Seemannsschicksal im 2. Weltkrieg – und danach

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Das Schiff brach etwa bei Luke III auseinander. Der Untergangsort ist 53° 55,5 N und 6° 38° O. Das Wrack liegt auf 27 m Wassertiefe und beide Masten ragen aus dem Wasser. Eine rote spitze Tonne liegt aus. Wetter zur Zeit der Detonation: SW Wind und Stärke 4, stark bewegte See, mäßige Sicht. Im Laufe der Nacht frischte der Wind auf und der Seegang nahm zu.

Bei der Detonation wurden folgende Besatzungsmitglieder, die sich im Logis unter Deck befanden verletzt:

Hilfskesselwärter Rudolf Bohnhorst: linkes Handgelenk gebrochen,

Trimmer Willi Detlefsen: linkes Knie verletzt,

Heizer Heinz Paulat: Ferse verletzt.

Erste Hilfeleistungen wurden ihnen auf dem Vorpostenboot Nr. 802 zuteil von dem Son.Gefr. Sauer.

Tiefgang V 27’7“ H 27’4“, Bunkerstand: 232 To.

Gez. P.Voss, Kapitän

* * *

Wir zogen gleich in unserem abenteuerlichen Aufzug in das Hotel, das Beste am Platze. Es war schon sehr spät, aber die Kellner haben uns sehr freundlich empfangen, und die Bratkartoffeln mit Setzei waren vorbereitet und haben uns sehr gemundet. Dann bekamen wir ein tolles Zimmer. Am anderen Tag haben wir Hose, Jacke, Hemden, Schuhe und Mantel bekommen und einen Fahrschein nach Hause.

Am 16.12.1942 ist die ALTENFELS, für die wir bereits gemustert waren, versenkt worden!

Wir wurden also durch Fürsprache der Arbeitsfront über Weihnachten nach Hause geschickt. Wir Freunde haben uns getrennt. Ich bin dann über Berlin, Posen, Korschen bis Langheim gefahren. Am späten Abend des 14.12.1942 bin ich in Langheim angekommen. Dann standen mir noch fünf Kilometer Fußmarsch in bis zu 80 cm Schnee bevor. Da bin ich zu meinen Großeltern in Langheim gegangen und habe dort übernachtet. Die waren sehr überrascht, mich so plötzlich vor sich zu haben. Die Freude über meine Rettung war sehr groß. Am anderen Morgen habe ich mein kleines Bündel gepackt und bin durch den tiefen Schnee nach Hause gestapft. Zuhause waren alle sehr glücklich, dass ich da war. Als sie erfahren haben, warum ich so plötzlich Urlaub hatte, war das Entsetzen groß.

Nach ein paar Tagen in mütterlicher Obhut waren alle Strapazen vergessen, und es ging auf Tour, da hin und mal dort hin, alle Freunde und Freundinnen besuchen. Man muss sich das aber mal vorstellen, die Entfernung bis zum nächsten Dorf betrug fünf Kilometer durch tiefen Schnee bis über das Knie bei minus 8 - 10 Grad. Das, um jemand nach Hause zu bringen. Die längste Tour war 12 km hin, na ja und dann 12 km zurück. Wofür? Für einen kleinen Spaziergang mit etwas „Brusttee“. Es waren aber immer sehr romantische Nächte bei klarem Himmel und funkelnden Sternen. Das einzige Geräusch, der knirschende Schnee.

So kam das Weihnachtsfest im Kreise der trauten Familie. Am zweiten Feiertag endlich ein festes Rendezvous 15 km entfernt, aber für uns ja keine Entfernung mehr. Ein Freund ging mit mir, ich wollte beim Schlachter turteln und er nebenan beim Bäcker. Als ich in den Garten kam, bekam ich einen Schlag vor die Brust: eine große Schnauze vor meiner Kehle, ein böses Knurren, oh Schreck! Meine Holde hatte vergessen, den Schlachterhund einzusperren! ... So konnte ich nur hauchen: „Helmut, Hilfe!“ Zum Glück war er auch noch im Garten, er kannte den Hund und so hat er ihn beruhigt und in den Zwinger gebracht. Bei mir war alle Lust vergangen, trotz gutem Zuspruch meines Freundes machte ich kehrt und stapste die Strecke zurück. Ja, das waren so preußische Vergnügungen. Am Neujahrstag trafen wir uns wieder. Sie war sehr böse, weil ich sie versetzt hatte. Als ich ihr mein Erlebnis berichtete: „Ach du liebe Zeit, den Hund hatte ich ganz vergessen.“ Sie wollte alles wieder gut machen, bei Schnee und 12° Grad Kälte! War wohl nichts!

