Gin - Alles über Spirituosen mit Wacholder

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Über dem Ärmelkanal in den Niederlanden und Belgien sah man hin­gegen eine Wiederholung dessen, was man teils schon aus dem Ersten Weltkrieg kannte: Deutsche Besatzungstruppen beschlagnahmten Destillieran­lagen, um diese einzuschmelzen und der Rüstungsindustrie zuzuführen. Dieses Vorgehen beeinträchtigte zusätzlich die ohnehin schon über die letzten Jahrzehnte rückläufige Genever-Industrie, zumal internationale Absatzmärkte fehlten, denn Exporte waren zu Zeiten des Krieges wohl gänzlich unmöglich.

So begab es sich, dass ab der Nachkriegszeit Genever ein Produkt von rein regionaler Bedeutung wurde, das Interesse am Old Tom Gin stark zurückgegangen war und die internationale Showbühne ganz dem ­London Dry Gin gehörte.

Gin-Renaissance

Auch unter den britischen London-Dry-Gin-Herstellern hatte der Zweite Weltkrieg im wahrsten Sinne des Wortes seine Opfer gefordert. Mit den 1950er-Jahren lebte der Gin aber wieder auf und hatte seinen Höhepunkt in den 1960ern, als er die meistgetrunkene weiße Spirituose der westlichen Welt war.

Aus diesem Grunde wirkt es mehr als paradox, dass die Filmfigur des britischen Agenten James Bond nicht das Nationalgetränk Groß­britanniens als Martini-Cocktails trinkt, sondern Wodka Martinis. Superagent 007 wurde vom britischen Autor und Gin-Liebhaber Ian Fleming erfunden, der James Bond in seinen Büchern, die von einer britischen Produktionsfirma verfilmt wurden, Gin Martinis trinken ließ. Die Voraussetzungen konnten britischer nicht sein, warum also Wodka statt Gin? Die einzige Erklärung dafür: Produktplatzierung für Smirnoff Wodka. Dass die James-Bond-Filme der 60er-Jahre den Trendwechsel «pro Wodka – kontra Gin» einläuteten, wäre eine kühne Behauptung. Gänzlich abwegig ist sie dennoch nicht, hält man sich den Welterfolg der James-Bond-Filme vor Augen. Immer mehr Cocktail­rezepturen enthielten Wodka und ab den 70ern hatte der Wodka den Gin weltweit fast völlig verdrängt.

Erst Mitte der 90er-Jahre besinnt man sich wieder der traditionellen Barkultur. Gin steht wieder höher im Kurs und feiert eine dezente Revitalisierung. Mit seiner eigentlichen Renaissance im großen Stil ließ er sich aber noch bis zum Jahrtausendwechsel Zeit. Allein in den letzten Jahren sind unglaublich viele neue und vor allem hochwertige Gins auf den Markt gekommen, die nicht nur eine Neubelebung des mit anderen Spirituosen übersättigten Markts herbeiführten, sondern in denen auch durch filigrane Herstellungsmethoden eine Vielzahl von Aromaträgern zur ­Anwendung gelangt, die das großartige Potenzial des Gins zu neuen Höhen emporklimmen lässt. Wo man in den meisten Bars noch vor nicht allzu langer Zeit höchstens drei bis vier verschiedene Gin-Sorten sah, sieht man heute oftmals mehr Gins als Whiskeys oder Wodkas im Angebot. Gleichzeitig hat sich auch sehr viel in Sachen Tonic getan. Neue, geschmacklich sehr unterschiedliche Tonics ermöglichen zusätzliche Variationen, sodass man heutzutage einen Gin Tonic auf mannigfaltige Weise probieren und genießen kann.

