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Old Surehand I

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Nach einiger Zeit ging ich in das Haus; er kam mir nach, wo wir allein waren, und fragte:

»Ihr habt doch gewollt, daß ich Euch folge, Sir?«

»Allerdings.«

»Warum winktet Ihr mir?«

»Weil Ihr Euch nicht so gehen lassen solltet. Ich traue diesem Quasi-Generale nicht.«

»Ich auch nicht; aber das hat doch keinen Einfluß auf meine Angelegenheit!«

»Vielleicht doch. Er beobachtete Euch so gespannt und betonte den Namen Etters so schwer und eigentümlich, als ob er ihn nur Euertwegen genannt habe.«

»Daß er ihn nannte, war der reine Zufall; davon bin ich überzeugt.«

»Ich nicht. Die Absichtlichkeit war deutlich herauszuhören.«

»Welche Absicht könnte diesen Mann, der mich gar nicht kennt, geleitet haben?«

»Er kennt Euch, Sir; er kennt Euch ganz gewiß!«

Da kam auch Apanatschka herein. Er blickte sich vorsichtig um, und als er uns allein sah, fragte er:

»Meine Brüder sprachen von dem Manne, dessen Namen der General genannt hat?«

»Ja,« antwortete ich.

»Ich habe den Mann gesehen, welcher zwei Agatam[48] hat.«

»Ah! Wo?«

»Im Kaam-kulano.«

»Wann?«

»Vor vielen Jahren, als ich noch ein kleiner Knabe war.«

»Das ist lange, sehr lange her,« meinte ich enttäuscht.

»Er wurde Etters genannt.«

»Wirklich? Das weißt du noch?«

»Ich habe es mir gemerkt, denn ich haßte ihn.«

»Warum?«

»Er lachte über meine Mutter, die ich liebte.«

»Was wollte er bei Euch?«

»Das weiß ich nicht. Er wohnte im Zelte des Medizinmannes, und so oft er da war, hatte meine Mutter einen bösen Geist in sich, der alle ihre Glieder durcheinander warf.«

Er wollte mit diesem Ausdrucke wohl Krämpfe bezeichnen.

»Kannst du dich darauf besinnen, wie deine Mutter damals aussah?«

»Sie war jung und schön.«

»War ihre Farbe heller als jetzt?«

»Sie war rot, wie bei allen roten Frauen.«

»Dann ist die Ahnung falsch, die in mir aufsteigen wollte; aber die andre Ahnung, die ich habe, wird wohl richtig sein. Dieser Etters hat Euch aus der Civilisation nach dem Westen getrieben, Mr. Surehand? Er steht in Beziehung zu den unglücklichen Ereignissen, die Euch den Glauben an Gott und das Vertrauen zu ihm genommen haben?«

»Ja,« antwortete er. »Ihr habt es erraten.«

»Und glaubt Ihr wirklich, daß er sich jetzt in Fort Terrel befindet?«

»Ich bin überzeugt davon.«

»Ihr wollt natürlich hin?«

»Ich muß; ich muß.«

»Wann?«

»Heut abend noch! Ich darf keinen Tag, keine Stunde, keinen Augenblick verlieren. Ich habe diesen Halunken hundertmal gejagt, zuweilen wochenlang, ohne ihn aber jemals vor die Augen zu bekommen. Ich kannte nur seinen Namen und seine Thaten; gesehen habe ich ihn nie. Nun erfahre ich so plötzlich und unerwartet, wo er zu finden ist, und Ihr könnt Euch denken, daß ich da hier keine Minute Ruhe habe. Ich muß fort!«

»Wollen hoffen, daß der General Euch nicht belogen hat; ich traue ihm nicht.«

»Ueberlegt Euch doch die Sache, Sir! Weiche Absicht könnte er bei einer solchen Lüge haben?«

»Euch irre zu leiten.«

»Nein; ich glaube seinen Worten und reite nach Fort Terrel.«

»Allein?«

»Allein; ich habe keinen Begleiter.«

»Ihr werdet einen haben.«

»Wen?«

»Mich.«

»Was? Euch?« fragte er mit frohem Erstaunen. »Ihr wollt mit?«

»Ja, nämlich wenn Ihr mich mitnehmen wollt.«

»Ob ich will! Welche Frage! Ich möchte stets und stets nur bei und mit Euch sein, auch in gewöhnlichen Lagen, denn Ihr glaubt gar nicht, wie ich Euch liebgewonnen habe. Und hier, wo es sich um so etwas Wichtiges handelt, um die Jagd auf ein Raubwild, welches ich nie und nie erwischen konnte, giebt mir Eure Begleitung die Sicherheit, daß Etters mir diesesmal nicht entgehen wird. Wenn Old Shatterhand sich auf eine Fährte setzt, so ist das Wild verloren. Also Ihr wollt mit, wirklich mit?«

