Kind des Lichtes

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Neue Freunde

Sie befanden sich wieder auf ihrem Weg der Sonne entgegen und beide spürten die Veränderung ihrer Beziehung zueinander. Alina bemerkte immer öfter, dass er sie heimlich und mit so viel Liebe im Blick betrachtete das sie meinte, bald verrückt werden zu müssen, wenn sie nicht langsam herausfand, was es bedeutete, ihm eine Frau zu sein. Und Raven seinerseits bemerkte, dass sie immer öfter seine Nähe zu suchen schien. Oft saß sie beim gemeinsamen Mahl in seinem Schoß oder sie schlüpfte des Nachts mit unter seine Felle, und jedes Mal, wenn so etwas geschah focht er den alten Kampf mit seinen Lenden aus. Doch er sah sich auch außerstande, ihr mitzuteilen was jedes mal in ihrer Nähe mit ihm geschah. Dabei genoss er doch jeden Augenblick mit ihr, ihre wärme, ihre zärtlichen Berührungen, die Liebe in ihrem Blick. Er ertappte sich öfters dabei, wie er sie verstohlen Beobachtete, ihre Schönheit bewunderte, ihre verspielte Anmut oder ihren zarten, kindlichen Körper betrachtete. Und er bemerkte, dass sie mit jedem vergehenden Tag langsam zur Frau erblühte. Alina spürte seine Gedanken, seine Gefühle, verstand sie dabei aber nicht gänzlich. Doch auch sie bemerkte die Veränderungen an sich und fühlte sich manchmal sehr eigenartig, als würde ihr ganzer Körper fortgerissen um sich dann neu zusammen zu fügen.

Es entstanden Rundungen, wo vorher keine waren und andere Teile von ihr wurden noch schmaler. Oft fühlte sie sich hässlich, doch Ravens Blicke sagten ihr etwas Anderes. Es lag immer soviel Liebe und Zärtlichkeit in ihnen, das Alina sich jedes Mal, wenn er sie so ansah, doch schön fand.

Doch noch etwas geschah dieses Frühjahr. Mutter kam nicht mehr in ihre Träume, sosehr sie auch jedes Mal nach ihr rief, sie blieb allein. So zog der Frühling ins Land, der Schnee schmolz allmählich, und obwohl die Nächte noch kalt waren, herrschte am Tag doch recht milde Luft und beide kamen gut voran. Raven roch jetzt oft den Gestank der Menschenorte und flog jedes Mal, in weiten Bogen um die vermeintliche Gefahr herum, doch, auf ihre fragenden Blicke hin, erzählte er ihr dennoch geduldig von den Menschen. Von deren übelriechenden Ort, von deren Gesetzen, von deren Taten und Untaten gegen die anderen Völker. Er erzählte ihr von den Dingen, die er schon gesehen hatte. Von den Kirchen überall im Land, und wie die Menschen, Schafen gleich, dort hineinströmten, um einem Priester zu zuhören, der ihnen doch nur erzählte, wie schlecht sie doch sein. Nun, lachte Raven einmal erbost, dafür bräuchten diese Behaarten keinen Priester, das könnten die Geflügelten denen ebenso erzählen. Er erzählte ihr von den anderen Völkern, wo und wie diese lebten, warum sie so wichtig für das Gleichgewicht der Welt waren, und warum die Menschen diese so sehr hassten und verfolgten. Alina machte das gehörte sehr traurig, aber sie lernte so auch sehr viel. Raven gab sich alle Mühe die Orte der Menschen zu meiden, um dann aber doch in beider Verderben zu fliegen, denn eines Abends nahm etwas seinen Anfang, das beider Leben total verändern sollte. Sie trafen auf andere Männer seines Volkes.

Es dämmerte bereits, als Raven am Hang eines kleinen, grünen Tales einen fernen Feuerschein sah und kurze Zeit später den vertrauten Geruch verbrennender Kräuter wahrnahm. Er setzte sie in einiger Entfernung ab, sicher ist sicher, und machte sich erst mal allein auf den Weg. Sie fühlte sich sehr einsam hier in der Dunkelheit und war erleichtert, als er wenig später zurückkam, sie aufgeregt hochhob und mit ihr eiligst zum fremden Lager flog.

„Es sind Freunde von mir,“ erklärte er ihr freudig erregt,“ mein Onkel mit seinen Söhnen. Sie kommen aus dem Westen und sind auf dem Heimweg.“ Er berührte nur zart ihr Gesicht als sie ängstlich zu ihm aufschaute, doch er grinste sie nur freudig an, und verstand ihre Sorge nicht.