So hatte das Jahr 1943 begonnen. Als erstes sagte mein Vater: „Jetzt meldest du dich zur Kriegsmarine, denn beim Wehrmachtsgefolge bist du ja auch im Krieg, und wenn etwas passiert musst du ja alle Sachen selber besorgen, und wie schwierig das ist, hast du ja jetzt gesehen. Auch wenn man die Bezugscheine hatte, musste man in etlichen Städten herumlaufen, um Bettwäsche, Kleidung und Schuhe zu bekommen. So sind wir, mein Freund Helmut und ich, zum Wehr-Bezirks-Kommando gefahren und haben uns freiwillig gemeldet, ich, zur Kriegsmarine und er zur Unteroffiziers–Vorschule. So liefen die Tage dahin. Jeden Tag konnte der Befehl, an Bord zu erscheinen, eintreffen. Täglich wurde jetzt mit Spannung auf die Post gewartet.

Am 15.01.1943 war es soweit, wir sollten am 20.1.1943 in Bremen antreten. Unser dritter Kollege war Leichtmatrose und wohnte in Allenstein. Ich habe gleich eine Karte an ihn geschrieben und gefragt, ob er auch am 20. in Bremen antreten müsse, wir sollten uns am 18. in Allenstein am Bahnhof treffen, ich müsse ja über Allenstein fahren. Pünktlich um 19 Uhr war ich in Allenstein, und mein Freund war da. Aber er hatte noch keine Order. Steige aus, sagte er, kannst morgen weiter fahren, wir machen eine große Feier mit Mädchen und so. Ein tolles Versprechen, aber nicht für mich: Komisch ich war so pflichtbewusst, dass ich das ausschlug, obwohl damals ja jeder Tag für uns der letzte sein konnte. So bin ich weiter gefahren und hab ihn nie wieder gesehen. Ich war dann am nächsten Nachmittag in Bremen. Wurde gleich vom Inspektor „Falkenauge“ (Spitzname, weil er alles sah) ins Gebet genommen: Die Begrüßung: „Na Krüger da bist du ja! Sehr pünktlich, wie ich es erwartet habe, ich habe dich ausgesucht, weil ich glaube, du liebst doch deine Mutter. Du wirst solche Sachen nicht machen!“ Ich stand da mit offenem Mund und verstand nur „Bahnhof“. Ich wusste nicht, was er meinte und stotterte: „Natürlich liebe ich meine Mutter und werde nichts machen, was ihr weh täte!“ – „Ja, so ist es recht!“, sagte er und fuhr fort: „Wir haben ein Schiff in Bordeaux liegen, da passieren immer furchtbare Dinge, die halbe Besatzung ist immer geschlechtskrank.“ Zu damaliger Zeit war das auch noch strafbar, wer geschlechtskrank war, wurde wegen Selbstverstümmelung verurteilt. Ei, ei, das war eine schlimme Sache!


Auf der „SCHARLACHBERGER“ nach Spanien

Na ja, ich wurde als Leichtmatrose am 20.01.1943 auf die „SCHARLACHBERGER“ gemustert, erhielt eine Fahrkarte und um 22:00 Uhr ging es über Köln nach Paris. Im Zug waren etliche deutsche Soldaten, und so kam ich mit einem Offizier ins Gespräch. Er wunderte sich, dass ich als junger Kerl in Zivil durch die Gegend fuhr, da vermutete man schnell einen Deserteur. Wir hatten ein Soldbuch mit dem Vermerk: „Soldatenstatus trägt Zivil, im Falle einer Gefangenschaft ist Inhaber nach Genfer Konvention wie ein Soldat zu behandeln“ und ein Abzeichen „WG“, Wehrmachtsgefolge.