»Gewiß!«

»Das ist mir geradezu eine Wonne, ein – — ein – — ein – — was ich kaum glauben möchte. Aber Ihr seid hier gar nicht zu entbehren!«

»Doch! Winnetou wird alles leiten.«

»Und von dem wollt Ihr Euch meinetwegen trennen?«

»Die Trennung wird nur eine kurze sein. Wir suchen ihn dann gleich wieder auf. Also, ich darf mit?«

»Dürfen? Von dürfen kann gar keine Rede sein! Ich möchte Euch im Gegenteil fast kniefällig bitten, mitzugehen, um mir mit Eurem Kopfe und Eurem Arme beizustehen!«

Da legte ihm Apanatschka die Hand auf den Arm und sagte:

»Und noch einer reitet mit.«

»Wer?«

»Apanatschka, der Häuptling der Naiini-Comantschen. Weise mich nicht zurück! Ich habe dich lieb und gehe mit dir. Ich spreche die Sprache der Bleichgesichter, habe gelernt, die verborgene Menschenfährte zu entdecken, und fürchte mich vor keinem Feinde. Kann ich dir da nicht nützen? Ich habe mit dir, mit Winnetou und mit Old Shatterhand das Kalumet geraucht und ich bin dein Bruder. Du suchst deinen Todfeind, den du fangen willst, und begiebst dich dabei in große Gefahr. Muß da nicht dein Bruder bei dir sein? Wäre ich dein Freund, dein Bruder, wenn ich dich da allein reiten ließe?«

Es sprach eine außerordentlich rührende Hingabe aus seinen Worten, seinem Tone und seinen Zügen. Old Surehand antwortete nicht und sah mich fragend an. Darum nahm ich die Entscheidung in die Hand:

»Unser roter Bruder Apanatschka will da etwas thun, was sein ganzer Stamm nicht gutheißen würde!«

»Was frage ich nach meinem Stamme, wenn es sich um meinen Bruder Surehand handelt! Die Söhne der Comantschen können nur hassen und vernichten; hier aber finde ich Liebe und Milde. Die roten Männer siegen mit dem Tomahawk; ihr aber seid stark und unbesiegbar und überwindet alle eure Feinde mit den Waffen der Verzeihung und Versöhnung. Wo ist es besser sein, beim Hasse oder bei der Liebe? Ich bin euer Bruder und reite mit euch!«

»Gut, du sollst uns begleiten. Aber wir reiten nicht heut, sondern erst morgen früh. Diese wenigen Stunden gehen uns nicht verloren; unsere Pferde müssen ausruhen und werden dann um so schneller sein.«

»Aber wenn Etters dann schon fort ist?« warf Old Surehand besorgt ein.

»So hat er seine Fährte zurückgelassen, der wir folgen werden. Sorgt Euch nicht! Wir müssen vor allen Dingen gut beritten sein. Auf meinen Rappen kann ich mich verlassen, wenn er bis früh ruhen kann, und Apanatschkas Pferd ist auch schnell und ausdauernd; ich habe es beobachtet. Wie aber steht es mit dem Eurigen, Mr. Surehand?«

»Es ist ein ganz vortreffliches Tier, wenn auch mit Eurem Hengste gar nicht zu vergleichen; nur habe ich es in der letzten Zeit so anstrengen müssen, daß es mir bei den Anforderungen, die ich in den nächsten Tagen vielleicht an seine Schnelligkeit zu stellen habe, immerhin versagen kann.«

»Well, so reitet Ihr Vupa Umugis Pferd, welches wir vom Kaam-kulano mitgebracht haben.«

»Wie? Das wollt Ihr mir leihen?«

»Leihen nicht, aber schenken.«

»Gar schenken! So ein kostbares Tier!«

»Nehmt es immerhin! Was soll ich damit thun? Vupa Umugi bekommt es nicht wieder, und ich brauche es nicht.«

Da drückte er mir die Hand und rief entzückt:

»Ich nehme es an, ja, ich nehme es an! Von Euch weise ich selbst ein so großes Geschenk nicht zurück, denn ich denke, daß Ihr mir erlaubt, es einmal quitt zu machen. Also wir reiten erst morgen. Und nun kommt heraus; ich muß sogleich zu meinem neuen Pferde gehen!«

»Aber laßt Euch draußen nichts merken! Am besten ist‘s, Ihr redet gar nicht wieder mit dem General.«

Als wir hinauskamen, sah ich, daß Winnetou fehlte; er war fortgegangen, um nachzusehen, ob die Gefangenen gut bewacht würden. Er hatte seine Silberbüchse, grad wie ich meine beiden Gewehre, auf dem Tische liegen lassen. Nun hatte der General sie alle drei in den Händen und probierte grad an meinem Stutzen herum, um dessen Konstruktion zu untersuchen. Es lag dabei ein verlangender, ein geradezu gieriger Ausdruck in seinem Gesichte.

