Eiskalte Energie

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Tarnen und Täuschen

Am nächsten Morgen machte sich Isabella motiviert an die Arbeit. Sie war froh, dass sie endlich wieder etwas Sinnvolles tun konnte. Zuerst wollte sie ihre Forschungsergebnisse aufbereiten, damit sie diese auch anderen verständlich präsentieren konnte. So wie sie jetzt aussahen, in riesigen und unübersichtlichen Tabellen, verstand sie außer ihr selbst kaum jemand. Wie solche Präsentationen aussehen mussten, wusste sie genau. In ihrer Anfangszeit beim Institut für Umweltforschung hatte sie viele solcher Präsentationen erstellt. So ging es allen Uni-Absolventen, die dort anfingen. Erst nach einer gewissen Zeit durften sie dann an den interessanten Forschungsprojekten mitarbeiten.

Isabella arbeitete den ganzen Vormittag zügig und konzentriert. Die Mittagszeit ging vorbei, ohne dass sie es bemerkte. Wenn sie richtig in eine Sache vertieft war, konnte sie alles um sich herum vergessen. Schließlich wurde sie vom Telefon aus ihrer Arbeit gerissen. Es war Eric.

››Hallo, was gibt’s?‹‹, meldete sie sich.

››Hast du schon Mittag gegessen?‹‹, fragte er.

››Nein, ich habe die ganze Zeit gearbeitet.‹‹

››Wenn du Lust hast, können wir uns doch in einer Stunde im Luigis treffen‹‹, sagte er freundlich. ››Kennst du das?‹‹

››Ja, das kenne ich. Warum nicht‹‹, antwortete Isabella, verwundert über diese Einladung.

››Also bis dann! Tschüss.‹‹

››Tschüss‹‹, verabschiedete sich Isabella und legte auf.

Sie hatte nur eine Stunde Zeit, also musste sie sich beeilen. Umziehen, schminken und dann losgehen. Für das Luigis war etwas Elegantes angemessen. Ging Eric eigentlich nur in teure Restaurants? Sie entschied sich für ihren neuen cremefarbenen Rock mit einem dezenten Blumenmuster und einen passenden roten Pullover. Sie überlegte, welche Schuhe sie anziehen sollte. Ihre roten High Heels würden gut zu dem Outfit passen, allerdings waren sie für längere Strecken zu Fuß nicht geeignet. Isabella wollte jedoch gerne zu Fuß gehen, denn nach dem langen Vormittag am Computer brauchte sie ein bisschen Bewegung. Daher entschied sie sich für die cremefarbenen Ballerinas, denn zum Restaurant würde sie zwanzig Minuten laufen müssen. Ihre Haare ließ sie offen, so dass sie auf ihre Schultern fielen. Ein Blick auf die Uhr zeigte ihr, dass es höchste Zeit war loszugehen, wenn sie noch pünktlich kommen wollte.

Eric erwartete sie bereits im Restaurant.

››Gut siehst du aus‹‹, begrüßte er sie charmant. Er war in seinem Anzug wie immer perfekt gestylt.

››Danke‹‹, antwortete Isabella reserviert. Sie wusste nicht, was sie von Erics unerwarteter Freundlichkeit halten sollte. Anscheinend war er heute besser gelaunt als bei ihrer letzten Begegnung. Eric wählte einen Tisch in einer gemütlichen Ecke des Restaurants, abseits von den wenigen anderen Gästen, die die Tische am Fenster bevorzugten. Nachdem der Kellner ihre Bestellung aufgenommen hatte, erkundigte sich Eric: ››Hast du so hart gearbeitet, dass du das Mittagessen verpasst hast? Es ist schon drei Uhr.‹‹

››Ja, ich habe angefangen meine Ergebnisse aufzubereiten und darüber habe ich wohl die Zeit vergessen. Und du?‹‹

››Ich war bei einem Kunden und konnte nicht eher weg‹‹, antwortete Eric.

››An welcher Art von Projekten arbeitest du denn zur Zeit?‹‹, fragte Isabella.

››Dies und das‹‹, antwortete Eric vage. Er schien kein Interesse daran zu haben, über seine Arbeit zu reden. Also gab Isabella den Versuch, Smalltalk zu machen, auf. Sie aß ein bisschen von dem frischen Ciabatta, das der Kellner bereits gebracht hatte und nun wurden auch ihre Vorspeisen serviert. Endlich kam Isabella zu ihrem heiß ersehnten Salat! Glücklich nahm sie ihre Gabel in die Hand. Da sie den ganzen Vormittag gearbeitet hatte, war es mit ihrem Einkauf wieder nichts geworden. Der Salat war mit einem leichten frischen Joghurtdressing angemacht und Isabella genoss jeden Bissen.