So um die Mittagszeit sind wir in Paris angekommen. Neben dem Bahnhof „Gare du Nord“ war die Kommandantur, da mussten alle Ankommenden sich melden. Ich erfuhr, dass mein Zug vom „Gare d’Austerlitz“ am späten Abend nach Bordeaux fuhr, so bummelte ich durch die Straßen und bin noch zum Friseur gegangen. Oh Schreck, die erste Frau, die mir die Haare schnitt! Es war ziemlich aufregend für mich, sie wollte gar nicht mehr aufhören..., da noch ein Wässerchen, hier noch ein Schnipselchen, die ganze Prozedur hat wohl bald eine Stunde gedauert, und dann der Hammer: 100 Francs, das entsprach 5 Reichsmark, mein Kapital damals waren 10 Reichsmark Devisen. Ansonsten war es ein sehr schöner Tag und für Januar sehr warm. Dann ging ich zur Metro, für mich überwältigend, drei Etagen und sehr schnell. Am Bahnhof „Gare d’Austerlitz“ gut angekommen, stand auch schon mein Zug zur Abfahrt bereit. Am folgenden Mittag waren wir in Bordeaux. Wieder auf der Kommandantur melden. Ja mein Dampfer läge in Pauillac, das liegt auf halber Strecke nach Royan. Dort war eine Marinestation, zu erreichen mit einer Bimmelbahn. Die Abfahrt war um 16:00 Uhr, mit Rütteln und Schütteln ging es immer an der Gironde entlang, mittlerweile war es tiefe Nacht, und wir rumpelten lange Zeit dahin. Dann ein Stoß und Stopp, der Schaffner rief mit lauter Stimme „Pauillac, Pauillac!“ Ich die Tür auf, Seesack und Koffer raus, Perdautz, es tat sich ein Abgrund auf und ich landete rückwärts im Graben und in Brennnesseln. Ich war im letzten Waggon und der Bahnsteig war nur für den ersten da. Man muss bedenken, dass damals wegen Fliegergefahr Verdunkelung und totale Finsternis herrschte. Ich bin schnell in Panik geraten, da lag ich nun in stockfinsterer Nacht!

Da hörte ich in der Ferne lautes Rufen: „Jemand für SCHARLACHBERGER da?“ Ich schrie sofort: „Ja! Ja! Hier!“ Das Gelächter war natürlich groß, als sie merkten wo ich gelandet war!


Auf der „SCHARLACHBERGER“

Ich war an Bord angemeldet worden, da man ohne Parole nicht in den Stützpunkt kam, so wurden die Neuen immer abgeholt. Eine lange Holzbrücke mit Flak bestückt, eine Pier und Bunkerstation und dann lag der tolle Dampfer da. Um 22:00 Uhr war ich gut gelandet! Ich wurde sehr herzlich begrüßt, und es startete gleich eine große Feier, ich habe nur noch gestaunt: Apfelsinen, Pfirsiche, amerikanische Zigaretten, Kekse, Wein, alles was das Herz begehrt! Der Dampfer SCHARLACHBERGER war ein gekaperter Grieche, schon etwas betagt, aber noch gut in Schuss. Wir wohnten achtern in der Poop, es war sogar eine Messe für Heizer und Matrosen gemeinsam vorhanden. Ich kam in eine Drei-Mann-Kammer, Matrose Horst und ein Jungmann waren sehr nette Kollegen.

 

Der Dampfer sollte als U-Boot-Versorger eingesetzt werden. Im Zwischendeck waren Lager für Torpedos, große Kompressoren für die Luft der Torpedomotoren und alles Zeug was dazu gehört. Auf der Poop eine 3,7-cm-Doppellavette, auf der Brücke in jeder Nock eine 2-cm-Einzellavette, 20 Flaksoldaten, also ganz toll bewaffnet.

Aber 1943 war der U-Boot-Krieg abgeflaut und das größte Handikap war, der Dampfer lief AK nur 7 - 8 Meilen. So sind wir zum Glück nicht zu diesem riskanten Einsatz gekommen. Alles wurde schön an die Seite gepackt, und wir wurden zum Erzdampfer umdeklariert.


Auf der „SCHARLACHBERGER“


Als es an meinem ersten Abend spät wurde und ich zur Koje gehen wollte, hörte ich ein wahnsinniges Stöhnen und Jammern in den Toiletten. Fragte mich, was da vor sich gehe und bin hin, was sah ich da? Da standen etliche Kerle und stachen sich Spritzen in ihren Penis, mein Matrose auch. Ich war schockiert, fragte: „Was habt ihr?“ Das waren meine Kollegen, die sich nicht krank gemeldet hatten, denn damals wurde Geschlechtskrankheit ja schwer bestraft. Diese Kollegen hatten von irgendeinem Sani Spritzen und Salvasan bekommen, und nun kurierten sie sich selbst, zogen 14 Tagen diese furchtbare Prozedur durch und hofften, dass alles gut gehe!