»Nicht wahr, Sir, das hier ist Euer Bärentöter?« fragte er, als er mich kommen sah.

»Ja.« antwortete ich kurz.

»Und das ist der berühmte Henrystutzen, von dem man so viel erzählen hört? «

»Ja; aber was habt denn Ihr damit zu schaffen?«

»Ich wollte das Schloß öffnen und brachte es nicht fertig. Wollt Ihr mir nicht sagen, wie – — —«

»Ja, sagen will ich es Euch,« fiel ich ihm in die Rede, »nämlich sagen, daß Ihr die Hände davon zu lassen habt. Das sind keine Spielsachen für einen General, der Bull-Run in seinem ganzen Leben nicht gesehen hat.«

»Was? Nicht gesehen? Ich sage Euch, daß – — —«

»Still! Mir macht Ihr nichts weis. Gebt her!«

Ich nahm ihm meine beiden Gewehre‘ als eben Winnetou wiederkam, dessen Büchse er noch in der Hand hatte. Der Apatsche erriet sofort den Zusammenhang, zog ihm die Silberbüchse weg und zürnte ihn ganz gegen seine sonstige Ruhe an:

»Wie kann das lügnerische Bleichgesicht sich an dem Gewehre des Häuptlings der Apatschen vergreifen! Dieses Gewehr wurde noch nie von den schmutzigen Fingern eines weißen Schurken berührt!«

»Schurke?« fuhr der General auf. »Will Winnetou dieses Wort zurücknehmen, oder – — —«

»Oder? Was?« donnerte ihn der Apatsche an.

Da wich Douglas erschrocken zurück und antwortete kleinlaut:

»Man wird wohl ein Gewehr betrachten dürfen!«

»Aber nicht berühren! Winnetou legt seine Hand nicht dahin, wo die deinige gelegen hat!«

Er wischte mit dem herabhängenden Ende der Santillodecke, die ihm als Gürtel diente, die Büchse ab, als ob sie schmutzig geworden sei, hielt mir sie dann hin und sagte.

 

»Mein Bruder Old Shatterhand mag unsere Gewehre in die Stube tragen und dort an die Wand hängen, damit sie nicht wieder von solchen Händen besudelt werden!«

Damit wandte er sich ab und ging zu seinem Pferde. Ich sah noch, daß der General einen mir nicht gleich verständlichen Blick mit Old Wabble wechselte, und trug dann die Gewehre in das Häuschen, wo sie sicher hingen, denn Unberufene kamen nicht da hinein. So wenigstens dachte ich, und so hatte auch Winnetou gedacht.

Zu ihm ging ich dann, um ihm mitzuteilen, was ich mit Old Surehand besprochen hatte. Er war ganz einverstanden und sagte:

»Mein Bruder thut sehr recht daran. Mag dieser General die Wahrheit gesagt haben oder nicht, es ist gut, daß du mit Old Surehand reitest, und ich freue mich darüber, daß Apanatschka euch begleiten will. Er wird euch keine Last, sondern eine Hilfe sein. Mich trefft ihr dann in der Wohnung der Mescaleros, wohin ich auch das Pferd mitnehme, welches Old Surehand bis jetzt geritten hat; er mag es sich da holen.«

Hierauf sahen wir, daß der General seine Wasserschläuche füllte, wobei Old Wabble ihm behilflich war. Sie trugen sie fort, hinaus zu den Chickasaws. Wir machten uns keine Gedanken dabei, sondern nahmen es als ein Zeichen, daß Douglas morgen früh zeitig fort wollte, was uns nur lieb sein konnte.

Als Bob uns die Lager bereitet hatte, ging er in die Stube, wo er mit Sanna schlief. Wir legten uns nieder. Bloody-Fox pflegte auch im Häuschen zu schlafen, zog es aber wegen der dort herrschenden Schwüle heut vor, sich zu uns zu legen. Da die Feuer nicht mehr genährt wurden, verlöschten sie bald, und wir schliefen ein.

