glauben.einfach.

Text
0
Kritiken
Leseprobe
Als gelesen kennzeichnen
Wie Sie das Buch nach dem Kauf lesen
Schriftart:Kleiner AaGrößer Aa

Zur Vertiefung

Steve Wohlberg: Von Hollywood zum Himmel. Wie Gott mich aus meiner Verlorenheit herausholte, Advent-Verlag, Lüneburg 2007, 168 Seiten, Best.-Nr. 1816

Elí Diez-Prida: Leben 2.0 – Neu starten, befreit leben, sicher ankommen, Advent-Verlag, Lüneburg 2010, 144 Seiten, Best.-Nr. 7715

Bezugsquellen siehe S. 168 oder www.adventist-media.de


03 WIRD SCHON! ODER?

Über die Hoffnung, dass wir die Kurve kriegen

MATTHIAS MÜLLER

Wir Menschen werden es doch irgendwie hinkriegen, dass diese Welt ein bewohnbarer Ort bleibt, dass unsere Kinder und Enkel eine Chance auf diesem Planeten haben und nicht alles im Chaos versinkt – oder? Wir haben eingesehen, dass wir auf dieser Erde alle zusammengehören und es uns wirklich etwas angeht, wenn im Regenwald Bäume gefällt werden oder den Eisbären das Eis unter ihren Tatzen wegschmilzt.

Pessimist, Realist oder Optimist?

Wie schätzen Sie sich ein? Sind Sie eher ein Pessimist, ein Realist oder ein Optimist? Die Forschung bestätigt, dass wir in der Mehrzahl Optimisten sind – zumindest was unsere Rolle im Leben angeht. Man hat z. B. Ehepaare befragt, wie hoch jeder Partner seinen Anteil an der Hausarbeit einschätzt. Interessanterweise wurde deutlich, dass zusammengefasst viel mehr als 100 Prozent herauskamen, d. h. jeder schätzt seinen Anteil höher ein, als er in Wirklichkeit ist. Ja, ich weiß: Bei Ihnen ist das anders …

Wie gut fahren Sie Auto? Laut Umfragen schätzen sich die meisten als bessere Fahrer ein als die meisten anderen.1 Nun kann es aber logischerweise nicht sein, dass die meisten besser als die meisten sind. Warum denken wir so? Übrigens meinten selbst die, die schuldhaft einen Unfall herbeigeführt hatten, dass sie besser fahren als die meisten anderen.

Wir Menschen haben eine geschickte Art, die Dinge in der Regel positiver einzuschätzen als sie sind – uns eingeschlossen. Bei Erfolgen werten wir unseren Anteil gerne hoch, bei Misserfolgen waren eher die Umstände schuld.

Wir hoffen auf das Gute

Wir merken uns von der Vergangenheit ja auch meist das Gute. Darum war früher auch alles besser. Es hat sich übrigens gezeigt, dass die sogenannten Realisten – also die, die in ihren Einschätzungen dichter an der Realität sind – eher mit psychischen Problemen zu kämpfen haben als die Optimisten.

Wir hoffen auf das Gute – manchmal wider besseres Wissen. Da melden sich bei einer bekannten deutschen Castingshow mehr als 30.000 jugendliche Bewerber. Sie alle hoffen darauf, reich und berühmt, verehrt und geliebt zu werden. Nun, die Wirklichkeit kennen Sie. Selbst für die Gewinner dieser Castings ist die erhoffte Karriere häufig nach ein paar Fernsehauftritten und einem Hit zu Ende.

Und das Internet suggeriert eine wunderbare Welt, an der wir endlos kostenlos teilnehmen können. „Ich bin User, also bin ich.“ „Ich kann mitschreiben am Buch der Welt …“2 Es schafft fast so etwas wie einen Urkommunismus – wir alle gemeinsam bewirken etwas Gutes. Kostenlos und für jeden zu haben. Und wir wissen in unserem Innern, dass das in Wirklichkeit nicht dauerhaft geht.

Die Welt wird doch immer besser – oder?