„Du brauchst dich nicht zu fürchten kleine Fee,“ sagte er gut gelaunt, „sie gehören zu meiner Familie und sind alle sehr erfreut, dass wir zu ihnen stoßen.“ Doch sie hatte Angst, große Angst sogar, und als sie mit Raven das große Lager betrat, blieb ihr, angesichts der vielen Männer, fast die Luft weg. Sie alle waren groß, kräftig gebaut und sehr gutaussehend. Ihre Kleidung bestand, anders als Ravens zweckmäßige, aus feinem, kunstvoll verziertem, hellen Leder. Sie trugen auch viel glänzendes Metall an ihren Körpern und hatten schwere Waffen dabei. Alle trugen, wie Raven, ihr Haar lang und offen über die Schultern fallend, doch die Farben verblüfften sie. Ravens Haar war schwarz, ihres weiß, und beider fiel glatt herunter. Das Haar dieser Männer jedoch hatte sonderbare Farben. So leuchtete einer wie die Sonne am Himmel, während ein anderer die Farben eines Fuchses besaß. Wieder einer hatte die Farbe der Erde und zwischen allen gab es die verschiedensten Abstufungen. Zudem hatte keiner von ihnen glattes Haar. Dem einen floss sein Haar in sanften Wellen die Schulter herunter, dem anderen drehte es sich unordentlich auf dem Haupt. Es war wirklich verwirrend für sie. Und als jetzt auch noch alle aufsprangen, auf sie zuliefen und lärmend durcheinander sprachen, war es völlig um sie geschehen. Sie klammerte sich verzweifelt an Raven und drücke ihr Gesicht fest an ihn. Er spürte ihre Angst und drückte sie nun seinerseits fest an sich um ihr zumindest etwas Sicherheit und Schutz zu geben. Doch dann erhob sich eine Stimme, so gewaltig, so herrschend und kraftvoll, das sogar Alina aufhorchend den Kopf hob.

„Meine Söhne vergessen wohl ihre gute Erziehung, oder warum lauft ihr herum und schnattert wie eine Horde von aufgebrachten Weibern.“ Sofort herrschte schweigen im Lager und alle nahmen ruhig und langsam wieder Platz. Nur noch leises Gemurmel war danach zu hören.

„Ich bin sicher, dass mein Neffe uns von seinen Reisen und seiner kleinen Begleiterin erzählen wird.“ Das Familienoberhaupt der Drachen sah übertrieben böse in die Runde, „und ich erwarte von jedem von euch, dass unsere Gäste mit dem nötigen Respekt und mit Achtung behandelt werden.“ Der Dragon war ein sehr großer, breiter Mann, und trotz seines Alters noch sehr Beeindruckend. Sein rötlicher Bart erinnerte etwas an die Völker des Nordens, und sein langes, krauses und dabei fast schwarzes Haar verstärkte noch seine wilde Erscheinung. Doch blickten seine braunen Augen gütig und weise aus seinem schon leicht zerfurchtem Gesicht. Er nahm wieder Platz und winkte Raven jetzt und ungeduldig zu sich. Dieser ging mit Alina rasch näher.

„Komm, mein Sohn, setz dich zu mir und breche mit mir gemeinsam das Brot.“ Dieser Aufforderung folgte Raven gern, er war hungrig und das letzte gute Brot lag schon weit zurück. Alina rutschte scheu in seinen Schoß und dort blieb sie, alle ängstlich und scheu betrachtend.

„Du siehst, unsere Jagd stand unter keinem guten Stern,“ damit deutete der Dragon auf die magere Hirschkuh, „aber es wird für noch zwei Mäuler mehr auch noch reichen.“ Mit sonderbarem Blick sah er danach auf Alina nieder und Raven verstand diesen nicht ganz.

„Nun, wie ich sehe hast du gefunden, wonach du suchtest,“ wandte er sich an Raven, „bist du jetzt auf der Heimreise?“ Der Dragon biss herzhaft in einen Hirschschenkel.

„Sicher,“ erwiderte der kauend und gab Alina ein Stück des Brotes,“ meine Reise hat schon zu lange gedauert, ich sehne mich heim nach Baruth.“ Alina knabberte nur leicht am Brot.

