Agiles Praxismanagement für Haus- und Fachärzte

Text
0
Kritiken
Leseprobe
Als gelesen kennzeichnen
Wie Sie das Buch nach dem Kauf lesen
Schriftart:Kleiner AaGrößer Aa

3.6 Tipps für die Kommunikation mit digitalmedizinisch orientierten Patienten

Agilität in diesem Bereich bedeutet – wie eingangs beschrieben -, die Patienten-Gespräche adaptiv und antizipativ so zu führen, dass die Anforderungen der Patienten an die Inhalte mit dem medizinisch notwendigen Informations- und Wissenstransfer synchronisiert werden. Eine wichtige neue Patientenanforderung ist das Gespräch über gesundheitsbezogene Internet-Inhalte und Resultate medizinischer Devices.

3.6.1 Ein Horror-Szenario? Wenn Patienten Informationen aus dem Internet in das Arztgespräch einbringen

Hoher Korrekturbedarf Das Thema "Medizin-Informationen für Laien aus dem Internet" hat für viele Mediziner einen stark negativen Aspekt. Immer mehr Patienten konfrontieren sie mit häufig unzutreffenden Aussagen aus dem Netz und daraus abgeleiteten persönlichen Überzeugungen. Dadurch steigt der Gesprächs-Zeitaufwand zum Teil erheblich, da die den Internetquellen entnommenen Fehlinformationen zunächst korrigiert werden müssen, denn ohne derartige Interventionen ist eine reibungslose Anwendung der notwendigen Behandlungsprinzipien oft gefährdet. Auch Emotionen spielen eine RolleDas Problem der meisten Praxisinhaber ist, nicht zu wissen, wie sie auf diese Entwicklung reagieren und damit umgehen sollen. Hieraus resultiert eine Reihe von Emotionen, die Ärzte in Gruppendiskussionen durchaus offen eingestehen:

 Ärger und Wut, sich rechtfertigen und verhandeln zu müssen,

 Frustration, dass der gezeigte Betreuungseinsatz den Patienten nicht genügt,

 Verunsicherung und Irritation über die „Macht“ des Internets,

 Trotz resultierend aus der mangelnden Bereitschaft, auf „Druck von außen“ ihr patientenbezogenes Verhalten umzustellen.

Doch nicht nur Internet-Informationen verändern die Arzt-Patienten-Kommunikation, auch die zukünftig zu erwartende intensive Anwendung von Gesundheitsanwendungen wirkt sich bereits heute ansatzweise aus. So schilderte ein Internist den Fall eines Patienten, dessen neu entdeckte Hypertonie medikamentös behandelt wurde, dass dieser aufgrund seiner Selftracking-Daten der Meinung war, sein Blutdruck hätte sich durch die Einnahme des Präparates nicht verbessert. Er suchte den Arzt auf und bat um Verordnung eines anderen, wirksameren Medikamentes. Die Erklärung, dass die Arzneimittel-Einnahmedauer noch zu kurz sei und man ggf. auch die Dosis anpassen müsse, überzeugten ihn zunächst nicht. Er führte immer wieder die Objektivität der von ihm gemessenen Daten sowie seine Erkenntnis bestätigende Daten aus Internetforen an. Erst nach längerer Diskussion erklärte er sich bereit, den Beobachtungs-Zeitraum auszudehnen, um danach gemeinsam mit dem Arzt seine Blutdruck-Situation neu zu beurteilen.

3.6.2 Das Competition-for-competence-Dilemma: Wenn Patienten der digitalen Medizin mehr vertrauen als ihrem Arzt

Nimmt man bei der Beurteilung derartiger Effekte des ex- und intrinsisch bedingten Patienten-Empowerments die Position der Ärzte ein, sind die geschilderten Reaktionen wie Frustration, Ablehnung und Empörung durchaus verständlich. Aus ihrer Sicht stehen ihnen, den medizinischen Experten, Laien gegenüber, die auf Augenhöhe diskutieren wollen und beurteilen, ob eine Behandlung fachlich gut war oder Untersuchungen angebracht sind. Da sich diese Entwicklung aber auf breiter Basis etabliert, befindet sich die Ärzteschaft grundsätzlich in einem Competition-for-competence-Dilemma, das auf drei Entwicklungs-Trends gründet:

(1) Bei der Einschätzungen diagnostischer Ergebnisse und der Auswahl von Therapie-Verfahren wandeln sich Internet-Foren und -Ratgeber zu Kompetenz-Konkurrenten, der bisher geltende Alleinanspruch der Ärzte fällt und kann - je nach Patienten-Typ - bis zu einer Kompetenz-Degradierung in den Augen der Behandelten führen. (2) Durch die Popularisierung der Medizin verlieren die Leistungen von Arztpraxen ihren unikalen Nimbus. Praxen entwickeln sich in den Augen der Patienten zu Dienstleistungsbetrieben, die bewert- und kritisierbar sind. Schon heute finden sich in Patientenbefragungen in deutlicher steigender Tendenz Begriffe wie „Service“, Bedienung“ oder „Komfort“, die vor wenigen Jahren noch undenkbar waren. Insgesamt steht das Arzt-Patienten-Verhältnis damit vor einem Paradigma-Wechsel: die Akzeptanz der ärztlichen An- und Verordnung weicht dem Wunsch nach kompetenter, dialogorientierter ärztlicher Beratung auf Augenhöhe. (3) Hinzu kommt zukünftig: hatten Ärzte bislang die „Hoheit“ über alle Daten der Diagnostik und des Monitorings, besitzen Patienten, unterstützt durch Gesundheitsanwendungen, nun „Konkurrenz-Daten“, die sie selbst erhoben haben. Haus- und Fachärzte sehen sich hierdurch mit der Aufgabe konfrontiert, unter medizinischen Aspekten und parallel in Bezug auf Patientengewinnung und -bindung ihre eigenen Überzeugungen und Messwerte mit denen der Patienten so in Einklang zu bringen, dass die notwendigen Behandlungen sachgerecht aus- und durchgeführt werden können. Hinter den drei Trends muss das Patientenverhalten aber stets differenziert betrachtet werden: Natürlich gibt es unter den Praxisbesuchern selbsternannte Experten, die mit dem Beharren auf eigenen Diagnosen und Therapieansätzen, die sie im Netz gefunden oder selbst ermittelt haben, einen berechtigten Unmut bei ihren Behandlern regelrecht provozieren wollen. Doch ihre Anzahl ist gering. Die meisten Patienten suchen im Netz nach weiterführenden Anhaltspunkten und wünschen sich einen Arzt, der ihnen als Experte die gefundenen Informationen sachkundig interpretiert und in ihre medizinische Statusbetrachtung integriert. In diesem Zusammenhang müssen sich Mediziner aber auch selbstkritisch fragen, ob sie wirklich alles getan haben und tun, um ihre Patienten umfassend zu informieren. Hier sind durchaus berechtigte Zweifel angebracht, denn in Arztpraxen werden gegenwärtig durchschnittlich gerade einmal 46% der für ein Adhärenz-zentriertes Praxismanagement notwendigen Regelungen und Instrumente ein-gesetzt. Vor allem fehlt es hier nach Angaben der Praxisbesucher an Aufklärung und Information. Deshalb erfüllt die aus diesem Minimal-Verhalten resultierende Patientenzufriedenheit auch nur 39% der Anforderungen.

3.6.3 Das Glas ist halbvoll

Eine paradoxe EntwicklungNiedergelassene Ärzte können sich derzeit - wie dargestellt - nur schwer mit den beschriebenen Situationen und Gegebenheiten eines gesteigerten Informations- und arrangieren. Ihre "Problemlösungen“ sind so einfach wie leider ineffektiv:

 meist werden die ermittelten und vorgetragenen Informationen als nicht zutreffend charakterisiert,

 im Verlauf der Gespräche ignoriert oder

 man billigt den Patientenangaben keine Objektivität zu.

Betrachtet man die zeitliche und inhaltliche Entwicklung der Arzt-Patienten-Kommunikation, mutet die beschriebene Situation fast schon paradox an, denn noch vor wenigen Jahren klagten viele Praxisinhaber über die Passivität ihrer Praxis-besucher, die sich kaum mit ihrer Gesundheit / Krankheit beschäftigten und sich auch nur unzureichend informierten. Nun ist das Informationsverhalten - überspitzt formuliert - zu intensiv und falsch ausgerichtet.