››Schönes Wetter heute‹‹, nahm Eric das Gespräch wieder auf, nachdem er seine Bruschetta gegessen hatte.

››Ja, es ist ungewöhnlich warm für die Jahreszeit‹‹, erwiderte Isabella höflich. Sie fragte sich, wohin das Gespräch führen sollte.

››Letztes Jahr um die Zeit war es viel kühler und hat andauernd geregnet.‹‹

››Warum hast du mich zum Essen eingeladen?‹‹, wechselte Isabella das Thema. Allmählich hatte sie dieses Gerede über das Wetter satt.

››Ich war hungrig und dachte, dir geht es vielleicht genauso. Lag ich da falsch?‹‹

››Nein.‹‹

››Außerdem esse ich viel lieber in Gesellschaft.‹‹

Isabella ließ die Erklärung auf sich beruhen und widmete sich ihrem Hauptgericht, einem Auberginen-Zucchini-Auflauf. Eric ließ sich seine Pasta Arrabiata schmecken. Ihre höfliche Konversation hatten sie aufgegeben. Zum Nachtisch überredete Eric Isabella zu einem Pfirsich-Himbeer-Soufflé, dem Stolz des Küchenchefs. In der Tat schmeckte diese süße Köstlichkeit einfach himmlisch.

Zum Abschluss des Essens servierte der Kellner ihnen zwei Espressi. Kaum war er wieder in der Küche verschwunden, sah Eric sich unauffällig um. Er wollte sehen, ob sie ungestört waren.

››Wem hast du von deinen Forschungsergebnissen erzählt?‹‹, fragte er, nachdem er sich vergewissert hatte, dass die anderen Gäste nicht in Hörweite saßen.

››Meinem ehemaligen Chef, ein paar von meinen Kollegen wissen davon und dann habe ich sie noch an den Umweltminister geschickt‹‹, erwiderte sie, unschlüssig, was sie von dieser Frage halten sollte.

››Du hast was?‹‹, fragte Eric verblüfft.

››Ich habe sie an den Umweltminister geschickt, weil mein Chef nichts unternehmen wollte und dann hat er mich gefeuert‹‹, erklärte Isabella.

Eric fing leise an zu lachen. ››Was gibt es da zu lachen?‹‹, fragte sie gereizt.

››An den Umweltminister ...‹‹ sagte er lachend. ››…weißt du denn nicht, dass der aus der Energiebranche kommt und nie etwas tun würde, was deren Interessen entgegen läuft?‹‹

››Jetzt weiß ich das auch!‹‹, entgegnete sie heftig.

››Hör mal, wenn du bei Politikern etwas erreichen willst, musst du die Sache viel subtiler angehen. Dem Umweltminister irgendwelche Forschungsergebnisse zu schicken, bringt gar nichts. Der wird erst was machen, wenn er das Gefühl hat, dass eine Lobby dahinter steht. Verstehst du? Er muss das Gefühl haben, dass er unter Druck steht. Erst dann wird er handeln.‹‹ Eric sah Isabella an und schüttelte nun wieder lachend den Kopf. ››Deine Mail hat der Umweltminister wahrscheinlich einfach gelöscht und damit war die Sache für ihn erledigt. Weißt du, bei Politikern braucht man viel Fingerspitzengefühl.‹‹

››Das hast du natürlich super drauf! Die meiste Zeit benimmst du dich wie ein ungehobelter Klotz!‹‹, sagte sie ärgerlich.

››Vielleicht, aber ich erreiche wenigstens, was ich will. Das Einzige, was du erreicht hast, ist, deinen Job zu verlieren.‹‹ Er schüttelte lachend den Kopf. ››Du bist viel zu naiv.‹‹

Wütend stand Isabella auf.

››Du bist ein arroganter Mistkerl!‹‹, zischte sie ihn an und verließ das Restaurant.

››He, warte!‹‹, rief er ihr nach. ››Ich habe es nicht so gemeint.‹‹ Aber Isabella sah sich nicht mehr nach ihm um.

Eilig bezahlte Eric und lief ihr nach. Als er nach draußen kam, war von Isabella nichts mehr zu sehen. Da hatte er wohl ein bisschen übertrieben. Er hätte nicht gedacht, dass sie so wütend werden würde. Er musste unbedingt mit ihr reden und das in Ordnung bringen. Also ging er zu ihr nach Hause.

Er klingelte mehrmals, aber sie machte die Tür nicht auf. Eric war sich sicher, dass Isabella zu Hause war, denn er hatte aus ihrer Wohnung ein Geräusch gehört.

