Donnergrollen im Land der grünen Wasser

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Juan de Anasco

(Alabama, Oktober im Jahre des Herrn 1540)

Juan de Anasco hatte eine Mordswut im Bauch. Diese Wilden hatten es gewagt, ihn und seine Lanzenreiter anzugreifen und den Gouverneur in eine Falle zu locken. Seitdem sie in Florida gelandet waren, hatte dies noch keiner dieser Häuptlinge, auf die sie bisher gestoßen waren, gewagt. Er hatte diesen Tuscalusa von Anfang an misstraut, doch die scheinbare Ergebenheit hatte die Soldaten und auch den Gouverneur eingelullt. Noch nie hatte irgendein Dorf den bewaffneten Widerstand gewagt! Noch nie! Seit zwei Jahren hatten sie dieses Land durchquert, hatten Dörfer geplündert und Sklaven genommen, immer auf der Suche nach den Goldschätzen, die sie erhofft hatten zu finden, doch der erbitterte Widerstand dieses Häuptlings hatte ihnen böse zugesetzt.

Juan war ebenso wie der Gouverneur aus der Extremadura und sie waren im Namen von Spanien nach Florida gekommen, um das Land für die spanische Krone in Besitz zu nehmen, Gold zu finden und den Weg zum anderen Ozean zu finden, der ihnen eine Passage nach China sichern sollte.

Nach der Reconquista, bei der die Mauren aus Spanien vertrieben wurden, war gerade diese Provinz beseelt von einem fanatischen christlichen Sendungsbewusstsein, was so weit führte, dass bei ihren Eroberungen in den Dörfern das Kreuz errichtet und versucht wurde, den Häuptling und sein Gefolge zu bekehren. Die Bulle des Papstes erteilte ihnen Absolution in all ihrem Gebaren. Sie war 1493 von Papst Alexander VI. verfasst worden und besagte, dass alles Land, das nicht von Christen bewohnt war, entdeckt, erobert und ausgebeutet werden durfte. Sie hatte immer noch Bestand und wurde inzwischen auch von anderen Eroberern als Legitimation benutzt.

Juan sah in den Einheimischen ungläubige Wilde, die keine Gnade verdienten. Er wollte Reichtümer erwerben und fühlte, ebenso wie viele der anderen Soldaten, kein Mitleid mit den Menschen, die er besiegte und ausraubte. Einige Soldaten hatten schon mit DeSoto in Südamerika gekämpft und einigen Reichtum erworben. Auch Juan war dem Ruf DeSotos damals gefolgt und hatte sich ihm ein weiteres Mal angeschlossen. Mit drei eigenen Pferden und seiner gesamten Ausrüstung war er aufgebrochen und er stellte nüchtern fest, dass seit dem Aufbruch nicht mehr viel übrig geblieben war. Ein Pferd hatte er bereits verloren, sein Sklave war entlaufen und seine Ausrüstung war in einem schlimmen Zustand. Fast hatte er vergessen, dass er ebenfalls der Capitán eines Schiffes war, das an der Küste auf ihn wartete. Er zählte Mitte Vierzig und er war durch und durch ein skrupelloser Abenteurer. Er hatte bereits Reichtümer angehäuft und plante, sich nach dieser Expedition als reicher Mann zur Ruhe zu setzen. Noch hatte er nicht geheiratet, weil sein Lebenswandel kein Umgang für eine christliche Frau war. Außerdem schätzte er das Herumhuren. Aber irgendwann würde er sich zur Ruhe setzen und von seinen Erinnerungen zehren. Wenn er es aus diesem von Gott verfluchten Land zurück schaffte.

Sein Aussehen spiegelte sein abenteuerliches Leben. Er war selbst für einen Spanier sehr groß und damit eine eindrucksvolle Erscheinung. Sein Körper war durchtrainiert, wie es sich für den Capitán der Lanzenreiter gehörte, der sich stets mit seinen Männern in das dichteste Kampfgetümmel stürzte. Sein Gesicht war hager, mit einer gebogenen Nase und strengen Mundwinkeln, die auf zynische Art nach unten gezogen waren. Seine dunklen Augen lagen unter dichten Augenbrauen und schienen alles durchbohren zu wollen. Eine hohe Stirn wurde teils von schwarzen Locken verborgen und ein ungepflegter Bart bedeckte die untere Gesichtshälfte. Es war deutlich zu sehen, dass der Mann schon länger auf Körperpflege und Schneiderei verzichten hatte müssen, denn seine einst prächtige Kleidung war zerschlissen und wirkte heruntergekommen.