Internet-Recherchen und Self Tracking signalisieren Engagement So stimmig die Argumente der unzureichenden Quellen-Qualität und des Zusatz-aufwandes auf den ersten Blick sind, so sehr sind Internet-Recherchen oder das Self Tracking von Vitaldaten aber auch der Ausdruck eines hohen Interesses und Engagements der Patienten und bilden damit einen wesentlichen Ansatzpunkt für eine Mitarbeit der Patienten bei ihrer Behandlung und damit für den Therapie-Erfolg. Daher gilt: auch wenn die Korrektur eines falschen Internet-Wissens ärgerlich, unbequem und zeitraubend ist, so positiv muss das grundlegende Verhalten der Patienten gleichzeitig bewertet werden, d.h.: Ärzte sollten bei der Beurteilung der Situation zwischen der Grundeinstellung der Patienten zu Gesundheitsfragen und den Inhalten unterscheiden. Wählt man diesen Ansatz, ergibt sich die Möglichkeit, proaktiv die genutzten Inhalte zu steuern und die positive Grundhaltung der Patienten für die notwendige Therapie-Treue zu nutzen.

3.6.4 Die drei Bausteine der Kommunikation mit digitalmedizinisch-orientierten Patienten

Medizinern, die sich intensiver und detaillierter mit der Entwicklung beschäftigen, ist bereits jetzt klar, dass sie zukünftig im weitesten Sinne auch „verkäuferisch“ für ihre medizinischen Überzeugungen und patientenexogenen Therapie-Pläne agieren müssen. Das bedeutet im Einzelnen:

 sie sind gezwungen, den Nutzen der von ihnen als notwendig erachteten Therapien aufzeigen,

 sie müssen Einwände entkräften und

 positiv auf die Handlungsbereitschaft der Patienten einwirken.

Konkret wird sich hierdurch die Arzt-Patienten-Kommunikation intensivieren. Zu den „analogen Patienten“, die Ärzte als Berater und Lösungsanbieter verstehen und entsprechende, ihre medizinischen Probleme vollständig behandelnde Gespräche erwarten, kommen nun beispielsweise die Selbstdiagnostiker, die mit Hilfe des Internets und App-Unterstützung ihren medizinischen Bedarf selbst bestimmt haben und von ihren Ärzten die Bereitstellung der passenden Lösungen erwarten.

Eine andere Gruppe sind die Selbsttherapeuten, die auf dem von ihnen eingeschlagenen Therapie-Weg nicht zum Ziel gelangen oder von ihren Ärzten Unterstützung verlangen. Hinzu kommen die Nachbestätiger, die die diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen ihres Arztes im Netz überprüfen. Allen diesen und weiter denkbaren Patienten-Typen ist gemeinsam, dass der Umgang mit ihnen von Ärzten kommunikative Initiative erfordert: sie müssen zum einen deutlich mehr informieren, vor allem aber auch abgrenzen, korrigieren und überzeugen, um hierdurch das Competition-for-competence-Problem zu lösen. Mit folgenden Bausteinen gelingt Ihnen dies weitgehend problemlos:

 

 Marktforschung

 Kanalisierung

 Verhandlungsmanagement

3.6.4.1 Marktforschung

Die Digitalmedizin ist aus ärztlicher Sicht unter zwei Aspekten zu betrachten:

 zum einen bietet sie die Option, die eigene Praxisarbeit einfacher und effektiver zu gestalten (produktivitätsbezogener Bereich der Digital-Medizin),

 zum anderen stellt sich die Frage, welche Anforderungen die Patienten haben (patientenbezogenen Bereich der Digitalmedizin) und wie diese am besten - in Einklang mit den Praxismöglichkeiten und der erstgenannten Option - erfüllt werden können.

In Bezug auf die Patientenanforderungen existiert inzwischen eine Vielzahl von Studien und Untersuchungen über die Einstellung der Bevölkerung zur Digitalmedizin und zum konkreten Nutzungsverhalten. Die Angaben sind zur Einschätzung von globalen Trends äußerst wichtig, eignen sich aber für die Entwicklung individuell-konkreter Praxis-Strategien nur bedingt, denn die Parameter können – bezogen auf den Patientenstamm und die Zielgruppen einer Arztpraxis - individuell ganz unterschiedlich ausfallen.

