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Satan und Ischariot II

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»Ia mußiba, ia huzn, ia schaka – 0 Unglück, o Traurigkeit, o Elend!« hörte ich wirr durcheinander schreien. »Das war das Gewehr, welches meilenweit geht! Jetzt traf er die Flinten; nun geht es ans Leben! Bleibt zurück, denn Allah will nicht, daß ein Gläubiger von einem Ungläubigen, einem Zauberer, sterben soll!«

Der Scheik war heruntergefallen, er stand inmitten seiner Reiter, hielt beide Hände gegen den Leib und krümmte sich; der Schlag oder Stoß, den er erhalten hatte, hatte nicht Rücksicht auf seinen Rang genommen. Nachdem ich wieder aufgestiegen war, ritten wir weiter, die Verfolger aber blieben zurück und waren bald nicht mehr zu sehen.

»Ob sie wohl umgekehrt sind?« fragte Emery.

»Fällt ihnen nicht ein, wenigstens dem Scheik nicht. Drei solche Pferde giebt kein Beduine auf.«

»So müssen wir dafür sorgen, daß er unsere Fährte verliert.«

»Das würde nur Zeit kosten und uns doch nichts helfen.«

»Nichts helfen? Wenn er unsere Spuren nicht mehr findet, sind wir ihn doch los!«

»Nein. Du hast doch seine Mitteilung gehört, daß der Kolarasi nach Hammamet will. Er weiß, daß wir diesem folgen, also auch dorthin reiten werden. Er wird auch nach Hammamet gehen, gleichviel ob er unsere Fährte sieht oder nicht, und dort seine Pferde von uns fordern.«

Wir ritten den ganzen Tag hindurch, ohne einen unserer Verfolger wieder zu Gesicht zu bekommen. Ebensowenig sahen wir die Fährte derer, welche wir verfolgten. Das war aber auch nicht nötig, da wir nun wußten, wohin sie sich gewendet hatten. Den Vorsprung, der ihnen so günstig war, konnten wir nun unmöglich einholen, und unsere einzige Hoffnung war, daß es in dem kleinen Hammamet augenblicklich kein Schiff gab, mit welchem sie in See gehen konnten.

Gegen Abend hatten wir die diesseitige Ebene hinter uns und kamen in die Ussalatberge, wo wir hinreichend Futter und auch Wasser für unsere Pferde fanden. Für uns selbst gab es außer dem Wasser nichts, und da wir keinerlei Nahrungsmittel bei uns hatten, mußten wir uns ziemlich hungrig schlafen legen, was uns aber nicht genierte, da wir dergleichen gewohnt waren.

Am nächsten Tage trafen wir bei den Ruinen von Nabhannah auf Ussalahbeduinen, welche uns freundlich aufnahmen. Für einige kleine Silberstücke erhielten wir von ihnen soviel Proviant, daß wir bis Hammamet recht gut ausreichen konnten.

An diesem Tage ritten wir bis Mahalute-Kasr, wo wir übernachteten, und am nächsten über die Zehlum-Ruinen, Kasr-azeït und El Menarah nach Hammamet, welches wir am Abende erreichten.

Mein erster Gang dort war gleich zu dem Rejjis el minal,[33] der auch zuweilen Rejjis el mersa genannt wird. Von ihm erfuhr ich, natürlich nur gegen ein Trinkgeld, daß seit vier oder fünf Tagen kein Schiff außer einem kleinen Kutter den Hafen verlassen habe.

»Wem gehört derselbe?« »Dem Juden Musah Babuam in Tunis.«

Dies hatte ein höchst günstiger Zufall für die beiden Flüchtlinge gefügt, und ich war überzeugt, daß sie die Gelegenheit benutzt hatten, dennoch erkundigte ich mich:

»Hatte der Kutter nur Fracht oder auch Passagiere?« »Zwei Passagiere.« »Wer waren sie?«

»Ein Kolarasi des Pascha, welcher zur See nach Tunis wollte, und ein junger Mann aus dem Beled Amirika.«

»Wann ist der Kutter abgefahren?«

»Heut morgen mit der Ebbe. Die Passagiere waren kurz vorher hier angekommen. Sie haben schnell ihre Kamele verkauft und sind dann gleich an Bord gegangen, da sie in der letzten Stunde vor der Abfahrt angekommen waren.«

»Wird das Schiff vor Tunis irgendwo anlegen?« »Nein, denn die volle Ladung ist nach Tunis bestimmt.« »Und wie lange wird es währen, bis es dort anlangt?« »Bei dem jetzigen Winde wohl drei Tage.«

Die Auskunft war mir recht, da ich in weniger als zwei Tagen von Hammamet nach Tunis reiten konnte. Ich kam also einen vollen Tag vor dem Kutter dort an.

Freilich war es fraglich, ob die beiden Meltons so verwegen sein würden, dort zu landen; aber es gab für sie in Tunis, wenn nicht die einzige, so doch die nächste Gelegenheit, an Bord eines großen Dampfers zu kommen, wenn sie nicht schon vorher auf dem Wasser zufällig auf einen solchen stießen und von demselben aufgenommen wurden.