Die Armverletzung schmerzte und dies brachte Juan in die Realität zurück. Missmutig sah er auf den zerrissenen Ärmel seines Gewandes, das der Barbier aufgetrennt hatte, um den Pfeil dieser undankbaren Eingeborenen zu entfernen. Der Mann war gerade damit beschäftigt, einen Verband um den Oberarm zu wickeln.

„Nicht schlimm!“, meinte er mit wenig Mitgefühl.

Juan spuckte wütend auf den Boden und runzelte die Stirn. Die Armverletzung war tatsächlich nicht das Problem. Schlimmer war der Verlust der Ausrüstung und Kleidung, die den Flammen zum Opfer gefallen war. Er sah an sich hinunter und seufzte tief. Die Brokatstoffe standen vor Dreck und das ursprünglich weiße Unterhemd mit dem weißen Kragen hatte sich von dem Schweiß gelblich verfärbt.

Die Wunde am Arm pochte und kurz schloss er die Augen, um den Schwindel zu vertreiben. Der Geruch nach verbranntem Menschenfleisch lag schwer in der Luft und er wünschte sich eine frische Meeresbrise herbei. Wenn er die Augen schloss, konnte er das Stöhnen der Verletzten umso deutlicher hören, und er dachte kurz an die Männer, die gefallen waren. Sie hatten es hinter sich, während die Verwundeten immer noch darauf warteten, versorgt zu werden. Selbst der Gouverneur hatte dieses Mal einen Pfeil abbekommen. In den Allerwertesten! Eigentlich war das zum Lachen, wenn die Verluste nicht so arg wären.

Juan öffnete die Augen, als der Barbier ihn erneut ansprach. „Sie müssen den Arm ruhig halten, damit die Wunde heilen kann!“, wurde er ermahnt.

Juan unterdrückte eine böse Bemerkung. Er hatte keinen Sklaven mehr, der die Arbeit für ihn verrichtete. Er konnte höchstens seinen Soldaten Befehle erteilen und die Weiber im Tross bitten, seine Wäsche zu waschen. „Wie viele Verwundete haben wir?“, erkundigte er sich mit ruhiger Stimme. Er wollte wissen, ob sie entscheidend in ihrer Kampfkraft geschwächt waren.

„Über zweihundert!“, antwortete der Barbier. „Ich habe alle Hände voll zu tun. Meist Pfeilwunden, aber auch Brandverletzungen.“

„Und Tote?“

Der Barbier zuckte mit den Schultern. „Weiß ich noch nicht genau. Einige werden ihren Verletzungen wohl noch erliegen. Genaues weiß ich erst in ein paar Tagen.“

„Wir können also nicht weiterziehen?“ Es klang gereizt.

Der Barbier schüttelte den Kopf. „Auf keinen Fall! Es wird sicherlich ein paar Tage dauern, ehe die Verwundeten transportfähig sind.“ Der Barbier packte seine Bündel und warf dem Capitán einen freundlichen Blick zu. „Soll ich Sie zu Ihrem Zelt begleiten?“

Die Mundwinkel von Juan zogen sich spöttisch nach unten. „Ich habe eine Verletzung am Arm, nicht am Fuß!“

„Also dann! Ich melde mich, wenn ich die genauen Verluste habe!“

Juan nickte gnädig und setzte sich langsam in Bewegung. Sein Blick schweifte durch das Lager, das in aller Eile aufgebaut worden war. Lagerfeuer beleuchten die ersten Zelte, in die die Verwundeten getragen wurden. Es war bereits dunkel, sodass die schlimmsten Eindrücke verborgen blieben.

Juan ging zum Zelt des Gouverneurs, der seine Berater um sich versammelt hatte. Er salutierte kurz und setzte sich dann auf eine provisorische Bank, die für die Offiziere aufgebaut worden war. Kurz musterte er die anwesenden Herren, die ebenfalls noch keine Zeit gefunden hatten, sich umzuziehen. Blutbesudelte Gewänder zeugten davon, dass alle an den Kampfhandlungen beteiligt gewesen waren. Sie stanken nach Blut, Schweiß und Rauch. Juan wischte sich den Schweiß von der Stirn und wartete auf die Worte des Gouverneurs. Dann stand er auf, als ein Priester zuerst ein Gebet sprach und sich bei der Jungfrau Maria für den Sieg über die Heiden bedankte. „Amen!“, flüsterten alle, dann blickten sie mit Spannung auf den Gouverneur.