„Nun,“ der Dragon sah ihn freundlich an,“ trotz deines Wunsches heimzukehren, möchte ich dich bitten, uns nach Avalla zu begleiten. Das Meer wird zum überqueren noch zu unruhig sein. Außerdem möchte ich wissen, wie es im Norden steht.“ Raven dachte an die alte Burg, und was sie in ihrem Innern gefunden hatten, und nickte nur zögernd,

„Gut, ich denke es könnte nicht schaden, ein wenig auf Avalla zu bleiben um euch von meiner Reise zu berichten.“ Damit blickte er nachdenklich auf Alinas Kopf herab, aber würde es ihr auch gefallen? Doch der Dragon lachte nur brüllend und schlug ihm danach kräftig auf die Schulter.

Alina folgte den Worten der Männer nicht, sondern sah sich nur scheu um. Der Kreis der Männer um das Feuer herum war groß. Sie drückte sich dichter an Raven und betrachtete die vielen, sich leise unterhaltenden Männer. Alle sahen zu ihnen, und einige folgten dem Gespräch. Die meisten Blicke waren freundlich, in manchen sah sie Aufregung, in anderen Neugier, wieder andere sahen sie entrückt, fast verwirrt an. Das irritierte sie ein wenig und sie sah schnell weiter. Doch dann blickte sie in ein blaues Augenpaar, das sie so kalt, so abschätzend musterte, dass sie voller Angst zusammenzuckte. Dieser Mann, der sie so bösartig anstarrte, erinnerte sie an die steinernen Statuen der Burg. Er war wie die Anderen seines Schlages, doch sein Gesicht war hart, seine Augen funkelten eiskalt und sein Körper schien angespannt zu sein wie bei einem Raubtier auf Jagd. Sie hoffte, dass nicht sie seine Beute werden sollte. Raven schien etwas zu bemerken, denn er legte schützend eine Hand auf ihren flachen Bauch und drückte diesen kurz.

„Was hat meine kleine Fee?“ Flüsterte er ihr ins Ohr und folgte ihrem Blick dann.

„Das ist der älteste Sohn des Dragons, Karak. Ich kenne ihn schon lange, du hast von ihm nichts zu befürchten, glaub mir.“ Wollte er sie beruhigen. Nun, dachte sie, das sehe ich anders und sie beschloss, diesem Mann vorerst, und wenn irgend möglich aus dem Wege zu gehen.

„Wir werden sie nach Avalla begleiten.“ Mit schreckgeweiteten Augen sah sie rasch zu ihm auf und etwas in ihrem Innern zog sich fast schmerzhaft zusammen.

„Du brauchst wirklich keine Angst zu haben, ich werde immer an deiner Seite bleiben, das verspreche ich dir.“ Doch ihr Blick ließ ihn seine Entscheidung schon bereuen. Nun, jetzt war es zu spät die Einladung noch auszuschlagen, aber er beschloss sein Versprechen nicht zu brechen.

 

Der jüngste Sohn des Dragons, Jamihl, reichte ihnen ihr weiteres Mahl und alle aßen schweigend. Später am Abend, es wurde rasch kälter, drückten sich alle dichter ans Feuer und der Dragon ließ Raven noch einmal zu sich rufen. Raven hatte sein Lager, sehr zur Freude Alinas, etwas abseits aufgeschlagen. Diese schlüpfte schon einmal in die Felle, um hier auf ihn zu warten.

„Raven, ich möchte nicht unhöflich erscheinen, aber warum spricht das Kind nicht. Seitdem du sie mit ins Lager brachtest sagte sie nicht ein Wort.“ Raven überlegte, wie er ihren Zustand erklären sollte, er erinnerte sich noch gut daran, wie sie auf den Namen Wolfskind reagierte. So sagte er vorsichtig und überlegend,

„Ich denke, sie ist von Geburt an stumm, sie versteht aber alles was gesprochen wird und sie ist sehr klug.“ Raven sah den Dragon unruhig an, erwartete er doch Hohn oder schlechte Bemerkungen auf das eben gesagte, doch dieser blickte nur ruhig über das Feuer zu ihr.

„Weißt du, wer sie ist, oder woher sie kommt?“ Raven sah nun ebenfalls zu ihr hinüber.

„Nein, ich fand sie oben im Norden, inmitten eines höllischen Schneesturms, sie irrte völlig allein durch die Berge und wurde fast von Wölfen getötet.“ Der Dragon wandte sich wieder an ihn,

„Nun, mein Sohn, das bezweifle ich.“ Sagte dieser vielsagend und Raven sah ihn überrascht an.

„Sie hat wunderschöne Augen,“ sprach der Dragon jetzt leise und versonnen weiter.