››Isabella, bitte mach die Tür auf, wir müssen reden‹‹, rief er, während er an die Tür klopfte. Langsam öffnete sich die Nachbartür und eine ältere Dame sah ihn neugierig an. So ein Mist, dachte Eric und rief: ››Bella, Liebling, bitte mach auf, es tut mir doch leid.‹‹

Sie glaubte, sich verhört zu haben. War Eric verrückt geworden? Isabella öffnete die Tür, um ihm gehörig die Meinung zu sagen. Aber er ließ sie nicht zu Wort kommen, sondern drängte sich an ihr vorbei in die Wohnung und schloss die Tür.

››Was soll das?‹‹, fragte Isabella wütend.

››Sei bitte nicht so laut, die Alte muss ja nicht alles mithören‹‹, sagte Eric gedämpft.

››Was für eine Alte?‹‹

››Deine neugierige Nachbarin‹‹, erwiderte er.

››Was willst du und was soll dieser Quatsch mit Bella Liebling? Bist du jetzt total übergeschnappt?‹‹, machte Isabella ihrem Ärger Luft.

››Ich wollte mich für das, was ich im Restaurant gesagt habe, entschuldigen‹‹, sagte Eric ernst. Doch Isabella sah ihn immer noch ärgerlich an.

››Und es tut mir leid, dass ich über dich gelacht habe‹‹, fügte er hinzu. ››Außerdem hast du Recht, ich habe mich wie ein ungehobelter Klotz benommen.‹‹

››Da hast du allerdings vollkommen Recht. Ich verstehe gar nicht, wie du mit dem Verhalten in deinem Job erfolgreich sein kannst‹‹, entgegnete sie.

››Wenn ich mir Mühe gebe, kann ich auch freundlich und zuvorkommend sein. Ich verspreche dir, dass ich mir ab jetzt richtig Mühe geben werde.‹‹

Seinem Lächeln konnte Isabella sich nicht ganz entziehen. Als Eric merkte, dass sie nicht mehr ärgerlich war, kam er wieder zum eigentlichen Thema.

››Ich denke, in Bezug auf deine Forschungsergebnisse müssen wir sehr diskret vorgehen. Es hat den Anschein, dass sie einigen Leuten gar nicht gefallen, sonst wärst du nicht gleich gefeuert worden. Es ist am besten, wenn du mit niemandem darüber redest, dass wir die Sache gemeinsam weiterverfolgen. Ich will das so lange wie möglich geheim halten‹‹, sagte Eric. Aufmerksam sah er sie an und versuchte sie einzuschätzen.

 

››Aber irgendwann müssen wir doch an die Öffentlichkeit gehen. Ist das nicht Sinn der ganzen Aktion?‹‹

››Das ist richtig, aber wir bestimmen, wann und wie.‹‹

››Hast du schon einen Plan für Wann und Wie?‹‹, fragte sie.

››Den muss ich mir noch überlegen‹‹, sagte Eric ausweichend.

››Übrigens würde ich vorschlagen, dass wir so tun, als ob wir ein Date haben, wenn wir uns in Zukunft treffen. Ich denke, das ist am unauffälligsten. Wenn wir Glück haben, merkt keiner, dass du eine Klimaforscherin bist.‹‹ Er sah in ihr erstauntes Gesicht.

››Du willst, dass ich so tue, als ob du mein Date bist?‹‹, fragte sie skeptisch.

››Ja, das ist doch eine gute Tarnung.‹‹

››Na, wenn du das sagst. Vermutlich macht sich keiner die Mühe zu überprüfen, mit was für Frauen du ausgehst, das sind bestimmt viel zu viele‹‹, murmelte sie.

Entschlossen fügte sie hinzu: ››Gut, wir machen das, aber nur unter zwei Bedingungen!‹‹

››Was für Bedingungen?‹‹, fragte Eric vorsichtig.

››Erstens: Du hörst auf, dich wie ein Idiot zu benehmen. Das Einwickeln von Politikern stand während meines Studiums nicht auf dem Stundenplan. Also weiß ich nicht besonders viel darüber. Du solltest mir also lieber beibringen, was ich wissen muss, anstatt mich auszulachen.‹‹ Das war eine faire Forderung, das musste Eric zugeben.

››Okay, mache ich. Und die zweite Forderung?‹‹

››Du nennst mich nie wieder Bella‹‹, sagte sie und sah ihn kühl an.

››Warum denn nicht, Bella klingt doch hübsch?‹‹, fragte er mit einem Grinsen.