„Es ist im Moment noch nicht abschätzbar, welcher Schaden entstanden ist“, fing der Gouverneur mit bedächtigen Worten an.

„Unsere Gedanken gelten den Verletzten und denjenigen, die nicht mehr unter uns weilen. Mein Neffe ist gefallen, wie ihr vielleicht wisst! Ich möchte seinen Tod nicht hervorheben, denn jeder Mann, der heute gefallen ist, stellt einen herben Verlust dar. Ich kann noch nicht sagen, wie viele Verletzte wir haben, aber es sind beträchtlich viele. In den nächsten Tagen erwarte ich detaillierte Berichte. Außerdem warte ich auf Nachricht von den Schiffen, die in diesen Tagen vor der Küste eintreffen müssten.“

„Haben wir Gefangene gemacht?“, erkundigte sich Juan.

Der Gouverneur schüttelte verneinend den Kopf. „Diese Wilden haben eher Selbstmord begangen, als sich uns auszuliefern. Einige Kinder konnten flüchten, aber ansonsten sind die Bewohner entweder tot oder verbrannt. Die Hölle wird diese Heiden aufnehmen! Einzig die Frauen des Priesters haben überlebt. Sie waren in der Hütte auf dem Hügel, wo die Flammen nicht hingekommen sind. Ich dachte daran, sie Euch zu überlassen. Sie werden als Sklavinnen sicherlich gute Dienste tun.“

„Und wer soll diese Frauen bekommen?“, erkundigte sich Luis de Mostoso. Er war der Maestro del Campo, der Lagerverwalter, und stand in der Hierarchie gleich nach dem Gouverneur. Er befehligte den gesamten Tross und damit den Nachschub. „Wir bräuchten wirklich wieder Träger und Frauen!“ Es war ein kleiner Hieb, denn der Maestro verabscheute das Verschwenden von Ressourcen. Ein Dorf mit fast fünftausend Menschen zu vernichten, war in seinen Augen keine gelungene Aktion. Obwohl er zugeben musste, dass diese „Indios“ sich besonders kriegerisch verhalten hatten und damit auch keine wertvollen Sklaven gewesen wären.

Der Gouverneur blickte streng in die Runde und rief seine Offiziere zur Ordnung. Natürlich war die sexuelle Unterwerfung von Sklaven gang und gäbe bei den Truppen, aber er wollte zumindest die Form wahren. „Ich dachte daran, die Frauen den Verletzten zuzuweisen, damit sie ihnen behilflich sind. Ich dachte, das wäre eine angemessene Kompensation.“

Zustimmendes Gemurmel war zu hören. Es bedeutete, dass die Frauen nicht den niederen Rängen zur Belustigung überlassen wurden. Keiner der Anwesenden machte sich darüber Gedanken, dass die Gefangenen fast noch Kinder waren. Auch andere Eroberer hatten schon Mädchen, die nicht älter als neun oder zehn waren, als Gespielinnen an die Männer gegeben. Die meisten hatten es nicht überlebt. Alles, was bereits leichte Brüste hatte, wurde im Bett nicht geschont. Wobei es auch Männer gab, die Knaben bevorzugten. Über das Leben von Eingeborenen und Heiden musste niemand Rechenschaft ablegen und ebenso wenig über besondere Neigungen.

 

* * *

Der Gouverneur gab mit seiner Hand einen Befehl und ließ die Gefangenen hereinführen. Mit vor Angst geweiteten Augen traten die Mädchen herein, an den Händen gefesselt, zum Teil unbekleidet. Ihre schmalen Körper drückten sich hilfesuchend aneinander und mancher liefen die Tränen über die Wangen. Ein Soldat riss den letzten, die sich noch mit Kleidung geschützt hatten, die Fetzen vom Leib, sodass sie vollkommen nackt den Männern feilgeboten wurden. Der Gouverneur runzelte zwar empört die Stirn, schritt aber bei dieser demütigenden Handlung nicht ein. Auf ein weiteres Zeichen kamen jetzt auch die Unteroffiziere und Mannschaftsführer in das Zelt, um die Beute in Augenschein zu nehmen. Nachdem ohnehin die meisten Verletzungen davongetragen hatten, war es nur eine Frage, wer sich als Erster bedienen durfte.