Die Welt der Cocktails befindet sich seither in einem steten Progress. Durch Barmessen und das Internet werden Trends, Ideen, Entdeckungen, alte und neue Rezepturen viel schneller als dereinst kommuniziert, wodurch sich eine neoklassische Barkultur entwickelt hat. Der Gin hat von diesem jähen Aufschwung in grandioser Manier profitiert, und in seinem Fahrwasser segelt auch zunehmend der Genever wieder mit. Dem Bartender und dem Cocktail-Connaisseur gleichermaßen bieten sich jetzt noch nie da gewesene Kombinations- und Auswahlmöglich­keiten bei der Zusammenstellung von Cocktails und Longdrinks, wobei die heutigen Gins, Old Toms und Genever auch pur ein Genuss sein ­können. Die Geschichte des Gins ist hier aber nicht zu Ende, sondern geht weiter, und wir können uns glücklich schätzen, Zeitzeugen einer neuen Gin-Ära zu sein.

Kapitel 2:
Gin

Gin – wie schon im vorangegangenen Kapitel beschrieben, handelt es sich hierbei um eine Spirituose, die mit Wacholderbeeren und einer Auswahl verschiedenster Kräuter, Gewürze und Zitrusfrüchte, zusammengenommen «Botanicals» genannt, aromatisiert ist.

Der Grundstock

In den Anfängen der Gin-Herstellung diente Getreide als Ausgangs­basis. Um 1920 regelte man in England per Gesetz die Herstellung des Gins dahingehend, dass neben Getreide seitdem auch Rohstoffe wie Wein, Rüben, Kartoffeln, Zuckerrohr und Obst für die Alkoholgewinnung zum Einsatz kommen dürfen. Diese Regelung hat noch heute Bestand, obwohl ­primär Getreidealkohole verwendet werden.

Durch das mehrfache Destillieren vergorener Maische oder Melasse aus den oben aufgeführten Rohstoffen werden Neutralalkohole von bis zu 96% Vol Alkohol ausrektifiziert, um sie geschmacklich zu neutra­lisieren; daher auch die Bezeichnung «Neutralalkohol». Nur wenige Gin-Hersteller produzieren ihren Neutralalkohol noch selbst. Stattdessen wird dieser von Firmen zugekauft, die sich darauf spezialisiert haben.

Dieses rektifizierte Destillat wird für den weiteren Verarbeitungsprozess heruntergewässert (verschnitten). Wieso? Derart hochprozentiger Neutral­alkohol würde sich als zu aggressiv erweisen, um ein schonendes Extrahieren der Geschmacksstoffe aus den Botanicals zu ermöglichen.

Gin entsteht

Wie kommen nun die Aromen der Botanicals in den Neutralalkohol? Die gängigsten Vorgehensweisen sind die Mazeration und die Dampf­infusion.

Mazeration: Hier werden die ausgesuchten Botanicals für eine bestimmte Zeit in den Neutralalkohol eingelegt, um dadurch die Aromastoffe zu ­extrahieren. Dieser Vorgang kann über Nacht erfolgen oder ein paar Tage oder auch länger dauern. Die Botanicals werden üblicherweise in Beutel gefüllt und zum Mazerieren eingelegt.

Eine Nebenform ist die Digeration, in der für die Mazeration erwärmter Alkohol verwendet wird. Da jedes Botanical seine Aromastoffe unterschiedlich schnell abgibt, ist die separate Mazeration einzelner Botanicals (oder Botanical-Gruppen) eine zwar aufwendigere, aber zusehends immer populärer werdende Methode.

Nach der Mazeration erfolgt eine abschließende Destillation, an deren Ende ein wichtiger Arbeitsschritt steht: die Abtrennung von Vorlauf* und Nachlauf*. Hier kommt die ganze Erfahrung des Brennmeisters zum Tragen, denn er muss den Mittellauf, der das Herzstück bildet, genau abtrennen.