››Ich hasse es, so genannt zu werden! Das haben die Jungs in meiner Schule immer zu mir gesagt und es war nicht gerade freundlich gemeint. Die wollten mich damit nur ärgern‹‹, entgegnete sie heftig. Aufmerksam glitt Erics Blick über ihr Gesicht. Sie hatte wunderschöne grüne Augen, ihre Nase war weder krumm noch wurde sie von einem Höcker verunstaltet. Auch ihr Mund gefiel ihm. Isabella, die Erics Blick richtig deutete, sagte genervt: ››Ich hatte eine Zahnspange! Ich weiß, dass eine Zahnspange kein Grund für Komplexe ist, aber diese Typen haben etwas gesucht, um mich zu ärgern. Ich habe meine Mutter angefleht, dass ich dieses blöde Ding nicht tragen muss, aber meine Mutter war unerbittlich. Obwohl meine Zähne nicht besonders schief waren, musste ich sie immer tragen. Meine Mutter ist eben eine Perfektionistin und das bedeutet, dass auch alle anderen perfekt sein müssen.‹‹

Eric war erstaunt über die Heftigkeit, mit der Isabella diese Erklärung abgegeben hatte.

››Okay, ich sage nie wieder Bella. Ist Isa besser?‹‹, fragte er nun ernst.

››Ja, Isa ist besser‹‹, antwortete sie versöhnlich.

››Gut, dann werde ich mir mal überlegen, wer uns weiterhelfen kann. Ich melde mich bei dir, wenn ich einen Plan habe‹‹, sagte Eric und küsste Isabella zum Abschied auf beide Wangen.

››Was soll das denn jetzt?‹‹, fragte sie überrascht und gereizt.

››Ich übe für unser nächstes Date. Normalerweise begrüße ich Frauen, mit denen ich verabredet bin, nicht mit einem kühlen Händedruck.‹‹ Er grinste sie unverschämt an und verließ dann die Wohnung.

››Eric ...‹‹, rief Isabella ihm nach und er drehte sich noch mal zu ihr um. ››Übertreib es nicht!‹‹, fügte sie genervt hinzu.

Als er weg war, öffnete sich langsam die Tür nebenan und ihre Nachbarin kam heraus.

››Ist alles in Ordnung bei Ihnen, Frau Filanders?‹‹, fragte sie Isabella.

››Ja, vielen Dank, Frau Mayer‹‹, antwortete Isabella höflich.

››Was war denn los?‹‹, fragte ihre Nachbarin nun neugierig.

››Na ja, Sie wissen doch, wie Männer sind. Ich bin zweimal mit dem Typen ausgegangen und schon glaubt er, dass er mir vorschreiben kann, was ich tun soll. Aber da ist er bei mir an der falschen Adresse. Dem habe ich mal gehörig die Meinung gesagt.‹‹ Isabella sah Frau Mayer an, dass diese gerne noch mehr erfahren hätte. Um das Gespräch zu beenden, sagte sie: ››Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag.‹‹

››Ich Ihnen auch‹‹, sagte Frau Mayer, da sie merkte, dass Isabella nicht mehr erzählen wollte und ging in ihre Wohnung.

Gerhard Wallner ging auf die imposante Villa zu. Als Umweltminister fühlte er sich sehr wichtig und genoss den Einfluss, den seine Stellung mit sich brachte. Aber das hier war eine andere Liga. Die Villa strahlte Reichtum und Macht aus. Sie gehörte Ferdinand Veller, dem Aufsichtsratsvorsitzenden von Veller Energy. Er beherrschte die Firma wie ein mächtiger Oligarch. Was er sagte, war Gesetz. Schon seit vielen Jahren hatte es keiner mehr gewagt, ihm zu widersprechen. Die luxuriöse Limousine, die in der Auffahrt stand, verstärkte den Eindruck von Reichtum und Dekadenz, insbesondere in einer Zeit mit schwindenden Ölreserven.

Wallner wurde am Eingang von einem Butler empfangen und durch die weiten Flure des Hauses geleitet. Als der Butler die Tür der Bibliothek für Wallner öffnete, vernahm dieser eine Opernarie. Ein Bass erfüllte den ganzen Raum. Wallner betrat die Bibliothek und sah Veller in einem Sessel sitzen. Dieser hielt einen Drink in der Hand und sah hinaus in den Garten. Mit einer Hand wies er auf einen weiteren Sessel, ohne Wallner direkt anzusehen. Als die letzten Töne verklungen waren, begann Veller zu reden.

››Don Giovanni ist ein Frauenheld, ein Wüstling und ein Mörder. Er verfolgt sein Ziel, egal, wer ihm dabei im Weg steht. Allerdings ist er dabei leichtsinnig und allzu sorglos und das wird ihm zum Verhängnis.‹‹ Veller hatte tief in Gedanken gesprochen. Nun sah er Wallner an. ››Würden Sie für Frauen so ein Risiko eingehen?‹‹

Wallner verneinte und hoffte, das Veller ihm nicht ansah, dass er keine Ahnung hatte, wovon dieser eigentlich sprach.