Früh war ich der erste, welcher erwachte, und weckte die Gefährten. Es fiel uns nicht auf, daß der General und mit ihm Old Wabble fehlte, und ich ging mit Winnetou fort, um nach den Gefangenen zu sehen. Wir fanden alles in Ordnung, was nämlich die Comantschen und Apatschen betraf; aber die Chickasaws waren nicht mehr da. Als wir Entschar-Ko, der hier befehligte, nach ihnen fragten, antwortete er:

»Wissen meine Brüder nicht, daß sie fort sind?«

»Nein.«

»Der weiße Mann, der sich General nennt, sagte, er wolle nicht länger hier bleiben, weil Winnetou und Old Shatterhand ihn beleidigt hätten; da ritt er fort mit den Chickasaws und seinen drei Bleichgesichtern.«

»Und Old Wabble?«

»Der ritt mit ihnen.«

»Da ist die Freundschaft zwischen ihnen ja recht schnell groß geworden. Mögen sie fort sein, auch Old Wabble mit! Es ist nicht schade um sie. Sie müssen aber noch im Finstern aufgebrochen sein, denn es ist erst seit einer halben Stunde Tag!«

»Im Finstern?« fragte Entschar-Ko erstaunt.

»Der Mond schien noch.«

»Was? Der Mond? Heut früh?«

»Heut früh? Es war doch gestern abend!«

»Ah, schon gestern haben sie sich entfernt? Da haben sie es außerordentlich eilig gehabt.«

»Weil ich den General beleidigt habe,« bemerkte Winnetou. »Der Zorn hat sie bald darauf fortgetrieben.«

Wir kehrten nach dem Wasser zurück, frühstückten und tränkten unsre Pferde. Inzwischen packte Bob Proviant für mich, Old Surehand und Apanatschka ein und füllte einige Wasserschläuche. Als er damit fertig war, forderte ich ihn auf, meine Gewehre zu holen.

»Gewehre?« fragte er. »Wo sein Gewehre?«

»In der Stube. Sie hängen an der Wand neben der Thür.«

Er ging hinein, kam aber gleich darauf mit leeren Händen zurück und meldete:

»Keine Gewehre drin; Masser Bob keine sehen.«

»Du irrst; hast du denn gestern abend, als du schlafen gingst, sie nicht hängen sehen?«

»Masser Bob nicht hingeschaut. Jetzt keine drin, wirklich keine.«

Das war doch höchst sonderbar! Ich ging hinein, und Winnetou kam schnell nach. Die Gewehre waren nicht da; sie fehlten alle drei. Wir waren zunächst nur bestürzt; aber diese Bestürzung verwandelte sich in Schreck, als wir die Gefährten fragten und von ihnen hörten, daß keiner von ihnen im Häuschen gewesen sei; noch hatten wir angenommen, daß jemand die Gewehre für uns geholt und draußen irgendwo hingelegt habe.

»Sollte etwa – — —?« fragte Winnetou.

Er sprach vor innerer Aufregung die Vermutung nicht aus. Ich sah trotz der Bronzefarbe seines Gesichtes, daß ihm das Blut aus den Wangen gewichen war.

»Du meinst den General?« fragte ich,

Er nickte nur.

»Dieser Halunke! Kein andrer ist‘s gewesen! Wie gierig er die Gewehre betrachtete! Werden gleich Klarheit haben! Bob, war jemand im Häuschen, als du dich niedergelegt hattest?«

»Massa General war da.«

»Ah! Hattest du die Thür nicht verriegelt?«

»Masser Bob nie die Thür verriegeln; sind keine Spitzbuben da.«

»Was wollte der General?«

»Kommen herein und rufen leise Masser Bob, um ihm geben einen Dollar Trinkgeld für Abendessen und Aufwarten.«

»Brannte das Licht noch?«

»War ausgelöscht, weil Masser Bob und Sanna schlafen wollen.«

»Wie lange war der General in der Stube?«

»Massa General hereinkommen, rufen Masser Bob und ihm geben Dollar; dann nicht gleich wieder hinaus, weil nicht schnell Thür finden können.«

»Oh, wo die war, das hat er gewußt! Er hat nur so gethan, als ob er nach ihr suche, dabei aber nach den Gewehren getastet. Was sagt mein Bruder Winnetou? Ist er derselben Meinung wie ich?«

Ich hatte noch nie gesehen, daß der Apatsche durch irgend etwas aus der Fassung gebracht worden war. Wir hatten uns in Lagen und Gefahren befunden, die jeden andern in die größte Aufregung versetzt hätten; er war stets ruhig geblieben, innerlich ebenso wie äußerlich. Höchstens hatte es eine kleine Bedenklichkeit oder Ueberraschung gegeben, die aber nur von mir, der ich ihn genau kannte, bemerkt worden war. Jetzt sah ich ihn zum erstenmal innerlich so aufgeregt, daß er sich Mühe geben mußte, äußerlich ruhig zu bleiben. Diese Erregung sprach sich darin aus, daß er nur leise und die Worte halb verschluckend auf meine Frage antwortete:

»Mein Bruder – — hat recht. Der General hat – — – unsre Gewehre – — – gestohlen – — —!«

»Deine herrliche Silberbüchse, das teure Vermächtnis deines Vaters!«

»Er wird – — er wird sie – — —«

Er konnte nicht weitersprechen; ich sah, daß der mit aller Anstrengung niedergehaltene Grimm ihm die Fäuste ballte.