* siehe www.gin-buch.de


Destillierapparat Bluecoat Destille, USA

Dampfinfusion: Hierfür werden die Botanicals auf Körben im Steigrohr eines Brennapparats platziert. Sobald der Neutralalkohol im Kessel des Brennapparats erwärmt wird, steigen dessen Dämpfe auf und nehmen dabei die Aromen der Botanicals auf. Auch hier werden Vorlauf und Nachlauf vom Brennmeister abgetrennt.

Es gibt mehrere Destillationsverfahren und -apparate, die sich auf ­unterschiedlichste Art miteinander kombinieren lassen. Wir möchten auf dieses eigenständige und sehr weitläufige Gebiet hier nicht näher eingehen, da dies vom eigentlichen Thema wegsteuert. Die Destillier­möglichkeiten sind jedenfalls sehr komplex und vielseitig, was den Herstellern viel Raum für Individualität bis hin zur Extravaganz bietet.


Destillierapparat Greylock Destille, USA

Das Wasser

«Das Prinzip aller Dinge ist Wasser; aus Wasser ist alles, und ins ­Wasser kehrt alles zurück.» Thales von Milet (ca. 624 – 546 v. Chr.)

Dem Wasser und seiner Qualität kommt bei der Gin-Herstellung entscheidende Bedeutung zu. Ob destilliertes Wasser, Schmelzwasser, frisches Quellwasser oder einfach das aus dem Wasserhahn, wird meist von der geografischen Lage der Destille bestimmt, zuweilen aber auch von der Firmenphilosophie. Wichtig und entscheidend sind die Werte des Wassers, die den Normen der Trinkwasserverordnungen entsprechen müssen.

Durch die Zugabe des Wassers wird der Gin auf die gewünschte ­Trinkstärke eingestellt, die mindestens 37,5% Vol betragen muss, oftmals um die 43% Vol liegt, aber durchaus auch über 50% Vol hinaus­gehen kann.

Dieses Verschneiden kann nach dem Destillationsprozess vorgenommen werden oder davor, wenn der Hersteller das Mischungsverhältnis von Neutralalkohol und Wasser so einstellt, dass das fertige Destillat in gewünschter Trinkstärke aus dem Hahn des Destillierapparats tropft.

Resümee

Da es sich um eine klare Spirituose handelt, die keine Reifezeit benötigt, sind längere Lagerzeiten nicht zwingend erforderlich. Dennoch kann der Gin zur weitestgehenden Egalisierung (Gleichverteilung) für gewisse Zeit in Edelstahltanks, Steingutgefäßen oder in seltenen Fällen in Holzfässern gelagert werden.

Die verwendeten Rohstoffe für den Neutralalkohol sowie die Wahl der Botanicals, des Wassers und der angewandten Herstellungsverfahren liegen ganz im Ermessen der Hersteller und bilden gleichzeitig das sprichwörtliche Betriebsgeheimnis.

Rechtliche Grundlagen

Zum Abschluss sei noch der Gesetzestext angefügt, der dem Gin je nach Herstellungsverfahren eine entsprechende Bezeichnung zuordnet, Mindest- und Maximalwerte des Alkoholgehalts vorgibt, Zutatenmengen regelt und Qualitätsmerkmale festlegt. Das Amtsblatt der Europäischen Union hatte im Februar 2008 Richtlinien zum Gin geschaffen und im Februar 2014 Erweiterungen erlassen, die für Gin und destillierten Gin durch die Festlegung von Höchstmengen für den Zusatz von Zucker bzw. anderen süßenden Inhaltsstoffen die bislang eher willkürlich verwendete Namens­ergänzung «dry» einschränken.

