Novemberrosen

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Kapitel 6

Die Wochen bis Weihnachten vergehen wie im Flug. Ich habe im Krankenhaus viel zu tun und auch Max ist beruflich viel unterwegs. Wir haben wenig Zeit uns zu treffen, die Woche vor Weihnachten sehe ich ihn gar nicht mehr, weil er bereits unterwegs nach Europa ist. Das passt mir zwar gar nicht, aber es lässt sich nicht ändern, er hat mir auch wiederholt angeboten ihn zu begleiten. Vielleicht hätte ich es doch tun sollen, sogar Lizzy hat mich ermutigt den Familienurlaub zu schwänzen, aber meine Beziehung zu Max ist noch frisch und so hat, wenn auch widerwillig, meine Familie Vorrang.

Am 23.12. breche ich gemeinsam mit meinem Vater und Alice in unseren Weihnachtsurlaub auf. Das Haus ist wirklich idyllisch gelegen und schmiegt sich romantisch in die weihnachtliche Landschaft. Alice und Lizzys Mum Betty machen sich gleich an die Vorbereitungen für das Weihnachtsessen, die zwei sind begnadete Köchinnen. Die Männer fahren in die Stadt um einige Einkäufe zu erledigen. Lizzy und ich übernehmen die Weihnachtsdekoration. Vor dem Abendessen lümmeln Andy und Matt mit einem Bier am Sofa, während wir den Baum fertig schmücken.

„Du bist sichtlich erfreut über unseren Familienurlaub heuer“, stichelt mich Andy an.

„So wie jedes Jahr“, antworte ich forsch.

„Wieso hast du deinen Lover nicht mitgebracht?“, legt Matt noch ein Schäufelchen nach.

„Also ich würde dich an seiner Stelle zu Weihnachten nicht allein lassen“, fügt er noch spitz hinzu.

Langsam werde ich sauer und Lizzy versucht die beiden zu bremsen. Scheinbar ist mein Liebesleben interessanter für Andy und Matt als ich vermutet habe.

„Deshalb hast ja du auch deine Freundin dabei, oder Matt?“

Sie blitzt ihn böse an. Matt ist einer der Sorte Männer die grundsätzlich keine fixe Beziehung anstrebt, so empfinde ich das zumindest. Da gibt es mal hier und mal da eine Freundin, die dann meist blond, langbeinig und sportlich durchtrainiert ist. Auch wenn Betty keine Gelegenheit auslässt ihrem Sohn zu sagen, dass es nun endlich an der Zeit wäre „die Richtige“ zu finden, frönt er weiter dem Junggesellenleben.

„Ich habe gar keine Freundin liebes Schwesterchen, aber Luisa hat ja einen Freund wie ich gehört habe.“

Er grinst mich an, ich ignoriere seine Ansage und drehe mich zum Baum.

„Der Engel muss noch auf die Baumspitze, hilfst du mir Andy.“

Lizzy wackelt mit dem Engel vor Andys Nase, er springt sofort auf um einer möglichen Auseinandersetzung mit ihr zu entgehen.

„Ihr schafft das ohne mich, ich brauche frische Luft.“

Ich habe das Gefühl mir platzt gleich der Kragen. Ich ziehe meine Jacke und Stiefel an und gehe nach draußen wo es gerade ausgelassen schneit. Lizzys Dad Robert und mein Dad hacken Brennholz im Schuppen und gönnen sich dazu einen Drink. Hier draußen haben sie es mit Sicherheit gemütlich denke ich mir und stapfe an ihnen vorbei.

„Wohin des Weges junge Frau?“, ruft mir Robert noch nach.

„Den Weihnachtsfrieden suchen“, entgegne ich sarkastisch.

Ich gehe ein paar Schritte durch den Schnee und genieße die Ruhe an der kalten frischen Luft, es wird schon dunkel. Ich schließe die Augen und atme tief durch. Wie gern würde ich jetzt Max Stimme hören, aber ich weiß dass er jetzt im Flugzeug sitzt, aber über eine Nachricht von mir freut er sich bestimmt:

Ich vermisse dich. Ich hätte doch mit dir kommen sollen. Ich hoffe die Tage vergehen schnell. Viele Küsse, ich umarme dich, Luisa.

Neben mir taucht plötzlich Matt auf, scheinbar hat er jetzt doch ein schlechtes Gewissen, ich kenne ihn. Er stellt sich dicht neben mich.

„Ich habe schon vergessen wie schön es hier ist.“

Er atmet ein und mit einem lauten Seufzer aus.

„Und ich habe vergessen dass du ein Arsch bist“, entgegne ich trocken.