Juan de Anasco musterte die Gefangenen mit lüsternem Blick. Meist blieb ihm bei seinen Angriffen oder Erkundungen keine Zeit, sich an den Indiofrauen zu bedienen. Er hatte schon lange keine Frau mehr gehabt und es juckte ihn, als er die Mädchen sah. Ihre Brüste standen hoch und ihre braunen Körper waren jung und wohlgeformt. Sie waren zierlich, mit schwarzen ausdruckvollen Augen und langen Haaren. Er hatte die Mädchen schon bei diesem heidnischen Priester gesehen, aber da waren sie bekleidet gewesen und hatten sittsam die Augen gesenkt. Hier gab es nichts mehr zu verbergen. Ihr Häuptling hatte auch ihre Zukunft aufgegeben, als er beschlossen hatte, sich gegen die Spanier aufzulehnen.

Er trat vor, um seine Ansprüche anzumelden. Als Capitán der Lanzenreiter stand ihm das zu. „Ich wurde verletzt und kann meinen Arm nicht bewegen. Ich möchte mir eine Sklavin auswählen!“, forderte er mit fester Stimme.

Der Gouverneur lächelte freundlich. „Aber selbstverständlich! Ihnen steht schon länger ein Diener zu. Was ist mit Ihrem Schwarzen geschehen?“

Juan kniff wütend die Lippen zusammen. „Er hat die Flucht gewagt und meine Patrouillen haben ihn nicht finden können.

Ich hoffe, dass er in irgendeinem Kochtopf dieser Heiden verschwunden ist!“

„Nun, eine Frau ist sicherlich besser zu halten. Allerdings müsst ihr diesen Heiden erst einmal etwas beibringen. Es wird wohl eine Weile dauern, ehe sie wirklich eine Hilfe ist“, befürchtete der Gouverneur.

Juan verkniff sich ein Lachen. Für das, was er wollte, brauchte diese kleine Hure keine Ausbildung! Er verbeugte sich galant und lächelte freundlich. „Zumindest wird sie meine Wäsche waschen und mein Zelt aufbauen. Vielleicht kann sie sogar kochen.“ Der Gouverneur legte etwas überrascht den Kopf schief. „All diese Dinge sollten eigentlich die Waschweiber erledigen. Wieso klappt das nicht?“ Er wandte sich an den Maestro.

Juan wedelte entschuldigend mit der Hand. „Das klappt schon. Aber es ist doch einfacher, wenn ich jemanden habe, der nur für mich zuständig ist. Ich kann manchmal einfach nicht warten, wenn ich wieder los muss. Und im Moment brauche ich ja sogar Hilfe, wenn ich nur pinkeln muss!“ Ein kurzes Auflachen belohnte ihn für diesen Witz.

Der Gouverneur nickte großzügig und gab mit einem Winken zu verstehen, dass der Capitán selbstverständlich die erste Wahl hatte. Die Lanzenreiter und sein Capitán waren das Herzstück dieser Expedition. Gerade die Reiterei versetzte die Einheimischen in Panik und garantierte den Erfolg. Es war nicht gut, den Capitán zu verärgern. Ihn mit einer Sklavin zu belohnen, wenn er dies wollte, war das Mindeste.

Juan bemühte sich, seine Gier nicht allzu offen zu zeigen, als er zu den Gefangenen schritt, um sich eine auszusuchen. Die Wahl fiel ihm schwer, denn sie waren alle jung und hübsch, wenn man davon absah, dass sie vor Angst wie erstarrt waren. Abschätzend ließ er seinen Blick über ihre Körper wandern und fühlte wieder dieses Jucken in seiner Hose. Der Anblick ihrer wohlgeformten Brüste ließ seinen Mund trocken werden. Er hatte eine solche Lust, dass er zu platzen drohte, obwohl er sehen konnte, dass schon andere ihre Lust befriedigt hatten. Er entschied sich für ein Mädchen, das nicht nur einen wohlgeformten Körper, sondern auch schöne Augen hatte. Sie weinte nicht, sondern hatte ihm fast trotzig in die Augen geschaut. Sie würde sich anpassen und lernen ihm zu gefallen. Außerdem schien sie kräftig und gesund zu sein. Er wusste, dass Eingeborene oft nicht lange lebten. Er hoffte, dass er ein wenig länger Freude an dieser Sklavin hatte.