Dann kam der erste freie Sonntag. „Kommst du mit?“, wurde ich gefragt. „Wohin?“ - „Circa 3 km weiter ist ein Ort mit tollen Lokalen und super Mädchen!“ - „Schön, ich gehe nicht mit!“ - Es ging hin und her, Argumente wie: „Die Mädels sind ganz anders als die deutschen“ und „man kann sich ja schützen“, ließen mich schwach werden, ich fügte mich also der Überredungskraft. So sind wir dann los gezogen, es waren wirklich tolle Lokale, die Madame kassierte gleich 100 Francs (5 RM) und eine Stunde war gebongt. Aber mit dem Wissen um die möglichen Folgen im Hinterkopf wurde es nur ein leichtes Beschnuppern.

In Pauillac hatten wir zwei Stammlokale, die hießen nur „Zu den sechs Titten“ - das Lokal betrieben drei Schwestern - oder „Zu den vier Arschbacken“, das waren halt zwei Schwestern. Da ging es immer gemütlich zu. Die Frauen waren für uns schon matronenhafte Wesen, aber sehr nett zu uns, wie Mütter.


Nach etlichen Tagen war der Umbau fertig, und der Ernst des Lebens begann. Die Gironde hat 5 bis 6 Meilen Strom, so war es uns nur möglich mit der Tide zu fahren. Wir schafften mit einer Tide Pauillac – Royan oder Royan – Pauillac und die nächste erst nach Bordeaux. In dunkler Nacht erreichten wir Royan. Da habe ich schon wieder gestaunt: Drei moderne Zerstörer nahmen uns unter ihre Fittiche, ein Sperrbrecher voraus, so ging es in die Biskaya, ach hätten wir doch oben in Norwegen immer diesen Schutz gehabt! In weitem Umkreis sicherten sie die See, und wir zogen bei herrlichem Wetter unsere Bahn.


Kurt Krüger – rechts mit Fotoapparat – unter Spaniens Palmen

Wir erreichten unbehelligt Bilbao. An der Hoheitsgrenze verabschiedeten sich die Zerstörer und ein spanisches Patrouillenboot nahm uns in Empfang und geleitete uns in den Vorhafen. Die Waffen wurden abgedeckt, die Verschlüsse kamen in Zollverschluss, die Soldaten trugen Zivil und einheitliche Trenchcoats, so konnten sie an Land gehen.

Der erste Anblick war für mich überwältigend, überall die Dunkelheit und schwarze See – und jetzt vor uns ein Lichtermeer und das im Januar 1943. Am Morgen sind wir dann eingelaufen und im Hafen vor Anker gegangen. Es war noch ein deutsches Schiff im Hafen. Wir warteten jetzt auf Order, an der Erzpier anlegen zu können. Nach etwa drei Tagen war es soweit. An der Pier gab es Kupfererz, Santurze hieß der Erzhafen.

Es kamen gleich ein paar junge Spanier, die schon länger mit ein paar Kollegen befreundet waren. Mit der Zeit schloss ich Freundschaft mit dem Leichtmatrosen Ferdinand Gmeiner aus Bregenz und mit dem Steward Hans aus Berlin. Es war ja kurz nach dem spanischen Bürgerkrieg, und so waren die Jungen sehr freundlich zu uns Deutschen. Gleich wurden wir eingeladen. Unser bester Freund, Jesus Horas Blanko, hatte zwei Schwestern, Carmen und Celia, die haben uns gleich zum Tanzen geholt, Celia hatte es gleich auf mich abgesehen, sie tanzte nur mit mir! In Santurze lagen direkt am Meer Freilicht-Tanzflächen, sehr schön. Es ergab sich, dass wir im spanischen Sinne ein Paar wurden. Ein Paar im spanischen Sinne hieß, dass beim Spaziergang Bruder oder Schwester immer dabei waren. Ich wurde zum Essen bei ihr zu Hause eingeladen und der Matrona vorgestellt. Wir waren nie alleine und hatten auch nie körperlichen Kontakt, dann nach etlicher Zeit die Frage: „Keh’ timpo motremonio?“ (Sag’ wann heiraten wir?) Meine Antwort lautet dann: „Képossible otra beache!“ (Ach, vielleicht ist es nächste Reise möglich!) So ging das Spiel die ganze Zeit.

Nach dem Tanzvergnügen lernte ich auch schnell die spanische Mentalität kennen. Die Mädchen wurden um 19:00 Uhr nach Hause gebracht, dann rein in die Stadt, in der jedes Lokal ein Bordell war, so haben die Jungs sich bis zur Hochzeit über Wasser gehalten!