 

Gin (20)

a) Gin ist eine Spirituose mit Wacholdergeschmack, die durch Aromatisieren von Ethylalkohol landwirtschaftlichen Ursprungs, der entsprechende sensorische Eigenschaften aufweist, mit Wacholderbeeren (Juniperus communis L.) gewonnen wird.

b) Der Mindestalkoholgehalt von Gin beträgt 37,5% Vol.

c) Bei der Herstellung von Gin dürfen nur natürliche und/oder natu­r­identische Aromastoffe gemäß Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe b ­Ziffern i und ii der Richtlinie 88/388/EWG und/oder Aromaextrakte gemäß Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe c der genannten Richtlinie verwendet werden, wobei der Wacholdergeschmack vorherrschend bleiben muss.

d) Die Bezeichnung «Gin» kann durch den Begriff «dry» ergänzt werden, wenn der Gehalt der Spirituose an zugesetzten süßenden Erzeugnissen nicht mehr als 0,1 g Zucker je Liter des Fertigerzeugnisses beträgt.

Destillierter Gin (21)

a) Destillierter Gin ist

i) eine Spirituose mit Wacholdergeschmack, die ausschließlich durch erneute Destillation von Ethylalkohol landwirtschaftlichen Ursprungs von angemessener Qualität und mit entsprechenden sensorischen Eigenschaften und einem ursprünglichen Alkoholgehalt von mindestens 96% Vol in Destillierapparaten, die herkömmlicherweise für Gin verwendet werden, unter Zusatz von Wacholderbeeren (Juniperus communis L.) und anderen pflanzlichen Stoffen hergestellt wird, wobei der Wacholder­geschmack vorherrschend bleiben muss, oder

ii) eine Mischung der Erzeugnisse aus dieser Destillation mit Ethylalkohol landwirtschaftlichen Ursprungs der gleichen Zusammensetzung, Reinheit und gleichem Alkoholgehalt; zur Aromatisierung von destilliertem Gin können auch natürliche und/oder natur­identische Aromastoffe und/oder Aroma­extrakte gemäß Kategorie 20 Buchstabe c verwendet werden.

b) Der Mindestalkoholgehalt von destilliertem Gin beträgt 37,5% Vol.

c) Gin, der durch den einfachen Zusatz von Essenzen oder Aroma­stoffen zu Ethylalkohol landwirtschaftlichen Ursprungs gewonnen wird, darf nicht die Bezeichnung destillierter Gin tragen.

d) Die Bezeichnung «Destillierter Gin» kann durch den Begriff «dry» ergänzt werden, wenn der Gehalt der Spirituose an zugesetzten süßenden Erzeugnissen nicht mehr als 0,1 g Zucker je Liter des Fertigerzeugnisses beträgt.

London Gin (22)

a) London Gin gehört zur Spirituosenart Destillierter Gin:

i) Er wird ausschließlich aus Ethylalkohol landwirtschaftlichen Ursprungs gewonnen und weist einen Methanolgehalt von höchstens 5 g/hl r. A. auf; sein Aroma wird ausschließlich durch die erneute Destillation von Ethylalkohol in herkömm­lichen Destilliergeräten unter Zusetzung aller verwendeten pflanzlichen Stoffe gewonnen;

ii) der Mindestalkoholgehalt des hieraus gewonnenen Destillats ­beträgt 70% Vol;

iii) jeder weitere zugesetzte Ethylalkohol landwirtschaftlichen Ursprungs muss den in Anhang I Nummer 1 aufgeführten Merkmalen entsprechen, allerdings mit einem Methanol­gehalt von höchstens 5 g/hl r. A.;

iv) sein Gehalt an zugesetzten süßenden Erzeugnissen darf nicht mehr als 0,1 g Zucker je Liter des Fertigerzeugnisses betragen, und er enthält keine zugesetzten Farbstoffe;

v) er enthält keine anderen zugesetzten Zutaten außer Wasser.

b) Der Mindestalkoholgehalt von London Gin beträgt 37,5% Vol.

c) Die Bezeichnung London Gin kann durch den Begriff «dry» ergänzt werden.