„Ich hatte einmal, ich war fast noch ein Knabe, Gelegenheit, in ein solches Augenpaar zu blicken. Sie war das schönste Geschöpf das ich je sah.“ Der Dragon schüttelte den Kopf, wie um die Erinnerung zu vertreiben und sah jetzt direkt in Ravens Augen.

„Sie gehört nicht zu uns, sie trägt das Blut der alten Völker in sich. Sag, mein Sohn, teilst du mit ihr die Wonnen?“ Raven schüttelte verwirrt den Kopf, was wusste der Dragon nur von ihr?

„Nun, du solltest es vielleicht tun, solange du noch Gelegenheit dazu hast. Ich denke nicht, dass du ihr dabei ernsthaft schaden könntest. Sie hat eine Aufgabe zu erfüllen und wir alle stehen nur am Rande des Ganzen.“ Eindringlich sah er Raven an, der das gesagte nicht richtig verstand.

„Du solltest gut auf sie achtgeben, denn auf ihren Weg werden ihr viele weitere folgen.“

„Was meinst du damit, Dragon, ich verstehe das alles nicht,“ Raven sah den Älteren jetzt hilflos an. Doch dieser schüttelte nur wieder vielsagend den Kopf.

„Das ist euer leid, das Leid der Jugend, das ihr nicht mehr auf die Alten und deren Geschichten hört,“ polterte der Ältere nicht unfreundlich, „oder sie einfach Vergesst. Ihr werdet uns nach Avalla begleiten, und dort werde sich euch alles Offenbaren, zumindest das, was ich darüber weiß, doch nun,“ damit winkte er ab,“ lass mich bitte allein, ich muss Nachdenken.“ Raven erhob sich und kehrte, immer noch vom eben gehörten verwirrt, zu Alina zurück und zog sie wieder fest in seine Arme. Wieso sollte sie eine Aufgabe haben? Und wenn, welche konnte das sein?

Und wer, bei den Göttern, folgte ihr? Und was bedeutete das mit dem alten Blut, mit den alten Völkern? Laut alter Legenden existierten diese schon lange nicht mehr. Raven sah den Dragon am Feuer sitzen. Ich glaube dir nicht alter Mann, dachte er und streichelte ihr dabei sanft übers Haar. Sie ist mein Leben, meine Liebe und nichts und niemand wird sie mir jemals wieder nehmen. Sie sah lächelnd zu ihm auf, froh, das er wieder zurück war und schmiegte sich jetzt eng an ihn. Später, als sie lange gemeinsam unter seinen Fellen lagen, sah er in ihre sonderbaren blaugrünen Augen und dachte noch einmal über die Worte des Älteren nach. Er hatte zwar Angst vor der Antwort, musste die Frage aber dennoch stellen.

„Ist es wirklich dein Wunsch, mich auf meiner langen Reise zu begleiten?“ Sie nickte ernst.

„Warum,“ er sah sie fest an, „warum willst du mich begleiten, bitte, ich muss es wissen.“

Sie hob eine kleine Hand zu seinem Gesicht und streichelte es zärtlich. Fuhr mit ihren kleinen Fingern seinen Zügen nach, nahm dann seine und legte sie vorsichtig auf ihre Wange. Diese Antwort verstand er sofort und glücklich lächelnd zog er sie fest in seine Arme. Doch beiden entging an diesem Abend das hasserfüllte blaue Augenpaar, das zu ihnen hinüber starrte und in dessen Kopf langsam ein dunkler Plan reifte.

Am Morgen, als sie das Lager abbrachen, ging alles sehr drunter und drüber, das Alina sich mit Absicht etwas abseits aufhielt. Mit Unruhe schaute sie dem Tumult zu. Doch plötzlich stand Karak in voller Größe hinter ihr und sah finster zu ihr hinunter.

„Du bist so jung und so schön, aber ich bin kein Narr wie Raven und alle anderen. Mich kannst du nicht blenden.“ Sie schrak herum und sah mit Angst und totalem Unverständnis zu ihm auf. Dieser packte ihren Arm und drückte mit Macht zu, hielt sie mit eiserner Hand fest. So sehr sie sich auch wand, sie konnte sich diesem starken Griff nicht entziehen.

„Du bist ein verfluchtes Menschenkind,“ spie er ihr entgegen, „nichts Besonderes oder Ungewöhnliches wie die alle glauben.“ Dabei nickte er wütend und voller Abscheu zum Lager.

