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Satan und Ischariot I

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Die Sennora aber rief ihrem untergebenen Vorgesetzten oder vorgesetzten Untergebenen zu:

»Hast du es gehört? Das ist eine That, welche deiner würdig ist. Ich hoffe, daß du den gefährlichen Verbrecher ergreifst und ihn keinem andern überlässest!

Du wirst dafür täglich zwei Cigaretten mehr rauchen dürfen als bisher.«

Er machte ein Gesicht, als ob er selbst soeben ergriffen und arretiert worden sei. Sie bemerkte das nicht, warf mir einen fast mitleidigen Blick zu und fuhr fort:

»Sie scheinen auch nicht der Held zu sein, für den wir Sie halten sollen, Sennor, sonst würden Sie sich nicht so darüber freuen, daß der Player schon gefangen ist, wenn Sie hinkommen.«

»Allerdings freue ich mich, und das kann mir niemand übel nehmen. Der Mann ist wirklich mehr als lebensgefährlich. Jede Kugel, welche trifft, macht ein Loch in die Haut.«

»Und Sie sind wohl kein Freund von solchen Löchern?«

»Nein, denn wenn sie zu tief gehen, ist‘s zu Ende mit einem.«

»So gebe ich Ihnen freilich den Rat, sich hübsch in acht zu nehmen, daß Ihre liebe Haut nicht verletzt wird. Mein Mann aber weiß, daß dem Mutigen die Welt gehört und dem Kühnen das Glück günstig ist. Meine Seele wird ihn umschweben und beschützen. Meinst du nicht, lieber Mann?«

»Ja,« nickte er mit einem Gesichte, als ob er Pfefferkörner anstatt Korinthen zerbissen hätte. »Vergiß aber nicht, mir auch ein Kissen auf den Sattel legen zu lassen, damit ich das Pferd nicht allzusehr drücke!«

Sie schlüpfte aus ihrer Hängematte und ging an mir vorüber, ohne mich anzusehen. Ich war in ihren Augen ein feiger Wicht, der sich fürchtete, ein Loch in die Haut zu bekommen. Vor Winnetou aber blieb sie stehen, ließ ihn ihr liebenswürdigstes Lächeln sehen und fragte:

»Sennor Winnetou, Sie haben also wirklich die Absicht, die Nacht hier in Ures zu verbleiben?«

Das Gesicht, mit welchem der Apatsche auf sie niederblickte, war nicht zu beschreiben. Was sich in demselben aussprach, war Mitleid und zugleich Erstaunen darüber, daß sie es wagte, ihn direkt anzureden. Ich verstand seinen Blick und antwortete an seiner Stelle:

»Ja, wir bleiben bis morgen da.«

»Warum antworten denn Sie? Lassen Sie doch Winnetou reden!« sagte sie, indem sie mir einen verächtlichen Blick zuwarf. »Er hat gehört, daß ich ihn verehre, und wird mich doch wohl seine Stimme hören lassen.«

Sie wiederholte ihre Frage, und da er nun zu antworten gezwungen war, nickte er bejahend.

»So gebe ich mir die Ehre, Sie einzuladen, mein Gast zu sein,« fuhr sie fort. »Wollten Sie die Einladung annehmen, so würden Sie mich sehr beglücken.«

»Meine weiße Schwester mag glücklich sein,« antwortete er. »Ich nehme an.«

»Und ich darf Damen zu mir laden, welche Winnetou feiern werden?«

»Winnetou weiß, daß die Bleichgesichter Bären fangen und einsperren, um sie sehen zu lassen; aber er ist kein Bär.«

»Also kein Fest?« fragte sie mit sehr enttäuschtem Gesichte.