Er ist es zwar gewohnt das ich mir kein Blatt vor dem Mund nehme, dafür kennen wir uns zu lang, damit hat er jetzt aber sichtlich nicht gerechnet. Er sieht mich mit hochgezogenen Augenbrauen an.

„Und du bist eine Zicke. Ich hab das nicht so gemeint. Warum bist du so unentspannt?“ „Doch du hast das so gemeint, und leider hast du ja auch irgendwie recht, aber ich wollte hier mit euch sein und ich bin keine ZICKE.“

Er legt seinen Arm freundschaftlich um meine Schulter.

„Tut mir leid, aber ich will nicht, dass er dich unglücklich macht. Bist du sicher du verrennst dich da nicht in etwas, ist er nicht zu alt für dich?“

„Ich bin mir auf jeden Fall sicher dass dich das gar nichts angeht.“ Ich boxe ihm freundschaftlich in die Seite, was ihn nur einen kurzen Lacher kostet. Schnell drückt er mir einen Kuss auf die Wange. Alice ruft uns bereits zum Abendessen, wir stapfen im Schnee zurück zum Haus.

Ich liege schon im Bett als ich eine Nachricht bekomme.

Max: Habe vor dem zu Bett gehen einen Brief an den Weihnachtsmann geschrieben. Den habe ich in meinen alten Weihnachtsstrumpf gesteckt. Ich hab mir gewünscht dass du bei mir bist. Vielleicht erhört er meinen Wunsch ja noch. Ich umarme und küsse dich. Max.

In Irland ist es jetzt mitten in der Nacht, deshalb verkneife ich mir einen Anruf, obwohl ich es wirklich gern tun würde, aber ich antworte noch auf die Nachricht.

Warum bist du noch wach? Ich hoffe du bist in keiner Bar und scharst die Damen um dich und tröstest dich, weil ich nicht bei dir bin? Ich zumindest liege schon im Bett, Gute Nacht, ich vermisse dich, vergiss mich nicht. L.

Ich knipse gerade die Nachttischlampe aus, als ich prompt eine Antwort erhalte.

Max: Keine Bar, keine Damen. Nur DU Luisa. Ich liege auch im Bett. Schlafen kann ich aber nicht. Der Gedanke von dir im Bett hilft mir nicht weiter. Gute Nacht? Ohne dich nicht möglich, Ich küsse dich. Max.

Ich muss einfach noch zurück schreiben.

Mach deine Augen zu und träum von mir. Ich mache das jetzt auch. Schlaf gut Liebster. Eine Million Küsse, deine Luisa.

Ich kuschle mich fest in meine Decke und stelle mir vor wie er mich festhält und schließe meine Augen.

Heute ist Heiliger Abend. Alice und Betty haben sich ein feudales Weihnachtsmenü vorgenommen. Alle haben Küchenverbot, sogar Lizzy und ich. Darüber bin ganz froh. Der Rest der Familie hat sich für einen Spaziergang im Wald entschieden und so machen wir uns auf den Weg. Als wir auf dem Rückweg sind geht mein Dad ein Stück mit mir.

„Warum sprichst du nicht mit mir Luisa?“, fragt er mich.

Ich schaue ihn verwundert an.

„Ich spreche doch mit dir, warum?“

„Ich meine du erzählst mir nichts.“

„Ich wüsste nicht was es zu erzählen gibt, vor allem nichts was dich interessiert, Dad.“

„Du glaubst das mich nicht interessiert was meine Tochter macht? Ich wäre froh wenn du mit mir sprechen würdest wie eine Tochter mit ihrem Vater.“

Ich sehe ihn stumm an, bevor ich ihm antworte.

„Dad, hast du nicht schon vor vielen Jahren entschieden, dass ich niemals deinen überzogenen Ansprüchen gerecht werde? Nach dem Tod von Mum war zwischen uns nichts mehr wie zuvor. Du hast mich allein gelassen mit meinen Gefühlen. Weder das was ich tue, noch mit wem ich zusammen bin ist und war jemals richtig. Was willst du denn von mir hören? Es würde dir sowieso nicht gefallen und dir würden ein dutzend Gründe dagegen einfallen. Du hast Ben gehasst und kein Mann den ich liebe wird jemals deinen Vorstellungen entsprechen.“

Er schüttelt mit enttäuschtem Blick den Kopf.

„Glaubst du das wirklich? Ich habe so viele Jahre versucht zu dir durchzudringen. Gib nicht mir die ganze Schuld daran dass es ist wie es ist.“

„Ich gebe dir keine Schuld, ich bin selbst schuld. Ss gab eine Zeit da habe ich alles falsch gemacht und das werde ich nie wieder gut machen können.“

Ich weiß nicht ob ich jetzt traurig, oder wütend sein soll. Ich stapfe energisch durch den Schnee und lasse meinen Vater hinter mir zurück.