››Da haben wir etwas gemeinsam‹‹, sinnierte Veller. ››Warum sollte man sein Leben riskieren, nur um ein paar Frauen zu erobern. Don Giovanni wurde für seine Missetaten mit dem Höllenfeuer bestraft. Schade eigentlich, denn irgendwie mag ich ihn, aber in Geschichten muss das Gute immer siegen. Im wahren Leben dagegen sieht das anders aus. Wenn man sich klug anstellt, kann man alles erreichen. Stimmt's, Wallner?‹‹

››Oh ja, natürlich‹‹, beeilte sich dieser, Veller beizupflichten. Er hatte nicht viel übrig für Opern. Allerdings erschien es Wallner nicht ratsam, seine Abneigung offen zu zeigen, da Veller ein Opernliebhaber war und die Staatsoper in Berlin durch großzügige Spenden vor dem Bankrott gerettet hatte.

Veller erhob sich und ging zu einem kleinen Tisch, auf dem eine Whiskykaraffe stand. ››Wollen Sie auch einen?‹‹

››Ja bitte‹‹, antwortete Wallner. Er bemühte sich selbstbewusst zu wirken, aber diese imposante Umgebung und Veller verunsicherten ihn, auch wenn er das niemals zugegeben hätte. Veller reichte ihm seinen Drink.

››Wie laufen die Geschäfte?‹‹, fragte Wallner im Versuch, das unbehagliche Schweigen zu brechen.

››Gut, gut. Ich kann nicht klagen‹‹, antwortete Veller. Er war ans Fenster getreten und sah in den Garten hinaus. Wieder verfiel er in Schweigen. Schließlich fuhr er fort.

››Seit dem Peak Oil habe ich dank kluger Geschäftspolitik mein Imperium aufgebaut. Seitdem ist Energie ein gefragtes Gut und die Menschen haben endlich verstanden, wie abhängig sie von der Energie sind - wie abhängig sie von mir sind.‹‹

››Ja‹‹, bestätigte Wallner. ››Seit 2017 hat sich vieles geändert.‹‹

››Nein, mein Freund, nicht 2017‹‹, bemerkte Veller und wandte sich um.

››Der Peak Oil war bereits 2005. Das hat seinerzeit nur kaum jemand zur Kenntnis genommen. 2005 war das Jahr, in dem die Ölförderung ihr Maximum erreicht hatte. Seitdem geht es abwärts. Die Chinesen haben diesen Trend noch beschleunigt. Zu dumm, dass sie plötzlich auch alle Auto fahren wollten.‹‹ Er prostete Wallner zu. ››Auf die Chinesen! Die haben mich reich gemacht.‹‹

Wieder sah Veller nach draußen. Wallner fragte sich, warum er ihn zu sich bestellt hatte.

››Jetzt habe ich eine neue Energieressource entdeckt. Wenn ich die unter meine Kontrolle gebracht habe, werde ich wirklich unbesiegbar sein. Kein anderer Konzern wird mir dann noch das Wasser reichen können. Allerdings sind mir Neuigkeiten zu Ohren gekommen, die mir nicht gefallen.‹‹ Veller drehte sich zu Wallner um und sah ihn durchdringend an. ››Ich habe von kritischen Stimmen in Bezug auf Methanhydrat gehört.‹‹ Seine Stimme war plötzlich schneidend.

››Es war nur eine Stimme und ich habe das Problem bereits gelöst‹‹, beeilte sich Wallner zu versichern.

››Sind Sie sicher?‹‹, hakte Veller noch einmal nach.

››Ja, ganz sicher. Es wird keine negative Publicity zum Thema Methanhydrat geben. Allerdings kann es nicht schaden, die Presse mit einem anderen Thema zu beschäftigen.‹‹

››Woran denken Sie?‹‹, fragte Veller.

Wallner überlegte einige Momente. Dann hatte er eine Idee.

››Wir könnten behaupten, dass Leuchtdioden gesundheitsschädlich sind‹‹, schlug er vor. Das war vielleicht nicht die kreativste Idee, aber auf die Schnelle war ihm nichts Besseres eingefallen.

››Damals bei der sogenannten Energiesparlampe hat es ja auch funktioniert. Warum also nicht?‹‹, überlegte Veller.

››Vielleicht gibt es ja wieder Hamsterkäufe.‹‹ Diese Vorstellung amüsierte Wallner.