Der Ansicht war auch Emery. Er sprach seine Zustimmung aus und fragte dann:

»Wir reiten morgen früh wieder ab?«

»Wenn es dir recht ist. Oder hast du einen andern Vorschlag?«

»Ich denke. Du warst doch überzeugt, daß der Scheik uns seiner Pferde wegen hierher folgen werde. Er kann kurz nach uns eintreffen und uns hier Weitläufigkeiten bereiten. Ist es da für uns nicht besser, ihm aus dem Wege zu gehen? «

»Du hast recht. Reiten wir also eine kleine Strecke fort, auf dem Wege nach Soliman zu. Uns ist es doch ganz gleich, wo wir übernachten, da wir lieber im Freien als in einem Menzil[34] dieser kleinen Stadt schlafen.«

So verließen wir also Hammamet noch am Abende und übernachteten in einem offenen Olivengarten, der in der Nähe lag. Am nächsten Tage ritten wir dann bis nach Soliman, und am folgenden trafen wir nachmittags in Tunis ein, wo wir mit Schmerzen auf den Kutter warteten. Die drei Pferde lieferte ich im Bardo ab, wo sie zur Verfügung des Herrn der Heerscharen untergebracht wurden.

Nach der Berechnung des Hafenkapitäns hätten wir nur einen Tag uns auf die Ankunft des Kutter zu ge- gedulden gehabt; es vergingen aber fast drei volle Tage, ehe er sich im Hafen von Goletta zeigte. Es stieg kein Passagier aus. An den Kapitän durfte ich mich nicht wenden; der war für meine Zwecke jedenfalls zu schlau; aber als das kleine Fahrzeug sich vor Anker gelegt hatte, hörte ich ein Geheul an Bord und sah, daß ein Knabe dort Prügel bekam und nachher fortgejagt wurde. Er kam über die Planke herübergelaufen, drehte sich dann um, drohte mit beiden Fäusten zurück und stieß Worte aus, die ich nicht verstehen konnte, weil ich zu fern von ihm stand. Er trollte langsam nach der Stadt zu, und ich folgte ihm.

Als fortgejagter Schiffsjunge war er existenzlos; das schien ihm aber ganz und gar nicht zu Herzen zu gehen. Sein Unterhalt machte ihm keine Sorge; er wußte genau, wie er zu beschaffen war, denn als ich ihn erreicht hatte und so that, als ob ich an ihm vorübergehen wolle, streckte er mir die Hand entgegen und forderte ein Backschisch. Ich gab ihm reichlich und fragte ihn dann nach seinen Verhältnissen aus. Er war, was wir bei uns ein »sauberes Früchtchen« nennen würden, hatte trotz seiner vierzehn Jahre schon viel durchgemacht und war nun auch zum erstenmal auf der See gewesen, bei der Ankunft aber durchgeprügelt und fortgejagt worden.

»Hattet ihr Güter oder Reisende an Bord?« fragte ich.

»Auch zwei Reisende.«

»Sind die hier in Goletta ausgestiegen?«

»Nein; wir mußten sie erst nach der Insel Pantellania fahren, wo sie ausstiegen und sich fränkische Kleider kauften; dann nahmen wir sie wieder auf und segelten solange hin und her, bis ein großes Dampfschiff erschien, auf welches sie stiegen, um mitzufahren.«

»Wie hieß dieses Schiff?«

»Ich weiß es nicht.«

»Woher kam es, und wohin fuhr es?«

»Auch das kann ich nicht sagen, denn mein Rejjis[35] meinte, ich brauche es nicht zu wissen.«

Mehr erfuhr ich nicht; der Junge war zum erstenmal auf dem Wasser gewesen und kannte die bezüglichen Verhältnisse zu wenig, als daß er mir hätte Auskunft geben können. Nur das eine war gewiß, das Wichtigste und zugleich Unangenehmste, nämlich, daß die Gesuchten auf einen jedenfalls europäischen großen Dampfer entkommen waren. Natürlich hatten sie die Absicht, die schnellste Gelegenheit nach Amerika zu ergreifen, und es galt nun, wenn ihnen nicht zuvorzukommen, so doch ihnen wenigstens nicht die Zeit zu ihrem betrügerischen Vorhaben zu lassen.

Dies teilte ich meinen Gefährten mit, welche mit mir in demselben Hotel wohnten, in welchem wir nach unserer Ankunft abgestiegen waren, und sie erklärten sich einverstanden, mit dem Dampfer abzufahren, welcher morgen nach Marseille fällig war; dort würde sich, davon waren wir überzeugt, schnell eine weitere Schiffsgelegenheit bieten.

