Donnergrollen im Land der grünen Wasser

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Awässeh-neskas machte eine verlegene Handbewegung.

„Nichts, nichts! Sie kamen so schnell, dass sie mich umgerannt haben!“

In Machwao stieg unbändiges Gelächter hoch. „Umgeworfen?“ Er schnappte vor Lachen nach Luft. „Sie kamen dir so nahe, dass sie dich umgeworfen haben? Oh Mann! Hast du wenigstens schießen können?“

Awässeh-neskas stieß seinen Freund in die Rippen. Es tat nicht weh, denn der Umhang dämpfte den Schlag ein wenig. „Hör auf zu lachen. Natürlich habe ich getroffen! Dort!“ Er deutete mit dem Kinn in Richtung einiger Bäume. „Es rannte noch ein kleines Stück und ist dann zusammengebrochen.“

„Hoh!“ Der Tonfall verwandelte sich von Spott in ehrliche Bewunderung. „Dann war die Jagd also erfolgreich!“

Die beiden Männer liefen zu der erlegten Beute und beugten sich ehrerbietig darüber. Awässeh-neskas holte etwas Tabak aus seinem Beutel und streute ihn über das Tier. Leise murmelte er ein Gebet, um sich beim Geist des Tieres dafür zu bedanken, dass es sein Fleisch geopfert hatte. Dann sammelten sie einige größere Äste und bauten einen einfachen Schlitten, auf den sie das Tier legten. Mit Riemen zogen sie es anschließend durch den Schnee. Es war ganz einfach, nur einmal mussten sie eine Steigung überwinden und mühten sich mit der Last den Hang hinauf.

Es war fast Abend, ehe sie wieder die Wigwams des Dorfes erreichten. Die Menschen strömten herbei, als einige Kinder, die draußen gespielt hatten, die Heimkehrer entdeckten und ihnen lärmend entgegenrannten. Sogleich machten sich die Frauen an die Arbeit, den Hirsch auszunehmen. Das Fell gehörte dem Jäger, doch das Fleisch wurde gerecht zwischen den Familien aufgeteilt. Auch andere Jäger kehrten erfolgreich von der Jagd zurück und die Menschen begrüßten es, so viel frisches Fleisch zu haben. Es waren gute Zeiten.

***

Machwao kehrte mit einer Hirschschulter in seinen Wigwam zurück und übergab das Fleisch einer Mutter. Sie begann sofort, es in Streifen zu schneiden, und legte dann den Knochen in die Asche, um auch die letzten Fleischfetzen zu garen. Den Knochen abzuknabbern galt als Delikatesse. Erst dann wurden die Knochen den Hunden gegeben. Sie waren ohnehin keine so gern gesehenen Gäste, denn sie brachten Flöhe und anderes Ungeziefer in die Betten. Im Sommer schliefen sie daher vor den Wigwams und streunten als Rudel durch das Dorf. Nur wenn es zu kalt wurde, durften sie in die Wärme des Wigwams und erhielten einen Platz in der Nähe des Eingangs. Sie galten als gute Wächter, deshalb wurden sie geduldet. Auch die Familie gewährte einer buntgefleckten Hündin Obdach, die sich diesen Platz mit freundlichem Gewedel und unterwürfigem Verhalten erbettelt hatte. Sie war ausgesprochen still und so wurde es fast übersehen, wenn sie anwesend war.

Kämenaw Nuki hielt sie für schlau und fütterte sie schmunzelnd mit einigen Leckereien und Knochen. Die Hündin wedelte jedes Mal in ihrer scheuen Art und schien stets sehr zufrieden zu sein. Sie bettelte nicht, sondern wartete ab, was die Menschen ihr zugedachten. Die Mutter nannte sie „Kleiner Fleck“, weil sie sich so zusammenkringelte, dass man fast über sie stolperte. Machwao nahm den Hund nicht zur Kenntnis. Für ihn waren Tiere in erster Linie Beute.