»Er wird sie wieder hergeben müssen,« vervollständigte ich seinen unbeendigten Satz. »Wir müssen den Dieben nach und zwar sofort!«

»Ja – — – sofort, sofort!«

Es läßt sich denken, daß der Verlust unserer Gewehre nicht bloß uns zwei als die zunächst Betroffenen berührte; die Freunde, welche bei uns standen, waren noch viel aufgeregter als wir selbst. Old Surehand sagte mit vor Zorn bebender Stimme:

»Dieser Diebstahl trifft auch mich sehr schwer, Mr. Shatterhand. Ihr müßt den Halunken natürlich nach und könnt nun nicht mit mir nach Fort Terrel reiten!«

»Nein, das kann ich freilich nicht.«

»Und ich kann Euch weder begleiten noch hier auf Euch warten, denn ich muß hin, ich muß hin und darf keine Stunde verlieren.«

»Ich fürchte nur, daß Ihr diesen Weg umsonst machen werdet.«

»Mag sein; aber dennoch muß ich hin, damit ich mir später keine Vorwürfe zu machen brauche. Das werdet Ihr gewiß einsehen.«

»Ich sehe es freilich ein und will Euch nicht zureden, auf diesen Ritt zu verzichten. Ihr werdet ja nicht allein sein, denn Apanatschka begleitet Euch.«

»Ja,« erklärte der junge Häuptling der Comantschen. »Ich reite mit meinem Bruder Surehand, denn ich habe es versprochen und halte mein Wort. Ich muß es nun erst recht halten, weil Old Shatterhand nicht mitkommen kann.«

»So will ich Euch wünschen, daß Ihr das dort gesuchte Ergebnis findet, Mr. Surehand!«

»Und ich wünsche Euch,« antwortete er, »daß Euch der General nicht entkommt. Alle Teufel, wenn ich es mir so überlege: diese drei kostbaren, geradezu unersetzlichen Gewehre verloren!«

»Ich gebe sie noch lange nicht verloren.«

»Nicht? Glaubt Ihr, den Dieb zu finden?«

»Ich glaube es nicht nur, sondern ich bin überzeugt davon.«

»Ja, wir werden ihn finden, lebendig oder tot, und wenn er noch so weit entwiche, oder sich in das Innere der Erde versteckte. Er entgeht uns nicht!« knirschte Winnetou.

»Das ist gewiß,« fügte ich hinzu. »Wir bekommen die Gewehre zurück, nur fragt es sich, in welchem Zustande!«

»Ja. Dieser weiße Hund versteht sie nicht zu behandeln und kann sie leicht beschädigen oder gar unbrauchbar machen, besonders deinen Stutzen.«

»Das würde er schwer, sehr schwer büßen müssen. Also, wir verfolgen ihn. Wen will mein Bruder Winnetou mitnehmen?«

»Niemand.«

»Wir reiten allein?«

»Ja. Jeder andere würde uns hinderlich sein.«

»Ich auch?« fragte Parker.

»Ja.«

»Auch ich?« erkundigte sich Hawley.

»Auch du.«

»Wir möchten aber gar so gern mit!«

»Es geht nicht. Eure Pferde sind nicht so schnell wie die unsrigen, sie würden den Ritt nicht aushalten.«

Die beiden baten, sie dennoch mitzunehmen; er aber schlug es ihnen ab, und ich mußte ihm recht geben. Nun wollten sie sich Apanatschka und Old Surehand anbieten, aber diese konnten sie auch nicht brauchen; es blieb ihnen nichts andres übrig, als sich dem Transporte der gefangenen Comantschen anzuschließen.

Diesen hatte Winnetou leiten wollen, was nun aber nicht möglich war. Dableiben konnten sie aber auch nicht, und so besprachen wir uns kurz und wurden darüber einig, daß sie noch heut von den Apatschen unter Bloody-Fox und Entschar-Ko fortgeschafft werden sollten. Ich hätte gern dahin gewirkt, daß sie ihre Gewehre wiederbekamen, verzichtete aber darauf, weil Winnetou behauptete, daß dies gefährlich sei. Sie hätten, sobald sie frei waren, auf den Gedanken kommen können, die Apatschen gleich wieder anzugreifen, wenigstens ihnen heimlich zu folgen und einen Ueberfall zu wagen. Dieser Gedanke lag schon deshalb nahe, weil Winnetou, Old Surehand und ich fehlten, vor denen sie sich am meisten fürchteten.