„Luisa, lauf nicht weg.“

Er ruft mir hinterher, aber ich drehe mich nicht mehr um, ich will nicht mehr reden. Im Haus duftet es schon herrlich und der Tisch ist festlich gedeckt. Ich gehe noch auf mein Zimmer um mich umzuziehen,

„Die Kerzen müssen noch angemacht werden“, bittet mich Alice, als ich nach unten komme.

„Ach Luisa, ruft sie mir nach, vorhin war ein Bote da, der hat etwas für dich abgegeben. Es liegt da drüben am Schrank.“

Ich gehe zum Schrank wo ein braunes Paket liegt. Ich öffne es, darin finde ich ein Kuvert und ein kleines Päckchen. Auf dem Kuvert steht geschrieben:

Bitte erst nach dem Abendessen öffnen. Ich wünsche dir frohe Weihnachten, in Liebe Max.

Obwohl ich das Kuvert und das Päckchen am liebsten vor Neugier sofort aufreißen würde, gehe ich nach oben und lege es auf mein Bett. Das ist wieder typisch Max, er amüsiert sich bestimmt darüber, dass ich jetzt keine Sekunde mehr still sitzen kann. Alice und Betty haben sich wirklich alle Mühe mit dem Essen gegeben. Es ist ein schöner Abend, wir sitzen noch lange gemütlich zusammen. Lizzy, Andy, Matt und ich haben uns bereit erklärt den Abwasch zu übernehmen. Einen Schlummertrunk mit den anderen habe ich ausgeschlagen, endlich in meinem Zimmer bin ich schon so neugierig auf den Inhalt des Päckchens das ich fast platze. Was mache ich jetzt zuerst auf? Kuvert oder Päckchen. Ich entscheide mich für das Paket. Ich öffne es ganz vorsichtig. Aus einer türkisenen Schachtel eines New Yorker Traditonsschmuckhauses blitzt mir eine rosegoldene Kette mit einem kleinen Herzanhänger komplett mit glitzernden Steinen besetzt entgegen. Ich nehme die Kette aus der Schachtel und bin überwältigt, sie sieht einfach bezaubernd aus. Dann öffne ich das Kuvert. Darin sind ein Brief und ein Flugticket. Auf der Karte steht:

 

Liebste Luisa,

da es meine Pflicht als Weihnachtsmann ist ALLE Wünsche zu erfüllen, überbringe ich dir dieses Flugticket. Alle Liebenden sollen an Weihnachten vereint sein.

Frohe Weihnachten, der Weihnachtsmann

Das Ticket ist für morgen am späten Abend ausgestellt. Zielflughafen Keflavik, Island. Damit habe ich nicht gerechnet. Obwohl ich meine Entscheidung schon gefällt habe, beschließe ich noch eine Nacht darüber zu schlafen. Zuvor schreibe ich aber noch eine SMS:

Lieber Max, frohe Weihnachten, ich hoffe alle deine Wünsche gehen in Erfüllung. Der Weihnachtsmann hatte einen weiten Weg zu mir, aber er hat mich erreicht, die Kette ist wundervoll. Gute Nacht, Luisa.

Kapitel 7

Ich wache frühmorgens auf. Im Haus ist alles noch ganz still. Ich blicke auf das Nachkästchen auf dem das Ticket liegt. Keine Nachrichten auf meinem Handy. Es ist 05.30 Uhr. Ich stehe auf und gehe ganz leise nach unten. Am Sessel vor dem Kamin sitzt mein Vater. Er hat bereits das Feuer im Kamin angemacht, es ist wohlig warm im Raum.

„Hab ich dich geweckt?“, fragt er mich.

„Nein, ich konnte nicht mehr schlafen, ich mache Tee, möchtest du auch einen?“

Er nickt mir zu. Ich stelle den Teekessel auf, während ich warte gehen mir so viele Dinge durch den Kopf. Ich setze mich in eine Decke gewickelt auf das Sofa neben dem Kamin und nippe an meinem Tee. Eine Zeitlang schauen wir wortlos ins Feuer, dann aber blickt mich Dad ernst an.

„Als du damals deinen Unfall mit Matt hattest dachte ich, dass ich dich verlieren werde. Ich habe deiner Mutter versprochen für dich da zu sein. Ich konnte es nicht. Du warst so weit weg von mir. Ich war dir kein guter Vater und ich bin es bis heute nicht.“

Ich schaue wortlos in meine Teetasse. Ich wundere mich, dass er jetzt davon anfängt, aber er spricht weiter.