„Du kannst Zaubern, sicher, sonst wüssten diese Narren ja auch welche Schlange sich an ihrer Brust nährt.“ Sie wollte fort, doch er hielt sich immer noch mit aller Macht fest.

„Bei mir wirkt dein Zauber nicht. Und, sei dir dessen stets bewusst, ich werde dich im Auge behalten, Hündin, und beim kleinsten Anzeichen das du irgendeine sonderbare Macht über meine Familie gewinnst, werde ich kommen und dich mit Vergnügen aus der Welt wischen.“ Damit ließ er sie jetzt los und sie rannte, so schnell sie konnte, zu Raven, den sie inmitten des Lagers stehen und mit einem der Männer reden sah. Ja, dachte Karak voller Abscheu, renne nur schnell zu deinem Beschützer, ich kann warten. Heute abend erreichen wir Avalla und dort bietet sich genügend Gelegenheit dir das zu geben was du verdienst. Kalt lächelnd betrat er wieder das Lager und begann seinen Brüdern beim Packen zu helfen. Alina erreichte Raven und fiel außer Atem neben ihm auf die Knie. Besorgt beugte er sich nieder und hob sie wieder hoch. Blass blickte sie zu ihm hoch.

„Kleine Fee, was ist mit dir, du siehst aus als wäre der Teufel hinter dir her.“

„Ich glaube nicht das der Teufel hinter ihr her ist,“ sagte der Rothaarige, mit dem er zuvor gesprochen hatte, „sondern mein Bruder Karak.“ Raven blickte über das Lager und entdeckte den Gemeinten beim verstauen seiner Schlaffelle. Sie sah zum Sprechendem auf und drückte sich ängstlich an Raven. Der Rothaarige sah aber nur zärtlich auf sie nieder.

„Ich heiße Ramahl, du hast von mir nichts zu befürchten, nicht alle von uns sind wie jagende Wölfe, glaub mir.“ Er berührte danach Raven sacht an dessen Schulter.

„Ich werde mal sehen, was mit ihm los ist. Haltet euch trotzdem etwas von ihm fern, er ist in letzter Zeit etwas Komisch geworden.“ Damit ging Ramahl durchs Lager auf Karak zu. Raven sah leicht verwirrt auf Alina nieder, wusste nicht so recht was er von alledem halten sollte.

„Du bleibst von jetzt an immer in meiner Nähe, denn, auch wenn ich jemanden lange zu kennen glaube, so kann ich doch nicht in seine Seele blicken.“ Alina sah zu ihm auf und nickte, niemals wieder würde sie von seiner Seite weichen, auch in seiner Welt lauerte überall Gefahr. Sie packten gemeinsam ihre Sachen zusammen um dann, mit dem Dragon und seinen Söhnen in den jungen Morgen nach Avalla zu fliegen.

Es war schon Mittag als Ramahl im Flug zu ihnen aufschloss und beide besorgt ansah.

„Ich habe versucht, mit Karak zu reden, doch es war fast unmöglich. Er sagte etwas in der Art wie, wir alle seien verzaubert und nur er kenne den Weg uns zu befreien, lauter solch ein Zeug.“

Raven spürte, dass Alina an seiner Brust leise nickte, und dabei zitterte.

„Ich habe schon mit Vater gesprochen und er hat Saalem,“ er deutete auf einen großen, blonden Mann, „gebeten, ihn etwas im Auge zu behalten. Doch seid versichert, dass wir alle auf euch achtgeben werden.“ Er entfernte sich wieder, doch schon kurze Zeit später ließ sich der Dragon sich im Fluge etwas zurückfallen um mit ihnen zu sprechen.

„Es hat mich betrübt zu erfahren, das einer meiner Söhne ein schlechtes Bild von euch hat. Nun, wie ihr sicher schon wisst, wird Saalem einen wachsamen Blick auf ihn haben und ich werde nach unserer Rückkehr selbst ein ernstes Wort mit Karak wechseln müssen. Dennoch, der Rest dieses wilden Haufens ist froh und glücklich das ihr uns begleitet und kann den Abend kaum erwarten, an dem ihr uns eure Geschichten erzählen werdet.“ Als der Dragon wieder fort war meinte Raven lachend zu Alina,

„Nun, wer, meinst du, wird den Abend wohl am meisten herbeisehnen?“ Alina amte daraufhin den Dragon nach und beide mussten sehr lachen.