Wir haben Hoffnung; wir wollen das Gute. Auch die Regierungen. Klar, wir haben immer wieder einmal mit pestizidbelastetem Salat oder dioxinverseuchten Eiern zu kämpfen, können zeitweise keine Sprossen mehr essen und die Krankenversicherung kostet acht Euro mehr im Monat. Dennoch: Die Welt wird doch immer besser – oder? Zumindest im technischen und medizinischen Bereich haben wir enorme Fortschritte gemacht. Beim Thema Ethik und Moral sieht das leider nicht so gut aus.

Die Weltgemeinschaft der Völker (UNO) versucht seit Jahren, den Hunger auf der Welt zu halbieren. Bis 2015 wollte man das geschafft haben. Leider sind wir in all den Jahren nicht weitergekommen. Noch immer herrscht in rund 30 Ländern der Erde großer Nahrungsmangel. Über 2 Millionen Kinder sterben jährlich daran, das sind mehr als 6000 jeden Tag.

Wir als Bundesrepublik wollten unsere Hilfsmittel für die armen Länder bis 2015 auf 0,7 Prozent unseres Bruttoinlandsprodukts steigern. Wir haben es bislang kaum auf die Hälfte gebracht.

Die weltweiten Ausgaben für das Militär betragen mehr als das Zehnfache der Ausgaben für Entwicklungshilfe. Mit zig-Milliarden retten wir Banken (und damit auch unsere Privatkonten), aber wir kürzen bei den Hungernden. Ja, wenn es eine einfache Lösung gäbe: Jeder spendet pro Monat zehn Euro und der Hunger der Welt ist besiegt; aber leider sind die Probleme zu komplex. Und es ist eben nicht nur das Geld, das in die falschen Kanäle gerät. Wir treten bestenfalls auf der Stelle. Die Optimisten von heute sind die Zyniker von morgen.

Wie lange wird das noch hingenommen?

Wie lange werden die Menschen auf der Welt das noch hinnehmen? Denken Sie nur an die überraschenden Aufstände im Nahen Osten, die Unruhen überall. Wird die Welt morgen noch so sein, wie wir sie kennen?

Wir müssen uns fragen: Was machen wir aus unserer Zeit, aus unserem Zeitalter? Müssen wir eines Tages im Rückblick eingestehen, dass wir versagt haben? Marianne Faithful, eine langjährige Freundin Mick Jaggers von den Rolling Stones, wandte sich gegen eine Verklärung der 60er-Jahre: „In den Sixties verschwendeten wir unsere Energie darauf, lange Haare zu haben und Drogen zu nehmen.“ Sie sei sich „sicher, dass wir es damals übel versaut haben. Wir hätten gute, wichtige Dinge erreichen können. Haben wir aber nicht.“3 Dieser Satz ging mir nach. Was werden wir einmal über unsere Zeit sagen und über das, was wir hätten erreichen können?

Unser Fundament hat Risse bekommen

Der ehemalige deutsche Finanzminister Peer Steinbrück sagte: „Wir sind nicht ausreichend auf die Zukunft vorbereitet. Unser Fundament hat Risse. Die schlechteren Tage der letzten Jahre könnten auf lange Sicht die besseren gewesen sein.“4 Das klingt beunruhigend. Ist er Realist?

Wissenschaftler forschen daran, wie es gelingen könnte, die Erdbevölkerung auf den Mars umzusiedeln, falls die Erde eines Tages unbewohnbar geworden sein sollte. In meinen Augen eine gruselige Vorstellung: die Erde soweit abgewirtschaftet, dass sie unbewohnbar geworden ist? Obwohl – vorausgesagt ist das schon lange. In der Bibel bereits vor über 2500 Jahren. So heißt es schon auf ihren ersten Seiten, dass wir für die Schöpfung Verantwortung tragen. Ver-antwortung bedeutet, dass wir jemandem Antwort geben müssen bezüglich dessen, was wir getan haben. Wem? Irgendwie ahnen es doch viele, dass wir in diesem Weltall nicht allein sind.

Pfefferminztee reicht nicht

Als Jesus vor rund 2000 Jahren predigte, benutzte er viele Vergleiche, um klarzumachen, was er meinte, manchmal auch sehr drastische. Da erzählte er zum Beispiel von einem Weinstock – im Bild ist er das selbst – und von Reben; das sind wir. Er lädt uns ein, dass wir uns an ihn halten und Frucht bringen, also ein wertvolles Leben führen, das Gott ehrt. Und dann sagte er, dass die Reben, die keine Frucht bringen, weggeworfen und verbrannt werden (siehe Johannesevangelium 15,1 – 8).