Die Menominee aßen keine Hunde, aber sie hatten auch keine besonders innige Beziehung zu ihnen. Im Rudel waren sie eher lästig, frech und unberechenbar. Aber es gab eine Geschichte darüber, wie die Hunde als Geschenk der Wölfe zu ihnen gekommen waren, und so wurden sie geduldet. Es gab Männer, die einen Hund sogar mit zur Jagd nahmen, doch Machwao fürchtete, dass der Hund mit seinem Gebell das Wild verscheuchte. Er kannte die Geschichte, wie die Hunde zu den Menschen gekommen waren und hatte sie früher gern der Schwester erzählt. Schon damals waren sie großartige Diebe gewesen. Die Legende erzählte, dass die Hunde ursprünglich mit den Wölfen gelebt hatten und ihnen dienen mussten. Doch dann kamen die Wölfe auf die Idee, die Hunde auszuschicken, um den Menschen das Feuer zu stehlen. Die Wölfe hatten es erst selbst versucht, weil sie die Menschen um das Feuer beneideten. Als sie mehrmals gescheitert waren und sich fürchterlich die Pfoten verbrannt hatten, schickten sie die Hunde los, um diese Aufgabe zu erledigen. Die Hunde entschieden jedoch, dass auch sie sich nur die Pfoten oder das Maul verbrennen würden, und entschieden, lieber bei den Menschen zu bleiben. Da die Menschen die Wölfe fürchteten, beschlossen die Hunde, sich zu verstellen. Sie machten sich ganz klein, kniffen den Schwanz ein und schauten besonders treuherzig zu den Menschen auf, als würden sie sich fürchten. Ein Mann, der von den Wölfen geträumt hatte, dachte, dass diese Hunde ein Geschenk der Wölfe wären, und erlaubte ihnen zu bleiben. Fortan lebten die Hunde bei den Menschen und genossen die Wärme der Feuer.

Machwao hingegen sah immer noch etwas Falschheit in ihrem Verhalten und rollte jedes Mal mit den Augen, wenn er sah, wie die Hunde sich die Knochen stahlen. Ja, sie waren nach wie vor Diebe! Er duldete Kleiner Fleck, weil die Frauen ihre Freude mit ihr hatten, und nicht, weil er sie besonders mochte. Außerdem würde sie demnächst Junge werfen und er fürchtete schon den Tag, an dem hier kleine Welpen durch den Wigwam tobten.

Über den Fluss

(Alabama)

Maisblüte wusste, dass sie diese Schmerzen nicht mehr lange aushalten konnte. Ihre Knöchel waren eine einzige schwärende Wunde und die letzten Pfeillängen des Marsches waren nur noch eine Tortur gewesen. Wie sollte sie mit diesen Verletzungen dem Mann eine Hilfe sein? Was er tat, ergab für sie keinen Sinn. Auch Nanih Waiya wurde still, als er ihre Schmerzen sah. Auch er verstand nicht, warum der Mann ihm gegenüber so gütig und seiner Schwester gegenüber so grausam war. Er benutzte die Schwester wie einen Hund, den man treten und schlagen konnte. Die Fremden aßen die Hunde sogar und er fragte sich, ob sie auch ihn und seine Schwester als Hunde betrachteten, die man essen konnte. Er hatte die Fremden in den letzten Tagen genau beobachtet und viele seltsame Dinge entdeckt. Zwei seiner Freunde, die überlebt hatten, waren inzwischen gestorben und verscharrt worden. Er konnte nicht erkennen, woran sie gestorben waren, aber es machte ihn misstrauisch. Auch einige Gefangene von anderen Stämmen waren gestorben und er erzählte seiner Schwester von seinen Entdeckungen.

