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Old Surehand III

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»Seid nicht so frech, sonst schnalle ich Euch die Fesseln so fest, daß Euch das Blut aus der Haut spritzt! Ich habe keine Lust, mich von Euch lächerlich machen und beleidigen zu lassen. Ich bin kein Indianer! Versteht Ihr, was ich damit sagen will?«



»Ja, daß Ihr überhaupt nicht zu den Wesen gehört, die man Menschen nennt!«



»Zu welchen denn?«



»Steigt so weit wie möglich im Tierreiche herunter und sucht Euch da das häßlichste, gemiedenste Geschöpf heraus, so habt Ihr, was Ihr seid!«



Er ließ ein heiseres Lachen hören und rief:



»Der Kerl ist wirklich so albern, daß er mich nicht verstanden hat! Ich habe gesagt, Ihr sollt bedenken, daß ich kein Indianer bin. Die Roten schleppen ihre Gefangenen lange Zeit mit sich herum, um sie nach ihren Weideplätzen zu bringen; sie füttern sie gut, um sie zum Aushalten vieler Qualen kräftig zu machen. Dadurch wird, wie ich in Eurer Gesellschaft selbst erfahren habe, den Gefangenen Gelegenheit geboten, einen zur Flucht günstigen Augenblick abzuwarten. Wer keine Hoffnung zum Entkommen hat und schnell und schmerzlos sterben will, der pflegt darum das alte, abgegriffene Mittel anzuwenden, die Indsmen, in deren Hände er geraten ist, so zu beleidigen, daß sie sich im Zorne darüber vergessen, ihn augenblicklich zu töten. Wenn Ihr etwa glaubt, zwischen diesem Entweder und diesem Oder wählen zu können, so befindet Ihr Euch im Irrtum. Ihr findet bei mir keine Gelegenheit zur Flucht, weil es mir gar nicht einfallen kann, Euch lange mit mir herumzuzerren; aber Ihr bringt mich auch nicht so weit, Euch rasch die Kugel oder das Messer zu geben und also auf den Genuß zu verzichten, den ich haben werde, wenn Ihr so recht hübsch langsam aus diesem Leben in Eure berühmte Seligkeit hinüberschmachtet. Ich habe es nämlich mit Euch so gut vor, daß es Euch selbst da drüben in der Seligkeit unmöglich sein wird, es mir genug zu danken. Könnt Ihr Euch noch besinnen, was Ihr mir während jenes nächtlichen Rittes durch den Llano estacado alles vom ewigen Leben vorgefaselt habt?«



Ich antwortete nicht, und er fuhr fort:



»Nach Eurer Ansicht muß es da drüben so wundervoll sein, daß es mich als Euern besten Freund, der ich doch jedenfalls bin, von Herzen jammert, Euch hier im Erdenleben schmachten zu sehen. Ich werde Euch also die Thüre Eures Paradieses öffnen und durch einige kleine Unbehaglichkeiten, die ich Euch dabei bereite, dafür sorgen, daß Euch die jenseitigen Herrlichkeiten um so vollkommener erscheinen.«



»Habe nichts dagegen,« bemerkte ich in möglichst gleichgültigem Tone.



»Das bin ich überzeugt! Darum hoffe ich, daß Ihr mir für die Liebe, welche ich Euch damit erweise, einen Gefallen thut. Ich möchte nämlich gar zu gern wissen, wie es da drüben ist. Wolltet Ihr mir nach Eurer seligen Abreise einmal als Geist oder Gespenst erscheinen, um mir Auskunft zu erteilen, so würde mich das zu großer Dankbarkeit verpflichten, und Ihr könntet meinerseits des herzlichsten Willkommens sicher sein. Wollt Ihr das thun, Mr. Shatterhand?«



»Gern! Ich werde sogar noch mehr thun, als Ihr verlangt; ich werde noch vor meinem Tode über Euch kommen, und zwar in einer Weise, daß Ihr tausend Gespenster anstatt nur eines sehen werdet!«