Klaus Berger, Professor für Neues Testament, hat einen Bestseller mit dem Titel Jesus verfasst. Darin schreibt er zu diesem Gleichnis: „Jeder Gärtner und Winzer weiß es: Bei Pflanzen geht es immer um Leben und Tod. Was keinen Lebenssaft mehr enthält, ist schnell totes, schädliches Gehölz. Jesus meint sein Angebot ernst, und der Zustand der Welt ist genau danach … Denn aus der Sicht der Bibel ist unsere Welt eine Notfallstation, in der es nur um eines geht, um Leben oder Tod … Jesus ist Arzt in einer solchen Station, und er kämpft rund um die Uhr um unser Überleben … In einer Notfallstation ist eben nichts egal. Und die Krankheit zum Tode kann ich nicht mit Pfefferminztee behandeln.“5

Teilen Sie seine Ansicht, dass unsere Welt eine Art Notfallstation ist, wo Pfefferminztee nicht mehr hilft? Glauben Sie, dass die Politiker uns tatsächlich die Wahrheit sagen? Meinen Sie, dass wir gut auf die Zukunft vorbereitet sind?

Dabei denke ich nicht nur an die Plastiktüten, die die Mägen von Delfinen verstopfen, oder an die Spätfolgen der Weichmacher in Plastikfolien, mit denen wir unsere Lebensmittel einpacken, oder die vielen Atomkraftwerke weltweit, die an erdbebenträchtigen Orten stehen, sondern auch an die Spannungen zwischen diversen Bevölkerungsgruppen in vielen Ländern, weil Menschen nicht länger bereit sind, große soziale Ungerechtigkeiten hinzunehmen.

Die Rechnung wird noch präsentiert

Nun gibt es Leute, die warten auf die überraschende Lösung. Bislang ist es doch immer wieder weitergegangen, irgendwie. Stimmt. Die Vernunft wird doch über die Gier siegen, oder? Glauben Sie? Wegen eines seltenen Materials, das für unsere Handys gebraucht wird, sind die Gorillas gefährdet. Wenn der Goldpreis steigt, werden in Peru noch mehr Quadratkilometer Regenwald gefällt, um an das gelbe Metall zu gelangen. Dann waschen die vielen Goldgräber das edle Metall mit Hilfe von Quecksilber aus dem Gestein. Ersteres schädigt das Weltklima, letzteres macht die Goldwäscher krank. Vielleicht müssen wir nicht einmal bis zur Enkelgeneration warten, bis wir die Rechnung für all das präsentiert bekommen.

 

Als Gott den Menschen im Paradies nach dem „Sündenfall“ fragte: „Adam [auf Deutsch: Mensch], wo bist du?“ (1. Buch Mose 3,9), hatte das auch den Unterton von: „Mensch, wo bist du nur hingeraten? Was hast du mit der Freiheit angestellt, die ich dir geschenkt hatte?“ Dann machte er dem Menschen die Folgen seines Handelns klar, zeigte aber auch eine Lösung. Gott würde sich in seiner Allmacht noch mehr selbst beschränken.

Der ohnmächtige Gott

Die Zeitung DIE WELT schrieb an einem Ostersamstag: „Am Kreuz hatte sich der Allmächtige ohnmächtig gemacht. Er schlug nicht zurück, als die Menschen seinen Sohn schlugen. Gott schlägt nicht zurück. Er schlägt sich nur auf die Seite der Opfer und rettet sie vor dem ewigen Tod.“1 Gott kündigte bereits im Paradies an, dass er sich selbst aufopfern würde, um diese Welt wieder zurechtzubringen (siehe 1. Buch Mose 3,15).

Und am Schluss der Bibel sagt Gott: „Ich mache alles neu“. Denn es kommt ein wichtiges Ereignis, dem diese Welt entgegengeht. Der Tag wird kommen, an dem es tatsächlich Gerechtigkeit für alle Menschen gibt (siehe 2. Petrusbrief 3,12), der Tag, an dem die Umwelt gesund sein wird und der Mensch glücklich – eine von Gott geschaffene neue, vollkommene Welt ohne Leid, Krankheit und Tod (Offenbarung 21,1 – 5). Dazu waren die Kreuzigung und die Auferstehung des Sohnes Gottes entscheidende Voraussetzung.