Maisblüte schwieg dazu. Wahrscheinlich waren die Frauen an den gleichen Entbehrungen gestorben, die auch sie erleiden musste. Einige hatten sich auch erhängt, wie es Vogel-im-Bach getan hatte. Ein Mädchen war an den Misshandlungen der Männer verblutet und ein anderes Mädchen eines anderen Volkes starb, als es viel zu früh ein Kind gebar. Auf dem langen Marsch hatte sie zum ersten Mal wieder mit anderen ihres Volkes sprechen können, die ihr diese grausamen Wahrheiten erzählt hatten. Alle litten unter den Demütigungen und der schweren Arbeit, die ihnen auferlegt wurde. Viele waren wie sie in Ketten gelegt worden, es gab aber auch Gefangene von Stämmen aus dem Osten, die sich ohne Fesseln bewegen durften. Es waren wenige. Maisblüte hatte verstanden, dass die meisten Gefangenen entweder gestorben oder, wenn sie Glück hatten, gegen Lebensmittel und andere Geschenke wieder ausgelöst worden waren. „Wenn wir ihnen nicht mehr nützlich sind, dann töten sie uns oder schicken uns weg!“, hatte eine Gefangene der Coosa erzählt. „Es wird auch nicht besser, wenn man ihre Kinder gebiert, denn für die Söhne der Sonne sind diese Kinder keine wahren Kinder, sondern nur weitere Sklaven.“

Maisblüte hatte auch diese Worte verstanden. Bei ihrem Volk besserte sich der Status einer Gefangenen, wenn sie dem Volk Kinder gebar. Warum das bei den Fremden nicht so war, konnte sie nicht begreifen. „Manchmal freuen sie sich auch, wenn ein Kind geboren wird, aber meist wird die Frau dann weggeschickt. Eine Frau, die ein Kleines stillt, kann nicht so viel tragen und ist damit weniger wert.“

Maisblüte wollte manchmal nichts mehr hören und sehen. Sie schlurfte in dem Tross aus Soldaten, Frauen und Kindern, sah, wie die seltsamen Schweine getrieben wurden und die Menschen Karren mit Rädern hinter sich herzogen. Diese Karren waren das einzig Sinnvolle, das sie bisher gesehen hatte, obwohl sie oft holpriges Gelände durchquerten, bei denen diese Karren eher hinderlich waren. Die Wege der Einheimischen waren Trampelpfade, die auf alten Wildwechseln entstanden waren. Sie waren kaum so breit, dass ein Karren auf ihnen gezogen werden konnte. Deshalb brauchten sie auch so viele Träger. Die Frauen schnauften unter der Last des Werkzeugs und der schweren Truhen. Es war kalt und viele hatten nicht genug Kleidung am Leib, weder die Fremden noch die Gefangenen.

Zum ersten Mal erkannte sie, dass es auch um die Fremden nicht gut stand. Deshalb erbeuteten sie ja auch alles, was sie fanden. Für Maisblüte war das ein Hoffnungsschimmer. Die Kampfkraft der Fremden würde nachlassen. Ihre Aufmerksamkeit würde abgelenkt sein und dann konnte sie über Flucht nachdenken. Sie hoffte darauf, dass der Mann sie eines Tages wegschickte, weil er sie als Belastung sah oder er seine Vorräte nicht mehr teilen wollte. Sie war jung und hübsch. Vielleicht fand sie ein anderes Dorf, in dem sie leben konnte? Oder würden feindliche Krieger sie einfach töten, wenn sie auf sie stieß? Was geschah dann mit Nanih

Waiya? Würde der Mann auch ihn wegschicken, wenn er ihrer überdrüssig wurde? Noch war sie nicht bereit, das Leben ihres Bruders zu gefährden oder ihn allein zu lassen.

Also flehte sie zu Hashtali, damit er ein Einsehen hatte und sie endlich von diesen Schmerzen befreite. Keine Fesseln mehr, bitte, keine Fesseln mehr. Aber der Sonnenvater schwieg und ließ sie in ihrem Schmerz alleine. Ihre Züge verhärteten sich im Laufe der Gefangenschaft. Jeder Tag erschien ihr wie ein ganzes Leben. Sie nutzte jede Möglichkeit, um sich zu schonen, und bewegte sich nur, wenn der Mann es ihr befahl.