„Du wurdest gerade an deinem Bein operiert als Ben plötzlich im Krankenhaus aufgetaucht ist. Er hat einen riesen Tumult auf der Station veranstaltet, weil er unbedingt zu dir wollte. Ich habe ihm gesagt, er soll verschwinden und sich nie mehr in deiner Nähe blicken lassen.“

Ich traue meinen eigenen Ohren nicht. „Ich dachte immer er kam nicht mehr ins Krankenhaus?“

Er geht nicht auf meine Frage ein.

„Einige Wochen später kam Bens Mutter zu mir ins Krankenhaus und gab mir einen Abschiedsbrief von Ben für dich.“

„Du hast mir nie einen Brief gegeben?“ Ich schüttle meinen Kopf.

Dad blickt zu Boden. „Ich dachte damals es wäre so das Beste für dich, heute weiß ich dass es falsch war. Es tut mir leid.“

Ich fühle mich wie gelähmt, das ist doch nicht wahr.

„Was heißt, es tut dir leid? Was stand in dem Brief, hast du ihn gelesen? Was hast du damit getan?“

Er sieht mich traurig an, aber das ist sein Problem, ich bin unendlich wütend auf ihn.

„Ja ich habe ihn gelesen. Ich werde es nie vergessen denn es waren nur drei Zeilen:

Ich habe dich enttäuscht und dir wehgetan, das hast du nicht verdient.

Ich weiß ich kann nie mehr gut machen was geschehen ist.

Ich werde dich für immer lieben.“

Mir laufen haltlos die Tränen übers Gesicht.

„Das ist nicht wahr, oder? Das ist doch alles nicht wahr! Das hast du nicht getan Dad!“

Er steht auf und will mich trösten, aber ich weise ihn zurück, auch in seinen Augen stehen Tränen. Ich springe wütend und enttäuscht vom Sofa auf.

„Ich werde heute noch abreisen, ich habe einen Mann kennen gelernt! Ich möchte bei ihm sein. Das alles hier ist doch eine riesen Lüge!“

Dad nickt wortlos, beim Verlassen des Wohnzimmers sagt er mir noch leise hinterher:

„Pass auf dich auf. Verzeih mir bitte.“

Ich drehe mich noch einmal um.

„Ernsthaft Dad? Du verschweigst mir das so lange Zeit? Ich habe immer wieder darüber nachgedacht, es hat für mich keinen Sinn ergeben und das weißt du. Ich lebe immer mit einem Fuß in meiner Vergangenheit. Das hättest du nicht tun dürfen, vielleicht wäre Ben heute noch am Leben wenn du ihn nicht weggeschickt hättest.“

Ich stapfe wütend die Treppe hinauf und gehe auf mein Zimmer. Ein paar Minuten später klopft es leise an meiner Tür. Lizzy hat den Wirbel mitbekommen. Ich erzähle ihr alles und zeige ihr das Ticket.

„Ich packe jetzt und dann bin ich weg.“

Ich drücke sie fest, bevor ich meine Sachen packe. Als ich nach unten komme sitzen bereits alle am Frühstückstisch. Die Stimmung ist seltsam angespannt, gut wenn ich gleich weg bin, zumindest können die Anderen dann den restlichen Urlaub genießen. Ich stelle meine Tasche im Flur ab und setzte mich auf meinen Platz.

„Ich fahre heute noch zurück in die Stadt. Kann mich wer zum Bahnhof bringen, ansonsten ruf ich mir ein Taxi.“

„Ich bring dich“, sagt Matt zwischen zwei Schlucken Kaffee.

Ich starre stumm in meine Tasse und bin immer noch fassungslos über Dads Worte, ich bin unfähig ihn anzusehen und froh als ich endlich bereit zur Abfahrt im Flur stehe.

„Ich wünsche dir frohe Weihnachten.“

Ich drücke Lizzy fest zum Abschied, sie ist die einzige die mir wirklich fehlen wird.

„Frohe Weihnachten, genieße die Tage, du tust das Richtige“, sagt sie bevor ich in den Wagen steige.

Matt und ich sprechen nicht viel während der Fahrt zum Bahnhof. Erst kurz bevor wir ankommen sieht er mich eindringlich an.

„Glaubst du wärst glücklich geworden wenn alles anders gekommen wäre? Du kannst was passiert ist nicht mehr ändern. Lass die Vergangenheit endlich hinter dir, es ist kein Zufall, dass man seine Augen vorne am Kopf hat und nicht hinten.“

„Vielleicht hätte er nicht sterben müssen Matt.“

„Er wollte es so, wenn es an diesem Tag nicht passiert wäre, dann vielleicht an einem anderen. Es gibt immer einen richtigen Weg, man muss ihn nur einschlagen. Wir selbst sind das beste Beispiel dafür, und das weißt du genauso gut wie ich.“

Er bleibt auf der Haltespur stehen. Er nimmt meine Hand und hält sie fest.