»Nein,« sagte er, drehte sich um und ging hinaus; ich folgte ihm, und wir entfernten uns, ohne ein Wort des Abschiedes zu verlieren. Wir hatten in der Stadt nichts zu suchen. Einige Kleinigkeiten kauften wir ein; dann holten wir unsere Pferde und führten sie vor die Stadt hinaus ins Freie, wo wir uns wohler befanden als im Innern derselben. Es gab da ein laufendes Wasser und saftiges Gras für die Pferde. Wir legten uns nieder, einen tüchtigen Schlaf zu thun. Noch ehe wir eingeschlafen waren, sahen wir die Helden vorüberreiten. Die Dame hatte also, trotzdem wir fort waren, auf der Ausführung des Planes bestanden. Der kleine Trupp bestand aus fünf Personen, dem Haziendero, drei Polizisten und dem »Juriskonsulto«. Die vier trugen ihre Uniformen, was selbst den ernsten Winnetou zum Lachen nötigte, ihm aber doch kein Wort des Witzes oder Spottes abzuringen vermochte. Die Pferde waren gut; der Haziendero und die drei Polizisten ritten ganz leidlich; der von seiner Gattin »Juriskonsulto« genannte aber bildete eine weniger reizende Figur. Er hatte ein Kissen unter sich, und eines hinter sich angeschnallt. Beide glänzten aus der Ferne zu uns herüber; sie waren also wohl mit feinem weißen Leinen »neuwaschen« überzogen worden. Wer sich zu einem Ritte in die wilden Berge hinauf mit solchen Ausrüstungsgegenständen versieht, wird alles andere verrichten, aber nur keine Heldenthaten! »Glück auf den Weg, mein Feldherr!« dachte ich und machte die Augen zu, fest überzeugt, daß die fünf Reiter nicht über vielen und großen Ruhm auf ihrem Pfade stolpern würden.

Wir schliefen, ohne gestört zu werden, den Nachmittag und die Nacht, also viel besser und länger, als wir in der Stadt, in einem Hause und Bette geschlafen hätten. Die Pferde hatten wir nicht angebunden, da wir ihrer sicher waren; die beiden Tiere waren treu und wachsam wie die Hunde; sie gingen nicht von uns fort, und hätten uns sogar gewiß geweckt, falls jemand in unsere Nähe gekommen wäre. Als wir uns in den Sattel setzten, ging eben die Sonne auf. Wir waren frisch und munter, und auch die Pferde hatten sich vollständig erholt und wieherten freudig in die frische Morgenluft hinaus.

Wir ritten natürlich nach der Hazienda zurück, und zwar folgten wir während der ersten Stunden der Fährte unserer fünf Helden, welche von gestern her noch leidlich im Grase zu sehen war. Dann lenkte dieselbe von unserer Richtung scharf rechts ab.

»Mein Bruder Shatterhand hat sie richtig beurteilt,« sagte Winnetou. »Sie reiten nicht über die Hazienda, weil sie sich vor dem Player fürchten. Das weiße Weib wird mit ihrem nicht stillstehenden Munde nicht viel Rühmenswertes von ihrem Manne zu erzählen haben. Uns aber werden die Männer vielleicht Aerger bereiten.«

»Möglich!« antwortete ich. »Aber groß wird er nicht sein, und ich will einen kleinen Aerger sehr gern auf mich nehmen, wenn ich mir bei demselben sagen kann, daß der selbstsüchtige und undankbare Haziendero und der lächerliche Rechtsgelehrte ihrer Strafe entgegenreiten.«

»Ist mein Bruder auf einmal rachsüchtig geworden?«

»Das nicht; aber ich habe mich über beide geärgert und sage mir, daß eine etwas kräftige Belehrung ihnen gar nichts schaden kann. Sie werden dann das, was wir gethan haben, besser beurteilen und also schätzen lernen.«

Unser Ritt verlief, ohne daß sich während desselben etwas Erwähnenswertes ereignete, und es war kurz vor Tagesanbruch, als wir die Grenze der Hazienda erreichten. Das Feuer war nicht bis an die Stelle, wo wir anhielten, gedrungen; es befand sich dort ein Buschwerk, welches sich zum Verstecke eignete, und dieses hatten wir unsern beiden Mimbrenjos als Rendezvous bezeichnet. Sie waren da, und zwar mit ihren Pferden, und kamen, als sie uns hörten, aus dem Gesträuch gekrochen.