 

* * *

Dann ging auch das nicht mehr, denn der Tross war wieder nach Norden aufgebrochen. Vorbei war es mit der kurzen Pause und der Möglichkeit, ihre Gelenke zu schonen. Maisblüte stolperte schon seit Tagen in der Kolonne der Spanier und fragte sich, wann der Weg ein Ende hätte. Sie hatte die Wolken am Himmel beobachtet und wusste, dass sie Schnee brachten. Wieso rasteten die Fremden nicht? Der Winter war eine Zeit der Ruhe, doch diese Menschen schienen keine Ruhe zu kennen. Nanih Waiya fror erbärmlich und hielt sich nur durch Bewegung warm. Am Abend kuschelte er sich ans Feuer und hüllte sich in ein Fell, das kaum gegerbt war. Auch Maisblüte fror. Der Umhang war nicht geeignet, die Kälte auf lange Zeit abzuhalten. Sie brauchten eine Chukka mit Schutzwänden und dem heiligen Feuer in der Mitte. Das Zelt des Mannes nässte bei Regen durch, sodass die Ersatzkleidung feucht wurde. Maisblüte versuchte stets, die Kleidung am Feuer wieder zu trocknen, aber sie machte sich Sorgen, wie es weitergehen sollte.

Zum Glück fror auch Juan, sodass sie hoffte, dass der Gouverneur bald ein Lager für den Winter aufschlagen ließ. Sie fragte sich nur, wie sie in den Zelten überwintern sollten. Sie dachte an ihr erhöhtes Schlafgestell, an die warmen Decken und das gemütliche Kissen in der Chukka ihrer Eltern. Dort hatten es Töpfe aus Ton gegeben, Löffel aus Horn, Körbe aus Binsen und stets gutes Essen. Vater hatte gejagt und gefischt, sie hatten Mais, Bohnen und Kürbis angepflanzt und die Früchte der Bäume gesammelt. Ihr Leben war gut gewesen, bis diese Fremden es in einem Tag zerstört hatten. Der Norden war kalt und unfreundlich. Sie hatte Angst, dass sie und ihr Bruder den Winter nicht überleben würden. Sie fertigte ihm einfache Beinkleider und Mokassins aus den Häuten, die der Mann ihr gegeben hatte. Außerdem schnitt sie einen Umhang aus Fellen, den der Junge nur über seinen Kopf ziehen musste. Nanih Waiya strahlte sie mit zwei Lücken in den Zähnen an und freute sich über die warme Kleidung. „Du brauchst auch etwas Warmes!“

Maisblüte nickte. Auch sie hatte Felle um ihre Beine gewickelt und trug einen warmen Umhang. Sie hatte alle Felle verwendet und hoffte, dass der Mann nicht wütend wurde.

* * *

Juan hatte die nächsten Tage Zeit, denn der Gouverneur wollte die Indios überlisten und an einer anderen Stelle den breiten Fluss überqueren. Er ließ ein Lager errichten und gab seinen Soldaten ein paar Tage frei. Juan nutzte die Zeit, um zu jagen. Er erlegte einen Hirsch und erlaubte auch Maria, davon zu essen. Er steckte Leder zwischen das Eisen der Ketten und ihrer Haut, damit sie nicht mehr so scheuerten. Er erlaubte, dass sie meist im Zelt blieb, damit die Verletzungen heilten. Er dachte darüber nach, Maria bald von den Ketten zu befreien, um ihre Arbeitskraft zu erhalten. Außerdem sorgte er sich um das Seelenwohl der beiden und nahm sie zu den sonntäglichen Messen mit. Er wollte die beiden taufen lassen, um von zivilisierten Wilden umgeben zu sein.