Unsere Heuer war nicht so hoch, 25.- RM Devisen und 25.- RM nach Hause, da musste man Wege suchen, um über die Runden zu kommen. So haben wir uns Mädchen gesucht, mit denen man ins Geschäft kam. Sacharina und Asperina war gefragt, und dafür gab es richtig Peseten, in Deutschland gab es Sacharin und Aspirin frei zu kaufen. So ging gleich ein Brandbrief an die liebe Mama: „Frage nicht, aber schicke soviel Sacharin und Aspirin, wie du kriegen kannst.“ Die liebe Mama hat es getan, schon bei der nächsten Reise hatte ich mein Paket in Bordeaux. Jetzt war ich ein begehrter Partner. Für die Medikamente konnte ich von den Mädchen Peseten, Kondome und Parfum bekommen, so hatten wir schöne Zeiten, für die Tänzerin Eis und Schokolade und bei der anderen das Geschäft.

Eines Tages ging das Erzladen los, 8.000 Tonnen Kupfererz, dann wieder vor Anker. Der Kapitän musste für Order an Land, wir lagen auf Wartestellung bis die Luft draußen rein war. Das war die Zeit des Nervenkitzels, immer in Bereitschaft. Dann plötzlich von der dunklen See blitzende Morsezeichen, unsere Begleitzerstörer! Sofort Anker lichten und ade du sichere Zeit! Hinein in die totale Finsternis. Die Geschütze wurden an Deck montiert, alle waren auf ihren Posten und los ging’s.


Sperrbrecher: Unser militärischer Beschützer in der Biskaya

Außerhalb der Hoheitsgewässer wurden wir in Empfang genommen, im Zick-Zack-Kurs ging es in die Biskaya, man musste immer ganz raus fahren, da die Küstengewässer vermint waren. Es verlief alles ganz ruhig, und wir erreichten ohne Schaden Royan, wo wir von unserem Geleit verlassen wurden. Mit der Tide dann bis Po de Lac, was wir immer in 6 bis 7 Stunden schafften. Mit der nächsten Tide ging es dann nach Bordeaux, wir landeten an der Erzpier, und meine erste Reise ging somit zu Ende. Es dauerte noch ein paar Tage bis wir zum Löschen kamen.

In Bordeaux hatten wir etliche Fliegerangriffe, aufgrund der starken Abwehrfeuer flogen die Maschinen nur quer an, und die Bomben gingen immer in die Wohnsiedlungen, die Franzosen waren ganz schön sauer. Jeden zweiten Abend hatten wir Luftschutzwache, den anderen ging es immer in die Stadt.

Auch hier hatte ich gleich Anschluss bei meinen Kollegen, die ihre Plätze aufsuchten. Es waren sehr gute Lokale, natürlich auch mit Damen und von der Wehrmacht überwacht, so hatte ich auch gleich geschäftliche Beziehungen gefunden. Schöne Zeit für meine Mitbringsel, Parfum und Kondome, es gab auch die nötigen Franc, denn die Madame war unerbittlich, sie musste immer ihre 100 Francs haben.


Dampfer „SCHARLACHBERGER“ in Bordeaux

Ich bin ja ein treuer Mann, und so hatte ich immer eine Freundin in Frankreich und eine in Spanien, der Geschäfte wegen versteht sich. So hatte ich es auch immer gut, und mir ist auch nie etwas passiert, ich bin immer sauber geblieben.


Auf der „SCHARLACHBERGER“

In Bordeaux waren große Teile der Stadt für die deutsche Wehrmacht gesperrt, auf den Straßen befanden sich Schilder mit der Aufschrift: „Für deutsche Wehrmacht betreten verboten!“ Ab 22 Uhr war Ausgangssperre, für uns war das egal, wir mussten sowieso um 22 Uhr an Bord sein, aber uns hat auch der Teufel geritten, und wir sind natürlich in die verbotenen Straßen gegangen, da wir ja in Zivil waren, wir durften uns nur nicht von der Militärstreife erwischen lassen. Wenn ich im Nachhinein daran denke wie leichtsinnig wir waren! 1944 hätten wir uns das nicht mehr leisten dürfen, aber 1943 waren die Franzosen noch friedlich. So sind wir dann in die Sperrstraßen und in die richtigen französischen Kneipen gelangt. Der Wein war gut und billig, und es war immer eine gute Atmosphäre. Jede Kneipe hatte einen geheimen Raum, wenn die Streife kam, blinkte ein Licht und die Wirtin schob uns durch die geheime Türe, waren sie weg holte sie uns wieder rein. Kein Wunder, dass die Partisanen später nicht zu fassen waren. Nur wie gesagt, wir haben uns damals nichts dabei gedacht, wir hatten nur unseren Spaß.


