine dämonische

Qual, von Menschen gegen Menschen verübt. Wer

eine Mahr ist, deren Seele zieht aus, andere zu peinigen,

zu reiten, wie der richtige Volksausdruck ist, und

es ist das Sprüchwort: Reitet dich die Mahr! nicht viel

anders zu verstehen als das: Reitet dich der Teufel!

Absonderlich üben böse Hexenweiber das teuflische

Mahrreiten. Zu Harlem ist's in einem reichen Hause

geschehen, daß ein Mädchen unversehens in der

Schlafkammer eines Knaben nackt am Boden liegend

gefunden ward, neben ihr ein Besenstock, und das

Mädchen schrie und jammerte. Als es gefragt wurde,

bekannte es: Ich wachte in der Nacht, sah, wie meine

Mutter aufstand, sich auszog, mit einer Salbe sich

strich, einen Stock nahm und darauf zum Fenster hinausritt.

Da stieg ich auch auf, holte auch einen

Besenstock, strich mich auch mit der Salbe, fuhr auch

aus dem Fenster, da kam ich über dieses Haus, ward

hier hereingeführt, da lag meine Mutter auf des Kna-

ben Brust gleich einer Mahr. Ich schrie laut vor

Schreck: Jesus Maria!, da fuhr alsbald meine Mutter

auf und mit geballten Fäusten an mir vorbei durchs

Fenster fort.

Als das Mädchen solches erzählt, wurde die Hexe

verhaftet und gestand, daß sie in jeder Nacht da oder

dort die Leute als Mahr gequält, und wurde verbrannt

zur gerechten Strafe.

Bei Vilforde fanden Schnitter ein Weibsbild liegen,

die lag wie tot, doch war sie nicht kalt wie eine Tote,

aber sie atmete auch nicht wie eine Schlafende. Ein

Hirte, den die Schnitter herbeiriefen, sprach: Das ist

eine Mahr, die ist ausgezogen, einen andern zu quälen.

Die Schnitter wollten's gar nicht glauben, aber

der Hirte sagte: Harret nur, ihr sollt Wunder sehen!

Und neigte sich zu der Liegenden und flüsterte ihr ein

paar Worte ins Ohr, da kam ein klein Tierchen, fingerslang,

weither gelaufen, blitzgeschwind, das kroch

der Frau in den Mund. Der gab nun der Hirte einen

Schub, daß sie um und um kollerte, da wachte sie auf,

schaute starr sich um und flüchtete rasch davon.

Einen jungen Menschen quälte jede Nacht die

Mahr, er liebte ein Mädchen, das ein Kamerad von

ihm auch liebte, ohne daß er's wußte, und klagte diesem

seine Qual. Da sprach der Kamerad: Folge mir

und tue das: halte gegen deine Brust ein wohlgespitztes

Messer mit der Spitze, wenn du dich zu Bette ge-

legt hast, aber schlafe nicht ein. Das war ein Teufelsrat,

denn der andere rechnete, wenn die Mahr auf

jenen falle, solle sie ihm das Messer in die Brust stoßen,

damit er des Nebenbuhlers ledig würde. Jener

aber befolgte den Rat, nur verkehrt, denn er hatte das

Richtige vergessen und hielt die Spitze und Schneide

des Messers über sich; wie die Mahr auf ihn fiel,

stach sie sich durch und durch und kam nimmermehr

wieder.

Selbst Pferde wurden von der Mahr geritten, wie

denn das Wort Mahr selbst so viel ist als Pferd,

wovon in deutscher Sprache noch die Worte Marstall

und Mähre üblich sind, daher auch bei der bösen Trudentat

der Begriff von reiten und geritten werden. Die

Mahr ist aber selbst bisweilen Vampir, und ebenso

vertauscht sie Kinder gegen Wechselbälge. Wer den

Kindern abends ein Kreuz über Wickel und Wiege

macht, hat nichts von der Mahr für sie zu fürchten.