Gefangenschaft

(Mabila, im Süden)

Maisblüte wurde von einem Mann ausgewählt, der eine Verletzung am Arm hatte und sie mit lüsternen Augen musterte. Sie wusste, was nun folgen würde, und ihr liefen die Tränen hinunter. Sie hatte diesen Mann schon vorher gesehen und die Furcht ließ ihre Knie schlottern. Er war einer jener Männer, die auf den vierbeinigen Monstern ritten. War er ein Gott? So wie der fremde Anführer behauptet hatte, der Sohn der Sonne zu sein? War auch dieser Mann ein Sohn der Sonne? Aber warum ließ Hashtali es zu, dass seine Söhne verletzt wurden?

Sie griff nach dem letzten Fetzen ihrer Kleidung und klammerte sich daran fest, als sie nackt durch das Lager geführt wurde. Willenlos ließ sie sich von ihm zu einem Zelt zerren und hineinstoßen. Der hünenhafte Mann folgte ihr und der Gestank seiner Ausdünstungen stieg ihr in die Nase. Er roch nach Blut, Mord und Brand. Seine ganze Kleidung, sein ganzer Körper und auch sein mitleidloser Gesichtsausdruck zeigten deutlich, dass er gegen ihr Volk gekämpft hatte, dass er ihre Familie und Freunde getötet hatte. Sie kreuzte die Hände vor der Brust, doch er lachte nur und drückte sie zu Boden. Der seltsame Stoff kratzte auf ihrer Haut und eine Schnalle riss eine kleine Wunde in ihre Seite. Sie schluchzte vor Angst, als der Mann schwer und fordernd auf ihr lag. Wieso tat der Sohn der Sonne ihr so etwas an? Wieso forderte ein Gott ihren Körper? Ihr Schoß war eine offene Wunde. Sie konnte das nicht noch einmal ertragen! Sie konnte sehen, dass der Mann kein Mitleid hatte, und biss die Zähne zusammen, um ihn nicht zu verärgern. Er würde es tun und sie konnte es nicht verhindern.

Der Mann grinste in lüsterner Vorfreude und nestelte an seiner Hose herum. Dann packte er ihre Beine und nahm ihren Schoß in Augenschein. Selbst in der Dunkelheit musste er sehen, dass sie verletzt war, aber das schien ihn eher anzustacheln. Ohne abzuwarten drang er in sie ein und verhinderte, dass sie ihre Beine schloss. Es tat so weh, dass es ihr den Atem nahm und sie sich in das schwarze Dunkel gleiten ließ, das nach ihr griff. Sein keuchender Atem war das Letzte, was sie noch vernahm. Götter stanken doch nicht!

* * *

Juan ärgerte sich, dass das Mädchen schon benutzt worden war. Er bemerkte ihre Ohnmacht und schlug ihr ein paar Mal ins Gesicht. Es machte keinen Spaß, wenn er einen fast leblosen Körper bestieg. Als sie nicht erwachte, beendete er den Akt auf brutale Weise. Für ihn war es ein körperliches Abreagieren, ein Kopulieren, um die Energie des Kampfes abzubauen. Es störte ihn nicht, dass er sie weiter verletzte und Blut über ihre Oberschenkel lief und die Decke benetzte. Er hatte schon lange keine Frau mehr gehabt und er würde sich an dieser hier bedienen, so oft er es wollte. Im Grunde war es ja keine Frau, sondern ein Wesen ohne Seele und Glauben. Wahrscheinlich war sie zu wahren Gefühlen gar nicht fähig.

Er fesselte sie an Händen und Füßen, anschließend ging er zum Fluss und wusch sich das Blut und den Schweiß vom Körper. Auch andere Männer wuschen sich den Dreck und Staub vom Körper und Juan nickte ihnen zu.