Der einfachste und schnellste Weg für Sie, eine Orientierung der Digital-Affinität des eigenen Praxis-Klientels zu erhalten, ist die Ergänzung der obligatorischen Patienten-Zufriedenheitsbefragungen durch einen separaten Analyse-Abschnitt, der sich mit den digitalen Anforderungen, Wünschen und Interessen der Praxisbesucher beschäftigt. Die Fragen werden dabei jedoch nicht allgemein ausgerichtet gestellt, sondern mit einem direkten Bezug zur Praxis formuliert, um herauszufinden,

 welche Digital-Positionierung das Praxisteam aus Patientensicht hat,

 welche digitalmedizinischen Angebote für die Praxisbesucher Relevanz haben und

 welche Entwicklungsrichtungen einzuschlagen sind.

Als Untersuchungs-Merkmale kommen dabei u. a. folgende Themenbereiche in Frage:

 Arzt-Bewertungsportale

 Internetquellen für Gesundheitsinformationen

 Patienten-Foren

 Gesundheits-Apps

 Activity- und Fitness-Tracker

 Medizinisches Tele-Monitoring und -Coaching

 Online-Terminvereinbarungen

 Praxis-Homepage

 Online-Videokonsultation

 E-Mail- und SMS-Recall.

Die Antworten ermöglichen es auszuloten, welche Angebote für die Patienten tatsächlich Relevanz besitzen und wie intensiv und vor allem in welche Richtungen Sie und ihr Team sich auf digitalmedizinische Patienten einstellen müssen. Aus diesen Resultaten entsteht ein Suchfeld für den patientenbezogenen Bereich der Digitalmedizin, der durch eine Recherche hinsichtlich der für die praxisinterne Arbeit geeigneten, produktivitätsbezogenen Lösungen ergänzt werden kann.

3.6.4.2 Kanalisierung

Bei der Kanalisierungs-Technik geht es darum, dass Sie nicht passiv auf die Anforderungen Ihrer Patienten reagieren, sondern proaktiv agieren. Im Hinblick auf Internet-Informationsquellen bedeutet Kanalisierung, den Patienten bezüglich der auszuwählenden Quellen eine Anleitung zu geben und ihnen spezifische Websites zu benennen, die sie selbst überprüft haben und die ihre persönlichen Behandlungsstrategien am besten unterstützen.

Das Informations-RezeptEine Umsetzungs-Möglichkeit hierfür ist das Informations-Rezept. Hierbei handelt es sich um einen einfachen, mit jedem Praxis-PC gestaltbaren Zettel im Rezept-Format, auf den unter der Überschrift „Informations-Rezept“ im Kopf die Basisdaten des jeweiligen Patienten gedruckt werden, gefolgt von dem Text: „Im Hinblick auf die bei Ihnen festgestellte(n) Erkrankung (Beschwerden) empfehle ich Ihnen folgende Internetseiten zur weiteren Information“. Hieran schließt sich eine Auflistung eignungsgeprüfter Internetadressen an. Per PC lässt sich die Zuordnung von Internetadressen und Krankheitsbildern weitegehend automatisieren. Besteht das Patientenklientel zu einem großen Anteil aus jüngeren Patienten, sollten ergänzend die QR-Codes der empfohlenen Internetseiten aufgeführt werden, so dass diese auch mit einem Smartphone direkt abrufbar sind. Entsprechende, kostenlos nutzbare QR-Code-Generatoren werden im Internet angeboten. Das Informations-Rezept bietet in der dargestellten Gestaltung mehrere Vorteile:

 Sie können ihren Patienten eine zusätzliche Serviceleistung anbieten,

 die Netzrecherche der Patienten verläuft gezielt im Sinne der ärztlichen Empfehlungen,

 es wird eine einheitlichere Gesprächsebene zwischen Arzt und Patient geschaffen,

 die Rezeptform fördert das Praxisimage im Hinblick auf Modernität und einen Up-To-Date-Status.

Ebenso sollten alle Links auf der Praxis-Homepage aufgeführt sein.

Der Zeitbedarf für die Recherche der „richtigen“ Seiten ist nicht groß, der positive Effekt auf die Patienten und die Entlastung für den Arzt hingegen sehr stark. So können überlangen Diskussionen und Richtigstellungen grundsätzlich und früh-zeitig entgegengewirkt, gleichzeitig aber der positive Impuls zur eigeninitiativen Beschäftigung genutzt werden.