››Umso besser für mich. Wenn die Leute so an den konventionellen Leuchtmitteln hängen, verbrauchen sie mehr Strom. Mir soll es recht sein. Also kümmern sie sich darum.‹‹ Veller wandte sich wieder ab und der nächste Akt von Don Giovanni erscholl. Damit war Wallner entlassen.

Am nächsten Morgen war Eric sehr früh auf den Beinen. Er war auf dem Weg zum Umweltministerium. In der Hand trug er eine Tüte mit frischen Croissants. Er hatte die Zeit für seinen Besuch mit Bedacht gewählt, nämlich so, dass der Umweltminister nicht da war. Als er das Vorzimmer des Umweltministers betrat, begrüßte er die Assistentin mit einem strahlenden Lächeln.

››Guten Morgen Victoria, du siehst wundervoll aus, wie immer.‹‹

››Guten Morgen Eric, und du bist ein alter Charmeur‹‹, erwiderte Victoria mit einem Lächeln. Sie mochte Eric. Er war immer gut gelaunt und freundlich. Wäre sie nur ein paar Jahre jünger, könnte sie sich glatt in ihn verlieben. Aber mit ihren 45 Jahren fühlte sie sich dann doch ein bisschen zu alt für einen Mann, der Anfang 30 war.

››Was führt dich so früh her?‹‹, fragte sie.

››Ich wollte zum Umweltminister. Ist er da?‹‹ Fragend sah Eric sie an.

››So früh? Der kommt nicht vor neun ins Büro.‹‹, sagte Victoria.

››Oh, das ist aber schade. Das kann man nicht ändern. Was hältst du davon, wenn wir zusammen frühstücken, damit ich nicht ganz umsonst gekommen bin? Ich habe ein paar Croissants mitgebracht. Da ist auch eins mit Nougatfüllung dabei.‹‹ Eric lächelte sie schelmisch an und hielt die Tüte in die Höhe.

Viktoria musste ebenfalls lächeln. Das war ihre Lieblingssorte. Sie hatte es ihm mal erzählt, aber sie war erstaunt, dass er es noch wusste.

››Also gut‹‹, sagte sie. ››Ich mache uns Kaffee.‹‹

Eric nahm in der Sitzecke Platz, die für wartende Besucher gedacht war und begann die Croissants auszupacken. Als sie es sich mit Kaffee und Croissants gemütlich gemacht hatten, fragte Eric: ››Wie geht es dir?‹‹

››Eigentlich ganz gut, nur die Arbeit macht mir immer weniger Spaß.‹‹

››Wieso das denn?‹‹

››Inzwischen tut der Umweltminister nicht mal mehr so, als ob er sich für Umweltschutz einsetzt. Und wenn jetzt der Abbau von Methanhydrat erlaubt wird, dann sind alle Anstrengungen der letzten Jahre umsonst gewesen. Außerdem geht es dabei nicht nur ums Klima. Es ist viel zu gefährlich‹‹, sprudelte es aus Victoria heraus. Erschrocken hielt sie inne.

››Was meinst du?‹‹, fragte Eric nach.

››Na ja, weißt du ...‹‹, sie zögerte und sah Eric an. ››Eigentlich soll das ja keiner erfahren, aber vor ein paar Wochen hat eine Klimaforscherin Ergebnisse ihrer Arbeit geschickt. Ich habe sie mir angesehen und muss sagen, sie waren wirklich erschreckend. Als der Umweltminister die Ergebnisse gesehen hat, ist er ärgerlich geworden und hat den Chef der Forscherin angerufen. Seitdem hat niemand mehr über die ganze Sache geredet und die Ergebnisse sind in der Versenkung verschwunden. Ich wünschte, ich hätte ihr helfen können‹‹, sagte Victoria traurig.

››Vielleicht kannst du das ja.‹‹ Eric sah sie an. Er überlegte, wie weit sie wohl gehen würde.

››Ich weiß ja nicht mal, wo sie ist. Vermutlich wurde sie gefeuert‹‹, erwiderte Victoria.

››Aber ich weiß, wo sie ist. Ist ihr Name Isabella Filanders?‹‹, fragte Eric. Überrascht sah Victoria ihn an.

 

››Ja, woher weißt du das?‹‹

››Weil ich sie kenne und ihre Ergebnisse kenne ich auch. Es wäre wirklich schlimm, wenn eintreten würde, was sie in ihrer Untersuchung voraussagt.‹‹

››Genau das finde ich auch und deshalb muss etwas dagegen unternommen werden!‹‹, sagte Victoria.

››Man müsste erst mal dafür sorgen, dass sie die Ergebnisse einem geeigneten Kreis vorstellen könnte‹‹, überlegte Eric.

››Sie könnte einen Vortrag auf der nächsten Konferenz zum Thema Energie und Umwelt halten. Die ist in fünf Tagen‹‹, schlug Victoria vor.