»Ihr seid beide da?« sagte ich. »Das ist ein Zeichen, daß ihr den Player nicht zu bewachen braucht. Liegt der irgendwo fest, oder ist er fort?«

»Er war fort, ist aber wieder zurück, und hat sich nicht weit von hier am Bache schlafen gelegt,« antwortete der Yumatöter.

»Wie weit er fort war, wißt ihr nicht?«

»Wir wissen es, indem wir es berechnen. Als Old Shatterhand und Winnetou sich entfernt hatten, übergab ich meinem Bruder unsere Pferde und folgte der Spur des Bleichgesichts, welches Player heißt. Meine beiden berühmten Brüder wissen, daß dieselbe über die Höhe hinab in den Wald führt. Dort hat das Bleichgesicht sein Pferd stehen gehabt und es sofort bestiegen, um eiligst fortzureiten. Die Hufspuren zeigten, daß die Schritte nicht langsam gewesen waren. Ich folgte ihnen, bis der Wald zu Ende ging, und sah, daß er von dort aus Galopp geritten war.«

»Wie war die Gegend beschaffen?«

»Mit Gras bewachsen und eben, mit wenigen niedrigen Hügeln.«

»Ging seine Spur geradeaus wie der Weg eines Flüchtlings, welcher möglichst schnell entkommen will?«

»Nein, sondern in Windungen zwischen den Hügeln hindurch, über welche er hätte kommen müssen, wenn er geradeaus geritten wäre.«

»So ist die Absicht, uns zu entkommen, nicht der einzige Grund dafür, daß er Galopp geritten ist; es giebt noch einen andern. Hätte ihn allein die Angst vor uns getrieben, so wäre sein Weg wie der Flug einer Kugel gewesen, welche nicht nach rechts und nicht nach links abweicht. Wer aber so eilig ist, ohne jemand hinter sich zu haben, der ihn treibt, der muß jemand vor sich haben, zu dem er schnell kommen will. Es giebt also in der Richtung, in welcher er davongeritten ist, Leute, denen er sein Zusammentreffen mit uns hat melden wollen.«

»Ja. Ich folgte seiner Fährte nicht aus dem Walde hinaus ins Freie, weil er sonst bei seiner Rückkehr meine Spur gesehen hätte, sondern ging zu meinem jüngern Bruder, um zunächst mit ihm die Pferde zu verstecken und dann nach der Stelle zurückzukehren, an welcher die Fährte des Player aus dem Walde in das Freie trat. Dort legten wir uns weit voneinander, um eine größere Strecke übersehen zu können, auf die Lauer.«

Das war so umsichtig gehandelt, daß ich es nicht hätte besser machen können.

»Haben meine jungen Brüder ihn wiederkommen sehen?« fragte ich.

»Ja, gestern, als die Sonne gerade auf ihrem höchsten Punkte stand.«

»Also Mittwoch zur Mittagszeit, und Montag kamen wir hier an. Der Ort, wo er gewesen ist, liegt also einen Tagesritt von hier entfernt. In welcher Richtung?«

»Nach Ost.«

»Also nach der Fuente zu. Wir werden wohl erfahren, ob dort auch nur ein einzelner Posten steht, oder ob mehrere sich dort befinden. Es scheint, daß man eine Postenkette von hier aus gelegt hat, damit, falls hier etwas Wichtiges geschieht, die Nachricht davon weitergegeben werden kann.«

»Es müssen sich mehrere Indianer dort befinden, denn der Player hat ein weißes Pferd gehabt und ist auf einem schwarzen zurückgekehrt.«

»Ein weißes? Du hast es doch nicht gesehen!«

»Nein; aber da, wo es im Walde angebunden gewesen ist, hing an einem kleinen Zweige ein weißes Schwanzhaar, weiches nur von einem Schimmel herrühren konnte. Und als er zurückkam, saß er auf einem Rappen, welcher nicht für ein Bleichgesicht, sondern für einen roten Krieger aufgeschirrt war.«

 