Verhalten bei Fragen rund um Fitness- bzw. Gesundheits-Tracker und AppsPatienten werden Sie ebenfalls zukünftig nach Empfehlungen und Verordnungen für mobile Fitness- und Gesundheitstechnik fragen. Die Erwartungen gehen dabei jedoch nicht in die Richtung von Marken- und Modell-Ratschlägen, sondern man möchte wissen, welche Funktionen die anzuschaffenden Geräte oder einzusetzenden Apps haben sollten, um z. B. die Behandlung optimal zu unterstützen. Der Aufwand für Sie, sich diese Informationen zu beschaffen, ist nicht groß, denn sie benötigen nur einen Minimal-Überblick der Grundfunktionen der Geräte und Apps, der im Netz schnell beschaffbar ist. Der Aufwand lohnt sich auf jeden Fall, da Sie hiermit in den Augen der Patienten eine ausgeprägte Zusatzkompetenz besitzen.

3.6.4.3 Verhandlungsmanagement

Der dritte Baustein eines proaktiven Managements von digitalmedizinischen Patienten besteht darin, die zukünftig noch häufiger und stärker aufkommende Unterschiedlichkeit von Meinungen so aufzulösen, dass eine gemeinsame Basis für das medizinische Vorgehen entwickelbar ist. Hierfür können Sie sich für ihre Patientengespräche spezifischer Kommunikations-Techniken bedienen, die ihre „therapeutischen Verhandlungen“ unterstützen. Die folgenden Abschnitte skizzieren, auf welche Aspekte es hierbei besonders ankommt.

Nutzenargumentation statt VorteilsbeschreibungenPrimär geht es bei digitalmedizinisch vorinformierten Patienten darum, eine Abgrenzung Ihres eigenen Behandlungskonzeptes zu den „angelesenen“ Inhalten vorzunehmen. Wenn Ärzte Patienten medizinische Diagnostik- und Therapieleistungen schildern, verweisen sie in der Regel auf deren Vorteile, kommunikationsfördernder ist es jedoch, diese Vorteilseigenschaften als Nutzen zu formulieren. Beide Begriffe - Vorteil und Nutzen - bezeichnen den gleichen Sachverhalt, stellen ihn aber anders dar. Der Begriff Vorteil bezieht sich auf die objektiven medizinischen Effekte, der Begriff Nutzen auf die für den Patienten wichtigen Auswirkungen der Vorteile. Gerade wenn Patienten Vorinformationen besitzen und auf dieser Basis eine Grundhaltung eingenommen haben, kann der Arzt über eine nutzenbasierte Argumentation eine stabilere Gegenposition aufbauen und die Patienten durch die Nutzendarlegung häufig motivieren, ihre Position zu verlassen.

Das folgende Beispiel verdeutlicht den Unterschied:

 Vorteil: Dieser Test ermittelt folgende Informationen…

 Nutzen: Mit der Durchführung des Tests erhalten Sie Sicherheit über…

Patienten-Entscheidungen beruhen immer auf einer Mischung aus rationalen und emotionalen Nutzenüberlegungen. Die „Kunst der guten Kommunikation“ ist es, die für einen Patienten wichtigen Nutzen-Erwartungskombination zu bestimmen (bei Stammpatienten sind sie ja in der Regel bekannt) und die Argumentation hierauf auszurichten.