„Du bist nicht schuld Luisa, es hätte nichts geändert wenn dein Dad Ben zu dir gelassen hätte. Er wollte einfach nicht mehr und womöglich hätte er dich noch mit in sein schwarzes Loch gerissen.“

„Wir haben so viel Mist gemacht.“ Ich schüttle den Kopf.

„ES IST VORBEI.“ Er sagt das ganz langsam und eindringlich, so als wollte er, dass seine Worte tief in mich dringen. Ich nicke seufzend, allerdings weiß ich nicht, ob es jemals wirklich vorbei sein wird.

„So und jetzt ab, bevor du deinen Zug verpasst. Ich glaube es wartet jemand auf dich und ich hoffe für ihn, dass er schätzen kann was für eine wunderbare Frau du bist. Sonst trete ich ihm in seinen Briten Arsch.“

„Er ist Ire Matt“, stupse ich ihn lächelnd.

„Ja dann eben in seinen irischen Arsch…“, grinst er.

Wir drücken uns fest zum Abschied bevor ich aussteige. Zum Glück hatte ich während der Zugfahrt noch Zeit um zu checken was ich alles für Island brauche. Ich habe keine Ahnung was Max vorhat, aber ich packe vorsichtshalber eine bunte Auswahl an Reiseutensilien ein, um für alles Mögliche gerüstet zu sein. Um Punkt 17.00 Uhr klingelt es an der Tür, das muss mein Taxi zum Flughafen sein. Mein Flug geht um 20.00 Uhr, ich sollte somit die Zeitverschiebung miteingerechnet in den frühen Morgenstunden in Island landen. Am Flughafen ist es heute vergleichsweise ruhig, an den Weihnachtsfeiertagen wollen anscheinend alle lieber zu Hause sein. Ich checke ein und fliege zum ersten Mal in meinem Leben Bussiness Class, ganz schön komfortabel. Bevor wir starten, schaue ich noch einmal auf mein Handy. Einen Nachricht von Lizzy.

Lizzy: Guten Flug Süße! Melde dich sobald du gelandet bist. Ich wünsch dir schöne Ferien, Kuss Lizzy.

Die Flugzeit verstreicht schnell, vor allem weil ich bestimmt mehr als die Hälfte davon verschlafen habe. Während ich an der Gepäckschleuse auf meinen Koffer warte, höre ich bereits mein Handy summen.

Max: Ich hoffe du bist gut gelandet ich warte in der Ankunftshalle auf dich. Ich kann es kaum erwarten dich in den Arm zu nehmen.

Ich antworte sofort:

Woher weißt du denn überhaupt dass ich im Flugzeug war? Du bist dir ja ganz schön sicher… ;-)

Sofort erhalte ich eine weitere Nachricht:

Max: Ja ich bin mir sicher. (Man könnte aber auch prüfen, ob das Ticket eingelöst wurde, nur um ganz sicher zu gehen.) Bis gleich.

Gerade als ich zurück schreiben will entdecke ich meinen Koffer aus dem Augenwinkel. Ich marschiere los Richtung Ankunftshalle und freue mich riesig. Ich war noch nie in Island und ich bin froh hergekommen zu sein, aber am meisten freue ich mich auf Max. In der Halle warten einige Leute. Ich blicke mich um und suche ihn, sehe ihn aber nicht. Ich stelle meinen Koffer ab. Komisch, ich dachte er wartet schon. Plötzlich spüre ich seine Hände hinter mir an meinen Hüften. Er flüstert mir ins Ohr: „Du wartest aber nicht auf mich oder?“ Er drückt mir einen Kuss auf die Wange. „Ich wollte dich ein bisschen zappeln lassen, von wegen ganz sicher und so…aber lang hab ich es nicht geschafft.“

Ich drehe mich um und freue mich so ihn zu sehen. „Du bist unmöglich.“

Ich falle ihm um den Hals, ich muss kurz meine Augen schließen und genieße seine Nähe.

„Fröhliche Weihnachten. Schön dass du hier bist.“

Ich lächle ihm bestätigend zu. „Frohe Weihnachten, dein Draht zum Weihnachtsmann ist ziemlich gut.“

Schmunzelnd nimmt er meinen Koffer. Draußen ist die Luft kalt und frisch, aber nicht so kalt wie zurzeit in New York. Ein mäßiger Wind bläst mir durch die Haare.