Gin-Marken

In diesem Abschnitt können bei Weitem nicht alle Gins vorgestellt werden, die es weltweit gibt. Durch die rasant angestiegene Popularität des Gins waren im Jahr 2010 über 30 neue Marken von europäischen Herstellern herausgebracht worden. Und seit 2012 sind allein auf dem deutschen Markt ca. 30 neue Marken erschienen. Bei dieser starken Dynamik auf dem aktuellen Stand bleiben zu wollen, kann ein Buch nicht leisten, weshalb es durch unsere Website www.gin-buch.de mit fortlaufenden Neuerscheinungen ergänzt wird.

Dennoch umfasst die Kollektion dieses Buches eine repräsentable Anzahl an Marken, die die stark erweiterte Riege an international etablierten Gins, interessante Neuheiten und ein paar «exotische Lokalmatadore» umfasst. Dabei wird größtenteils mit den Angaben des jeweiligen Herstellers gearbeitet. Die einzelnen Artikel enthalten mitunter auch Geschmacksbeschreibungen, die jedoch keine Bewertungen der Autoren repräsentieren. Des Weiteren werden die Gins auch nicht nach Qualität klassifiziert. Jeder Hersteller und Brandmeister hat die Zutaten für seine Produkte sorgfältig ausgewählt und dabei seine Qualitätsstandards selbst definiert. Der Leser sollte das als Ermutigung auffassen, selbst die ­ansprechendsten Sorten auszuprobieren und sich ein eigenes Bild zu machen, denn wie heißt es so schön? Erlaubt ist, was schmeckt! Dazu mehr in einem späteren Kapitel.

Erwähnt sei noch ein Gin-Stil, der sich über das letzte Jahrzehnt unter dem Begriff «New Western Dry Gin» eingebürgert hat. Dieser Stil definiert sich durch eine Verschiebung der Balance der Botanicals. Die üblicherweise weithin regierende Dominanz der Wacholderbeere wird einer Vielfalt von teils extravaganten Geschmacksträgern gleichgestellt.

Zudem sei ein Gin-Stil angeführt, der gelegentlich unter «Coloured Gin» (gefärbter Gin) firmiert. Dem fertigen Gin-Destillat wird in einem abschließenden Herstellungsschritt ein bestimmtes Botanical zum Mazerieren hinzugefügt. Dadurch erhält der Gin eine Färbung und letzte Aromatisierung. Durch diesen zusätzlichen Arbeitsgang mit dem eigentlich schon fertigen Produkt dürfen solche Gins laut Gesetz nicht «London Dry Gin» auf dem Etikett tragen und werden deshalb nur als «Gin» oder «Dry Gin» ausgewiesen.

Aviation

Land: USA / Oregon

Hersteller: House Spirits Distillery


Es war Sommer 2005, als sich die Wege von Lee Medoff und Christian Krogstad von der House Spirits Distillery und des Bartenders Ryan Magarian kreuzten. Ein Jahr später war es dann so weit, als nach 30 Test­läufen der Aviation Gin geboren war und als «New Western Dry Gin» Style vorgestellt wurde. Er vollzieht absichtlich eine Abkehr vom traditionellen London Dry Style und soll die neue Generation der Gin-Genießer ansprechen.

Der Name selbst ist einerseits dem Aviation-Cocktail entlehnt, der Anfang des 20. Jahrhunderts von Hugo Ensslin kreiert wurde, einem Bartender im New Yorker Hotel «Wallick». Hauptsächlich soll dieser Name aber «das Erwachen der wahren Mixbarkeit» dieser Spirituose zum Ausdruck bringen.

Bevor im 400-Gallonen-Stahlapparat destilliert wird, werden die Botanicals für 48 Stunden in Neutralalkohol aus Roggenbrand mazeriert. Verwendet werden Wacholderbeeren, Anissamen, Kardamom, Koriandersamen, ­getrocknete Schalen der Süßorange, Lavendel und indische Sarsaparille (Stechwinden).

Mit entionisiertem, entmineralisiertem und entsalztem Wasser wird das fertige Destillat auf eine Trinkstärke von 42% Vol gebracht.