151. Die Klabautermännchen

Was im höhern Norden die Trollen, in Deutschland

die Hinzchen, Heinzemännchen, Hütchen sind –

Zwerge, zwerghafte Erdgeister, das sind in Holland

und Niederland die Klabautermännchen, Kaboteroder

Kaboutermannekens; sie wohnen in Höhlen, sind

oft hülfreich den Menschen, gutartig, dankbar. Beim

Dorfe Gelrode liegt ein Kabouterberg, darinnen

wohnten die Mannekens nahe einer Mühle, die schärften

dem Müller seine Mühlsteine und wuschen sein

Linnen, wenn er ihnen nur ein Butterbrot und ein Glas

Bier zur Nacht hinstellte. Ein anderer Müller im

Kempnerlande fand, wenn er zufällig etwas von seinem

Butterbrote liegen ließ, des Morgens lange Zeit

alle Arbeit in der Mühle getan, die er für den andern

Morgen vorbereitet; er wußte, daß in der Nähe Klabautermännchen

hausten, steckte sich hinter die Säcke

und sah richtig in der Nacht ein solches Männchen

alles tun, mit ungeheurer Kraft und Schnelligkeit,

aber dabei verzehrte es das Restchen Butterbrot. Das

Manneken war ganz nackt, das tat dem Müller leid, er

bestellte ihm beim Schneider ein Kleidchen nach ohngefährem

Maß und legte es ihm hin und ein großes

Butterbrot daneben. Dann verbarg sich der Müller,

das Klabautermännchen kam, tat einen Freuden-

sprung, aß schnell das große Butterbrot, zog die

Kleidchen an, verschwand und kam nimmermehr wieder.

Nun wußte aber der Müller, daß die Klabautermännchen

jeden Abend über einen Steg am Mühlbach

schritten, und da lauerte er ihnen auf. Als sie kamen,

waren alle nackt, und er ließ sie vorüber, bis das letzte

kam, welches der Müller gekleidet hatte. Nach diesem

langte er und rief: Hab ich dich? – da schrie es:

Hülfe! Hülfe! aus dem Mühlbach, mit der Stimme

von des Müllers Frau; der Mann erschrak, sah sich

um, glitt aus vom Stege und plumpste selbst hinunter

in das Wasser. Die Klabautermännchen aber schwanden

hinweg und kamen niemals wieder. Ein anderer

Kaboutermannekensberg liegt zwischen Turnhout und

Casterle; die darin wohnten, waren aber böse von

Natur, anderwärts gibt es hingegen viele gute, und

wer sich gut mit diesen Manneken versteht, dem dienen

sie gern und oft, häufig aber üben sie auch Tücke,

besonders gegen solche, die ihnen abhold sind. Sie

verderben die Butter, saugen die Kühe aus, treiben

mannigfachen Spuk und Schabernack. Sie werden

auch Rotmützchen und Klabbers genannt.

Ein Bauer hatte ein gar hülfreiches Rotmützchen

im Hause, das butterte ihm, leistete ihm allerlei

Dienst, half ihn allmählich reich machen. Der Bauer

kaufte Kühe, baute das Haus neu, und das Männchen

tat mehr als drei starke Knechte, es pflügte auch und

bestellte den Acker in aller Weise. Einmal hatte es der

Bauer zu sehen bekommen, es trug sich ganz rot,

hatte ein grünliches Gesicht und grüne Hände. Des

guten Rotmützchens hülfreicher Fleiß verdarb jedoch

den Bauer, er tat selbst gar nichts mehr, gewöhnte

sich an das Wirtshausleben, an Trunk und Spiel. Rotmützchen

warnte ihn, aber sein Warnen fruchtete

nicht, ja eines Abends, als er spät und trunken nach

Hause kam, schimpfte und schalt er den Hülfsgeist.

Das Klabautermännchen verschwand. Am andern

Tage lag die Frau des Bauern krank, das Vieh fiel in

den Ställen, in den Strümpfen, die der Bauer nach und

nach mit harten Talern gefüllt und wohl verborgen

hatte, staken Kohlen und faule Kartoffelscheiben, die

Felder hatte ein Hagel zusammengeschlagen und

furchtbar verwüstet, das Haus hing auf eine Seite und

drohte den Einsturz. Der Bauer ging in sich, bereuete,

gelobte Besserung – das war alles vergebens. Hohnlachen

erscholl um das Haus herum, das mehr und mehr

verfiel. Der Bauer starb in Armut und Elend.