»Well, darüber sind wir also einig,« lachte er. »Ihr seid freilich ein Kerl, der nie den Mut verliert; aber wenn Ihr auch jetzt noch irgend welche Hoffnung hegt, so kennt Ihr Fred Cutter schlecht, den Ihr Old Wabble nennt. Ich habe mir vorgenommen, meine Rechnung mit Euch abzuschließen, und der Strich, den ich darunter mache, wird ein Strich durch Euer Leben sein. Davor wird Euch alle Eure eingebildete Klugheit nicht bewähren können, mit der es überhaupt nicht so weit her ist, wie Ihr denkt. Ihr habt gestern nachmittag einen Pudel geschossen, der seinesgleichen sucht. Jedenfalls aber fehlt es Euch an dem nötigen Hirn, zu begreifen, was Ihr unter diesem Pudel zu verstehen habt!«



»Pshaw, eine Flasche, weiter nichts!«



»Richtig! Ihr seid doch nicht ganz so albern, wie ich dachte, und wenn Ihr nicht schon vor der letzten Thüre ständet, könnte vielleicht ein ganz leidlicher Westmann aus Euch werden. Ja, die Flasche, die ist verhängnisvoll für Euch geworden! Es ist schon mancher an der Flasche, nämlich am Inhalte derselben, zu Grunde gegangen; aber daß jemand in einer leeren Flasche nach den ewigen Jagdgründen befördert wird, das ist wohl noch nicht dagewesen! Habt Ihr denn nicht daran gerochen?«



Da antwortete Dick Hammerdull an meiner Stelle:



»Ist uns nicht eingefallen. Denkt Ihr denn wirklich, daß wir etwas, was Ihr in den Händen gehabt habt, an unsere Nase bringen?«



»Sehr schön gesprochen, Dicker; aber die Lust zum Scherzen wird dir noch vergehen! Ihr habt die Bouteille für eine weggeworfene Schnapsflasche gehalten; sie war aber meine Wasserflasche, die ich vergessen hatte. Wenn Ihr wißt, was ein Schluck Wasser da, wo es keines giebt, zu bedeuten hat, so werdet Ihr Euch nicht darüber wundern, daß ich sofort halten ließ und zurückritt, als ich ihren Verlust bemerkte. Es giebt Gegenden, wo das Leben an einigen Tropfen Wasser hängt. Als ich den Rand der Prairie erreichte, auf welcher wir zu Mittag gelagert hatten, sah ich Euch und erkannte Euch nicht gleich. Ihr rittet aber weiter und kamt mir dadurch näher; da sah ich freilich zu meiner Freude, daß ich die Gentlemen vor mir hatte, welche ich suchte. Ich jagte also sofort zurück und holte meine Leute. Wir folgten Euch bis an dieses Thal, wo Euer Posten so entgegenkommend war, sich von uns überfallen zu lassen. Wir schlichen zu Fuß herein und umzingelten Euch. Ihr schlieft den Schlaf der Gerechten und träumtet von so vortrefflichen Dingen, daß es mir unendlich leid thut, Euch aufgeweckt zu haben. Wir bieten Euch auf Eurem weiteren Ritte unsere Gesellschaft an. Mr. Shatterhand wird sich leider nicht daran beteiligen können, da er im Begriffe steht, abzureisen. Er wird in diesem schönen Thale, sobald es Tag geworden ist, die Himmelsleiter besteigen und also verhindert sein, an unserer Seite zu – – —«



»Schwatzt nicht so lang und so unnützes Zeug!« fiel ihm da einer in die Rede, welcher mit übereinander geschlagenen Armen am Stamme eines Baumes lehnte. »Was geschehen soll, das kann geschehen, ohne daß man vorher darüber viele Worte macht. Was Ihr mit Old Shatterhand abzuschließen habt, geht uns nichts an; die Hauptsache ist für uns das Versprechen, welches Ihr uns gegeben habt.«



»Das werde ich halten!« antwortete Old Wabble.