Eigentlich waren die Tage in diesem Land völlig gleichgültig, aber sie hatten trotzdem die Wochentage gezählt und sonntags die Messe gelesen. Seit dem Kampf bei Mabila hatte es nur noch Wasser als Messwein gegeben, obwohl die Lagermeister versuchten, Mais zu vergären. Sie stellten eine Art Bier her, das süßlich schmeckte und zur Not getrunken werden konnte. Vor einem Kampf hatte es eine enthemmende Wirkung auf die Truppen, weshalb der Gouverneur den Ausschank gestattete. Als Messwein wurde es jedenfalls nicht ausgeschenkt. Auch gab es keine Hostien mehr. Die Priester und Messdiener hatten die meisten Utensilien verloren, sodass die Messe sich inzwischen auf mahnende Worte beschränkte. Der Priester warnte vor den unfrommen Wilden und dem Fluch der Fleischeslust. Natürlich war ihm nicht verborgen geblieben, was mit den gefangenen Frauen geschah, aber verhindern konnte er es kaum. Er ließ die Wilden knien und taufte sie im Namen Christi, um sie vor der Hölle zu bewahren. Einige Indios, die seine Worte verstanden, wandten sich nur allzu gerne diesem neuen mächtigen Gott zu, denn sie erhofften sich dessen Schutz.

Auch Maria und Nana wurden getauft, obwohl sie kaum verstanden, was diese Zeremonie bedeutete. Außerdem änderte es nichts. Juan jedoch war zufrieden und sah sich als großzügiger Herr. Er hatte seine Sklaven vor dem Fegefeuer bewahrt. Nun sah er in ihnen Diener, denen man eine gewisse Sorge angedeihen ließ. In einem Kessel schmorte die Suppe und er erkannte, dass die beiden offensichtlich schon gegessen hatten. Juan lächelte gönnerhaft und stemmte die Hände in die Hüften. „Welche Maus hat denn hier genascht?“

Nana kicherte und wischte sich den Mund sauber. „Ich Maus!“ Sein Lachen war so ansteckend, dass Juan nicht böse sein konnte. Wohlwollend strich er dem Jungen über die Haare. „So, so!“

Juan setzte sich auf einen Schemel, den die Schreiner ihm gebaut hatten, und ließ sich von Maisblüte eine Schale reichen. Teller und Löffel waren inzwischen Mangelmare, aber er hatte noch einen Löffel ergattert, während andere das Essen mit ihren Fingern in den Mund schaufeln mussten. Inzwischen war der Löffel fast sein größter Schatz, mit Ausnahme seines Rapiers, den er hütete wie seinen Augapfel. Ohne den Degen, mit dem er schon seit seiner Kindheit vertraut war, wäre er kein Soldat mehr. Er war froh um das Zelt, denn die meisten Mitglieder der Expedition hatten diesen Komfort nicht. Die Sklaven schliefen ohnehin im Freien und starben wie die Fliegen. Bald hätten sie keine Träger mehr und dann mussten sie neue Wilde gefangennehmen. Maria und Nana brauchten sich also nicht zu beschweren! Er schickte das Kind hinaus, um weiteres Feuerholz zu holen, und winkte Maria näher, damit sie sich auf seinen Schoß setzte. Er schlug ihren Umhang beiseite und bediente sich an ihren festen Brüsten. Er ließ sich sein Wohlwollen bezahlen! Das Mädchen rührte sich nicht und ließ ihn gewähren. Ihr Blick war abwesend, als wäre sie ganz woanders. Juan benutzte ihren Körper und freute sich darauf, sich im Winter nachts daran zu wärmen. Das war praktischer, als beim Pferd zu schlafen.

* * *

Die Baumeister arbeiteten unterdessen an einer großen Piragua, eine Pirogge, mit der die Truppen in den nächsten Tagen übersetzen sollten. Sie fanden einen riesigen Baum, der gut geeignet war, um ihn auszuhöhlen. Der Gouverneur hatte vor, die Piragua weiter flussabwärts zu transportieren und dort überzusetzen. In nur vier Tagen schafften es die Baumeister, das Boot herzustellen. Während des Dunkels einer Neumondnacht transportierten sie es heimlich mit zwei Karren flussabwärts und setzten es dort in den Fluss. Über vierzig Soldaten setzten über und schlugen die wenigen Krieger in die Flucht. Die Pfeile, die auf sie regneten, richteten dabei kaum Schaden an. Die Soldaten vertrieben die Indios und sicherten das Ufer, damit die restlichen Soldaten übersetzen konnten.