Ein armer Bauernbursche liebte heftig ein reiches

Mädchen und sie auch ihn, aber der Vater sagte nein.

Wer nicht tausend blanke Gülden besitzt und aufzählt,

die sein eigen sind, wird nicht mein Schwiegersohn,

sagte er. Der arme Bursche schlich traurig heim,

mochte seine Barschaft gar nicht zählen, er hatte nicht

hundert Batzen, geschweige tausend Gulden. Ging

hinaus zu Feld und Busch und dachte: Was liegt am

Leben, wenn es nicht Liebe krönt? Willst's abwerfen.

Siehe, da stand ein Klabautermännchen vor ihm, wie

hergeschneit oder aus dem Boden herausgewachsen,

und fragte ihn: Was fehlt dir? – Da klagte ihm der

Bursche sein Leid. Wenn's weiter nichts ist, sagte der

Klabautermann, zähle doch nur erst einmal dein

Geld. – Ich hab's gezählt, es langt nimmer. – Hast nur

nicht recht gezählt, geh, zähl noch einmal, es muß

treffen! – Der Bursche ging, halb ungläubig, halb hoffend;

er zog seine kleine Habe hervor und begann zu

zählen und zählte und zählte und zählte immerfort, bis

tausend Gülden voll waren, und da war's alle, nicht

einer darunter, nicht einer darüber. Welch ein Glück!

Er rannte wieder ins Feld hinaus, er wollte danken, er

rief: Kaboutermänneken! Kaboutermänneken! – Ja

guten Morgen, da war kein Kaboutermänneken weder

zu hören, noch zu sehen. Nun lief er heim, hob und

schleppte seinen Schatz zum reichen Bauer hin, zählt'

ihm die blanken Gülden vor, bekam des Mädchens

Hand und des Alten Segen und wurde ein glücklicher

Mann.

Im Kasteelberg bei Beveren im Hennegau wohnten

auch Kaboutermannekens. Die wuschen den Leuten

die Wäsche gegen Empfang von etwas Butter, Eiern,

Milch, Mehl und wenigem Geld, bleichten sie auch

im Mondenscheine ganz blütenweiß und hielten oft,

derweil die Wäsche bleichte, in den Waschkufen

einen Ball. Hernachmals sind die Männchen fortgezogen,

man weiß nicht warum und wohin. Nur ein ganz

altes blieb zurück. Das sehen bisweilen die Leute droben

auf dem Berge sitzen, es hat einen eisgrauen Bart,

der langt bis auf die Füße nieder, es sitzt und sinnt

und schmökt seine Pipe und macht mit den Daumen

die Mühle, ganz wie ein echter alter Holländer.

152. Nix Flerus

Nixen wohnen in Holland allenthalben, sie heißen

dort Neck, in der Mehrzahl Necker, und führen auch

zum öftern noch besondere Namen. Zu Lessinghe bei

Ostende, am Canal de Furnes, war ein Bauernhof,

darinnen hauste ein Nix, des Namens Flerus, als hülfreicher

Hausgeist, welcher gleich Kludde und Lodder

die Macht hatte, sich in jede Gestalt zu verwandeln.

War ein Pferd krank und konnte seinen Dienst nicht

tun, und man rief Flerus, so kam Flerus als Pferd und

arbeitete für drei Pferde. Den Mägden erleichterte er

ihre Arbeit auf alle Weise und verlangte nichts für

alle Dienste, als daß ihm abends ein wenig Milch und

Zucker hingestellt wurde. Dieser gute und willige

Hülfsgeist wurde durch den einfältigen Vorwitz von

ein paar jungen leichtfertigen Dienstmägden auf

immer von dem Hause getrieben. Sie gedachten den

Neck zu necken, es bekam aber schlecht. Eines

Abends riefen sie: Flerus! Flerus kam, da schoben sie

ihm seine Milch hin, hatten aber statt Zuckers Knoblauch

 

in dieselbe getan. Da schüttelte sich Flerus,

warf ihnen die Schale nach dem Kopf und rief zornige

Worte:

Milch und Lauch!