„Wie war dein Flug?“, fragt er mich, während wir zum Auto gehen.

„Sehr gut, Danke, ich habe die meiste Zeit geschlafen.“

„Das ist doch gut. Wir fahren zu unserer Unterkunft, ich habe für unseren Aufenthalt ein Haus etwas weiter draußen gemietet, Nigella und Sam sind schon ganz gespannt dich kennen zu lernen.“

„Das bin ich auch. Ach ja und Danke für die wunderschöne Kette, ich dachte wir warten mit den Geschenken bis nach Weihnachten?“

„Ich konnte es einfach nicht abwarten, an dir sieht sie noch viel schöner aus als erwartet.“

„Du bist ein Schmeichler“, necke ich ihn. „Schmuckstücke in dieser Preisklasse stehen jeder Frau“, ergänze ich noch.

„War denn ein Preisschild dran?“, fragt er mich grinsend.

Ich schüttle den Kopf. „Nein, aber ich kann mir das gut vorstellen.“

„Die Sache ist die, du würdest mit allem um den Hals wundervoll aussehen, aber wirklich gerecht kann dir nicht einmal diese Kette werden, so schön bist du.“ Er blinzelt mich verwegen an.

„Hör bitte auf Max, sonst werde ich noch rot“, entgegne ich verlegen.

„Bist du schon.“ Er grinst mich schelmisch an, ich bevorzuge es aus dem Fenster zu sehen. Wir fahren den Weg zum Haus entlang, das an einer kleinen Straße vor einem grünen Hügel liegt. Es ist aus Holz gebaut und die Fensterläden sind weiß gestrichen. Die Einfahrt ist mit Steinen gepflastert und wird von einer kleinen Steinmauer gesäumt.

„Das Grasdach ist hier Tradition“, erklärt er mir.

Als wir in die Einfahrt einbiegen, fällt mir hinter dem Haus noch ein kleineres Nebengebäude auf.

„Vorne ist das Wohnhaus, dahinter gibt es noch eine Sauna und einen Wellnessbereich.“

Ich staune nicht schlecht. Als ich die Autotür öffne, springt bereits Max Schwester aus dem Haus und obwohl ich sie noch nie gesehen habe umarmt sie mich sofort liebevoll.

„Nigella, bitte lass die junge Frau doch erst einmal herein kommen!“, ruft ein freundlicher Mann aus der Tür, das muss dann wohl Sam sein. Max stellt uns vor, die beiden sind wirklich sehr sympathisch.

„Ich habe uns Frühstück gemacht, du musst ja am Verhungern sein.“

Der Tisch ist schön gedeckt und es duftet herrlich. Im Haus sieht es so aus, wie man es von draußen vermutet, gemütlich, warm, einladend.

 

„Nigella ist eine begnadete Köchin“, lobt Max seine Schwester.

„Und du ein unverbesserlicher Schmeichler“, stellt sie mit einem Nicken fest.

„Das habe ich ihm heute auch schon gesagt“, entgegne.

Wir sitzen gemütlich am Tisch und genießen das gemeinsame Frühstück. Nigella erzählt mir alles Mögliche, von ihrer Schaffarm, von Max als er ein kleiner Junge war und das er immer nur Flausen im Kopf hatte. Vom Eierdieb bis zur unerlaubten Autofahrt im Alter von zwölf Jahren. Sie ist wirklich lustig und sehr hübsch, sie hat dieselben bestechend blauen Augen wie Max, der sie ermahnt nicht alle seine Schandtaten zu erzählen.

„Nein, das ist schon gut so, ich muss ja wissen mit wem ich es tun habe“, lache ich, außerdem sind seine sogenannten „Schandtaten“ im Vergleich zu meiner Vergangenheit nicht erwähnenswert, nein sogar liebenswert.

„Wir machen heute noch eine kleine Erkundungstour, ich denke ihr werdet uns bestimmt ein paar Stunden entbehren können.“ Sam zwinkert Max zu.

Ich helfe Nigella gegen ihren Willen den Tisch abzuräumen und die Küche sauber zu machen, bevor die beiden aufbrechen. Max nimmt meinen Koffer und zeigt mir unser Zimmer.

„Ich habe für morgen einen Ausflug geplant, ich hoffe du hast warme Kleidung mit dabei?“

„Ja, ich habe mich noch vor dem Abflug schlau gemacht, ich denke ich bin gerüstet.“

“ Er streicht mit seinem Zeigefinger über das Herz an der Kette und über mein Dekolletee.

„Ich bin wirklich froh, dass du gekommen bist.“

Ich ziehe ihn näher zu mir und küsse ihn sanft.

„Ich kann mir nicht vorstellen wo anders sein zu wollen“, antworte ich.