»So macht, daß Ihr darauf zu sprechen kommt!«



»Das hat Zeit!«



»Nein. Wir wollen wissen, woran wir sind.«



»Das wißt ihr schon!«



»Nein. Bevor Ihr nicht mit Winnetou gesprochen habt, hat alles andere keinen Wert für uns. Ihr habt uns da unten in Kansas aus den besten Geschäften gerissen; nun da wir die Kerls gefangen haben, wollen wir vor allen Dingen erfahren, ob die Hoffnungen, welche Ihr uns gemacht habt, in Erfüllung gehen können.«



»Warum sollten sie das nicht können!«



»So wendet Euch an Winnetou, schwatzt aber nicht so lange mit Old Shatterhand! Der Apatsche ist doch wohl der Mann, den wir brauchen!«



»Nur langsam, Cox, langsam! Wir haben soviel Zeit, daß Ihr das wohl erwarten könnt.«



Also Cox hieß der Mann, welcher am Baume stand! Ich vermutete, da er von Kansas und den dortigen guten Geschäften gesprochen hatte, daß die Leute, welche uns überfallen hatten, zu den Tramps gehörten, denen wir da unten so geflissentlich ausgewichen waren. Cox war sehr wahrscheinlich der Anführer dieser Truppe und von Old Wabble veranlaßt worden, mit ihm zu reiten, um uns zu verfolgen – unter welchen Voraussetzungen und Bedingungen, das war noch zu erfahren. Ich hatte, wie sich später zeigte, mit diesen Vermutungen das Richtige getroffen.



Unsere Lage war eine schlimme. Die Kerls, in deren Händen wir uns befanden, waren mehr zu fürchten als die heruntergekommenste Indianerhorde. Und von uns allen war ich derjenige, welcher die schlechtesten Aussichten hatte. Ich sollte hier ermordet werden und war vollständig überzeugt, daß, wenn nicht ein für mich günstiger Umstand eintrat, Old Wabble seine Drohung ausführen werde. Mein Leben hing diesmal an einem Haare.



Cox näherte sich dem Apatschen und sagte zu ihm:



»Mr. Winnetou, die Sache ist nämlich die, daß wir ein Geschäft mit Euch haben. Hoffentlich weigert Ihr Euch nicht, darauf einzugehen!«



Winnetou sah ebenso wie ich ein, daß Schweigen nicht am Platze sei. Wir mußten uns über die Absichten dieser Menschen klar werden und also mit ihnen reden. Darum antwortete der Apatsche:



»Was für ein Geschäft meint das Bleichgesicht?«



»Ich will es kurz machen und aufrichtig sein. Old Wabble hat eine Rache gegen Old Shatterhand, die er sich nicht getraute, allein auszuführen. Er kam zu uns und forderte uns auf, ihm zu helfen. Wir waren natürlich bereit dazu, doch nur unter der Bedingung, daß ein guter Lohn für uns abfällt. Er versprach uns Gold, viel Gold dafür. Hoffentlich habt Ihr mich verstanden?«



»Uff!«



»Ich weiß nicht, was Ihr mit diesem Uff sagen wollt, hoffe aber, daß es eine Zustimmung bedeutet. Es sind hier in Colorado sehr schöne Placers entdeckt worden. Wir wollten, wenn wir in Kansas fertig waren, auch herauf, um zu prospekten; das ist aber eine sehr trügerische Sache. Wer nichts findet, bekommt eben nichts und zieht mit langer Nase ab. Da hat uns aber Old Wabble auf einen kostbaren Gedanken gebracht: Ihr, Mr. Winnetou, wißt gewiß viele Stellen, wo Gold zu finden ist?«



Winnetou, dem es vor allen Dingen um meine Rettung zu thun war, bedachte sich keinen Augenblick, zu antworten:



»Es giebt rote Männer, welche Plätze kennen, an denen Gold in Menge liegt.«



»Auch Ihr?«



»Ja.«



»Ihr werdet uns einen solchen Platz zeigen!«



»Die Roten Männer pflegen solche Stellen nicht zu verraten.«



»Und wenn man sie aber zwingt?«



»So sterben sie lieber.«

 



»Pshaw! Es stirbt sich nicht so leicht!«



»Winnetou hat nie den Tod gefürchtet!«



Nach allem, was ich von Euch gehört habe, glaube ich das. Aber es handelt sich dieses Mal nicht nur um Euch, sondern um alle Eure Begleiter. Old Shatterhand muß sterben; das ist nicht zu ändern, weil wir es Old Wabble versprochen haben; aber Euch und die andern könnt Ihr dadurch retten, daß Ihr uns ein gutes Placer entdeckt.«