Avalla

Sie flogen über einen langen, hohen Felsgrad und der sonderbare Geruch, den Alina schon seit geraumer Zeit in der Nase hatte, wurde immer stärker. Salzig und würzig lag er schwer in der sanft vom Wind bewegten Luft. Dann plötzlich fiel der Felsgrad steil in die Tiefe ab und unter ihnen erstreckte sich die dunkle, in der Abendsonne glitzernde See, die kraftvoll gegen die schroffe Küste brandete. Hoch türmten sich die Felsen über den dünnen streifen Strand, der vor ihm lag und der mächtig von der Brandung überspült wurde. Noch ganz verzaubert vom Anblick der sich ihr hier bot, hörte sie Ravens Stimme kaum.

„Sieh nach oben, kleine Fee, dort liegt Avalla.“ Sie tat wie geheißen und hielt unwillkürlich die Luft an. Avalla trohnte hoch auf der Spitze einer schmalen Landzunge, die ständig vom Meer umtost wurde. Es war ein Schloss wie kein anderes. Es hatte viele schmale, hohe Türme an denen bunte Fahnen fröhlich im Wind flatterten. Der Schlosshof wurde von vielen Gebäuden eingerahmt, die sich wie schutzsuchend an die dicken, das ganze Schloss umgebenden Mauern schmiegten. Das Haupthaus stand zentral hinter dem Hof, und dahinter konnte Alina kleine Gärten ausmachen, die aber, wie auch der Rest des Gemäuers, von hohen Mauern umgeben waren. Alle Gebäude waren mit breiten, ebenfalls bunten Stoffen geschmückt und die Dächer glänzten matt und rot in der untergehenden Sonne. Das ganze Schloss leuchtete in dieser wie in ein strahlendes Gold getaucht. So etwas Schönes hatte Alina noch niemals gesehen. Dann erklang noch ein tiefer, hohlklingender Ton, dem sich noch viele weitere anschlossen und Alina versank förmlich im gesehenem.

„Das sind Rinderhörner, in die sie blasen und so diese Töne erzeugen,“ erklärte Raven ihr, „sie begrüßen uns. Es ist wunderschön, nicht war?“ Sie nickte, völlig ergriffen. Raven sah schon aus weiter Entfernung die vielen Geflügelten, die den Schlosshof jetzt belebten, Männer, Frauen und viele Kinder erwarteten voller Ungeduld und Freude die Heimkehrer. Alina bekam wieder etwas Angst, es waren so viele und sie waren dabei auch noch so laut. Sie kannte das alles nicht und klammerte sich verzweifelt an Raven. Langsam glitt die Gruppe näher und Raven hielt Alina fest in seinen Armen. Sie landeten in mitten dieser und wurden sofort von einem lärmenden Pulk umschlossen. Alina hielt sich mit beiden Händen krampfhaft ihre Ohren zu und versuchte verzweifelt sich unter Ravens Arm zu verstecken. Dieser hielt sie fest und beruhigend an sich gedrückt. Ihm war nach seiner langen Einsamkeit auch nicht ganz wohl in dieser Menge. Doch dann erhob sich wieder des Dragons kräftige Stimme und die Menge verstummte langsam.

„Bitte, habt doch noch etwas Geduld.“ Seine Stimme erklang tief und volltönend.

„Wir sind wieder hier und haben auch liebe Gäste mitgebracht. Mein Neffe Raven wird einigen von euch sicher noch bekannt sein, doch seiner kleinen Gefährtin sind solche Versammlungen fremd und deshalb möchte ich euch bitten, jetzt die Vorbereitungen für unser gemeinsames Mahl zu treffen. Ich bin mir sicher, das Raven uns danach von seinen Reisen berichten wird.“ Die Menge wurde ruhig, aber zerstreute sich nur langsam. Neugierige Blicke wurden zu ihm und Alina geworfen, doch der Dragon blickte sich nur böse um und wandte sich danach wieder ihnen zu.

„Kommt, Freunde, begleitet mich in mein Haus, das nun auch euer ist.“ Sagte dieser nun ruhig und mit einer einladenden Geste zum Haupthaus und sie folgten den Dragon ins innere, begleitet vom hasserfüllten Blick Karaks, der etwas abseitsstand.

„Ich, Bruder, würde nicht einmal daran denken,“ meinte Ramahl im vorbeigehen zu diesem, „sie ist deinen Tot nicht wert, oder?“ Doch dieser schnaubte nur verächtlich und ging rasch fort.

 

Jamihl, ein fröhlicher, rotgelockter Bursche führte beide in ein großes, prunkvolles Zimmer.