Auf der „SCHARLACHBERGER“

Nach etlichen Tagen ging es wieder raus, und eine neue Reise begann. Unser Schiff fuhr immer zwischen Bilbao und Bordeaux hin und her. Im Frühjahr hatten wir auf See einen Angriff von einer Sunderland, doch unsere geballte Feuerkraft hatte sie schnell vertrieben. An einem schönen Sonntag machte unser Dampfer plötzlich einen Satz und schüttelte sich kräftig... Der erste Offizier schrie: „Klar bei Lecksegel!“ Wir gleich alle auf Station, da brüllte der Alte: „Schiet an Lecksegel, kloar bi de Bötte!“ Er war kein Held, unser Kapitän Griese, dabei hatten die Zerstörer U-Boote vermutet und warfen Wasserbomben. Also erreichten wir wieder sicher den Hafen von Bilbao. Es war ein herrlicher Sommer, ich habe die ganze Zeit nur kurze Hosen getragen und war braun wie nie.


Auf der „SCHARLACHBERGER“

Immer um 22 Uhr an Bord sein zu müssen, passte mir auch nicht andauernd, ich wollte auch mal ‘ne tolle Nacht in Bordeaux erleben. So haben wir ausbaldowert, dass wir in den Offiziersclub gehen, dort gab es keinen Zapfenstreich. Das Reinkommen war nicht schlimm, wir waren schick angezogen, hatten eine stramme Haltung, eine Plakette, Ausweis und schon waren wir drinnen. Die Gefahr: Jemand musste ins Wachbuch eintragen: „Krüger 22 Uhr an Bord“, es durfte auch keinen Fliegeralarm geben, denn ich war Munitionsschütze und ich musste am nächsten Morgen ungesehen wieder an Bord kommen! Das waren die kleinen Risiken, aber ich wollte es unbedingt mal ausprobieren. Gute Kollegen spielten mit, so hatten wir uns ausgerechnet, dass wir einen Tag vor Pfingsten in Bordeaux sein würden. Da sollte es dann von statten gehen, alles war genauestens besprochen.


1943 mit Bordhund Focky auf „SCHARLACHBERGER“

Es klappte, dass wir am späten Nachmittag den Tag vor Pfingsten in Bordeaux einliefen. Wir hatten festgemacht, nur noch die Gangway musste von vorne zum Mittschiff gebracht werden, alle Mann halfen, der Bootsmann rief: „Lego“, alle ließen fallen, und ich sprang wie eine Rakete in die Luft! Die Gangway war genau auf meine linke große Zehe gefallen. Die Zehe war quer aufgeplatzt. Ich dann gleich ein Pflaster rauf und Landgang-Schuhe an, später hätte ich sie nicht mehr anbekommen!

 

Diesen Abend hatte ich wachfrei, also humpelte ich los. Wir sind auch gut in den Club hinein gekommen, ich habe mir gleich ein paar Cognac und Wein reingezogen, um den Schmerz zu vergessen. Wir haben ordentlich gefeiert, später zogen wir los in das verbotene Viertel. Die deutschen Streifen hatten Nägel unter den Schuhsohlen, so war es ein Leichtes sie auszutricksen. Man muss sich eine totenstille Nacht vorstellen und dann eine Doppelstreife mit diesen Nagelstiefeln! - Wer sich da erwischen ließ, hatte selber Schuld! Wir hatten uns hinter eine Litfasssäule gestellt und uns langsam mit gedreht, bis sie uns passierten hatten. Dann ging es zu unseren geheimen Plätzen und so feierten wir die ganze Nacht. Es fuhr keine Straßenbahn mehr, so haben wir den Morgen abgewartet. Heimlich an Bord zu gelangen, war sowieso nicht mehr möglich. Ich hatte erst um 13 Uhr Wache, so bin ich um 12 Uhr zum Schiff marschiert, prompt stand der erste Offizier an der Gangway. Das Gesicht vergesse ich nie, von weiß auf knallrot, dann der Schrei: „Wo kommst du denn her?“ „Aber Herr Meier, es ist doch Pfingsten, bei uns zu Hause macht man da eine Pfingsttour!“ - „Du hast dich aber nicht abgemeldet!“ - „Nein um 5:30 Uhr haben Sie noch geschlafen, und da konnte ich sie doch nicht wecken. Ich wollte doch den schönen Sonnenaufgang nicht verpassen.“ Ob er mir das glaubte, wer weiß, er blökte: „Hau ab auf Wache!“ Und ich hatte das Abenteuer gut überstanden. Ich hatte natürlich wahnsinniges Glück gehabt, dass es keinen Alarm gegeben hatte. Aber einmal und nie wieder, man soll sein Glück nicht herausfordern! Habe es auch nicht noch einmal versucht! Meine kranke Zehe hatte ich darüber ganz vergessen, trotz heftigen Pochens, konnte ich mich ja jetzt nicht mehr krank melden, also Zähne zusammen gebissen und durch!