„Was meinst du? Eine Runde schwimmen?“

„Finde ich grundsätzlich eine gute Idee, Badeanzug habe ich aber keinen dabei, vermutlich das einzige worauf ich vergessen habe.“

„Brauchst du nicht.“ Er küsst mich spitzbübisch.

Ich liege eingekuschelt in einem Bademantel neben ihm auf einer Wellnessliege und schaue in das offene Feuer vom Kamin, ich bin glücklich, aber müde, die vorangegangen Ereignisse in New York habe ich weit beiseitegeschoben.

„Morgen machen wir also einen Ausflug und was haben wir sonst noch so vor?“, frage ich gähnend.

„Übermorgen habe ich am Vormittag einen Termin, der sollte aber nicht allzu lange dauern, am Abend sind wir zu einem Dinner eingeladen, einige Geschäftspartner mit ihren Ehefrauen werden dabei sein.“

„Kommen Richard und Selma auch?“

„Nein, die sind noch in Mexiko bei Selmas Familie auf Weihnachtsurlaub, aber Daniel aus unserer Rechtsabteilung wird mir bei meinen Terminen hier unter die Arme greifen, da es sich hauptsächlich um Vertragswesen handelt, da ist er der Spezialist. Er wird morgen ankommen und im Hotel in der Stadt wohnen. Nigella und Sam werden auch mit zum Dinner kommen. Ich werde mir so viel freie Zeit wie nur irgendwie möglich für dich nehmen und am besten wir fangen jetzt gleich damit an.“

Er beugt sich über mich und öffnet den Knoten meines Bademantels, bevor er mich fest mit seinen Händen umschlingt und an sich drückt. Ich küsse sanft seinen Hals bis hinauf zu seinen Lippen. Er hält mich fest, ich bin ihm ausgeliefert, aber es fühlt sich himmlisch an.

Am nächsten Morgen brechen wir früh zu unserem Ausflug auf. Wir sehen uns beeindruckende Seenlandschaften, Wasserfälle und Geysire an. Die Natur mit ihren sanften Hügeln und den atemberaubenden Farben ist faszinierend. Zum Schluss besuchen wir noch einen traumhaften Gletschersee. Das Licht spiegelt sich zauberhaft wie in einem Märchen im Gletscherwasser, ich bin überwältigt von so vielen Eindrücken. Ich genieße die gemeinsame Zeit und ich wünsche mir einfach nur, dass es immer so bleibt. Jede Minute mit ihm ist so als würden wir uns ewig kennen. Jede Geschichte die er erzählt lässt mich an seinen Lippen hängen. Am liebsten würde ich ihn ständig festhalten, ich kann mich nicht erinnern jemals solche Gefühle gehabt zu haben. Zurück in unserem Haus erwartet uns Nigella bereits mit dem Abendessen. Ich habe zwar einen Riesenhunger, bin aber so müde, dass ich fast am Tisch einschlafe. Es ist, als ob alle Last von mir abfallen würde. Ich gehe schon vor Max zu Bett, er und Sam gönnen sich noch ein Glas Wein vor dem Kamin. Ich lasse ihnen gern die Zeit sich unter Männer zu unterhalten, auch wenn er mich ein wenig widerwillig allein gehen lässt. Ich merke nur noch unterbewusst wie er sich zu mir legt und mir meine Decke liebevoll über die Schultern zieht. Ich wache erst wieder auf, als ich das Rauschen der Dusche aus dem Badezimmer nebenan höre. Ich bin noch so müde und bleibe einfach liegen. Max kommt aus dem Bad und beugt sich über mich um mir einen Kuss auf die Stirn zu geben.

„Ich muss los, bleib noch im Bett“, flüstert er mir ins Ohr. „Ich bin spätestens am Nachmittag zurück, mach dir einen schönen Tag.“

Er haucht mir einen weiteren Kuss hinters Ohr.Ich sehe noch mit halb geschlossen Augen zu wie der sich seine Krawatte bindet und dann zu seinem Termin aufbricht, bevor ich noch einmal eindöse, als ich aufstehe ist es bereits später Vormittag geworden. Nigella sitzt am Sofa vor dem Kamin und liest ein Buch.

„Guten Morgen, ausgeschlafen? Du siehst heute blass aus, geht es dir gut?“ Sie legt das Buch weg und bietet mir einen Platz neben ihr auf dem Sofa an.

„Ich bin einfach nur müde, alles gut.“

Ich setzte mich zu ihr, sie hat recht ich fühle mich heute wirklich müde und schlapp, ist bestimmt die Zeitverschiebung.