„So, da sind wir,“ er lachte und deutete auf eine Tür am Ende des großen Raumes, „dahinter ist euer Schlafgemach. Vater meinte, es wäre besser ihr teilt euch die beiden Zimmer. Ihr könnt euch jetzt noch etwas ausruhen bis ihr zum Essen angekleidet werdet.“ Raven fasste sich aufstöhnend an den Kopf, wie konnte er diesen überflüssigen Brauch nur vergessen haben. Alina sah neugierig zu ihm auf. Raven blickte Jamihl grinsend an, und dieser lachte jetzt frech zurück.

„Besteht dein Vater immer noch auf diese alte Sitte?“ Fragte er, übertrieben Verzweifelt, aber immer noch grinsend den Knaben.

„Ja sicher, aber die Familie bleibt zum Glück jetzt davon verschont. Es betrifft nur noch die lieben Besucher.“ Lachend ließ der Junge sie allein, und Alina sah ihm fragend nach. Raven verspürte keine große Lust sich von einer Horde kichernder, alberner Mädchen waschen und danach ankleiden zu lassen. Außerdem, was wäre in dieser Zeit mit seiner kleinen Fee. Im Zimmer konnte sie nicht bleiben, sie hatte ihn noch nie ohne seine derbe Kleidung gesehen. Er konnte sich schönere Anlässe vorstellen, sich ihr zu offenbaren als von dummen, sich zuzwinkernden Mädchen umringt.

Doch, als der Augenblick gekommen war, musste er zugeben, das der Dragon an alles gedacht hatte. Es klopfte leise an ihrer Tür und als Raven sie hereinrief, betrat eine Gruppe älterer Frauen still ihre Gemächer. Sie wurden von seiner Tante Sonja angeführt, deren Blick, als sie den Raum betrat, sofort auf Alina fiel. Sie ging jedoch zuerst zu Raven und umarmte diesen herzlich.

„Raven, wie schön, dass du seid so langer Zeit mal wieder den Weg zu uns gefunden hast, sei Willkommen auf Avalla.“ Glücklich betrachtete sie ihn. „Du bist sehr stattlich geworden, junger Mann, aber nicht zu stattlich um deiner alten Tante nicht noch einen Kuss zu geben,“ lachte sie und ließ sich von Raven zart auf die Wange küssen.

„Sonja, ich freue mich auch, mal wieder einige Zeit hier verbringen zu dürfen,“ erwiderte er erfreut und führte sie danach zu Alina.

„Mein Gemahl erwähnte ihre Schönheit, aber das hätte ich nicht erwartet.“ Sonja blickte entzückt auf Alina herunter. Auch Sonja war groß und ihre Haltung entsprach der einer Schlossherrin. Ihre Haltung war stolz und erhaben, ihr Gesicht trotz ihres Alters noch schön, und ihre Züge klar. Nur ihre wilde, rote Mähne und die verschmitzt funkelnden, blauen Augen standen da im Wiederspruch zu ihrer Haltung. Diese ließen einen starken Willen, und ein ebensolches Temperament erwarten.

„Lieber Neffe, bitte verzeih mir, dass ich bei eurer Ankunft im Hof nicht zugegen war, aber meine jüngste, Sassa, liegt im Fieber und wir erwarteten ja keinen so lieben Besuch.“ Sie ergriff wieder kurz seine Hände um sie zu drücken. Dann sah sie wieder zu Alina.

„Na, Schatz, möchtest du heut Abend nicht besonders schön für den da sein?“ Sie zwinkerte Raven vergnügt zu, und während die anderen Frauen mit ihrer Arbeit begannen, einen Bettler in einen Fürsten zu verwandeln, führte die große, rothaarige Sonja Alina ruhig aus dem Raum. Diese blickte sich mehrmals ängstlich zu Raven um, und verstand nicht, was hier mit ihr geschehen sollte.

„Hab keine Angst, mein Kind, wir werden dich so schönmachen, das dir nachher alle Männer in der Halle zu Füßen liegen werden.“ Alina dachte kurz und mit einem schaudern an Karaks Worte, doch als Sonja sie entkleidete, sie ordentlich wusch, ihr das Unterkleid überstreifte und ihr anschließend das lange Haar aufsteckte, begann es ihr langsam doch zu gefallen.

„Mein Gemahl tat gut daran, mich zu bitten eines der Kinderkleider zu nehmen.“ Sie zog Alina schließlich das kleine, helle Kleid über den Kopf, verschnürte es danach sorgfältig an deren Rücken und drehte sie dann langsam zu sich herum.