Juan führte seine Männer am nächsten Tag weiter nach Norden und eroberte ein Dorf namens Zabusta. Sie fanden weitere Maiskammern und durchsuchten die Hütten nach Kleidung. Von den Bewohnern fehlte jede Spur. Juan wusste, dass es dauern würde, bis der Tross folgen würde, und setzte seine Männer wieder in Gang. Er folgte dem Lauf eines Flusses und eroberte mehrere kleine Dörfer an seinem Ufer.

Der Tross folgte ihm mit einem Tag Verzögerung. Mit Karren und Pferden schleppten sie die Piragua bis zum nächsten Flusslauf und setzten sie dort ins Wasser. Der Gouverneur ließ die Ausrüstung in die Piragua verladen und mit Pferden den Fluss entlangziehen. Außerdem benutzten sie dazu einige Kanus, die sie gefunden hatten. Sie kamen ziemlich schnell voran und nutzten den Fluss, um weiter nach Norden vorzustoßen. Sie plünderten jedes Dorf, durch das sie kamen, und nahmen dabei einen Häuptling namens Apafalaya gefangen. Sie zwangen ihn, unter Ketten als Dolmetscher und Führer zu arbeiten. Seine Krieger brüllten ihren Zorn heraus, doch wagten sie es nicht, die Spanier auf deren Pferden anzugreifen.

Juan verließ den Fluss und führte seine Kundschafter nach Norden. Der Weg führte an dicht bewaldeten Hügeln vorbei, die von Nord nach Süd verliefen. Juan führte seine Männer durch die Senken, obwohl er befürchtete, dass die Wilden vielleicht die strategisch günstigen Hügel für einen Hinterhalt nutzen würden. Das Wetter wurde schlechter und die Ufer der Bäche waren oft schon vereist. Manchmal fiel der erste Schnee und die Männer froren in ihrer Kleidung. Der Weg wurde unwegsamer und sie durchquerten viele kleine Flüsse und kamen an Sümpfen vorbei. Die Gegend war wenig besiedelt, dafür entdeckte Juan viel Wild in den Wäldern. Wenn er mehr Zeit hätte, würde er seine Lanzenreiter zur Jagd einsetzen. Er wusste, dass der Gouverneur einen Platz zum Überwintern suchte, und hoffte dort ein wenig Zeit für derartige Vergnügungen zu haben. Er verlangsamte sein Tempo und ritt dann wieder den Weg zurück, damit der Tross zu ihnen aufschließen konnte. Es wurde zu kalt, um ungeschützt im Freien zu kampieren. Seine Reiter folgten ihm willig, denn auch sie lockte die Aussicht auf ein wärmendes Feuer. Alle freuten sich auf eine trockene Unterkunft.

* * *

Am nächsten Morgen ließ er Maria alles ordentlich einpacken und gab sie in die Obhut des Maestros. Ihre Ketten schleiften am Boden und er ignorierte ihr schmerzverzerrtes Gesicht. Bald würden sie einen breiten Fluss überqueren; dann wäre eine Flucht nicht mehr so wahrscheinlich und er konnte sie abnehmen. Jetzt hatte er keine Zeit mehr, sich darum zu kümmern.

Er führte seine Truppe erneut nach Norden, gefolgt von der Infanterie. Am späten Morgen nach einer klaren Vollmondnacht erreichten sie den Chickasa-Fluss und fanden ein Dorf an dessen steilem Ufer. Der Fluss war über das Ufer getreten und schien sehr breit und gefährlich zu sein. Am Ufer hatte sich bereits Eis gebildet. Ein großes Dorf lag auf dieser Seite des Flusses und die Krieger hatten sich ihnen mit Waffen und Schilden entgegenstellt. Juan schätzte sie auf über tausend. Sie machten einen Scheinangriff und zogen sich dann mit all ihrer Habe und den Frauen und Kindern über den Fluss zurück.