»Ist das fest bestimmt?«



»Ja.«



»Werdet Ihr uns Wort halten?«



»Ich gebe Euch mein Wort darauf!«



»Das Bleichgesicht mag warten; ich werde überlegen!«



Winnetou schloß zum Zeichen, daß er nachdenken wolle, die Augen. Es trat eine Pause ein. Er kannte Goldlager, ja; aber selbst die ärgste Drohung hätte ihn nicht vermocht, eines zu verraten. Er mußte die Tramps täuschen und sich willig zeigen. Es galt für ihn zweierlei: erstenss mich, dessen Tod eine fest beschlossene Sache war, zu retten und zweitens Zeit zu gewinnen, um einen für unsere Befreiung günstigen Umstand abzuwarten.



»Nun, wann bekomme ich Antwort?« fragte Cox, als ihm die Pause zu lang wurde.



»Die Bleichgesichter werden kein Gold bekommen,« sagte Winnetou, indem er die Augen wieder aufschlug.



»Warum? Du weigerst dich also, ein Placer zu verraten?«



»Nein.«



»Wie habe ich das zu verstehen? Du weigerst dich nicht, und doch werden wir nicht bekommen, was wir suchen! Das ist ein Widerspruch!«



»Es ist kein Widerspruch. Winnetou weiß nicht nur ein Placer, sondern eine große, reiche Bonanza; er würde sie nicht verraten, wenn es sich nur um ihn handelte; da es aber das Leben so vieler Männer gilt, würde er euch die Stelle sagen, wenn er sich getraute, sie zu finden.«



»Wie? Du weißt sie und kannst sie doch nicht finden? Sollte man so etwas für möglich halten!«



»Es ist möglich, weil Winnetou nicht nach dem Besitze des Goldes trachtet. Wenn er welches gefunden hat, denkt er sehr bald nicht mehr daran. In Colorado kenne ich nur einen einzigen Ort; das ist diese Bonanza; sie ist unermeßlich reich; aber ich habe den Weg, welcher zu ihr führt, vergessen.«



»All devils! Eine unermeßlich reiche Bonanza und den Weg zu ihr vergessen! Das ist noch gar nicht dagewesen! Das ist geradezu zum Tollwerden! Das kann nur einem Indianer passieren! Kannst du denn nicht wenigstens sagen, in welcher Gegend es ungefähr ist?«



»Das weiß ich wohl. Es ist am Squirrel-Creek. Ich ritt damals mit Old Shatterhand am Wasser hin; da sahen wir es unter dem Moose des Ufers glänzen. Wir stiegen ab und untersuchten den Ort. Da lag Gold, viel Gold, das Wasser hatte es an dieser Stelle zusammengeschwemmt. Es gab da kleine Nuggets und auch größere Stücke.«



»Wie groß – wie groß?« fragte Cox, und alle lauschten andächtig.



»Bis zur Größe einer großen Kartoffel. Manche waren auch noch größer.«



»Donnerwetter! Da liegen ja Millionen, viele Millionen dort beisammen! Und die habt ihr liegen lassen?!«



»Warum sollten wir das Gold mitnehmen?«



»Warum? Warum ihr es hättet mitnehmen sollen? Hört, ihr Männer, diese zwei Menschen finden eine riesenhafte Bonanza, und da fragt dieser Mann, warum sie das Gold hätten mitnehmen sollen! Und das ist Winnetou, der so viel gepriesene, wundergescheite Kerl!«



Ein allgemeines Murmeln des Erstaunens antwortete. Man kann sich überhaupt denken, mit welcher Aufmerksamkeit diese Leute den Worten des Apatschen folgten. Es fiel ihnen gar nicht ein, an der Wahrheit derselben zu zweifeln. Man wußte überall, daß Winnetou ein Freund der Wahrheit sei. Ich war überzeugt, daß er auch jetzt keine Lüge sagte; es gab jedenfalls eine solche reichhaltige Bonanza, doch lag sie sehr wahrscheinlich nicht am Squirrel-Creek, sondern ganz anderswo.