Dann im Juli kam der große Tag: Ich sollte Urlaub erhalten. Der Urlaubsschein musste den Stempel tragen: Inhaber ist frei von ansteckenden Krankheiten und Ungeziefer. Dass ich frei war von ansteckenden Krankheiten, das wusste ich, aber Ungeziefer? Da kamen ja wohl nur Filzläuse in Betracht. Ich dachte, ich habe doch keine, aber zur Vorsicht bin ich zum Sanni gegangen. „Ja, du hast keine Filzläuse, aber die haben dich!“ Ach du liebe Zeit, er hatte kein Kuprex, und am anderen Tag sollte ich zur Kommandantur zur Untersuchung, um den Urlaubsschein zu erhalten, und am Abend ging mein Zug, was tun? Wir hatten Petroleum-Lampen für die Notbeleuchtung. Also nahm ich mir das Petroleum und seifte mich damit ordentlich ein, und anschließend legte ich mich in die Koje. Nicht lange, und mir war, als brenne mein Unterleib. Ich bin wieder unter die Dusche gegangen und habe mich gescheuert und geschrubbt und wieder gescheuert und geschrubbt, die Nacht war dahin, an Schlaf konnte ich nicht mehr denken. Am Morgen ging ich breitbeinig zur Kommandantur und mit klopfenden Herzen zum Arzt, der sagte: „Starke Rötung, aber frei von Ungeziefer.“ Plob machte es bei mir, der Stempel war auf meinem Schein! So fuhr ich dann am Abend los: Bordeaux, Paris, Köln, Berlin, Posen, Korschen, Langheim, zwei Tage dauerte die Reise. Am späten Abend bin ich zu Hause angekommen, reichlich bepackt mit Mitbringseln: Für meinen Vater sein erstes Oberhemd zum Durchknöpfen, seine musste er über den Kopf ziehen. Er war so begeistert, dass er die Hemden später nach geschneidert hat. Anis, Dolce, Wein, Seife, Parfum, alles Kostbarkeiten im Jahre 1943. Meine Mutter sagte auf einmal: „Junge, wie läufst du eigentlich rum?“ Bei mir war unten ja die ganze Haut abgebrannt, das war nur mit einer ganz dicken Schicht Nivea auszuhalten. Ich war ja am ganzen Körper braun-schwarz gebrannt, so sagte ich ihr, ich hätte einen Sonnenbrand! Ich lief wie am Stock. Die Behandlung mit viel Fett und Nivea zeigte ihre Wirkung, bald war die Haut verheilt, so dass ich wieder normal laufen konnte.

Da ging es wieder auf die Pirsch. Mein Freund Helmut hatte auch gerade Urlaub, unser Treffpunkt war immer der Bahnhof. Hoppla, was ist das, ein junges Mädchen mit schweren Koffern stieg aus dem Zug. Da waren wir doch gleich Kavaliere und boten uns als Kofferträger an. „Wo soll es hingehen?“ Da ist die Dame doch das neue Hausmädchen von unserem Pastor.


Na wunderbar, den Weg kennen wir ja und los geht’s. Es ist eine ganze Ecke zu laufen, aber so können wir schon mal testen, wie es weitergehen könnte! Es ist mir gelungen, ihren Ausgeh-Sonntag für mich zu buchen. Ein langer Spaziergang zu unseren unendlichen Kornfeldern war ein toller Genuss, aber das war’s dann auch. Denn eine Pastoren-Mamsell hat ja ihre Tugend. So ging ein schöner Sonntag zu Ende.

Am Montag bekam ich ein amtliches Schreiben. Nanu was ist denn das? Vom Jugendamt Stettin! Da steht, mit aller Brutalität: „Die ledige Anni P. hat Sie als Erzeuger ihres unehelichen Kindes angegeben: ein Sohn, geboren am 6.03.1943. Wir erwarten ihre Stellungnahme zwecks Anerkennung der Vaterschaft!“ Badautz, so grausam kann ein Urlaub enden! Nun musste ich meine Erinnerung auffrischen. Meine Mutter holte gleich die Briefe raus. Tatsächlich, im Juni 1942 waren wir in Stettin gewesen, und da schwärme ich von einem Mädchen Anni.