Flerus zieht weg,

Und das Glück auch!

und verschwand. Nie sah und hörte man ihn wieder

auf jenem Hofe, und von Stund an ging dort alles den

Krebsgang, bis andere Besitzer den Hof bekamen, der

noch bis heute der Flerushof heißt.

Nicht alle Necker sind so gut wie Flerus, sie ziehen

gern Menschen in das Wasser, mischen sich in Tänze

der Uferbewohner und tanzen die Jungfrauen in die

Flut.

153. Die Meerminnen

Meerminnen sind Dämonenwesen der See, weiblichen

Geschlechts, sie können schön singen und auch fliegen.

Schon die Alten kannten sie und nannten sie Sirenen.

Sie sind den Nixen verwandt, haben fischgrätige

Zähne und meergrüne Haare. Oft schon sind die

Meerminnen Unheilverkünderinnen geworden, doch

konnten sie auch Glück bringen.

Zur Zeit, da die Antwerpner auch noch Schiffe zum

Walfischfang ausrüsteten, so geschah es nicht selten,

daß, wenn noch weit und breit kein Wal sichtbar war,

eine Meerminne mit halbem Leibe aus dem Wasser

tauchte, gegen das Schiff heranschwamm und sang:

Scheppers, werpt de Tonnekens uit,

De walvisch zal gaen kommen:

Schiffer, werft die Tönnchen aus,

Der Walfisch soll entgegenkommen.

Da taten die Schiffer nach der Meerminnen Geheiß,

warfen die Tönnchen aus, und nicht lange dauerte es,

so ließ sich ein Walfisch sehen, der dann stets sicher

erlegt wurde. Einst, schon sehr lange her, geschah es,

daß im Hafen vor Muiden an der Südersee, ohnweit

Amsterdam, eine Meerminne schwimmend erblickt

wurde. Diese Meerminne sang eine Prophezeiung:

Muiden sol Muiden blyven,

Muiden sol novit beklyven:

Muiden soll Muiden bleiben,

Muiden soll niemals bekleiben.

Und es geschah also. Muiden, ein Hafenort, günstigst

gelegen, blieb ein Flecken, und das nachbarliche Amsterdam

wurde eine Weltstadt.

In der Nähe von Dord (Dordrecht) liegt nahe der

Landstraße ein großes stilles Wasser, daraus ragt ein

Kirchturm hoch und einsam empor. Da hat vorzeiten

die reiche und starkbevölkerte Stadt Zevenbergen gestanden.

Ihr Reichtum machte die Einwohner übermütig,

sie achteten des Goldes und Silbers nicht mehr,

als wenn es Kupfer und Blei wäre; alle Schlösser und

Riegel an den Türen, alle Beschläge an Fenstern, alle

Nägel mußten von Gold oder Silber sein, so auch

alles Tafel- und Küchengeschirr, so unbeschreiblich

war der Reichtum. In die Kirche, die Sint Lobbetchen

hieß (St. Elisabeth), ging niemand mehr, ihr Dach war

auch nur mit Ziegeln gedeckt, die Dächer der Reichen

aber glänzten wie Feuer, denn sie waren mit Goldblech

überzogen.

Da hob sich aus dem breiten Gewässer am Biesbosch

eine Meerminne, die flog über Zevenbergen

und sang mit einer kläglichen Weise:

Zevenbergen sol vergan,

En Lobbetjens Torn sol blyven staen.

Diesen Sang hörten die Einwohner gar wohl und

sahen das Zeichen, achteten aber der Warnung nicht,

sie blieben, wie sie waren, und lebten fort, wie es

ihnen gefiel, und da ließ es Gott geschehen, daß der

Meerminne Prophezeiung sich erfüllte. Eine Sturmnacht

kam, endloser Donner rollte über Zevenbergen

hin, und die Flut kam, und die Stadt versank, und nur

die Kirche blieb stehen, wie die Meerminne gesungen

hatte, und weit und breit stand das Wasser da, wo die

Stadt gestanden. Fischer haben bisweilen in der Tiefe

die goldenen Dächer schimmern sehen, da wäre noch

ein großer Reichtum zu holen, aber keiner wagt sich

in die Tiefe und in die Stadt hinab, die der Fluch des

Himmels getroffen.