»Warum wundert sich der weiße Mann so sehr?« fragte der Apatsche. »Es sind überall Placers vorhanden, wo Winnetou und Old Shatterhand sich Gold holen können. Wenn sie welches brauchen, suchen sie dasjenige Placer auf, welches ihnen zu der betreffenden Zeit am nächsten liegt. Jetzt wollten wir hinauf nach dem Squirrel-Creek, um dort einige Taschen voll zu holen.«



»Ah! Ihr wolltet welches holen! Das haben wir uns doch gedacht, daß ihr nur aus diesem oder einem ähnlichen Grunde hinauf in die Berge wolltet! Aber – wie stimmt das? Du hast ja gesagt, daß du nicht mehr weißt, wo die Bonanza liegt!«



»So ist es. Ich habe es vergessen; aber Old Shatterhand, mein Bruder, hat sich die Stelle sehr gut gemerkt.«



Jetzt war es heraus, was er hatte sagen wollen und was mich vom Tode erretten sollte. Wenn sie die Bonanza haben wollten, deren Lage ich allein genau kannte, mußten sie mein Leben schonen. Er war natürlich so klug, diese Worte so wenig zu betonen, daß ihre Absichtlichkeit nicht erraten wurde. Daß er den gewollten Zweck erreichte, zeigte sich auf der Stelle, denn Cox rief schnell aus:



»Das ist gut, sehr gut! Das ist ja ganz dasselbe! Ob Winnetou oder Old Shatterhand diese Stelle genau kennt, das macht gar keinen Unterschied, da beide unsere Gefangenen sind. Kann Winnetou uns nicht hinführen, so wird Old Shatterhand unser Führer sein!«



»Das sagt Ihr, ohne mich zu fragen, Mr. Cox?« sagte Old Wabble.



»Warum sollte ich Euch fragen?«



»Weil Old Shatterhand mir gehört.«



»Das bestreitet Euch kein Mensch!«



»Oho! Ihr selbst bestreitet es.«



»Wie so?«



»Weil Ihr ihn mit nach dem Squirrel-Creek nehmen wollt. Er soll doch heut, und zwar hier in diesem Thale sterben!«



»Soll? Nein, sondern er sollte; nun aber ist nicht mehr daran zu denken. Er wird leben bleiben und uns zu der Bonanza führen.«



»Das gebe ich nicht zu; das verbitte ich mir!«



»Seid Ihr gescheit, oder seid Ihr verrückt! Ich glaube, Ihr habt den Verstand verloren, alter Wabble!«



»Grad weil ich mehr Verstand habe als Ihr, gebe ich es nicht zu!«



»Mehr Verstand? Oho! Wollt Ihr auf die Bonanza verzichten?«



»Ja.«



»All devils! Ihr seid wirklich wahnsinnig geworden!«



»Fällt mir nicht ein! Ich weiß, was ich thue. Ich habe Euch angeworben, mir Old Shatterhand zu fangen; dafür habe ich Euch den Rat gegeben, Winnetou zu zwingen, Euch ein Placer zu zeigen. Die Bonanza würde also Euch allein gehören und nicht mir auch mit. Wegen etwas aber, woran ich keinen Anteil habe, gebe ich Old Shatterhand, nachdem wir ihn so glücklich erwischt haben, nicht wieder her.«



»Ihr sollt ihn ja nicht hergeben!«



»Doch!«



»Nein!«



»Das denkt Ihr nur; ich aber verstehe mich besser darauf. Glaubt Ihr denn wirklich, ihn mit hinauf nach der Bonanza zu bringen?«



»Natürlich!«



»Fällt ihm nicht ein!«



»Möchte doch sehen, wie er es anfangen wollte, sich zu weigern!«



»Sich weigern? Daran denkt er mit keinem Atem. Aber fliehen wird er, ausreißen!«



Da schlug Cox ein lautes Gelächter auf und rief:



»Ausreißen, uns ausreißen! Habt ihr es gehört, ihr Leute, ein Mann, der unser Gefangener ist, soll uns entfliehen, soll ausreißen können!«



Sie stimmten alle in sein Lachen ein; Old Wabble aber schrie zornig:



»Wie dumm ihr seid, die ihr mich dumm genannt habt, das ist doch kaum zu sagen! Wenn ihr euch einbildet, diesen Kerl festhalten zu können, so könnt ihr mir unendlich leid thun! Der zersprengt mit seinen Fäusten eiserne Ketten, und wenn er mit Gewalt nichts ausrichtet, so legt er sich auf die List, in welcher er der größte Meister ist.«



»Eiserne Ketten haben wir nicht und brauchen wir nicht; lederne Riemen sind besser, viel besser! Und List! Ich möchte den Menschen sehen, der zwanzig solchen Männern, wie wir sind, durch List entkommt! Und wenn er es noch so pfiffig anfängt, vierzig Augen bewachen ihn; was da das eine nicht sieht, das sieht das andere.



Der listigste Anschlag, den er versuchen könnte, würde von uns entdeckt werden.«



»Es ist wirklich lächerlich, großartig lächerlich, was manche Menschen sich einbilden! Habt Ihr denn nicht gehört, wie oft er bei den Indianern gefangen war und ihnen wieder und immer wieder entkommen ist?«



»Wir sind keine Indianer!«



»Aber Weißen ist es ebenso ergangen! Ich sage euch, dieser Schurke macht alles, alles möglich, was allen andern Menschen unmöglich wäre! Der ist nicht zu halten. Den muß man erschießen, gleich nachdem man ihn ergriffen hat. Wenn man das nicht thut, läuft er einem wie Wasser aus den Händen! Ich kenne das, denn ich bin lange Zeit mit ihm geritten!«



»Ihr macht aus der Mücke einen Elefanten. Ich wiederhole es noch einmal: Ich möchte den Menschen sehen, der mir entflieht, wenn ich ihn festhalten will! Es bleibt dabei; er führt uns nach der Bonanza!«



»Und ich gebe das nicht zu!«



Sie standen sich wie kampfgerüstet gegenüber, Old Wabble, der Spötter, der Leugner, der Lästerer, und Cox, der gewaltthätige Anführer der Tramps, der sich ohne Skrupel hatte dingen lassen, mich zu fangen und dem Mörder zu übergeben. Es war ein interessanter, ein hochinteressanter Augenblick, so interessant, daß ich vergaß, daß es mein Leben war, um welches sie sich stritten. Es kam aber nicht zu Thätlichkeiten. Cox legte dem alten Wabble die Hand auf die Achsel und sagte in drohendem Tone:



»Glaubt Ihr denn wirklich, daß ich danach frage, ob Ihr es zugeben werdet?«



»Ich hoffe es!«



»Pshaw! In dieser Beziehung habt Ihr leider gar nichts zu hoffen!«



»So wollt Ihr mich um Old Shatterhand betrügen, wollt wortbrüchig werden?«



»Nein. Wir halten Wort.«



»Es hat aber jetzt ganz anders geklungen!«



»Aber auch nur geklungen. Wir haben Euch versprochen, Old Shatterhand zu fangen und ihn Euch auszuliefern. Gefangen haben wir ihn, und Ihr könnt versichert sein, daß wir ihn Euch auch übergeben werden, aber nur nicht heut!«



»Hole Euch der Teufel mit diesem Eurem Versprechen! Ihr werdet es doch nicht halten können; das habe ich gesagt und sage es immer wieder!«



»Wir halten es. Und wenn Ihr es etwa verhindern wolltet, daß wir ihn mitnehmen, so schaut Euch hier im Kreise um! Wir sind zwanzig Mann!«



»Ja, darauf fußt Ihr freilich!« schrie er ergrimmt.



»Ihr seht also, daß Ihr Euch fügen müßt. Es ist ja nur für kurze Zeit!«



»Für kurze Zeit? Für immer wird es sein! Ich sage ja, daß er entfliehen wird! Es ist am besten, ich frage gar nicht viel, sondern schieße ihm eine Kugel in den Kopf. Da hat aller Streit ein Ende!«



»Das wagt ja nicht, Mr. Wabble! Wenn Ihr Old Shatterhand erschießt oder ihn nur im geringsten verletzt, so ist Euch im nächsten Augenblicke eine Kugel von mir sicher. Das mögt Ihr Euch wohl merken!«