Ich bin lange mit ihr gegangen, nach jeder Reise stand sie am Kai, wenn wir eingelaufen sind. Sie hat immer gewusst, wann wir eingelaufen sind. Ihr Stiefvater war bei der Hafenmeisterei Vize der Festmacher. Er hat dann immer zu ihr gesagt: „Dein Geliebter kommt dann und dann“, und so war ich schon beim Festmachen in treuer Obhut. Im Juni haben wir einen Picknick-Ausflug mit einem Dampfer zur so genannten Liebesinsel gemacht. Es war ein wunderbarer Tag, da sind wir uns näher gekommen. Es war der letzte Tag, am Montag sind wir ausgelaufen und mit dem Dampfer nicht mehr nach Stettin gekommen. Das eine Abenteuer sollte das ausgelöst haben? Ich konnte es nicht glauben! Dann während meines Aufenthalts in Frankreich war unsere Beziehung eingeschlafen und jetzt dieses Erwachen! Die letzten Urlaubstage waren dann nicht mehr so schön. Ich legte das Schreiben in Vaters Hand: „Du hörst von mir“ und Tschüß...

An Bord habe ich die Geschichte erzählt. Unser Bootsmann, Helmut Köster, war ein toller Kerl und ein guter Freund. Er sagte: „Das unterschreibst du nicht, das lässt du untersuchen, sonst breche ich dir sämtliche Knochen, wir haben schon die tollsten Fälle erlebt, wo die Mädchen die Kerle angeln wollten!“ – „Ich kann das doch nicht machen, die Ärmste so einfach sitzen lassen.“ – „Wenn du es warst, und es wird durch den Schwangerschaftstest festgestellt, kannst du es ja immer noch anerkennen, sie wird dich dann trotzdem nehmen, Basta!“

Mittlerweile waren die Papiere an Bord gekommen. „Krüger zum Kapitän“, hieß es. Vor dem Kapitän sollte ich jetzt Unterschrift zur Anerkennung der Vaterschaft leisten. Mit schlotternden Knien bin ich in den Salon gegangen. Eine Hälfte von mir wollte unterschreiben, die andere Hälfte nicht, also sehr wankelmütig. Da donnerte mich der Alte an: „Da bist du ja, du Saukerl! Zum Dickmachen sind euch die Mädchen gut genug, aber dann den Schwanz einklemmen und die armen Dinger sitzen lassen! Aber nicht bei mir! Hier unterschreiben! Ja, da stieg bei mir aber der Kamm, bei diesem Ton wurde ich zum Helden: „Kapitän, ich unterschreibe nicht, ich verlange einen Vaterschaftstest!“ Hätte er mit mir väterlich gesprochen: „Sieh mal, das kann ja mal passieren“ und „ihr habt euch doch bestimmt lieb“, da hätte ich garantiert unterschrieben. Aber bei diesem Ton nicht! Ich dachte, jetzt trifft ihn der Schlag, so’n Gesicht hat er gemacht, total stumm, dann ein Schrei: „Raus!“ Die Kollegen und der Bootsmann haben mich hochleben lassen.

Ein paar Tage später musste ich mich auf der „TANNENFELS“ melden. – Als ich im April 1941 an Bord des Dampfers TRAUTENFELS kam, waren wir sieben Jungen an Bord. Nach acht Tagen bekam ich Order, zum Kapitän zu kommen. Geschniegelt und geputzt meldete ich mich zur Stelle. Er guckte verdutzt, wohl wegen meiner Jugend. „Äh öh, im Namen des Führers soll ich dir das Blockadebrecher-Abzeichen überreichen. Der erste Offizier räusperte sich und sagte: „Das muss ein Irrtum sein, unser Zimmermann heißt auch Kurt Krüger, und der hat den Blockade-Durchbruch unseres Dampfers mitgemacht.“ So war es auch, meinen Blockadebrecher-Orden habe ich im Juli 1942 erhalten. Für drei Blockadefahrten um das Nordkap mit Feindberührung. Ein paar Tage später wieder: „Krüger zum Kapitän!“ Was ist jetzt schon wieder los? Krüger, pack deine Sachen, du wirst nach Frankreich verlegt, mustern auf die M/S TANNENFELS in Bordeaux. Ich freute mich und wollte meine Sachen packen, da hieß es: „Stop, du bist ja noch keine 18 Jahre alt, da dürfen nur Leute über 18 gemustert werden!“ Von uns sieben Jungen war erst einer 18, und der ist dann auch gefahren.

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