Der Mond beleuchtete die gespenstische Szene. In einiger Entfernung loderten immer noch Brände und Feuer, ansonsten kam aus dem Dorf kein Laut mehr. Dafür war das Lager umso lauter. Befehle schallten über den Fluss, Schreie waren zu hören, der Rauch der Lagerfeuer stieg in die dunkle Nacht und die Weiber des Trosses gingen schon wieder ihren Geschäften nach. Ihr hysterisches Kichern übertönte so manches Stöhnen. Juan achtete darauf, dass sein Verband trocken blieb, und kehrte mit seiner Kleidung im Arm zurück. Zwei Mann salutierten, als er an ihnen vorbeikam, und machten ihm Platz. Er nickte ihnen zu, dann schlüpfte er wieder in das Zelt, das seine Männer für ihn aufgebaut hatten. Das war der Vorteil an seiner Position: Irgendwer war immer eingeteilt, sich um die Ausrüstung des Capitán zu kümmern. Sein Blick gewöhnte sich an die Dunkelheit und er musterte seine Sklavin. Das Mädchen lag immer noch bewegungslos auf der Decke und für einen Augenblick sah es so aus, als würde sie nicht mehr atmen. Er fasste an ihren Hals und überprüfte das leichte Pulsieren. Dann entzündete er eine Kerze und betrachtete seine Gefangene genauer. Sie war jung, mit ebenmäßigen Gesichtszügen. Er hatte sie mit seinem Tun verletzt, aber es bereitete ihm keine Gewissensbisse, denn eine Sklavin verdiente kein Mitleid. Er suchte ein Tuch aus seinem Gepäck und legte es ihr zwischen die Beine. Dann deckte er sie zu. Der Rausch des ersten Kopulierens war vorbei und er beschloss, das Mädchen etwas zu schonen, bis die Wunden verheilt waren. Solange konnte sie ihm dienen und bei den Arbeiten behilflich sein. Es war kein Mitleid, das sein Denken bestimmte, sondern der Nutzen, eine gefangene Frau zu besitzen. Er dachte dabei an Isabella, die er in Spanien zu heiraten gedachte. Diese Sklavin bedeutete ihm nichts, sondern diente nur seinen Gelüsten, wie all die anderen, die er bereits auf seinen abenteuerlichen Reisen gehabt hatte.

Diese Indioweiber waren nicht viel Wert, denn meist starben sie schnell in Gefangenschaft. Er hatte sich inzwischen an die Nacktheit dieser Indioweiber gewöhnt, obwohl die Soldaten immer wieder nach diesen Frauen geiferten. Diese Heiden waren vollkommen hemmungslos und ohne jeden Anstand. Natürlich gefiel es ihm, wenn er die Brüste der Frauen sah, die ihre Nacktheit schamlos zur Schau stellten. Warum sollte er sich dann nicht bedienen?

Sein Arm schmerzte und er legte sich neben die Gefangene, um zu dösen. Aus den anderen Zelten klang Stöhnen, manchmal Schreie, wenn die Verletzten die Schmerzen nicht mehr aushielten. Über zweihundert ihrer Männer waren verwundet worden und morgen würden die Gefallenen bestattet werden. Er dachte an den Neffen DeSotos, der unter seinem Kommando gestanden hatte, und an Don Carlos, der ebenfalls sein Leben gelassen hatte. Gesprächsfetzen drangen an seine Ohren und die anderen Geräusche des Lagers. Er konnte keinen Sinn in den Silben erkennen, die an sein Ohr drangen, und so wurde er müde. Sein Blut hatte aufgehört, in seinen Kopf zu pulsieren, und so pustete er die Kerze aus und ließ sich in den Schlaf treiben. Am Morgen würde er dem Mädchen Ketten anlegen lassen, damit sie ihm nicht weglief. Sie war nicht besonders wertvoll, aber besser als nichts.

* * *

Maisblüte erwachte mit einem schalen Geschmack im Mund. Sie war orientierungslos und wusste erst nicht, wo sie sich befand. Nur langsam kehrten die Erinnerungen an den letzten Tag zurück und sie versuchte, ihre schweren Glieder zu bewegen. Ihre Arme und Beine waren so taub, dass es zu mühsam war, sie zu bewegen. Ihr Schoß brannte und brachte die Erinnerung an das zurück, was die Männer ihr angetan hatten. Ihr nächster Gedanke war, dass diese Männer es wieder tun würden. Sie war jetzt eine Sklavin, so wie die Frau im Haushalt ihres Vaters. Ihr war klar, was das bedeutete. Sie hatte keinen Schutz mehr, denn ihre Eltern waren tot. Ihre Augen füllten sich mit Tränen, als sie an all die Menschen dachte, die Hashtali sich geholt hatte. Warum waren ihre Gebete nicht erhört worden? Hatten sie die Zeremonien nicht immer voller Ehrerbietung abgehalten? Was hatte ihr Volk getan, um solche Unbill auf sich zu lenken? Was hatte sie getan, dass sie diese Strafe erhielt? Sie atmete tief ein und versuchte sich aufzusetzen. Benommen griff sie nach dem zerrissenen Kleid und versuchte sich vor seinen Blicken zu schützen. Der fremde Mann starrte sie lüstern an und verzog die Lippen. Sollte es ein Lächeln sein? Es sah seltsam aus in diesem behaarten Gesicht. Er zeigte mit dem Finger auf sich und meinte „Capitán Juan“. Sie verstand, dass dies sein Name war, und nickte verstehend. Es war nicht klug, ihn zu verärgern.