Wir hätten uns mit Büchsen versehen können, denn Bloody-Fox besaß mehrere, die er uns anbot, und wir hätten uns auch von den erbeuteten Flinten zwei aussuchen können; aber wir verzichteten darauf, denn wir waren überzeugt, daß wir wieder zu unsern Gewehren kommen würden; was sollten wir uns da mit andern schleppen. Wir hatten unsre Messer, Revolver, Lassos und Tomahawks; das war einstweilen genug für uns.

Nun ritten wir hinaus vor das Kaktusfeld, denn es galt, die Spur des Generals auszumachen. Wie wir jetzt hörten, hatte er zu einem Apatschen, der Posten gewesen war, gesagt, daß er nach den »hundert Bäumen« reiten werde.

»Das ist nicht wahr; das ist eine Finte, um Euch irrezuleiten,« meinte Parker. »Der General kennt den Weg dorthin ja gar nicht!«

»Aber Old Wabble ist bei ihm, der ihn nun kennt,« antwortete ich.

»So glaubt ihr, daß er wirklich dorthin ist?«

»Nein. Grad weil er dies gesagt hat, wird er eine andre Richtung einschlagen.«

»Aber wohin?«

»Nach dem Peace-River, wie ich vermute. Ich habe erfahren, daß er dorthin will, und er ahnt nicht, daß ich es weiß. Er will zu den Chickasaws, um sich dort auszuruhen.«

»So würdet Ihr gut thun, gleich dorthin zu reiten.«

»Ja; aber ich darf auch keine Vorsicht versäumen. Er könnte auf einen andern Gedanken gekommen sein, und wir müssen also auf seiner Fährte bleiben.«

»Schwierige Geschichte das, sehr schwierig!«

»Warum?«

»Weil die Gegend von hier nach den »hundert Bäumen« von Fährten jetzt geradezu wimmelt. Wer da die ihrige unterscheiden will, der möchte scharfe Augen haben, ja, der möchte beinahe allwissend sein.«

»Ihr laßt außer acht, daß der Wind diese Spuren vollständig verweht hat. Wir werden also die Fährte der fünf Weißen und vier Chickasaws sehr deutlich sehen.«

»Ah, das ist richtig. Ihr wollt also sogleich fort?«

»Ja,«

»Das geht schnell und kommt uns ganz unerwartet. Ich hoffe, daß wir Euch bald wieder einmal zu sehen bekommen, Mr. Shatterhand. Erlaubt mir, Euch die Hand zu reichen!«

Auch Jos Hawley gab mir die seinige. Er sagte in treuherzig betrübtem Tone:

»Könnt Ihr Euch noch auf die Geschichte besinnen, die Ihr uns da oben im Mistake-Cañon erzählt habt, Sir?«

»Ja.«

»Ihr habt mir mit ihr das Herz leicht gemacht. Ich bin zu der Ansicht gekommen, daß ich mir wegen des Todes jenes Indianers nichts vorzuwerfen habe. Diese Beruhigung habt Ihr mir gegeben. Ich danke Euch, Mr. Shatterhand, und werde mich unendlich freuen, wenn sich unsre Fährten wieder einmal kreuzen!«

Es ging ans Abschiednehmen. Old Surehand nahm meinen Arm, zog mich von den andern fort, die seine Worte nicht hören sollten, und sagte:

 

»Gestern abend war ich ganz glücklich darüber, daß Ihr mit mir nach Fort Terrel wolltet; heut ist das schnell anders geworden, und Ihr könnt Euch denken, wie betrübt ich darüber bin. Ihr wißt ja, daß ich so gern stets und immer bei Euch bleiben möchte. Jetzt muß es so plötzlich geschieden sein, und noch dazu aus einem solchen Grunde! Ihr seid aber wirklich überzeugt, daß Ihr die Gewehre wiederbekommen werdet?«

»Ja.«

»Ich wünsche es Euch von ganzem Herzen. Und ebenso herzlich wünsche ich, daß wir uns recht bald wieder treffen!«

»Mein Wunsch ist das natürlich auch, Mr. Surehand.«

»Könntet Ihr mir nicht einen Ort bestimmen?«

»Nein.«

»Warum nicht?«

»Weil wir beide nicht wissen, was geschieht und welchen Ereignissen wir entgegengehen. Ihr reitet südwärts, um diesen Dan Etters zu suchen. Wer weiß, wie lange Ihr ihn verfolgen müßt und wohin seine Spur Euch führt. Ich reite nach Norden und kann auch nicht sagen, wann und wo wir den General einholen werden.«