„Du bist wunderschön,“ sagte die Ältere ergriffen, „wie eine kleine Elfenprinzessin. Möchtest du dich jetzt betrachten?“ Alina nickte schüchtern und Sonja führte sie zum hohen Spiegel des Ankleidezimmers. Verblüfft sah Alina in ihn hinein. Das Bild von ihr war so klar und deutlich, ganz anders als die Bilder von ihr im See, die sie sonst nur kannte. Ihr Haar war jetzt kunstvoll Aufgesteckt und nur eine dicke Strähne fiel ihr in sanftem Schwung auf den Rücken herab. Auf ihrer Stirn lag ein kleiner, blauglänzender Stein, der über eine dünne Kette mit ihrer Frisur verbunden war. Um den Hals und an jedem Handgelenk trug sie jeweils noch einen. Doch am meisten beeindruckte sie das Kleid, das sie nun trug. Es hatte die gleiche Farbe wie ihre Augen, irgendwie zwischen blau und grün, doch seine Farbe war blasser. Seine weißen Säume waren breit und aus kunstvoll gearbeiteter Spitze. Es war zudem überall mit diesen glitzernden Steinen besetzt, doch diese waren sehr viel kleiner als der auf ihrer Stirn. Alina betrachtete sich hingebungsvoll, und nur ganz leicht berührte sie ihr Spiegelbild, als würde es sich unter ihrer Berührung wie flüchtig auflösen. Sie konnte es kaum fassen, was die große Sonja aus ihr gemacht hatte.

„Oh,“ meinte diese noch, „ich habe noch etwas vergessen.“ Sie verschwand kurz im Nebenzimmer, tauchte aber bald wieder auf und hielt noch etwas in den Händen.

„Das sind Schuhe, sieh, man zieht sie über die Füße, Augenblick, ich helfe dir,“ sie zog Alina die kunstvoll gearbeiteten Schuhe an, „so, jetzt bist du fertig.“ Sie sah Alina liebevoll lächelnd an.

„Nun geh zur großen Halle und verdrehe allen meinen Söhnen die Köpfe.“ Alina nickte nur scheu und verließ still das Zimmer. Sie fand den Weg zur Halle allein, hatte aber ihre liebe Not mit den Schuhen, diese drückten sie und taten ihr schnell weh. Als sie sich einen Moment im Flur alleine wähnte, zog sie diese schnell aus und stellte sie in eine kleine Nische in der Wand, um sie später wieder holen zu kommen. Barfuss und ihr schönes Kleid vorn hochhaltend, wie Sonja es ihr gezeigt hatte, setzte sie rasch ihren Weg fort.

Als Raven die große Halle betrat, konnte er seine kleine Fee noch nirgends entdecken. Der große Raum war festlich mit Tüchern und Wandteppichen geschmückt und fast alle Familienmitglieder konnte er schon entdecken. Unter diesen auch Karak, wie er jetzt und erleichtert feststellte. Der Dragon winkte ihn zur langen Tafel, an der die meisten bereits saßen und ungeduldig auf den Beginn der Essen warteten.

„Komm, mein Sohn,“ meinte der Dragon grinsend, „setz dich zu mir. Deine Kleine ist noch nicht hier. Wahrscheinlich putzt meine gute Sonja sie heraus wie einen dieser kleinen, bunten Vögel deines Reiches. Nun, wir wissen ja, wie die Frauen sind.“ Raven sah den Älteren nun ebenfalls grinsend an und konnte es nicht bestreiten.

„Nach unserem gemeinsamen Mahl werden wir alle zum Jagdsaal gehen, um dort am Kamin deine Geschichten zu hören. Also, überlege schon mal gründlich, was du uns zum Besten geben wirst.“

Da betrat Alina leise und, wie sie gehofft hatte, möglichst unauffällig die große, hellerleuchtete Halle. Doch alle Gesichter wandten sich zu ihr um und die Blicke der Anwesenden blieben auf ihr haften. Ein leises Raunen ging durch die Anwesenden. Ihre Schönheit war an diesem Abend so blendend, so rein und strahlend, das alle Geflügelten, die hier beisammensaßen, sich immer an sie und diesen Abend erinnern würden. Raven blieb von ihrem Anblick wie verzaubert sitzen, während der Dragon sich lächelnd erhob und ihr ruhig entgegenging.

„Bei den alten Göttern, Sonja, du hast dich selbst übertroffen,“ raunte er. Als er sie erreichte, bot er ihr seinen Arm, den sie dankbar ergriff und führte sie durch die zurückweichende Menge.