»Ihr wagt es mir zu drohen?«



»Wagen? Dabei ist gar nichts gewagt! Wir sind mit Euch gezogen und wollen gute Kameradschaft mit Euch halten. Aber es handelt sich um eine Bonanza, welche wahrscheinlich Millionen wert ist. Da frage ich den Teufel nach Eurem Leben, wenn Ihr uns um diese Masse von Gold bringt! Also, daß Ihr es wißt: Old Shatterhand reitet mit uns, und wenn Ihr ihn auch nur so wenig verletzen solltet, daß ein Ritz in seiner Haut entsteht, lauft Ihr die Himmelsleiter hinan, auf die Ihr ihn stellen wolltet!«



»Ihr droht mir mit dem Tode! Ist das die Kameradschaft, von der Ihr redet?«



»Ja, das ist sie! Oder ist es kameradschaftlich von Euch, daß Ihr uns um die Bonanza bringen wollt?«



»Nun gut, so muß ich mich fügen, doch nicht, ohne daß ich eine Bedingung stelle.«



»Welche?«



»Ich will dann, wenn die Bonanza gefunden wird, auch an ihr Teil haben; th‘is clear!«



»Well! Einverstanden! Ihr seht also, daß wir es gut mit Euch meinen!«



»Das könnt Ihr auch, denn wenn Ihr solche Klumpen Gold bekommt, so habt Ihr das niemand als nur mir zu verdanken. Uebrigens werde ich mich wegen Shatterhand nicht auf Euch, sondern auf mich selbst verlassen.«



Und sich zu mir wendend, fuhr er in sehr höhnischem Tone fort:



»Ich habe nämlich ein vortreffliches Mittel, Euch von der Flucht abzuhalten.«



Er deutete auf den Henrystutzen und den Bärentöter und fügte hinzu:



»Ohne diese Gewehre reißt Ihr uns sicherlich nicht aus! Ich kenne Euch und weiß, daß Ihr sie auf keinen Fall aufgebt. Ich habe sie ja schon einmal besessen, leider nur für kurze Zeit. Nun sind sie für immer mein!«



»Wie lange wird dieses »immer« dauern?« fragte ich.



»So lange ich lebe, natürlich!«



»Das würde eine sehr kurze Zeit sein, denn ich nehme mit Sicherheit an, daß der Tod ganz nahe hinter Euch steht. Aber auch so lange braucht Ihr Euch mit den Gewehren gar nicht zu belästigen; das kann ich Euch schon jetzt sagen. Ich bin überzeugt, daß ich sie sehr bald zurückbekomme.«



»Pshaw! Rechnet dieses Mal ja nicht auf Euer gewöhnliches Glück!«



»Auf Glück und Zufall rechne ich niemals. Ich spreche nur darum so, weil ich weiß, daß meine Zeit, zu sterben, jetzt noch lange nicht gekommen ist.«

 



»So? Steht Ihr etwa mit dem Himmel in so gutem Einvernehmen, daß er Euch, wenn Ihr drüben gebraucht werdet, einen expressen Boten schickt, um Euch gehorsamst einzuladen, Euch an der Seligkeit zu beteiligen?«



»Lästert nicht! Ich bin zum Tode noch nicht reif, weil ich noch viel zu wirken habe.«



»Oh! Und da denkt Ihr, daß der liebe Gott wartet, bis Ihr fertig seid? Ein sehr gefälliger Gott; das muß ich sagen! Nicht?«



Er erhielt natürlich keine Antwort. Da stieß er mich mit dem Fuße an.



»Wollt Ihr wohl reden, wenn ich frage! Es ist eine große und ganz unverdiente Ehre für Euch, wenn Old Wabble mit Euch spricht! Als Ihr mich ohne Gewehr aus dem Kih-peta-kih fortschicktet, ohne Pferd und Gewehr sogar, dachtet Ihr wohl nicht, daß ich Euch so bald fassen würde? Ich ging zu den Osagen. Da bekam ich ein anderes Pferd und eine andere Flinte; aber die Kerls hatten keinen Unternehmungsgeist. Dieser Honskeh Nonpeh, dem der Befehl übergeben worden war, hatte keine Lust, Euch zu folgen; er stellte sogar lächerlicherweise alle Feindseligkeiten gegen die Bleichgesichter ein und zog mit seinen Kriegern heim. Eine Schande! Doch hat mich das nur kurze Zeit aufhalten können. Ich ritt zu den Tramps und engagierte, wie Ihr gehört habt, hier diese Gentlemen, natürlich auf Eure Kosten, die Ihr so gewiß bezahlen müßt, wie ich hier vor Euch stehe. Jetzt habe ich mein Pferd und Gewehr wieder und Eure Pferde und Gewehre dazu. Ihr seid nun nichts, gar nichts mehr in meinen Augen und nur noch diese Fußtritte wert!«