Loben und relativierenDass Patienten sich mit ihrer Gesundheits-Situation beschäftigen, ist äußerst positiv zu bewerten, hierzu sollten sie deshalb auch eine entsprechende Anerkennung in Form einer ärztlichen Ich-Botschaft erhalten ("Ich finde es sehr gut, dass Sie sich so umfassend informieren..."). Über ein derartiges Lob wird eine positive Gesprächsgrundlage aufgebaut, die es auch ermöglicht, einschränkende Aspekte wie z. B. Fehlinformationen anzusprechen. Flankierend kommt es zudem darauf an, dass Sie die Quellen, die die Patienten zitieren oder die Daten, die sie erhoben haben, nicht von vornherein abwerten oder ablehnen. Geschieht dies dennoch, wird auf Patientenseite eine Abwehrhaltung aktiviert, da sie sich angegriffen fühlen, die Gesprächs- und vor allem Kompromissbereitschaft sinken. Selbst bei elementaren "Fehl-Ansichten" sollten Patienten auch nicht für ihre "Dummheit" getadelt werden („…mit dieser Information liegen Sie vollkommen falsch..."), sondern man argumentiert besser rein quellenbezogen ("...leider wird dieser Sachverhalt nicht immer vollständig dargestellt, wichtig ist zu wissen, dass…“). Geht es um Daten, ist der Verweis auf die breiten und langjährigen Erfahrungen mit der eigenen medizinischen Methode und auf die Genauigkeit des Verfahrens hilfreich. Es kann auch nutzen, Unterschiede der Datenerhebung herauszustellen, z.B. auf der einen Seite den locker sitzendes Sensor-Armband, auf der anderen Seite das Messverfahren mit professionellen, stabil befestigten medizinischen Elektroden. Zudem kann man den Patienten vorschlagen, die von ihnen ermittelten Angaben einmal mit der arzteigenen Präzisions-Methode zu erheben, um zu erkennen, wie genau die Systeme der Patienten wirklich arbeiten und ob die Werte zukünftig als Indikatoren verwendbar sind. Patientengerechte SpracheDas Merkmal vieler medizinischer Informations-Seiten im Internet ist eine laienorientierte vereinfachte Darstellung komplexer Sachverhalte. Verwendet der Arzt eine nicht patientengerechte Sprache, stellt das eine elementare Gesprächsbarriere dar und beeinflusst das Verhandlungsmanagement äußerst negativ. Aus dem Unverständnis der ärztlichen Aussagen resultieren auf Seiten der Patienten Einschüchterung, ein In-Sich-Zurückziehen, Unzufriedenheit und Unmut, die schlechtesten Grundlagen für erfolgreiche Verhandlungs-Gespräche. Untersuchungen belegen, dass die Verwendung verständlicher Erläuterungen nicht zu der vielfach befürchteten Verlängerung von Patientengesprächen führt, dafür aber die Compliance und vor allem die Arzt-Patientenbindung verstärken. Voraussetzung einer effizienten Kommunikation ist in diesem Kontext die initiale Analyse des Wissenstandes der Patienten zu ihren Erkrankungen und den Therapiemöglichkeiten („Haben Sie hiervon schon einmal gehört…?“). Überdies sollten Sie nach Möglichkeit versuchen, Ihre Aussagen auch visuell mit Grafiken oder Bildern zu unterstützen Dialogorientierte Gesprächsführung Arzt-Patientenkommunikation muss – soll sie zu einem eindeutigen Verhandlungsergebnis kommen – im Grundsatz als Dialog angelegt sein. Natürlich ist es unumgänglich, dass Sie, um überhaupt eine Diagnose stellen oder eine Beratung durchführen zu können, bestimmte Fragen nacheinander stellen müssen und so zeitweise das Gespräch dominieren. Aber das wird in einem eng gesetzten Rahmen auch von Ihnen auch erwartet. Ein aus Patientensicht dialogorientiertes Arzt-Patienten-Gespräch basiert auf folgenden Grundlagen:

 ein dem Gesprächspartner angepasster Sprachstil

 eine deutliche Aussprache

 knappe, kurze Sätze

 aktives Zuhören (durch Blickkontakt und Kopfnicken wird dem Gegenüber Aufmerksamkeit signalisiert

 den Gesprächspartner ausreden lassen (die Patienten sollten möglichst bei ihren Antworten, Erklärungen und Schilderungen nicht unterbrochen werden, selbst wenn schon zu Beginn deutlich wird, was der Gesprächspartner sagen wird / will)

 

 die grundsätzliche Verwendung der Ich-Form („Ich denke...“, „Ich meine...“, „Aus meiner Sicht...“)

 Vermeidung von Behauptungen

 Konsequente Ausschaltung von Signalen, die Hektik oder Gereiztheit ausdrücken

 Verzicht auf Anweisungswörter („nicht“, „müssen“, „sollen“ und „dürfen“)

 eindeutige Formulierung der ärztlichen Erklärungen, um Missverständnisse zu vermeiden

 Ermunterung der Patienten, Fragen zu stellen

 bei Unstimmigkeiten die Patientenmeinungen nicht einfach abblocken, sondern mit Fakten und einfachen Beispielen gemeinsame Gesprächsgrundlagen schaffen.