»Hm! So besteht der Posten, zu dem er sich begeben hat, allerdings aus mehreren Indianern. Er hat sein ermüdetes Pferd abgegeben und für dasselbe ein frisches genommen, um schnell zurückkehren zu können. Die Botschaft, welche er brachte, mußte auf einem ebenso frischen Pferde weitergetragen werden. Daraus folgt, daß mehrere ausgeruhte Pferde und also auch mehrere Reiter vorhanden gewesen sind. Das ist gut, zu wissen, obgleich wir ihn wohl zwingen werden, uns Antwort zu geben. Meine Brüder wissen also, wo er sich jetzt befindet?«

»Ja. Wir haben gesehen, wo er sich niederlegte, und da er ermüdet war, wird er den Ort noch nicht verlassen haben, sondern fest schlafen.«

»So führt uns jetzt zu ihm, damit wir ihn überraschen!«

Wir banden unsere Pferde an und folgten den Brüdern in der Richtung nach dem Gemäuer der Hazienda. Es dämmerte bereits, und bald sahen wir den wie einen Priester gekleideten Halunken unweit einer Krümmung des Baches liegen. Es war das eine sehr gut gewählte Stelle, da sie so lag, daß jeder Schall und jedes Geräusch von allen Richtungen nach derselben getragen wurde. Er hatte eine Decke unter dem Kopfe, und neben ihm lag ein Gewehr, welches ich bei unserm ersten Zusammentreffen nicht bei ihm gesehen hatte. Er schlief fest. Wir näherten uns ihm mit unhörbaren Schritten und setzten uns so um ihn nieder, daß wir ein Viereck bildeten und ihn zwischen uns hatten. Sein Gewehr nahm ich natürlich weg und legte es so weit fort, daß er es nicht erlangen konnte. Wir hatten Zeit, da wir unsere Pferde ruhen lassen mußten, und warteten also, ohne ihn aufzuwecken, uns innerlich über sein Erwachen freuend. Da sein langer Rock nicht zugeknöpft war, sahen wir, daß er unter demselben einen Gürtel trug, in welchem ein Bowiekneif steckte. Auch die Griffe von zwei großkalibrigen Revolvern sahen aus demselben hervor.

Indem ich sehr langsam und äußerst vorsichtig vorging, gelang es mir, das Messer und einen der Revolver hervorzuziehen; der andere steckte aber fester, und so kam es, daß er die Berührung fühlte und darüber erwachte. Schnell und ohne Schlaftrunkenheit, wie ein echter Westmann, richtete er sich in sitzende Stellung auf und fuhr mit beiden Händen in den Gürtel, aus welchem ich den zweiten Revolver natürlich vollends rasch herausgezogen hatte. Aber so ganz geistesgegenwärtig, wie zum Beispiel Winnetou in solcher Lage gewesen wäre, war er doch nicht. Er starrte uns mit großen Augen an und öffnete den Mund, um zu sprechen, brachte aber nichts hervor.

»Good morning, Master Player!« grüßte ich. »Ihr habt sehr fest und gut geschlafen, und das war Euch nach dem weiten Ritte, den Ihr seit Montag gemacht habt, wohl zu gönnen.«

»Was – wißt Ihr – von meinem – – Ritte?« brachte er nun doch hervor.

»Fragt doch nicht so dumm! Leute wie wir werden doch wissen, wo Ihr gewesen seid! Da oben bei den Roten, um zu melden, wen Ihr hier gesehen habt, und Euern Schimmel gegen einen Rappen umzutauschen.«

»Wahrhaftig, er weiß es! Was wollt ihr hier, Sir? Warum treibt ihr euch nun mehrere Tage lang in dieser tristen Gegend herum, wo für Mensch und Tier nichts mehr zu finden ist?«

»Ganz dasselbe könnte ich Euch fragen, will es aber unterlassen, weil es überflüssig ist. Aber vorstellen möchte ich mich Euch. Oder habe ich Euch meinen Namen schon am Montag genannt?«

»Ist nicht nötig, denn wo man Winnetou sieht, ist sicher auch Old Shatterhand zu finden. Daran dachte ich am Montag nicht sogleich.«