Beefeater

Land: Großbritannien / England

Hersteller: Beefeater Distillery

Markeneigner: Pernod Ricard Group

Die Geschichte und Herkunft des Beefeater London Dry Gin kann bis ins Jahr 1820 zurückverfolgt werden, als John Taylor eine kleine Destille in Chelsea einrichtete und 1829 seine erste offizielle Brennlizenz erhielt. 1863 kaufte der Apotheker James Burrough diese Destille, nachdem er sich eine Zeit lang hingebungsvoll mit Destillationsexperimenten beschäftigt und schließlich ein Verfahren gefunden hatte, bei dem eine Mischung verschiedener Kräuter, Pflanzen und Gewürze durch einen besonderen Destillationsprozess mit Getreidedestillat zusammengebracht werden konnte – was diesen Gin zum Ergebnis hatte.

Auf der Suche nach einem passenden Namen, der seinem herzhaften, körper­reichen Gin gerecht würde, fand er Inspiration bei den «Yeomen», den Wächtern des in der Nähe gelegenen London Towers. Diese trugen damals den Spitznamen «Beefeater» (Rindfleischesser). Dadurch unterstrich Burrough die noch heute starke Bindung seines Gins an London. Man sagt sogar, dass das Rezept des Beefeater London Dry Gin noch heute im Tower of London von den Beefeatern bewacht wird. Außerdem kennen nur sechs Personen die genauen Anteile aller Zutaten und den exakten Destillationsprozess.

Jede einzelne Flasche wird in der Beefeater Distillery in Montford Place in Kennington, London produziert. Dorthin zog die Destille im Jahre 1958, nachdem die ursprünglichen Produktionsstätten in Chelsea und später Lambeth der wachsenden Nachfrage nach diesem beliebten Gin nicht mehr gerecht wurden.

Die hohe Qualität und die wohldurchdachte Mischung seiner Bestandteile machen aus dem Beefeater einen sehr ausgewogenen Gin. Nur die hochwertigsten Zutaten werden sorgsam aus der ganzen Welt zusammengetragen: wild wachsende Wacholderbeeren aus Italien, Serbien und Mazedonien; Koriandersamen, die dem Beefeater seine Komplexität verleihen, werden aus Rumänien, Russland und Bulgarien importiert; die Wurzeln und Samen der Angelika geben dem Beefeater sein erdiges Aroma; die getrockneten Schalen der Bitterorangen aus Sevilla, Spanien spielen in der Rezeptur eine große Rolle. In einem sehr gewissenhaft ausgeführten Prozess werden alle Botanicals dem Neutralalkohol zugefügt und über einen Zeitraum von 24 Stunden darin mazeriert. Danach beginnt der abschließende Destillationsprozess. Am Ende wird er auf die Trinkstärke von 47% Vol Alkohol ein­gestellt und abgefüllt.

Der Vater des Beefeater-Gründers James Burrough war seinerzeit ein bedeutender Teehändler. Der heutige Masterdestillateur Desmond ­Payne fand zufällig ein Fragment von dessen Preisliste aus viktoria­nischer Zeit und war sofort inspiriert, aus der Ära dieses Teegeschäfts einen neuen Gin zu kreieren, der sich geschmacklich unter anderen Gin-Sorten hervorheben sollte. So entstand der Beefeater 24.

Payne wählte folgende zwölf Botanicals: japanischen Sencha-Tee, grünen Tee aus China, Schalen der Sevilla-Orange, Grapefruitschalen, Zitronen­schalen, Wacholderbeeren, Koriandersamen, Mandel, Süßholz, Angelika­wurzel, Angelikasamen und Veilchenwurz. Die Botanicals werden für 24 Stunden in Getreidealkohol mazeriert und anschließend in einem siebenstündigen Prozess im «Pot Still»-Verfahren destilliert; der fertige Gin hat 45% Vol.