»So kommt Ihr gar nicht hierher zurück?«

»Ich möchte wohl, kann aber doch nicht sagen, ob es mir möglich sein wird. Ich kann also kein Rendezvous bestimmen, und Ihr könnt es wahrscheinlich auch nicht.«

»Nein.«

»So müssen wir die Zeit und den Ort, wann und wo wir uns wiedersehen werden, dem Zufalle überlassen.«

»Hm, ja! Aber daß wir es ihm so ganz und gar überlassen, das ist doch nicht nötig. Darf ich Euch einen kleinen Wink geben?«

»Ich bitte darum.«

»Ich gab Euch, ehe der Zweikampf mit Apanatschka begann, eine Adresse an. Die wißt Ihr noch?«

»Natürlich!«

»So nehmt sie als Anhalt zu einem späteren Zusammentreffen mit mir. Wenn Ihr einmal zufälligerweise nach Jefferson-City, Missouri, kommt, so geht in das Bankgeschäft von Wallace und CO., wo Ihr erfahren werdet, wo ich mich zu der betreffenden Zeit befinde!«

»Well, werde es thun.«

»Danke! Da muß ich aber eine Bitte aussprechen.«

»Welche?«

»Forscht nicht nach meinen Verhältnissen!«

»Nein. Oder haltet Ihr mich für einen indiskreten, taktlosen und zudringlichen Menschen?«

»Ganz und gar nicht; aber Ihr könntet Euch doch nach der Anweisung verhalten, die ich Euch vor dem Zweikampfe gab.«

»Die habt Ihr mir doch nur für den Fall Eures Todes gegeben. Ihr lebt aber noch. ich werde nicht den geringsten Versuch machen, in Eure Geheimnisse einzudringen.«

»Danke Euch, Sir, danke! Und nun, lebt wohl. Ich wünsche, daß Ihr den General bald einholt!«

»Und ich würde mich außerordentlich freuen, wenn ich später hörte, daß Ihr Euern Dan Etters glücklich erwischt habt, Mr. Surehand!«

Wir schüttelten uns herzlich die Hände. Es that beiden aufrichtig leid, daß wir so plötzlich und auf ganz unbestimmte Zeit voneinander gehen mußten.

Auch von Bloody-Fox verabschiedete ich mich. Winnetou erteilte ihm und Entschar-Ko die nötigen Weisungen, sagte allen in seiner Weise mit kurzen Worten lebewohl, und dann verließen wir die Oase, welche der Schauplatz so drohender Ereignisse war, die für uns ein so befriedigendes Ende genommen hatten.

Unsere Pferde mußten heut schwerer tragen als gewöhnlich, weil wir ihnen Schläuche mit Wasser für zwei Tage aufgeladen hatten; denn wenn es richtig war, was wir dachten, so ritt der General nicht nach den »hundert Bäumen«, sondern zu den Chickasaws, welche nördlich von dem Llano estacado wohnten, und wir hatten zwei Tage durch die Wüste zu reiten. Den Weg kannten wir genau. Er ging über Helmers‘Home, eine Ansiedelung, welche nahe am nördlichen Rande des Llano lag und diesen Namen führte, weil der Besitzer Helmers hieß. Er war ein sehr guter Bekannter, ja ein Freund von uns. Es war vorauszusehen, daß die, welche wir verfolgten, dort einkehren würden.

Es galt für uns die höchste Eile, weil sie schon gestern abend von der Oase fortgeritten waren und also einen halben Tag Vorsprung vor uns hatten. Und doch mußten wir sie womöglich noch in der Wüste einholen, weil die Verfolgung später schwieriger wurde. Es gab dann Gras und Büsche, später sogar Wälder, Bäche und Flüsse, die überall Verstecke boten und dem Generale hundert Gelegenheiten gaben, uns zu entkommen.

Die Fährte war leicht zu erkennen; sie führte allerdings nach Westen, also in der Richtung der »hundert Bäume«; aber schon nach einer Stunde bog sie in einem vollen, rechten Winkel gerade nach Norden ab. Unsere vorhin erwähnte Ansicht schien also die richtige zu sein.

Wir ritten immer Galopp, und ließen nur zuweilen die Pferde in langsamen Schritt fallen, damit sie sich verschnaufen konnten. Als es zu Mittag am heißesten geworden war, hielten wir an, gaben ihnen Wasser und ließen sie eine Stunde ruhen. Dann ging es in gleicher Eile wieder weiter, bis es dunkel geworden war und wir also halten mußten. Das brachte uns in Nachteil gegen die Verfolgten, welche auch des Nachts reiten konnten, während wir gezwungen waren, zu warten, weil wir ihre Fährte nicht mehr sahen.