Eine generelle Verhandlungs-Technik, die in diesem Zusammenhang für Patientengespräche an Bedeutung gewinnen wird, ist das „Führen-durch-Fragen“. Hierdurch behält der Arzt die Gesprächsleitung in der Hand, kann gleichzeitig die Überlegungen des Gesprächspartners detailliert erforschen, gewinnt Zeit zum Überlegen und kann so seine Verhandlungs-Strategie entwickeln. Zudem demonstriert er hierdurch gleichzeitig auch sein Interesse an der Position des Gegenübers. Mit etwas Übung und Geschick lassen sich mittels der Frage-Methode die Patienten-Verhandlungen auch zeitlich in einen passenden Rahmen bringen, da bestimmte Argumente immer wieder verwendet werden und man sie in den eigenen Fragen antizipieren kann.

Informationsübermittlung zu medizinischen InhaltenDigitalmedizinisch-orientierte Patienten sind stark informationsorientiert. Je mehr sie in Erfahrung bringen können, desto zufriedener sind sie. Auf folgende Aspekte kommt es diesem Patientenklientel im Arztkontakt besonders an:

 Erklärungen was Sie während einer Behandlung tun und weshalb,

 Erläuterung der Vor- und Nachteile verschiedener Behandlungsmöglichkeiten und Therapien

 offene Ansprache mögliche Risiken von Behandlungen.

 Aufklärung über mögliche alternative Heilmethoden

 Information über mögliche Nebenwirkungen und Risiken von Medikamenten

 Hinweis bei Behandlungen mit einem großen Risiko oder bei sehr komplizierter Erkrankungslage, eine zweite Meinung einholen zu können.

Da für einzelne Patientengruppen und / oder Krankheitsbilder viele Sachverhalte standardisierter sind, kann eine Vielzahl von Informationen auch mittels vorbereiteter Informationsblätter oder mit Hilfe von Broschüren vermittelt werden, so dass die eigentliche Gesprächszeit nicht beeinträchtigt wird. Die Abgabe derartiger Gesprächshilfen wirkt sich auch positiv auf das Praxis-Image bei Familienangehörigen, Verwandten und Bekannten aus, da die Unterlagen i. d. R. diesen gezeigt werden und belegen, dass das Praxisteam sich intensiv für eine umfassende Patienteninformationen engagiert.

Zusammenfassungen gebenTrotz des grundsätzlich hohen Informations-Interesses und der damit verbundenen Aufmerksamkeit sollten Sie mit Hilfe kurzer Zusammenfassungen („...so, ich fasse am besten einmal zusammen, wo wir jetzt stehen...“) von Zeit zu Zeit im Gesprächsverlauf überprüfen, ob die Patienten auch tatsächlich alle Informationen verstanden haben, bei Bedarf ist dann eine unmittelbare Korrektur möglich. Missverständnisse bitte nicht mit der Formulierung: „Das haben Sie falsch verstanden.“ kommentieren, sondern besser: „Vielleicht habe ich mich hier nicht ganz deutlich ausgedrückt, ich meine…“. Festlegung gemeinsamer ZieleIst mit den Patienten ein gemeinsamer Behandlungs-Kurs vereinbart, geht es in den Gesprächsverhandlungen abschließend um eine gemeinsame Fixierung von Therapiezielen und Behandlungsstrategien. Hierdurch erhalten die Patienten eine Perspektive, welcher Erfolg mit dem für sie gewählten Behandlungskonzepten angestrebt wird. Diese Ziele werden im Gespräch mit dem Patienten gemeinsam festgelegt. Hierbei sollten die Wünsche des Patienten, die ja meistens mit Ihren Zielen identisch sind (Beschwerdelinderung oder Beschwerdefreiheit), mit einbezogen werden. Das stärkt nicht nur das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient, sondern verbessert gleichzeitig auch die Compliance. Zudem verschaffen Sie sich einen größeren "Kritikspielraum", falls der Patient therapeutische Maßnahmen, die zur Zielerreichung notwendig sind und verabredet waren, vernachlässigt. Im Hinblick auf die Festlegung der Behandlungsstrategie eignen sich in Begleitung des Gesprächs die Erstellung eines kurzen schriftlichen Plans sowie die Fixierung von Kontrollterminen, ggf. ergänzt um ein Patienten-Tagebuch.