154. Geister in Friesland

Schon zu Kaiser Lothars Zeiten gab es in Friesland

viele Geister und Gespenster. Eine Sorte davon wohnte

in Höhlen, wie die deutschen Wichtlein. Die Männlein

hießen weiße Juffers, die waren nicht eben gutartig,

vielmehr recht tückeboldig, die Weiblein aber

hießen weiße Frauen, die waren besser, standen Kindbetterinnen

bei, leiteten Verirrte auf rechten Weg, halfen

Arbeit verrichten, besonders recht mühevolle. Sie

wohnten gern in Hügeln oder in Gruben, die unbesucht

waren, häufig ihrer drei beisammen, auch in

alten Hünenbetten. Wer nachts an diese Hügel oder in

diese Gruben trat oder auf so ein altes Hünengrab sich

setzte, der konnte sondere und wunderbare Dinge vernehmen

und viel von alter Zeit erfahren. Es war ein

Sänger im Friesenlande, der hieß Bernlef und war

blind, der hat viel gesungen von des Landes erster Art

und des freien Volkes der Friesen Ankunft und Ursprung,

den haben die guten Geister gelehrt und die

Kunden alter Zeit auf seine Lippen gelegt.

155. Stavorens Ursprung

Des Friesenlandes Hauptstadt ist Stavoren. Die alten

Friesen hatten einen Gott, den hielten sie so groß und

mächtig wie das Römervolk seinen Jupiter, den nannten

sie Stavo. Da nun zu einer Zeit aus fernen Landen

drei Brüder zu Schiffe an die Küste kamen, Friso,

Saxo und Bruno geheißen, von vielen Gefährten begleitet,

welches zur Herbsteszeit geschah, so fanden

sie das Land, welches damals Sueven bewohnten, die

keine festen Wohnsitze behaupteten und sich der

Spätherbstüberschwemmungen wegen in höheres

Land zurückgezogen hatten, von Einwohnern fast

ganz entblößt, erbauten ihrem Gott Stavo einen Tempel,

gründeten eine Stadt und nannten sie nach ihrem

Gott Stavoren. Diese Stadt wurde bald groß und viel

größer denn jetzt, und die ganze Südersee war noch

bewohntes Land, von dem jetzt nur noch hie und da

als kleine Insel ein geringer Rest aus den Wogen ragt.

Da blieben sie nun dreizehn Jahre, und ihr Volk

mehrte sich, und sie hatten nicht Raum genug, darum

sprach Friso zu seinen Brüdern, es sei besser, wenn

sie sich teilten und jeder von ihnen mit den Seinen ein

weites Land gewänne. Da schieden die Brüder Saxo

und Bruno in Frieden von Friso, welcher blieb, und

Saxo lief in die Elbe ein, ließ sich an ihrem Ufer nie-

der und bevölkerte das Land, und sein Volk wurde

nach ihm Saxen geheißen. Bruno aber machte sich

seßhaft am Weserstrome und gründete dort eine Stadt,

die hieß nach ihm Brunosvic, die gab hernach dem

ganzen Lande ihren Namen Braunschweig. Friso aber

erreichte ein sehr hohes Alter, er herrschte über Friesland

achtundsechzig Jahre und hinterließ sieben

Söhne und eine einzige Tochter.

Die Stadt Stavoren wurde und war vor diesem die

allerberühmteste Haupt- und Residenzstadt der friesischen

Könige, und war nirgends größere Handlung

und Schiffahrt als in dieser Stadt, denn sie war überaus

wohl gelegen und hatte einen vortrefflichen

Hafen.