Das Flaschendesign soll das Alte und das Neue in sich vereinen und wird durch das Relief im Glas besonders unterstrichen, das ein Kunsthandwerk des frühen 20. Jahrhunderts wiedergibt.

Bei Markteinführung Ende Oktober 2008 war er vorerst nur für Spanien und die USA vorgesehen, ist aber mittlerweile auch in vielen weiteren Ländern Europas erhältlich.

2013 erschien der Beefeater Burrough’s Reserve, eine stete, aber stark limitierte Edition, die im Original-Destillierapparat von James Burrough hergestellt wird. Seine goldgelbe Färbung kommt von der anschließenden Lagerung in «Jean de Lillet»-Eichenfässern, die ihm geschmacklich auch eine komplexe Tiefe verleiht. Abgefüllt wird er mit 43% Vol in eine hübsche bauchige Flasche, die von vorn wie ein Ring anmutet und deren rundes Label von ins Glas eingelassenen Wacholderzweigen umrankt wird.

Es gab noch weitere Beefeater-Sorten, die wir hier mit anführen wollen, auch wenn sie zum Verdruss der wahren Gin-Liebhaber nicht mehr hergestellt werden.

Zum einen ist das Beefeater Wet, bei dem es nicht recht nachvollziehbar ist, weshalb er nicht mehr hergestellt wird. Schließlich verfügte er über ein durchaus interessantes Geschmacksprofil, das sich deutlich von dem anderer Beefeater Gins abhob.

 

Zum anderen gab es eine Produktreihe von saisonalen Gins. Die Beefeater Summer Edition hatte den Beefeater London Dry Gin als Basis und wurde durch die Zugabe von Holunderblüten, Hibiskus und Schwarzen Johannisbeeren bereichert. Diese Extra-Botanicals waren auch auf der erfrischend neuen Etikettierung abgebildet.

Nach gleichem Prinzip wurde die Beefeater Winter Edition zusammengestellt, mit dem Unterschied, dass die wärmenden Botanicals Zimt, Muskat, Piniensprossen und reichlich Sevilla-Orangenschalen hinzugegeben wurden und die Flasche ein winterlich-weihnachtliches Etikett erhielt.

Zu guter Letzt gab es zeitweise (ca. 2013) den Beefeater London Market. Das eher unauffällige Etikett ließ eine leichte Verwechslung mit dem Standard-Beefeater zu und man musste schon genau hinschauen, um zu erkennen, dass hier ein neues Beefeater-Produkt im Regal stand. Geschmacklich eine «resemblance of the late 19th century», bei der sich einem förmlich – auf angenehme Weise – die Assoziation mit gestärkten Altmännerhemden im sommerlich muffigen London aufdrängt. Schade, dass auch er nicht mehr hergestellt wird.

Ebenfalls nicht mehr hergestellt wird eigentlich der Beefeater Crown Jewel, doch kurz vor Redaktionsschluss erreichte uns die Nachricht von einer Neuauflage. «Schuld» daran war dem Vernehmen nach die hohe Nach­frage aus der internationalen Bartender-Riege, die diesen Gin ganz besonders wegen seiner ausgezeichneten Mixbarkeit in Cocktails schätzte. Dieser auf 50% Vol eingestellte Gin wird nach der Originalrezeptur von 1993 destilliert, die neun klassische Beefeater Botanicals enthält: Wacholder, Angelika­wurzel und -samen, Koriandersamen, Süßholz, Veilchen­wurz, Schalen der Sevilla-­Orange und spanischer Zitronen sowie spanische Mandeln. Besonderer Zusatz ist hier die Zugabe von Grapefruit als zehnte Zutat.

Dies ist eine einmalige und auf sieben Batches limitierte Neuauflage. Sie wird in 1-Liter-Flaschen abgefüllt und ist fast ausschließlich für den Verkauf an Cocktailbars reserviert. Es wird also schwer sein, einer Flasche für die Vitrine daheim habhaft zu werden.


Londoner Towerwächter «Beefeater»