Juan ließ das Dorf einnehmen, damit der Tross in den nächsten Tagen eine Unterkunft hatte. Es würde nicht für alle reichen, aber die Handwerker konnten zusätzliche provisorische Hütten bauen. Es würde einige Tage dauern, ehe sie den breiten Fluss überwunden hatten. Er fand einige Vorratsgruben, außerdem Häute und Felle, die die Einheimischen bei ihrer hastigen Flucht zurückgelassen hatten. Er sicherte sich eine warme Decke, die ihm bei der Kälte gute Dienste leisten würde. Dann war seine Arbeit erst einmal getan. Er stellte sein Pferd innerhalb des Dorfes zu den anderen Pferden, die dort bereits Schutz gefunden hatten. Ein kalter Wind wehte, sodass die Pferde sich an die Palisaden drängten, um im Windschatten zu bleiben.

Juan suchte sich eine Hütte aus, in der noch immer ein Feuer schwelte, und wartete darauf, dass der Tross eintraf. Er erlaubte zehn weiteren Reitern, ebenfalls hier zu schlafen, die diese Großzügigkeit mit wahren Lobpreisungen belohnten. Juan winkte großzügig ab. Sie würden hier nur wenige Tage bleiben und dann den Fluss überqueren. Er hoffte, dass der Gouverneur am anderen Ufer endlich einen Ort fand, an dem sie die schlimmste Kälte abwarten konnten. Dieses Dorf hier war zu klein, um ihnen länger Schutz zu gewähren. Er blickte auf, als Baltasar de Gallegos sich neben ihn setzte. Er war der Teniente Coronel, der in der Abwesenheit des Gouverneurs die Befehlsgewalt hatte und ansonsten die Truppen befehligte. Auch der Capitán befehligte zusätzlich zu seinen Lanzenreitern an die vierzig Fußsoldaten, die ihm direkt unterstanden. Tatsächlich hatte er sie mit seinem eigenen Geld ausgestattet. Ebenso wie das Schiff, mit dem er die Bucht von Charlotte gefunden hatte, von dem aus sie aufgebrochen waren. Er war wild und cholerisch, und er liebte das Kampfgetümmel, aber er wollte endlich Erfolg.

Er gab der Sklavin ein Zeichen, damit sie dem hohen Gast einen Teller Essen brachte. Das Mädchen gehorchte demütig und er beachtete es nicht weiter.

Baltasar schaufelte das Essen in sich hinein und lächelte zufrieden. „Gut, dass wir ein paar Vorräte gefunden haben!“

Juan schnaubte unwillig. „Nicht genug, um den Winter zu überstehen. Wir haben zu viele Gefangene dabei!“

Baltasar riss ein wenig ungläubig die Augen auf und zuckte die Schultern. „Was kümmern mich die Gefangenen? Wenn wir weiterziehen, werden wir neue Gefangene machen.“

„Schon, aber es ist einfacher mit Gefangenen, die ein bisschen unsere Sprache sprechen. Er deutete nachlässig auf Nana. „Er versteht bereits, was ich von ihm will. Und Maria lernt es auch bald.“

 

„Sie geben ihnen Namen?“ Ehrliche Verwunderung klang in der Stimme des Teniente Coronel.

„Warum nicht? Irgendwie muss ich sie ja rufen.“ Juans Stimme klang kaum interessiert. Sie waren in seinen Augen nur Sklaven. Selbst Hunde hatte Namen. Und einen treuen Hund behandelte er ebenfalls gut.

Baltasar nickte und wechselte das Thema. „Ihr wisst, warum der Gouverneur den Fluss überqueren will?“

„Sicher! Er fließt nicht nach Süden. Er verhindert damit, dass Leute desertieren, wenn wir ihn erst einmal überquert haben.“ Es war eine sehr nüchterne Betrachtung.