Er stieß mir und dann auch Winnetou den Fuß mit aller Kraft gegen den Leib. Schon hob er ihn, um auch Hammerdull einen Tritt zu versetzen, ließ ihn aber wieder sinken; der Dicke war ihm ja gleichgültiger als wir, sagte aber, als Old Wabble sich abwendete, in seiner drolligen Weise, die er auch in der schlimmsten Lage nicht aufgab:



»Das war Euer Glück, verehrtester Mr. Wabble!«



»Was?« fragte der Alte.



»Daß Ihr den Fuß zurückgezogen habt.«



»Warum?«



»Weil ich grad an dem Leib im höchsten Grade empfindlich bin.«



»Das wollen wir doch gleich einmal versuchen!«



Er gab ihm einen derben Tritt. Der Dicke war trotz seines Leibesumfanges ein sehr behendes und gewandtes Kerlchen. Ihm waren wie auch uns, die Füße zusammen- und die Hände auf den Rücken gebunden worden. Indem er die Kniee beugte und die Füße an den Leib zog und dabei die Hände unter dem Rücken gegen die Erde stemmte, schnellte er sich wie eine Feder auf und fuhr Old Wabble mit dem Kopfe an den Leib. Der Stoß war ein so kräftiger, daß Hammerdull auf seinen Platz zurückstürzte, der alte Cow-boy aber hintenüber und in das Feuer flog. Der letztere sprang zwar schnell wieder auf, aber der kurze Augenblick hatte doch genügt, ihm die Hälfte seiner langen, weißen Haarmähne weg- und die Bekleidung seines Oberkörpers anzusengen. Ein allgemeines Gelächter erscholl.



Darüber ergrimmt, richtete Old Wabble seinen Zorn nicht gegen Hammerdull, sondern gegen die Tramps, die sich über ihn lustig machten. Während er eine geharnischte Stafpredigt gegen sie losdonnerte, wendete sich der Dicke an Pitt Holbers:



»War das nicht fein gemacht? Hast du nicht deine Freude drüber, alter Pitt?«



»Hm, wenn du denkst, daß es ein guter Coup war, so hast du recht!« antwortete sein langer Freund in seiner wohlbekannten, trockenen Weise.



»Glaubt dieser Mensch, mir einen Fußtritt versetzen zu können, ohne daß ich mich wehre! Was sagst du dazu?«



»Ich hätte ihn auch ins Feuer geworfen, grad wie du!«



»Ob ins Feuer oder nicht, das bleibt sich gleich, das ist übrigens ganz egal, denn hineingeflogen ist er doch; das hast du ja gesehen!«



Nun erst kam Old Wabble herbei, um sich an dem Dikken zu rächen, Cox aber hielt ihn davon ab, indem er sagte:



»Laßt die Leute in Ruhe, so wird Euch so etwas nicht wieder geschehen! Old Shatterhand gehört Euch; die andern aber sind unser, und ich will nicht, daß sie unnütz maltraitiert werden.«



»Ihr seid doch plötzlich recht human geworden!« knurrte der Alte.



»Nennt es, wie Ihr wollt. Diese Männer müssen mit uns reiten, und ich kann mich nicht mit verletzten und zerstoßenen Menschen schleppen. Wir haben übrigens mehr zu thun, als uns hier mit ihnen herumzuzanken. Wir wissen ja noch gar nicht, wo sie ihre Pferde haben. Sucht nach ihnen!«



Die Pferde waren aus der Umwallung in das Freie gebracht und dort angepflockt worden; sie wurden bald gefunden. Die Tramps hatten schon, w