»Glaube es! Denn hättet Ihr daran gedacht, so wäret Ihr nicht ausgerissen. Ihr habt doch jedenfalls gehört, welch ein guter und sogar intimer Freund von Melton und den Wellers ich bin, und da Ihr mit diesen Gentlemen so eng verbunden seid, ist Eure Flucht eigentlich ein Unsinn zu nennen. Es war auch vollständig überflüssig, den Indianern die Botschaft zu überbringen. Wir können das viel besser als Ihr besorgen, denn wir wollen ja auch hinauf.«

»Nach Almaden alto?« entfuhr es ihm.

Das war der Name des Quecksilberbergwerkes, welches man nach dem berühmten spanischen Quecksilberbergwerke Almaden so genannt hatte. Almaden alto heißt Hoch Almaden – weil es hoch in den Bergen liegt.

»Ja, nach Almaden alto,« antwortete ich, »und vorher nach der Fuente de la Roca, um meinem Freunde Melton eine Visite zu machen. Er ist krank an den Händen, wie Ihr wißt. Es ist einer so rücksichtslos gewesen, ihm die Hände aus den Gelenken zu drehen, und so muß ich als guter Freund doch einmal hin, um nach seinem Befinden zu fragen. Man kennt doch die Verpflichtungen, welche die Freundschaft einem auferlegt!«

Er wußte natürlich recht gut, was geschehen war; er mußte es erfahren haben. Und so verstand es sich ganz von selbst, daß er meine Worte als das nahm, was sie waren – Hohn. Seine Lage war keine angenehme; das sah er ein; aber wenn er auch wußte, daß er von Winnetou nichts Gutes zu erwarten hatte, so hatte er demselben doch keinen Grund zur persönlichen Rache gegeben, und mir war von ihm ja erst recht nichts geschehen. Darum fühlte er sich wenigstens in Beziehung auf sein Leben und seinen Körper für sicher und nahm an, daß es geraten sei, uns keine Furcht zu zeigen, sondern im Tone begründeter Befremdung zu fragen:

»Was geht mich Euer Verhältnis zu Melton an? Daß Ihr ein Freund von ihm seid, habe ich mir gleich am Montage denken können, da Ihr nach ihm fragtet und von meinem Hiersein unterrichtet waret. Aber was Ihr von mir wollt, das geht mich etwas an! Ihr habt Euch heimlich herangeschlichen, mich umringt und mir die Waffen genommen. Warum das? Ich habe Old Shatterhand stets für einen ehrlichen Mann gehalten!«

»Der bin ich auch, und darum habe ich eine so intime Bekanntschaft mit Melton und den beiden Wellers gemacht; sie werden Euch viel Liebes und Gutes von mir erzählt haben?«

»Sie haben allerdings von Euch gesprochen. Ich hörte von ihnen, daß Ihr in Gefangenschaft der Yumas geraten wäret und am Marterpfahle sterben solltet, und sehe nun zu meinem Erstaunen, daß Ihr Euch schon wieder auf freiem Fuße befindet.«

»O, darüber braucht Ihr nicht zu erstaunen. Ihr werdet wahrscheinlich gehört haben, daß ich schon öfters Gefangener gewesen bin und am Pfahle habe sterben sollen; aber wie es scheint, pflegt es den Roten nicht so leicht zu werden, mich festzuhalten. Ich besitze die für sie fatale Eigentümlichkeit, sie immer wieder ohne Abschied im Stiche zu lassen und darauf unvermutet wiederzukommen, um mich ihnen erkenntlich zu zeigen. So ist es auch diesmal gewesen. Ich bin den Yumas davongelaufen und dann zurückgekehrt, um sie gefangen zu nehmen.«

Ich teilte ihm von dem, was geschehen war, in kurzer Weise so viel mit, wie ich für nötig hielt. Die Wirkung zeigte sich sofort.

»Was? Die Mimbrenjos kommen?« fragte er, indem er sich entfärbte.