Das ist der Optimismus, den die Bibel vermittelt – jedoch nicht als Folge einer Castingshow oder als nebulöse Hoffnung auf „das Gute“, sondern als Folge des Wirkens Gottes.

Die ordnende Hand des Schöpfers

Unsere Welt ist angeschlagen, und wir tragen dafür die Verantwortung. Da braucht es mehr als ein paar Mausklicks, um das wieder in Ordnung zu bringen. Da braucht es die ordnende Hand eines Schöpfers.

Wenn wir einmal vom Weltgeschehen absehen – wie steht es bei Ihnen persönlich? Könnten Sie diesen Arzt gebrauchen, der rund um die Uhr für Sie kämpft? Sie sind ihm nicht egal. Im Universum gibt es ein Wesen, das möchte, dass aus unserem Leben etwas wird, und das uns die Gewissheit gibt: Für uns ist ein guter, sinnvoller Platz im großen „Teppich“ der Geschichte vorhanden.

Die gute Nachricht lautet: Wir haben es nicht mit einer unpersönlichen Macht zu tun, sondern mit einem persönlichen Gott, der uns kennt und sich um jeden von uns bemüht. Ein Grund mehr, das Leben mit Glauben und Zuversicht anzugehen!

Darum bleibe ich Optimist. Und Sie?

Fragen zum Nachdenken

1. „Die Forschung bestätigt, dass wir in der Mehrzahl Optimisten sind.“ Trifft das auch auf mich zu? Welche Rolle spielt meine Selbsteinschätzung?

2. „Die Krankheit zum Tode kann ich nicht mit Pfefferminztee behandeln.“ Wo stehe ich in der Gefahr, mich in ernsten Problemen mit oberflächlichen Lösungen zufriedenzugeben?

Zur Vertiefung

Ellen G. White: Die Geschichte, die die Welt verändert(e), Advent-Verlag, Lüneburg 2010, 96 Seiten, Best.-Nr. 7714

Bezugsquellen siehe S. 168 oder www.adventist-media.de


04 WENN ES WEHTUT

Trost im Leid

KLAUS POPA

Wenn man sich als Kind wehgetan hat, ist man schnell in die Arme der Mutter gelaufen. Sie nahm uns auf den Arm und drückte uns fest an sich. Sie legte die Hand auf die Stelle, die wehtat, und sagte: „Schau mal, das ist doch gar nicht so schlimm. Es wird alles wieder gut.“ Sie streichelte uns über das Gesicht, wischte die Tränen ab und der Schmerz war weg.

Leid ist allgegenwärtig

Leid ist in unserer Welt allgegenwärtig. Wir alle kennen die Geschichten, Schlagzeilen und Bilder des Leides und der Trauer. Berichte von Kriegen füllen die Geschichtsbücher in der Schule. Manche haben selbst Krieg erlebt, Andere befinden sich momentan in Kriegsgebieten. Schreckensnachrichten und Katastrophenmeldungen hören und sehen wir täglich im Radio und im Fernsehen. In Werbeschreiben werden Hunger und Elend dargestellt, damit wir mit unseren Spenden die Not auf der Welt lindern. Leid begegnet uns auf den Straßen unserer Städte, es belastet unsere Familien, und nicht zuletzt hat wohl jeder von uns bereits einiges Leid erfahren.

Natürlich hat nicht jeder Schreckliches erlebt oder tiefste Not erfahren. Das ist auch gut so. Vieles kennen wir nur aus den Medien oder von Erzählungen der Großeltern – manchmal sprachen sie darüber, wie es damals im Zweiten Weltkrieg oder zur Zeit des Kommunismus war. Insgesamt gesehen jedoch macht es nicht wirklich einen Unterschied, wer das Leid erlebt hat. Denn das Leid bleibt.

Leiden an Nichtigkeiten

Oftmals leiden wir aber auch an Nichtigkeiten. Was ist schon ein Tsunami in Indonesien im Vergleich zu einem riesigen Pickel auf der Nase! Und als wäre ein großer Pickel nicht schlimm genug: Genau an dem Wochenende ist man zu einer Geburtstagsfeier eingeladen, zu der alle kommen werden – auch der Junge, den man so süß findet.