 

„Und du?”, fragte der Mann in seiner Sprache.

„Tanchi!”, hauchte sie. Maisblüte. Ihre Kehle kratzte vor Angst.

* * *

Für den Mann war der Name unaussprechlich oder zu heidnisch.

„Maria!“, sagte er mit Nachdruck. Maria war jetzt ihr Name. Mit einer Handbewegung gab er ihr zu verstehen, dass sie ihm folgen sollte. Er drückte ihr dabei einen Schwung Kleidung in die Arme.

Maisblüte folgte ihm zum Fluss und verstand, dass sie seine Kleidung mit einem Stück stinkendem Stein waschen sollte. Sie kannte keine Seife und hatte so etwas noch nie gesehen, geschweigen denn so einen Geruch vernommen. Der Stein schäumte seltsam, als sie wie geheißen den Stoff damit rubbelte. Dann rutschte das glitschige Ding in den Fluss und der Mann schimpfte gereizt. Es war schwierig, den glitschigen Stein wieder einzufangen, doch sie griff mit beiden Händen danach, bis sie ihn wieder in den Händen hielt. Wesentlich vorsichtiger begann sie die Kleidung zu waschen, während der Capitán sich auf einen Stein am Ufer setzte.

Unter ihren Wimpern nahm Maisblüte die Umgebung in Augenschein. Überall waren diese Fremden und verrichteten ihre Arbeiten. In der Ferne lag immer noch Qualm über den verbrannten Chukkas und Soldaten waren damit beschäftigt, die Leichen auf Haufen zu legen und zu verbrennen. Es gehörte sich nicht, denn die Chatah bestatteten ihre Toten in Erdhügeln und gaben ihnen Lebensmittel für ihre Reise in die nächste Welt mit. Dort wurde der Ahnen noch lange gedacht und ihnen immer wieder Essen gebracht. Der Shilombish ihrer Eltern würde auf ewig hier herumgeistern, wenn sie nicht angemessen bestattet wurden. Der Shilombish war die äußere Seele eines Menschen. Wenn ein Mensch ermordet worden war, blieb diese äußere Seele solange in der Nähe, bis sie gerächt worden war. Nur der Shilup, die innere Seele, ging in das Glückliche Land und wartete auf die Wiedervereinigung mit dem Shilombish. Aber wer sollte ihre Eltern rächen? Wer sollte sie angemessen begraben? Sie sah nur wenige Überlebende. Tränen liefen über ihre Wangen, als sie die Ausweglosigkeit ihrer Lage erkannte. Sie war diesem Mann auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Warum war sie nicht wie all die anderen gestorben? Warum durfte sie ihre Mutter und ihren Vater nicht in das Glückliche Land begleiten?

Sie wischte die Tränen beiseite und konzentrierte sich auf die Arbeit. Sie wollte nicht, dass Impashilup ihre Seele fraß. Vielleicht hatte es einen Grund, warum Hashtali ihr Leben verschont hatte. Sie musste nach vorne blicken. Vielleicht ergab sich eine Gelegenheit zur Flucht. Sie konnte in andere Dörfer der Chatah fliehen und dort um Schutz bitten. Unter gesenkten Lidern schaute sie sich um und versuchte, ihre Chancen abzuschätzen. Wie mächtig waren diese fremden Götter? Und warum verhielten sie sich nicht wie Götter?

Die Fremden hatten ihr Lager in einiger Entfernung aufgeschlagen. Überall standen ihre großen und kleinen Zelte, zudem wurden Verschläge für die Tiere gebaut. An langen Leinen baumelte Kleidung im Wind und am Fluss herrschte reges Treiben, weil die Soldaten und das Fußvolk dort badeten. Wunden wurden versorgt, Waffen gereinigt, die Ausrüstung erneuert, und Stoßtrupps brachten Lebensmittel aus anderen Dörfern der Chatah, die ebenso viele ihrer Krieger verloren hatten und sich kaum noch verteidigen konnten. Maisblüte hockte am Wasser und schrubbte die Kleidung des Mannes, dem sie als Sklavin dienen musste. Sie wunderte sich über diese Sitte, denn ihr Volk wusch die Kleidung nicht, sondern fertigte sich einfach neue an. Die Umhänge aus Maulbeerbaumrinde wurden meist nur geklopft und ließen sich schnell herstellen, und die Lederkleidung wurde steif, wenn sie nass wurde. Warum sich also die Arbeit machen? Der Stoff in ihren Händen sog sich voll Wasser und wurde schwer. Sie brauchte beide Hände, um es der Strömung wieder zu entreißen. Noch schwieriger war es, die Kleidung auszuwringen. Dann legte sie die Wäsche auf einen Haufen und wartete ab. Der Mann untersuchte gerade seinen Verband und beachtete sie nicht. Konnten Götter von Sterblichen verletzt werden? Ihr kamen langsam Zweifel, denn der Soldat, der diesen vierbeinigen Dämonen ritt, handelte wie ein gieriger Mann. Sonst nichts. Und man konnte ihn verletzen und töten!