Eric sah sie verwundert an. ››Wie soll das denn gehen?‹‹, fragte er. Viktoria lächelte.

››Weißt du, gerade heute Morgen hat unser Teilnehmer für die Konferenz abgesagt. Er ist krank geworden. Wie der Zufall es will, sollte er einen Vortrag auf der Konferenz halten. Frau Filanders könnte für ihn einspringen.‹‹

››Aber das würde doch auffallen.‹‹

››Mein Chef interessiert sich nicht für solche Kleinigkeiten und manchmal kommen E-Mails einfach nicht an‹‹, sagte sie, während sie zu ihrem Computer ging und die entsprechende E-Mail löschte.

››Das würdest du tun?‹‹, fragte Eric verblüfft.

››Ja, es ist Zeit, mal wieder das Richtige zu tun. An der Konferenz nehmen Wissenschaftler, Vertreter von Umweltverbänden und interessierte Leute, die nicht vom Fach sind, teil. Die Konferenz findet im Hotel Esplanade statt. Sie beginnt um 10:00 Uhr. Deine Firma ist übrigens auch eingeladen, aber vom Institut für Umweltforschung wird keiner da sein‹‹, sagte sie.

››Danke, ich danke dir!‹‹, entgegnete Eric überwältigt von der Möglichkeit, die Victoria eröffnet hatte. ››Ich muss jetzt auch los. Es wird Zeit, dass ich mich im Büro sehen lasse. Mach’s gut.‹‹

››Du auch‹‹, erwiderte Victoria und Eric verließ ihr Büro.

Das war ja viel besser gelaufen, als er gedacht hatte. Eigentlich war er nur gekommen, um zu erfahren, wie der Umweltminister auf Isabellas Resultate reagiert hatte. Jetzt hatte Victoria ihm eine Möglichkeit eröffnet, wie die Ergebnisse genau den richtigen Leuten präsentiert werden konnten. Damit hatte er nicht gerechnet.

Nach der Arbeit machte sich Eric auf den Weg zu Isabella. Am liebsten hätte er sie schon am Vormittag angerufen, um ihr die gute Neuigkeit mitzuteilen. Aber derartige Sachen wollte er nicht am Telefon besprechen. Das war ihm zu unsicher. Als er Isabellas Wohnung erreicht hatte, klingelte er ungeduldig. Kurz darauf öffnete sie die Tür und sah ihn überrascht an.

››Hallo, was machst du denn hier?‹‹ Misstrauen war in ihrem Blick zu erkennen.

››Kann ich reinkommen?‹‹, fragte Eric betont höflich.

››Ja, natürlich‹‹, murmelte Isabella und trat widerwillig zur Seite. Sie ist also immer noch ärgerlich, dachte Eric. Ohne sich diese Gedanken anmerken zu lassen, sagte er fröhlich: ››Ich habe tolle Neuigkeiten.‹‹

››Und die wären?‹‹ Die Skepsis in ihrem Tonfall war nicht zu überhören. Aufmerksam sah sie Eric an. Er erschien ihr merkwürdig aufgeregt. Sonst wirkte er immer ruhig und souverän.

››Ich weiß jetzt, wo wir deine Ergebnisse präsentieren können‹‹, sagte er, während er in ihr Wohnzimmer ging.

››Und wo?‹‹, fragte Isabella.

››Auf der nächsten Konferenz zu Energie und Umwelt. Die ist in fünf Tagen.‹‹ Damit verblüffte er Isabella.

››Wie hast du das denn so schnell hingekriegt?‹‹, fragte sie erstaunt.

››Gute Beziehungen‹‹, antwortete er mit einem selbstgefälligen Grinsen. ››Meinst du, bis dahin hast du eine Präsentation deiner Ergebnisse fertig? Außerdem wäre es gut, wenn wir eine Alternative zu Methanhydrat vorstellen könnten. Dann würden wir den Energieunternehmen weniger Angriffsfläche bieten.‹‹

Isabella überlegte. ››Wenn ich mich richtig anstrenge, kann ich die Präsentation der Ergebnisse vielleicht morgen Abend fertig haben. Heute ist Donnerstag. Wenn Montag die Konferenz ist, bleiben noch Samstag und Sonntag, um einen Alternativplan zu erstellen. Das ist allerdings viel zu wenig Zeit, normalerweise würde man dafür mehrere Wochen veranschlagen.‹‹

››Wir haben aber nur zwei Tage, das müssen wir irgendwie hinkriegen. So eine Gelegenheit wie diese Konferenz bekommen wir nicht noch mal‹‹, erwiderte Eric und sah sie eindringlich an.