»Ja, sie kommen. Ihr seht schon zwei ihrer jungen Krieger hier bei mir. Das scheint Euch zu erschrecken. Wahrscheinlich steht Ihr mit den Mimbrenjos auf etwas gespanntem Fuße. Wenn das ist, so bin ich gern bereit, mich Eurer anzunehmen, so daß sie Euch nichts anhaben können.«

»Das wäre mir lieb, sehr lieb!« beteuerte er eifrig. »Ich habe nicht die Absicht, ihnen zu begegnen.«

»Schön! Ich werde Euch helfen, indem ich Euch mit mir nehme in die Yumaberge zu unserm Freunde Melton.«

Seine Verlegenheit wuchs. Er wußte genau, daß meine Worte nur Ironie enthielten und daß keine Rede davon sein konnte, ihn in meinen Schutz zu nehmen; ja, er hatte das Gegenteil von Schutz zu befürchten. Um über meine Absichten klar zu werden, sagte er:

»Nehmt meinen Dank für diese Freundlichkeit, Sir! Aber wenn Ihr es so gut mit mir meint, warum behaltet Ihr mir da meine Waffen vor?«

»Das geschieht zu Euerm Besten, Master Player. Wenn die Mimbrenjos noch vor unserm Aufbruche kommen sollten, könntet Ihr leicht durch Eure bekannte Tapferkeit versucht werden, einen unnötigen Gebrauch von Euern Waffen zu machen. Das würde die Roten gegen Euch aufbringen, und darum haben wir Euch in Rücksicht auf Euer Heil diese Gegenstände einstweilen abgenommen.«

Er wußte nicht, was er sagen sollte, und schwieg. Ich fuhr fort:

»Wir werden noch weiter für Euer Wohl besorgt sein, indem wir Euch ein wenig fesseln, damit Ihr die Mimbrenjos nicht etwa zufälligerweise reizen könnt, und dabei auch Eure Taschen untersuchen, weil sie leicht etwas enthalten könnten, was die Roten Euch übelnehmen.«

»Sir, redet Ihr im Ernste?« fuhr er auf. »Was habe ich Euch gethan, daß Ihr mich hier überfallen habt und nun sogar aussuchen und binden wollt?«

»Uns? Nichts! Ich habe zum erstenmale das Vergnügen, Euch zu sehen; was könnt Ihr mir da gethan haben! Aber da Ihr Aufrichtigkeit wünscht, so will ich Euch ehrlich sagen, was ich will. Ihr seid da oben in Almaden alto gewesen?«

»Nein, ich war noch nicht oben.«

»Und ich sage Euch: Ihr waret oben, und da Ihr nicht freiwillig reden wollt, werde ich Euch den Mund öffnen. Wenn Ihr meint, mich belügen zu können, so bekommt Ihr Hiebe, daß Euch die Haut dampft. Bindet ihn!«

Indem ich den beide Mimbrenjos diese Aufforderung zurief, nahm ich ihn mit der einen Hand bei der Gurgel und mit der andern beim Gürtel, drückte ihn nieder und hielt ihn fest. Er schrie, was er schreien konnte, schlug mit den Armen um sich und stampfte mit den Beinen, doch nur für wenige Sekunden; dann war er gefesselt.

»Was fällt Euch ein! Was habe ich Euch gethan?« rief er. »Ihr habt keinen gewöhnlichen Mann vor Euch! Ich bin Mormone; ich gehöre zu den Heiligen der letzten Tage. Nun wißt Ihr, wie Ihr mich zu behandeln habt!«

»Ja, nun wissen wir es!« antwortete ich. »Ihr seid ein Glaubensbruder von Melton und sollt gerade so wie er behandelt werden!«

»Mein Himmel!« zeterte er. »Wollt Ihr mir etwa auch die Hände brechen?«

Ich hatte ihm erst Schläge zugedacht, was aber für den Zuschauer sehr peinlich ist. Da er mich selbst auf einen andern und auch bessern Gedanken brachte, ging ich auf denselben ein und nahm seine gefesselten Hände zwischen die meinigen. Die Angst, sich die Hände brechen lassen zu müssen, wirkt jedenfalls besser, als ein Dutzend Hiebe auf den Rücken. Kaum hatte ich zugegriffen und einen kräftigen Druck gegeben, so brüllte er entsetzt auf:

»Nein, halt, nicht brechen, nicht brechen! Ich werde alles sagen!«

»Gut, ich will nachsichtig sein und noch warten. Beantwortet meine Fragen der Wahrheit gemäß! Lügt Ihr aber, so prasseln Euch sofort die Knochen! Also Ihr waret droben in Almaden alto und auch an der Fuente de la Roca?«

»Ja.«

»Ihr kennt die Gegenden so genau, daß Ihr als Führer dienen könnt?«

»Ich kenne sie genau. Ich war öfters dort, noch vor Melton und den Wellers.«

»So seid Ihr also der eigentliche Kundschafter, welcher vorausgeschickt worden ist?«

»Das war ich. Ich habe Melton auf die Hazienda und das Bergwerk aufmerksam gemacht.«

»Die deutschen Emigranten werden nach Almaden alto geschafft, um dort unter der Erde graben zu müssen?«

»Ja.«

»Das war schon bestimmt, ehe sie drüben in ihrem Vaterlande engagiert wurden?«

»Ja.«

»Sind Yumas oben?«

»In Almaden und an der Fuente. Auch unterwegs hält nach jeder Tagesreise ein Posten von fünf Mann.«

»Was sollen die Yumas in Almaden?«

»Sie sollen für den Proviant und den Transport sorgen, und werden dafür aus dem Ertrage des Bergwerkes bezahlt.«

»Wieviel Mann sind es?«

»Dreihundert lagern in Almaden, zwanzig an der Fuente, und viermal fünf sind von hier bis hin als Posten aufgestellt.«

»Wann kommen die Emigranten hin?«

»Sie müssen schon dort sein.«

»Wieviele kommen unter die Erde?«

»Alle.«

»Doch nicht etwa auch die Kinder?«

»Auch diese.«

»Himmel! So haben wir keine Zeit zu verlieren. Ich hätte noch viel zu fragen, kann das aber auch unterwegs tun. Wir können nicht ausruhen, sondern müssen sofort aufbrechen. Ist mein Bruder Winnetou bereit dazu?«

»Winnetou thut alles, was sein Bruder Shatterhand für nötig hält,« antwortete der Apatsche.

»Was ich für nötig halte, wirst du unterwegs und auch schon jetzt erfahren. Wir haben keine Zeit, eine lange Beratung zu halten. Hört, was zunächst geschehen muß!«

Ich trat zur Seite, so daß der Player nicht hören konnte, was gesprochen wurde, und sagte zu dem kleineren Sohne des »starken Büffels«:

»Mein kleiner, roter Bruder hat gehört, was der Player auf meine Fragen antwortete. Er mag sich auf sein Pferd setzen und schleunigst ausrichten, was ich ihm auftrage. Es gilt zunächst, die vier Yumaposten unterwegs aufzuheben und dazu die zwanzig Mann, welche bei der Fuente stehen. Dazu genügen dreißig Yumakrieger. Mein Bruder reitet zu denen, welche die Herden bringen und holt diese dreißig, welche uns schnell zu folgen haben. Neunzehn bleiben bei den Herden, und einer reitet zum »starken Büffel«, um ihn um hundert Krieger zu bitten, welche uns so rasch wie möglich nach Almaden nachzufolgen haben. Jetzt fort!«

 

Der brave Knabe rannte schon mit gleichen Beinen zu seinem Pferde; zwei Minuten später galoppierte er davon. Eine halbe Stunde darauf waren auch wir drei unterwegs, den Player, auf sein Pferd gebunden, in unserer Mitte, also vorerst drei Personen gegenüber dreihundert Feinden. Aber es galt, die Landsleute vor einem entsetzlichen Schicksale zu bewahren; da konnte es weder ein verderbliches Zögern, noch ein ängstliches Abwägen der uns übermächtigen Verhältnisse geben.