Das tägliche Drängen, Schubsen und Schwitzen in öffentlichen Verkehrsmitteln und Zügen, dieses Eingepferchtsein und die verzweifelten Versuche, zur Tür zu kommen, wenn man aussteigen will; die Angst, ob man es schafft, bevor die Türen sich wieder schließen – ist das nicht belastender und beängstigender, als in einem Kohlebergwerk verschüttet zu sein und nicht zu wissen, ob man lebend wieder herauskommen wird? Schließlich machen wir das Tag für Tag durch und nicht nur einmal im Leben.

In der Tat, es sind oft Nichtigkeiten – eigentlich nicht der Rede wert –, aber dennoch leiden wir an ihnen. Und sich der Tatsache bewusst zu werden, dass es Nichtigkeiten sind, macht es nicht leichter, sondern nur noch schlimmer. Es wird uns offenbar, wie belanglos viele unserer Sorgen und Leiden sind, verglichen mit den existenziellen und lebensbedrohlichen Nöten anderer Menschen.

Gleichzeitig wird uns aber auch bewusst, wie zerbrechlich und angreifbar wir sind und wie gering unsere Leidensfähigkeit ist. Es ist doch nicht normal, dass wir uns bereits überfordert fühlen, wenn im Supermarkt unser Lieblingsduschgel gerade ausverkauft ist und wir uns deswegen für eine andere Duftnote entscheiden müssen. Warum sind wir eigentlich so? Und wie sind wir so geworden?, frage ich mich manchmal.

Verwöhnt und verweichlicht

Demaskiert und bloßgestellt leben wir mit einer kontinuierlichen Anklage: Wie kannst du eigentlich angesichts des ganzen echten und wirklichen Leides auf der Welt so empfinden und dich so verhalten? Wie verwöhnt und verweichlicht bist du eigentlich? Dieses unterschwellige Dauer-schlechte-Gewissen unterhöhlt unsere innere Stabilität und erodiert unsere Zufriedenheit.

Zu alledem kommt noch die Unfähigkeit, sich über das, worüber wir uns freuen könnten, auch wirklich zu freuen. Denn wir wissen, dass wir mit unserer Art zu leben, Kakaobauern in Kuba ausbeuten, Kinder in Indien 12 Stunden pro Tag arbeiten lassen, Meere leer fischen und verseuchen, Hühner quälen, Weihnachtsgänse vollstopfen, zu viel Erdöl verbrauchen und so weiter und so fort. Und das Gefühl der Unfähigkeit, etwas ändern zu können, macht es wiederum nicht leichter, sondern noch schlimmer. Wir leiden nicht die Leiden unserer Väter oder Großväter und Großmütter, aber auch wir leiden.

Die Mutter tröstet ihr Kind

Kürzlich habe ich ein Kind dabei beobachtet, wie es das Fahrradfahren erlernte. Nach mehreren Versuchen ließ die Mutter das Fahrrad los und das Kind fuhr zum ersten Mal allein. Nach ein paar Metern drehte es sich aber plötzlich nach der Mutter um, verlor die Kontrolle und fiel hin. Das Kind stand auf, die Hände aufgeschürft und die Hosenbeine voller grün-brauner Flecken. Es schaute sich nach allen Richtungen um und lief dann in die Arme seiner Mutter. Es tat dem Kind sichtlich gut, dass seine Mutter da war. Sie tröstete es, nahm ihm seine Angst und fing es in seiner Verunsicherung auf. Sie linderte seinen Schmerz und half ihm, die Situation durchzustehen. Bald darauf zog der Kleine glücklich und stolz mit dem Fahrrad seine Runden durch den Park.

In wessen Arme laufen wir?

Wenn man sich als Erwachsener wehtut, in wessen Arme läuft man dann? Wenn man den Studienplatz, die Praktikumsstelle oder den Job nicht bekommt, wenn man durch die Zwischenprüfung oder das Examen gefallen ist, wenn eine gute Freundschaft oder langjährige Beziehung zerbricht – in wessen Arme läuft man dann? Wenn man arbeitslos wird und die Rechnungen nicht mehr bezahlen kann, wenn Angstzustände oder Depressionen einen in dunkle Tiefen ziehen, läuft man als Erwachsener dann in die eigenen Arme?