Wir hätten allerdings trotzdem auch weiter reiten können, weil wir ihr wahrscheinliches Ziel kannten; aber es wäre das doch immerhin ein Wagnis gewesen, weil plötzliche Gründe eintreten konnten, durch welche sie veranlaßt wurden, ihre Richtung zu ändern. Darum hielten wir an, als die Dämmerung vorüber war. Kaum aber war der Mond erschienen, so brachen wir wieder auf. Seine Sichel bot nur wenig Licht, und andern Westmännern wäre es wohl schwerlich möglich gewesen, bei einer so unzureichenden Beleuchtung einer Fährte zu folgen, noch dazu im Galopp; aber unsre Augen waren scharf genug, und wenn ich mich ja einmal irren sollte, so war das bei Winnetou vollständig ausgeschlossen. Erst nach Mitternacht machten wir wieder Halt, denn die braven Tiere mußten ruhen; sie bekamen wieder eine allerdings nicht zureichende Portion Wasser; dann wurden sie angepflockt, und wir hüllten uns in unsre Decken, um zu schlafen. Kaum aber graute der Tag, so saßen wir schon wieder auf und kamen zwei Stunden später an die Stelle, wo sie Lager gemacht hatten. Wir blickten einander befriedigt an, denn wir hatten den halbtägigen Vorsprung bis auf diese zwei Stunden verkürzt, wenn sie nämlich auch erst am Morgen aufgebrochen waren.

Ich sagte: Wir sahen einander an; denn gesprochen wurde fast kein Wort. Winnetou war überhaupt ein sehr schweigsamer Mann, und wenn er gar einen Gedanken verfolgte, wie der unsrige war, so pflegte er noch viel weniger Worte als sonst zu machen.

Wir hatten den Lagerplatz der neun Reiter kaum eine halbe Stunde hinter uns, so sahen wir uns gezwungen, wieder anzuhalten, denn sie hatten ihren Ritt hier unterbrochen, und die Hufeindrücke sagten uns, daß so etwas wie eine Beratung stattgefunden haben mußte. Und diese war jedenfalls eine sehr lebhafte gewesen, denn die einzelnen Reiter waren nicht still halten geblieben, sondern hatten ihre Pferde sehr beweglich hin- und hergetrieben. Das ließ uns vermuten, daß zwischen ihnen ein Streit, ein Zank ausgebrochen war. Aber worüber? Das fragten wir uns. Wahrscheinlich über den ferneren Weg, über die Richtung, die heut eingehalten werden sollte.

Auf diese Vermutung kamen wir dadurch, daß sich von hier aus die Spuren teilten, was uns außerordentlich unlieb sein mußte. Keine der beiden Fährten ging gerade aus; die eine bog nach rechts und die andere nach links ab, so daß sie einen spitzen Winkel bildeten.

»Uff!« sagte Winnetou enttäuscht. »Das ist schlimm!«

»Allerdings schlimm,« stimmte ich bei. »Wahrscheinlich haben sich die Roten hier von den Weißen getrennt. Welche Fährte aber ist diejenige der Indianer und welche diejenige der Weißen?«

»Wollen sehen!«

Er stieg ab, um die Spuren zu untersuchen.

»Ich bezweifle sehr, daß wir das sehen können,« erklärte ich, indem ich mich aus dem Sattel schwang. »Ich habe bemerkt, daß die Pferde der Weißen auch keine Eisen haben, sondern barfuß sind. Eine Unterscheidung zwischen ihnen und den andern Pferden ist also kaum möglich.«

Leider bestätigten sich diese meine Worte; die Hufspuren gaben uns nicht den mindesten Anhalt zu einer sichern Bestimmung; wir waren auf ungewisse Vermutungen angewiesen, die uns weniger nützen als vielmehr schaden konnten.

»Wollen den beiden Fährten eine kleine Strecke folgen,« meinte Winnetou. »Vielleicht sehen wir doch etwas. Mein Bruder mag die nach rechts nehmen; ich gehe links.«

Wir thaten das. Ich hatte nur das eine Ergebnis, daß ich die Zahl der Pferde entdeckte, und Winnetou erzielte das gleiche unzulängliche Resultat. Wir konnten nicht einmal aus dieser Zahl auf diejenige der Reiter schließen, weil Packpferde dabei waren. Wir standen da und sahen einander an.

»Uff!« sagte Winnetou, indem trotz der Enttäuschung, die wir fühlten, etwas wie ein Lächeln über sein Gesicht glitt. »Hat mein Bruder Shatterhand mich schon einmal in dieser Weise dastehen sehen?«

»Nein.«

»Ich dich auch nicht! Uff!«

»So ganz und gar nicht zu wissen, woran wir sind, das ist uns nie, noch nie passiert!«

48Zahnlücken, komantschisch.