„Ich habe noch frischen Tee in der Küche, was möchtest du Essen?“

„Eigentlich nur Tee, Danke, bleib sitzen ich hole mir eine Tasse.“

„Ist nicht einfach, dass Max so viel geschäftlich unterwegs ist, oder?“, schaut sie mich fragend an als ich mich wieder zu ihr setzte.

„Ja schon, aber ich wusste das als wir uns kennen gelernt haben.“

„Trotzdem ist das eine ganz schöne Probe für eine Beziehung“, ergänzt sie.

„Auch wenn er nicht viel Zeit hat, er schafft es immer wieder die wenigen Stunden zu einem Highlight werden zu lassen, er ist etwas ganz Besonderes.“

Ich merke wie ich schwärme und Nigella lächelt zufrieden, es scheint ihr zu gefallen, Max ist ihr sehr wichtig. Sam unterbricht unser Frauengespräch, als er mit einem Korb Holz ins Haus kommt. Wir unterhalten uns noch über dies und das, bevor ich mich entscheide noch einen kleinen Spaziergang rund ums Haus zu machen. Gut dass ich meine Laufschuhe mitgenommen habe. Morgen werde ich, wenn es die Zeit und das Wetter erlaubt, eine Runde drehen, die Landschaft ist wirklich wunderschön und lädt ein sich draußen zu bewegen. Der Tag vergeht schnell und Max ist am späteren Nachmittag wieder zurück. Für mich stellt sich den ganzen Nachmittag schon wieder die Frage der Kleiderwahl für das Dinner am Abend. Ich habe einfach keine Erfahrung mit solchen Anlässen und Max ist mir bei meinen Bedenken auch keine große Hilfe. Er meint nur, alles passt so lange ich mich wohlfühle. Gut dass ich mir Lizzys schwarzen Jumpsuit mit den Spitzenärmeln ausborgen durfte, der sollte meiner Meinung nach den Zweck des heutigen Abends erfüllen. Meine Haare flechte ich locker seitlich und stecke sie im Nacken fest, das ist mir heute unerwartet gut gelungen. Max knöpft sich gerade sein Hemd zu, als ich nur in Unterwäsche aus dem Bad komme. Er mustert mich mit durchdringendem Blick.

„Tolle Haare, Unterwäsche noch besser, aber so kannst du nicht mitkommen.“

„Warum? Ist etwas nicht in Ordnung?“ Ich blicke an mir hinunter, kann aber keinen Makel feststellen. Ich steige in den Jumpsuit und bitte ihn mir den Reißverschluss zu schließen.

„Du siehst unglaublich sexy aus in deiner Wäsche“, haucht er mir ins Ohr.

„Die sieht ja keiner, weißt ja nur du was ich drunter trage.“

„Ja und das ist ausreichend, um mich den ganzen Abend schwer konzentrieren zu können.“

„Etwas mehr Beherrschung mein Herr bitte.“ Ich zupfe grinsend meine Ärmel zurecht und warte wie am Präsentierteller stehend auf eine Reaktion.

Er lächelt und schüttelt belustigt über meine Pose den Kopf.

„Ich habe großes Glück mit dir.“

Das Dinner findet in einem noblen Hotel in der Stadt statt. Wir fahren gemeinsam mit Nigella und Sam hin. Alles ist edel eingedeckt und geschmückt. Max stellt mich seinem Kollegen Daniel vor. Er ist gestern Abend angekommen, er ist Rechtsanwalt und Spezialist für alle rechtlichen Angelegenheiten der Firma. Er ist ein gut aussehender sportlicher Typ Anfang vierzig würde ich sagen, und sehr nett. Wir folgen der Aufforderung des Gastgebers und nehmen an der edel gedeckten Tafel Platz. Es werden mehrere Gänge serviert und das Essen war bis jetzt köstlich. Max sitzt mir gegenüber, rechts neben mir ein junger modisch gestylter adretter Mann. Er erzählt mir, dass er seit dem Vorjahr einen top honorierten Job in der Werbeabteilung einer großen Firma völlig unerwartet übernommen hat. Wir unterhalten uns prächtig und ich müsste schon sehr falsch mit meiner Vermutung liegen, dass er dem männlichen Geschlecht zugeneigt ist. Max ist sichtlich damit beschäftigt unserer Konversation zu folgen, was ihm aber scheinbar nur schwer gelingt, weil sein Sitznachbar ein wichtiger Kunde ist. Nach dem Essen reicht der Gastgeber noch einen Digestif im Rauchersalon, ich bleibe am Tisch sitzen, mein Tischnachbar als einziger Mann auch, was meine Vermutung nun endgültig festigt. Bevor Max aufsteht beugt er sich noch ein Stück über den Tisch zu mir.