››Versuchen können wir es ja‹‹, sagte Isabella noch etwas unsicher. ››Allerdings brauche ich Unterstützung von dir, denn alleine schaffe ich das nicht‹‹, fügte sie hinzu.

››Ab morgen Abend stehe ich ganz zu deiner Verfügung‹‹, sagte Eric mit einem Lächeln.

››Warum erst morgen Abend? Ich habe keine Lust, alles alleine zu machen. Und du kommst dann ab und zu mal vorbei und siehst nach, ob alles deinen Wünschen entspricht. So läuft das nicht, mein Lieber!‹‹, entgegnete sie gereizt.

››Weil ich vorher arbeiten muss. Im Gegensatz zu dir habe ich noch einen Job‹‹, sagte Eric betont geduldig.

››Oh‹‹, sagte Isabella und wurde rot. Es war ihr ziemlich peinlich, dass sie daran nicht gedacht hatte. Seit sie ihren Job verloren hatte, stand sie manchmal neben sich. Außerdem machte Eric auf sie nicht den Eindruck, als ob er einer ernsthaften Arbeit nachginge. Er erschien ihr wie ein reicher, verwöhnter Yuppie.

››Hast du eigentlich schon was gegessen?‹‹, fragte sie, um von ihrer Verlegenheit abzulenken.

››Seit dem Frühstück nicht mehr. Etwas zu essen wäre schön‹‹, erwiderte Eric.

››Dann mach es dir auf der Couch bequem. Ich koche uns schnell was‹‹, sagte Isabella und flüchtete in die angrenzende Küche. Eric ließ sich auf die Couch sinken. Auf einmal fühlte er sich ziemlich müde. Er sah sich in Isabellas Wohnzimmer um. Es war viel kleiner als sein eigenes. Sie hatte ein großes Bücherregal, gegenüber der roten Couch stand ein Sideboard mit einer bauchigen Vase aus rotem Glas. Vor der Couch lag ein flauschiger Teppich, auf dem ein kleiner Tisch stand. Der Esstisch vor dem Fenster war mit Papieren übersät. Dazwischen schaute ein Notebook hervor. Das Zimmer gefiel ihm. Es wirkte sehr gemütlich.

Er beobachtete, wie Isabella kochte, denn die Küche war nur durch einen Tresen abgetrennt, an dem zwei Barhocker standen. Schon nach wenigen Minuten stiegen ihm verlockende Düfte in die Nase und er entspannte sich langsam.

Nach kurzer Zeit sagte sie: ››Essen ist fertig‹‹, stellte zwei Teller auf den Tresen und legte Besteck dazu. Eric stand auf und ging zu einem der Barhocker. Sie setzte sich gegenüber hin.

››Es ist nur Pasta mit Tomatensoße. Etwas anderes habe ich nicht da. Ich bin in den letzten Tagen nie zeitig genug zum Einkaufen gekommen, um frisches Gemüse zu bekommen. Jetzt im Frühling ist das ja immer schon mittags ausverkauft‹‹, sagte sie fast entschuldigend. ››Lass es dir schmecken‹‹, fügte sie hinzu.

››Danke‹‹, sagte Eric und begann zu essen. Schnell hatte er seine Portion aufgegessen.

››Schmeckt toll! Hast du noch einen Nachschlag?‹‹

››Klar, du musst ja wirklich ausgehungert sein‹‹, sagte sie mit einem Lächeln und füllte ihm noch eine Portion auf. Schweigend aßen sie weiter. Als sie fertig waren, lehnte Eric sich zufrieden zurück.

››Das hat wirklich gut getan, jetzt geht es mir schon viel besser. Danke.‹‹

››Freut mich, wenn es dir geschmeckt hat‹‹, sagte Isabella. Sie war immer noch ein bisschen verlegen. ››Hast du schon eine Idee, wie wir bis Montag einen kompletten Vortrag auf die Beine stellen wollen?‹‹, fragte sie, ohne ihn direkt anzusehen.

››Ich denke, am besten kommst du morgen Abend zu mir. Dann können wir parallel arbeiten. Wenn bis dahin die Präsentation deiner Ergebnisse fertig ist, können wir das Konzept für eine alternative Energieversorgung planen.‹‹

››Klingt gut‹‹, sagte Isabella und versuchte nicht daran zu denken, wie wenig Zeit ihnen blieb.

››So, ich werde jetzt gehen‹‹, Eric stand auf. ››Ich brauche dringend ein bisschen Schlaf‹‹, fügte er hinzu, während er in den Flur ging. ››Vielen Dank nochmal für das Essen. Du hast mir damit das Leben gerettet‹‹, sagte er lächelnd.

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