„Und was sagt Ihr dazu?“ Die Augen des Teniente Coronel sprachen Bände. Auch er war müde, enttäuscht und desillusioniert. Sie hatten in diese Expedition investiert, weil sie sich die gleichen Reichtümer erhofften wie in Mexiko oder Peru. Aber bis auf wertloses Kupfer hatten sie kaum etwas gefunden. Die Indios hatten Schmuck aus Perlen, der aber kaum die Ausgaben ausgleichen würde.

Juan zuckte die Schultern. Einige seiner Männer saßen im Hintergrund der Hütte und er wollte nicht, dass sie vom Glauben abfielen. „Bisher haben wir viel fruchtbares Land für die spanische Krone gefunden. Und mit Sklaven kann man auch sein Geld verdienen.“

„Das meine ich nicht.“

Juan lachte ohne Humor. „Ich weiß!“ Dann wurde seine Stimme ernst. „Es ist ein Risiko, an solch einer Expedition teilzunehmen. Nicht immer findet man Gold. Aber noch gebe ich nicht auf. Dafür hat es mich bisher zu viel gekostet. Wir haben einen Auftrag, und den werde ich erfüllen, solange die Jungfrau Maria mir wohlgesinnt ist.“

Baltasar wischte sich mit der Hand über den Mund und stellte den Teller zu Boden. Auch seine edle Kleidung hatte gelitten und hing unansehnlich an ihm herunter. Außerdem hatte er stark abgenommen, ebenso wie Juan. Juan war eher ein Lebemann und galt als feist, doch die letzten zwei Jahre hatten auch an ihm gezehrt. Seine Erscheinung war drahtig und die überflüssigen Pfunde waren verschwunden. Ein brutaler Zug lag um seinen Mund, der kaum von dem Bart überdeckt wurde. Man widersetzte sich ihm besser nicht. Im Grunde wunderten sich seine Untergebenen über die Geduld, die er gegenüber dem Sklavenkind aufbrachte. Sonst galt er als jähzornig und unberechenbar.

„Was machst du mit den Sklaven, wenn wir nach Mehiko zurückkehren?“ Die Augen von Baltasar verschlangen fast den wohlgeformten Körper der einheimischen Frau.

Juans Lippen wurden schmal vor Unwillen. Im Grunde waren die beiden eher lästig, weil seine Kameraden mit Neid darauf reagierten. Die Frau erinnerte sie an Dinge, die sie längst vermissten. „Das werde ich mir überlegen, wenn sie bis dahin noch am Leben sind. Meist leben diese Eingeborenen nicht lange. Gott ist mit uns und nicht mit diesen Wilden. Der Junge könnte einen ganz guten Diener abgeben, aber die Frau werde ich wohl vorher wieder loswerden. Ich kann mit ihr ja schlecht in Spanien auftauchen.“

„Na ja, wenn man sie in die richtigen Gewänder hüllt, dann macht auch sie eine gute Dienerin.“

„Tsss, was soll ich mit irgendwelchen Bastardkindern? Mein Ruf würde darunter leiden. Die Zeiten haben sich geändert und die Kirche sieht so etwas nicht gerne. Wenn ich zurückkehre, will ich meinen Reichtum genießen und ein geachteter Mann sein. Ein Caballero. Selbst hier mustert mich der Priester schon wie ein Insekt.“

Baltasar lachte auf widerliche Weise. „Selbst der Priester hält sich nicht wirklich an seine Gelübde. Er benutzt die Knaben. Ihr solltet mal hören, wie die Kinder schreien, bis er ihnen einen Knebel in den Mund steckt. Aber es sind ja zum Glück keine Menschen, sonst würde er wohl bald in der Hölle schmoren.“

Juan runzelte die Stirn. „Wenn selbst der Papst eine Mätresse hat! Warum sollte dann der Priester nicht seinen Gelüsten nachgehen?“ Er musterte Nana mit einem nachdenklichen Blick. Offensichtlich war der Junge viel mehr wert, als er angenommen hatte.

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