Sorgfältig beobachtete Maisblüte das Geschehen um sich herum. Ganz in ihrer Nähe war eine Umzäunung für die Pferde der Soldaten gebaut worden. Sie staunte, wie schnell diese Menschen in ihren Arbeiten waren. Sie hatten einfach Pfosten in den Boden gehauen und dazwischen Balken angebracht, die von Lederschnüren gehalten wurden. Sie glaubte nicht, dass diese Tiere wirklich darin gehalten werden konnten, wenn sie es nicht wollten, aber nun grasten sie friedlich und schienen nicht an Ausbruch zu denken. Vielleicht hatten sie längst erkannt, dass dies aussichtslos war. Oder sie waren bereits so lange in Gefangenschaft, dass sie sich daran gewöhnt hatten.

Maisblüte überdachte ihre Situation. Noch war an Flucht nicht zu denken, selbst wenn sie es schaffte, diesem Mann zu entwischen. Die Ebene war überflutet mit diesen fremden Menschen, die sie sofort wieder einfangen würden. Aber in der Nacht konnte sie vielleicht davonschleichen? Sie spülte die Seife aus der Kleidung und wunderte sich im Stillen über das seltsame Tuch, das die Fremden verwendeten. Ein kurzer Blick auf ihr eigenes Gewand ließ sie seufzen. Ihr Gewand stand vor Dreck und Blut und sie hatte es notdürftig zusammengeknotet, wo grobe Hände es zerrissen hatten. Sie konnte es nicht waschen, denn dann würde sie nackt vor diesem Mann sitzen. Zum Glück trug sie noch ihre Reisemokassins. Wieder füllten sich ihre Augen mit Tränen, als sie an ihre Mutter dachte, die diese Dinge in liebevoller Hingabe hergestellt hatte. Ihr schmaler Körper bebte, als sie das Schluchzen nicht mehr unterdrücken konnte. Mit einer Hand benetzte sie das Gesicht, um die Tränen abzuwaschen.

* * *

Der Capitán saß unbeeindruckt am Ufer und mahnte mit einer ungeduldigen Handbewegung, dass sie sich beeilen sollte. Dann wurde seine Aufmerksamkeit von einem Rascheln im Gebüsch abgelenkt. Er zog seinen Degen und ging misstrauisch darauf zu. Auch Maisblüte hielt in ihrer Arbeit inne und beobachtete das Geschehen.

Ein kleiner Junge durchbrach das Gestrüpp und versuchte, dem Mann mit dem Degen zu entkommen. Der Mann lachte und hielt das strampelnde Kind einfach am Arm hoch. Es war ein entsetzlicher Anblick, wie der hünenhafte Soldat mit erhobenem Degen kurz davor stand, den kleinen Jungen in Stücke zu hacken. Der Junge strampelte verzweifelt und sein hohes Schreien schallte über den Fluss.

Maisblüte blieb das Herz stehen, als sie Nanih Waiya erkannte, der schmutzig und mit verweintem Gesicht verzweifelt gegen den Soldaten kämpfte. Ihr Bruder! Ihr Bruder war irgendwie dieser Feuersbrunst entkommen! Doch jetzt schien sein Leben von diesem Soldaten ausgelöscht zu werden. „Keyu!“, schrie sie mit gellender Stimme. „Keyu! Nein! Bitte tue ihm nichts! Er ist mein Bruder!” Sie war hysterisch vor Angst und griff dem Mann einfach in den Degen, um ihren Bruder zu schützen. Blut lief über ihre Hand, als der scharfe Stahl ihre Handfläche aufschnitt. Verzweifelt klammerte sie sich an dem Mann fest und versuchte, das Kind aus dem harten Griff zu befreien. Der Soldat war völlig verwirrt und ließ das Kind einfach los. Vielleicht hatte er ihm auch gar nichts tun wollen.