Freunde, Familienmitglieder und Lebenspartner helfen und trösten uns. Wie gut, dass Menschen da sind, denen man vertrauen kann und die einen lieben; doch auch sie haben ihre Grenzen. Es gibt Nöte, Ängste, Schmerzen und Einsamkeit, die auch sie nicht auffangen können. Doch wohin sollen wir uns dann wenden? Zu wem gehen wir? Uns selbst Mut und Kraft zusprechen? Sich selbst umarmen?

Wenn wir uns als Menschen oder als Menschheit insgesamt wehtun – wenn politische Unruhen und Umwälzungen uns bedrohen, Kriege uns zerstören, globale Finanzkrisen uns das Vermögen rauben, Rohstoffe knapp werden und die Umweltzerstörung und Umweltkatastrophen zunehmen -, in wessen Arme laufen wir dann? Wer ist für uns da? Wer tröstet uns und nimmt uns unsere Angst oder Unsicherheit? Es ist ratsam und notwendig, dass wir uns als Menschheitsfamilie daran erinnern und darauf besinnen, dass wir zusammenhalten und zusammenarbeiten müssen, um die globalen Probleme und Herausforderungen zu meistern. Das ist gut so, aber reicht das aus? Können wir es mit gemeinsamen, zielgerichteten und aufeinander abgestimmten Anstrengungen schaffen?

Drei magische Worte

Drei einfache, schlichte Worte elektrisierten im Herbst 2008 Menschen in den USA und weltweit. Sowohl in Penthousewohnungen in den Metropolen dieser Welt als auch in den Lehm- und Wellblechhütten der Entwicklungsländer (wie ich es in Afrika selbst erlebte) traf der Satz „Yes, we can!“ die Menschen mitten ins Herz. Wie ein Lebenselixier drangen diese Worte in den Kreislauf des blauen Planeten und schienen die Menschheit nach einem Jahrhundert der Kriege zu neuem Leben zu erwecken. War dies der Beginn einer neuen Ära für die bedrohte Menschheit?

Millionen glaubten, hofften und wünschten sich, dass diese drei Worte Wirklichkeit würden, dass sie mehr wären als nur der geniale Slogan des Präsidentschaftskandidaten Barack Obama, mehr als das Versprechen, dass das neue Persil die Wäsche jetzt noch weißer macht als zuvor. Wir hofften, dass dieses Versprechen nicht am Menschen, ja, am allzu Menschlichen – an uns – scheitern würde. Wir wünschten uns, dass dieser Satz nicht nur ein Versprechen, sondern eine Vorhersage wäre, eine vorweggenommene Erfüllung unserer Sehnsucht, dass die Welt wirklich ein besserer Ort werden könnte und würde. Gibt es vielleicht doch noch Hoffnung? Können wir wieder an uns glauben?, schienen sich viele zu fragen. Werden wir Menschen letztlich doch noch über uns hinauswachsen? Kann sich das Gute doch noch durchsetzen?

Eine vergebliche Hoffnung

Vielleicht hofften wir, dass unsere Generation – du und ich – nicht dazu verdammt ist, die Fehler unserer Vorväter zu wiederholen, sondern dass es den Menschen doch noch gelingt, das Gute zu vollbringen. Vielleicht hofften wir, dass wir doch nicht das sind, was wir insgeheim längst ahnten bzw. wussten – nämlich eine Bedrohung für uns selbst, für andere und für diese Welt.

Haben wir uns in die „Arme“ dieses Satzes fallen lassen? Oder in die Arme eines einzelnen Mannes? Ein postmoderner Messias, auf den wir unsere ganze Hoffnung gesetzt haben?

 

Nein, so kann man das doch nicht sagen. Weißt du nicht, dass nur Kinder in die Arme ihrer Mutter laufen? Erwachsene machen so etwas nicht. Wir brauchen das nicht. Wir kriegen es selbst hin – ja, wir müssen es selbst hinbekommen. Denn wenn nicht der Mensch, wer soll es sonst machen?