156. Der Feuerpütz

Es war zu Kaiser Titus' Zeit, vier Jahre nach der Geburt

unsers Herrn, als im heutigen Westfriesland an

einem Berge, der rote Kliff genannt, ein Feuerpütz

aus der Erde schoß, der drei Tage lang loderte und

weberte. Am vierten Tage kam ein Drache aus der

Öffnung geflogen, aus der das Feuer schoß, hob sich

hoch, schwebte eine halbe Stunde lang in Lüften und

tat sich dann wieder nieder und hinein, woraus er gekommen

war, ward nicht wieder gesehen, und das

Feuer erlosch.

Hundertundfünfzig Jahre später brach der

Feuerpütz wieder auf und brannte ganz schrecklich,

acht Tage lang, und flammte sehr hoch, daß allen, die

daherum wohnten, bange ward; dann erlosch die

Flamme. Die Einwohner fragten das Orakel ihres Abgottes

Staffo, weil sie ein großes Sterben fürchteten,

und der Gott sprach, von diesem Erdfeuer werde das

Land nicht untergehen, eher von dem kalten Stoff, der

nach Länge der Zeit ihm folgen werde.

Und aber nach etwa hundertundvierundzwanzig

Jahren borst der Feuerpütz beim roten Kliff zum dritten

Male auf, doch achtzehn Tritte weiter von der ersten

Stelle, und flammte eilf Tage lang sehr schrecklich

hoch. Da brachten die Einwohner dem Abgott

Staffo Brandopfer und fragten aufs neue das Orakel.

Da gebot ihnen der Gott, aus der Nordsee drei Krüge

Salzwasser zu holen und diese durch einen gegen die

Glut gewappneten Ritter in den Flammenschlund werfen

zu lassen, da werde der inwendige Brand ausgelöscht

werden. Das wurde vollbracht, und der Brand

löschte aus.

157. Der überquellende Wasserpütz

Da man südwestlich von Stavoren, eine halbe Stunde

von der Stadt, einen Pütz (einen Brunnen) grub, so

sprang statt süßen Wassers ein Überfluß von Salzwasser

hervor, wie aus einem Springbrunnen, das

quoll und quoll und drohte, Stadt und Land zu überschwemmen.

Da fragten die Einwohner das Orakel

ihres Gottes Staffo, und das sprach, der Pütz werde

nicht aufhören überzuquellen, bis das Blut eines dreijährigen

Knaben in dasselbe Wasser gesprengt und

mit ihm gemengt werde. Solches geschahe eilend, da

hörte der Pütz auf zu fließen, und war endlich kein

Tropfen Wasser mehr in ihm zu sehen, und wo das

übergequollene Wasser gestanden hatte, blieb das

Land drei Jahre lang dürr und unfruchtbar, bis es allmählich

wieder zu grünen begann und Früchte trug.

158. Das Wunderkorn von Stavoren und der

Frauensand

Bei den Einwohnern der groß und reich gewordenen

Stadt Stavoren ging es gerade so wie bei denen der

Stadt Zevenbergen an der Südersee, sie führten ein

üppiges Leben und kannten ihres Übermutes nicht

Maß noch Ziel. Da war eine Zeit, in der das Korn sehr

teuer wurde, und eine reiche Witwe rüstete ein Schiff

aus und sandte es nach Danzig, dort Korn zu holen,

und gebot dem Schiffer, ihr zugleich von dort das

Köstlichste mitzubringen, was nur dort zu haben sei.

Als nun das Schiff in See war, fiel das Getreide sehr

schnell, und dem geizigen Weibe wurde bange, daß

sie an ihrem Einkauf mächtig Schaden erleiden werde.

Da nun das Schiff aus Danzig zurückkam, ging die

Witwe alsbald an Bord und fragte den Schiffer, was

er ihr Köstliches mitgebracht habe nächst dem Korn,

das ohnedies nichts mehr wert sei, als ins Wasser geworfen

zu werden. Der Schiffer neigte sich und

sprach: Vieledle Frau, den schönsten Weizen bracht'

ich Euch mit, den je ein Menschenauge hat erschauen

können. – Was, Weizen? Und nichts Besseres? rief

die Frau zornig aus. Von welcher Seite nahmst du den

in das Schiff? – Von der Backbordseite, entgegnete

der Schiffer. – Ei so wirf ihn ins Teufels Namen von