Sie gingen dann fort, um einige notwendige Vorbereitungen zu treffen, und ich blieb allein, um Notizen einzutragen. Da hörte ich eilige Schritte draußen; man klopfte stark an und riß die Thür auf; ich erhob mich schnell, um den Betreffenden über diese Ungebührlichkeit zur Rede zu stellen, hielt aber meine Strafrede gern zurück, denn hereinstürmte – mein alter, lieber Krüger-Bei. Er umarmte, drückte, quetschte und preßte mich aus Leibeskräften und rief dabei:

»Ihnen schon wieder hier, hier in Tunis! Niemand dürfte gedacht haben, daß eine so schnelle Anwesenheit möglich sei.«

»Ja, es ist schneller gegangen, als ich selbst geglaubt habe,« antwortete ich, indem ich ihm die Rechte schüttelte. »Sie kommen selbst, uns aufzusuchen. Woher wissen Sie, daß wir uns schon wieder hier befinden? Man hat Ihnen wohl die Pferde gezeigt, welche wir mitgebracht haben?«

»Ja, ja, und habe deshalb angenommen, daß Sie auch da seien.«

 

»Allerdings; diese Pferde konnten nicht allein nach Tunis gelaufen sein; das ist sehr richtig. Auch wird man Ihnen gesagt haben, wer sie abgeliefert hat. Wie gefallen sie Ihnen?«

»Vortrefflich; bei Gewißheit der reinsten Rasse kann sie eigentlich niemand bezahlen.«

»Ja, es ist echtes, reines Vollblut, für welches kein eigentlicher Preis angegeben werden kann; solche Tiere sind eben unbezahlbar.«

»Und wie sind Sie in den Besitz der Pferde gekommen?«

»Ich werde es Ihnen erzählen. Sagen Sie mir aber vorher, wie es kommt, daß auch Sie schon hier angekommen sind! Ich habe angenommen, daß Ihre Gegenwart bei den Uled Ayars länger notwendig ist.«

»Dieser Notwendigkeit bin ich überhoben gewesen durch rasches Handeln nebst schnellem Eingriff bei den Uled Ayuns, daß sie zur Verteidigung keine Zeit hatten.«

Er erzählte mir nun in seinem klassischen Deutsch, daß er meiner Bemerkung in dem Briefe, ich würde noch während der Nacht frei sein, Glauben geschenkt hatte. Dennoch war er sofort aufgebrochen, um, falls meine

Hoffnung sich nicht erfüllen Sollte, uns zu befreien. Die Uled Ayuns hatten noch im Wadi, aus dem wir inzwischen entkommen waren, gelegen. Sie waren freilich vorher entschlossen gewesen, es zu verlassen, an der Ausführung des Vorhabens aber durch unsere Flucht verhindert worden, da ihr Scheik uns, wie wir vermutet hatten, mit einigen seiner besten Krieger bis Hammamet gefolgt war; sie mußten also im Wadi auf ihn warten. Krüger-Bei hatte alle seine Reiter und auch die Uled Ayars bei sich gehabt; er war ihnen infolgedessen weit überlegen gewesen und hatte sie im Wadi so eingeschlossen, daß sie gezwungen gewesen waren, sich ihm ohne Gegenwehr zu ergeben. Schnell entschlossen, war er über noch zwei andere Unterabteilungen des Stammes hergefallen und hatte auch diese überwältigt. Nun waren die Ayuns gezwungen gewesen, den hohen Blutpreis an die Ayars zu bezahlen, eine Angelegenheit, welche freilich nicht an einem oder in einigen Tagen abgewickelt werden konnte.

Die Anwesenheit Krüger-Beis war dabei nicht nötig gewesen; er hatte also für alle Fälle zwei Schwadronen zurückgelassen, und war mit den übrigen Truppen nach Tunis zurückgekehrt, wo er sofort nach seiner Ankunft hörte, daß wir im Bardo gewesen waren und dort die Pferde übergeben hatten. Er nahm ganz selbstverständlich an, daß wir uns in dem Hotel befänden, in welchem wir früher abgestiegen waren, und war nun selbst gekommen, um uns dort aufzusuchen.

Da wir schon morgen fort wollten, galt es, noch heute die amtlichen Erhebungen zu veranlassen, um die Legitimationen zu vervollständigen, die wir in Beziehung auf die Ermordung Small Hunters in den Händen hatten. Krüger-Bei hielt die Angelegenheit für wichtig genug, sie Mohammed es Sadok Pascha, dem Herrscher von

Tunis, selbst vorzutragen; er that dies ungesäumt; dann hatten wir eine Audienz bei dem Vertreter der Vereinigten Staaten, und noch ehe es Abend geworden war, befanden wir uns im Besitze von Dokumenten, die den beiden Meltons, wenn wir sie erwischten, das Leben kosten mußten.

Den Abend brachten wir im Bardo bei meinem alten Freunde zu. Er hätte uns gern viel länger behalten, mußte aber zugeben, daß es für uns unmöglich sei, auf seinen Wunsch einzugehen, hoffte jedoch, uns, oder wenigstens mich, recht bald einmal wiederzusehen.

Am andern Tage traf der Dampfer pünktlich ein. Krüger-Bei ließ es sich nicht nehmen, uns nach dem Hafen zu begleiten; ja, er ging sogar mit an Bord, um sich zu überzeugen, daß wir gut untergebracht seien. Dann verabschiedete er sich von uns, und das Schiff trug uns den beiden entkommenen Verbrechern nach.

33Hafenkapitän.
34Einkehrort.
35Kapitän.