Es ist ja niemand da. Seitdem der moderne Mensch Gott an den Rand des Universums verbannt und sich selbst ins Zentrum gestellt hat, ist außer ihm niemand da. Der Mensch wurde Anfang, Mittelpunkt und Ziel aller Bemühungen und Hoffnungen.

Hat Barack Obama es geschafft? Haben wir es geschafft? Haben sich die Dinge, seitdem das Zeitalter des modernen Menschen angebrochen ist, entscheidend verbessert? Hat der Mensch die Welt zu einem besseren und sicheren Ort gemacht? Es wäre so schön, wenn es uns gelungen wäre; aber ich glaube, dass nach Jahrhunderten die Frage immer noch im Raum steht: Wer hilft uns da hindurch?

Der Mensch kann es nicht

Aus christlicher Perspektive betrachtet, ist der Slogan „Yes, we can!“ nicht nur eine Selbstüberschätzung des modernen Menschen, sondern er erinnert uns auch an eine längst verlorengegangene Würde. Nach seiner Erschaffung vertraute Gott dem Menschen die Verantwortung für die Erde an. Denn ursprünglich wurde der Mensch so geschaffen, dass er es konnte. Er sollte sich „die Erde … untertan“ machen, sie „bebauen“ und „bewahren“ (1. Buch Mose 1,28; 2,15). Die Erde hätte also ein guter Ort bleiben können.

Aufgrund der Trennung von Gott kam jedoch alles ganz anders. Das erste Menschenpaar musste den Garten Eden verlassen (siehe 1. Buch Mose 3; mehr dazu in Kap. 11). Beschämt, bedroht und verängstigt lebte es mit seinen Nachkommen von da an in einer Welt, in der nicht nur das Gute, sondern auch das Böse eine Realität war. Der Mensch hatte sich in eine Lage gebracht, aus der er bis heute nicht mehr allein herauskommt. Menschliche Anstrengungen, Fähigkeiten und unser Wissen haben uns leider kein goldenes Zeitalter des Friedens gebracht und werden uns auch keines bringen. Seit jeher sind menschliche Utopien gescheitert. Der Mensch kann es nicht.

Gott kann es!

Eine Hoffnung hatte Gott den Menschen mit auf ihren Weg gegeben: Eines Tages würde einer ihrer Nachkommen dem Elend ein Ende setzen. Einer würde das Böse und den Tod besiegen. Die Sehnsucht der Zeitalter war seit jeher der Eine, der die Menschheit aus ihrem Dilemma herausholen würde. Der Mensch wird auf der neuen Erde wieder seine ursprüngliche Würde erhalten. Dann wird der Slogan wieder stimmen: „Yes, we can“.

Der moderne Mensch hat Gott aus den Augen verloren. Aber wir sind an einem Punkt der Weltgeschichte angelangt, an dem es höchste Zeit ist, sich wieder an Gott zu wenden.

Die Menschheit braucht tatsächlich einen Messias – den wahrhaftigen Messias, Jesus von Nazareth, der die Menschen einlädt: „Kommt alle her zu mir, die ihr euch abmüht und unter eurer Last leidet! Ich werde euch Ruhe geben.“ (Matthäusevangelium 11,28 Hfa)

Fragen zum Nachdenken

1. „Oftmals leiden wir an Nichtigkeiten.“

Neige ich auch dazu? Was hilft mir, zwischen Nichtigem und Ernstzunehmendem zu unterscheiden?

2. „Der Mensch hat Gott an den Rand des Universums verbannt und sich selbst ins Zentrum gestellt.“ Trifft das auch auf mich zu? In welchen Bereichen?

Zur Vertiefung

Larry Yeagley: Trauer durchschreiten – zum Leben zurückfinden, Deutscher Verein für Gesundheitspflege, Ostfildern 2008, 128 Seiten, Best.-Nr. 6007602

Andreas Müller (Hrsg.): Leben und Sterben mit Gott. Gedanken zu Psalm 23, Deutscher Verein für Gesundheitspflege, Ostfildern 1997, 96 Seiten, Best.-Nr. 6006892

Bezugsquellen siehe S. 168 oder www.adventist-media.de

Sie haben die kostenlose Leseprobe beendet. Möchten Sie mehr lesen?