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Old Surehand I

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»Ich interessiere mich sehr für Euch und alle, die bei Euch sind, also auch für Mr. Surehand. Ist das sein richtiger Name?«

»Glaube es nicht,« antwortete ich.

»Wie heißt er eigentlich?«

»Das weiß ich nicht.«

»Aber seine Verhältnisse kennt Ihr wohl?«

»Nein.«

»Auch nicht, woher er stammt?«

»Auch nicht. Wenn Ihr das alles wissen wollt, will ich Euch einen guten Rat geben.«

»Nun?«

»Fragt ihn selbst! Vielleicht sagt er es Euch. Mir hat er‘s nicht gesagt, und ich war auch nicht so neugierig, es wissen zu wollen.«

Damit drehte ich mich um und ließ ihn stehen.

Nun warteten wir, ob die Comantschen sich einstellen würden. Der erste, welcher kam, war nicht ein Roter, sondern ein Weißer, nämlich Old Wabble. Er kam nicht zu Fuß, sondern geritten; er hatte sich das nicht nehmen lassen. Bei mir hielt er an, sprang vom Pferde, hielt mir grüßend die Hand entgegen und rief froh und unbefangen, als ob er sich gar nichts vorzuwerfen habe:

»Welcome, Sir! Ich muß Euch die Hand drücken, daß Ihr gekommen seid. Hatte große Sorge, wie das ablaufen würde. Nun aber ist ja alles wieder gut; th‘is clear!«

»Nein, das ist nicht so klar!« antwortete ich, ohne seine Hand anzunehmen. »Ich habe mit Euch nichts mehr zu thun!«

»So? Ah! Warum?«

»Weil Ihr trotz Euers hohen Alters ein ganz dummer, nichtsnutziger Boy seid, vor dem sich jeder verständige und bedachtsame Mann zu hüten hat. Geht mir aus den Augen!«

Ich ließ auch ihn stehen wie vorhin den General; er ging zu Old Surehand, dann zu Parker und Hawley; sie wendeten sich, ohne ihm zu antworten, grad so von ihm ab wie ich. Er stand allein, bis sich der General an ihn machte.

Nun folgten die Comantschen einer nach dem andern, so wie ich es verlangt hatte. Sie waren entweder selbst zu der Einsicht gekommen, daß keine andere Rettung für sie sei, oder besaß Apanatschka einen solchen Einfluß auf sie, daß sie seinen Vorstellungen und Befehlen keinen Widerstand geleistet hatten. Jeder wurde, wie er kam, nach Waffen untersucht und dann gefesselt. Es gab keinen unter ihnen, bei dem etwas gefunden wurde; sie hatten alles, was als eine Wehr gelten konnte, abgelegt und bei den Pferden gelassen. Als sie dann so nebeneinander lagen, hundertundfünfzig kühne und gewissenlose Indianer, welche ausgezogen waren, zu rauben und zu morden und keinen Gegner zu schonen, wurde es uns erst richtig klar, welcher Gefahr und welchem Schicksal wir entgangen waren.

Wenn ich sage, die Comantschen lagen alle da, so ist einer von ihnen auszunehmen, nämlich Apanatschka, welcher sich zuletzt eingestellt hatte und auf einen Wink von mir nicht gefesselt worden war, Als die Apatschen den letzten Comantschen gefesselt hatten, trat der junge Häuptling zu mir heran und sagte:

»Old Shatterhand wird nun wohl auch mich in Banden legen lassen wollen?«

»Nein,« antwortete ich. »Mit dir möchte ich gern eine Ausnahme machen.«

»Warum mit mir?«

»Weil ich Vertrauen zu dir habe, denn du bist nicht wie die anderen Söhne der Comantschen, denen man nicht glauben kann.«

»Willst du mich kennen? Du hast mich doch heute zum erstenmale gesehen!«

»Das ist wahr; aber dennoch kenne ich dich. Dein Gesicht und deine Augen können nicht lügen. Du sollst deine Waffen tragen dürfen und ungefesselt mit uns reiten, wenn du mir das Versprechen giebst, nicht die Flucht zu ergreifen.«

Winnetou und Old Surehand standen bei mir. Ueber das ernste Gesicht Apanatschkas ging ein sonnenheller Blick der Freude, doch antwortete er nicht.

»Willst du mir dieses Versprechen geben?« fragte ich.

»Nein,« antwortete er.

»Du hast also die Absicht, zu entfliehen?«

»Nein.«

»Warum weigerst du dich da, das von mir geforderte Versprechen zu geben?«

»Weil ich nicht zu fliehen brauche, denn ich werde entweder tot sein oder frei, wenn Old Shatterhand und Winnetou wirklich die echten und stolzen Krieger sind, für die ich sie halte.«

»Ich errate, was du meinst, dennoch bitte ich dich, dich deutlicher auszusprechen.«

»Ich werde es thun. Apanatschka ist kein feiger Mann, der sich gefangen giebt, ohne nur die Hand zur Abwehr erhoben zu haben. Vupa Umugi mag aus Angst um seine Medizinen auf alle Verteidigung verzichtet haben; von mir aber soll niemand sagen, daß ich mich fürchte. Ich bin um seinet- und um unsrer Krieger willen einverstanden gewesen, daß sie sich euch ausgeliefert haben; mich aber habe ich im stillen ausgeschlossen. Apanatschka läßt sich weder die Freiheit noch das Leben schenken; was er hat, will er nicht der Gnade, sondern sich selbst zu verdanken haben. Ich will kämpfen!«

Das hatten wir, Winnetou und ich, erraten. Er war ein junger Mann, dem wir unsre Achtung schenken mußten. Er sah uns fragend an, und als wir ihm nicht sogleich unsern Bescheid sagten, fügte er hinzu:

»Wenn Feiglinge diese meine Worte hören, so weisen sie mich ab; aber ich habe es mit tapfern, mit berühmten Kriegern zu thun, die mich verstehen werden.«

Aa, wir verstehen und begreifen dich,« antwortete ich.

»So gebt ihr eure Einwilligung?«

»Ja.«

»Aber bedenkt wohl: diese eure Einwilligung wird sehr wahrscheinlich einem von euch das Leben kosten!«

»Meinst du, daß wir weniger Mut besitzen als du?«

»Nein; aber ich mußte ehrlich sein und euch darauf aufmerksam machen.«

»Das ist ein Beweis, daß wir uns in Apanatschka nicht geirrt haben. Er mag uns sagen, wie er sich diesen Kampf um die Freiheit und um das Leben denkt? Mit wem will er sich messen?«

»Mit dem, den er dazu bestimmt.«

»Wir wollen nicht weniger ehrlich sein, als du gewesen bist. Du magst dir denjenigen aussuchen, der dein Gegner sein soll. Welche Waffe soll es sein?«

»Diejenige, die ihr bestimmt.«

»Auch das überlassen wir dir.«

»Old Shatterhand ist großmütig!«

»Nein. Was ich thue und bestimme, das versteht sich ganz von selbst. Wir sind die Sieger und kennen uns untereinander genau. Wir dürfen nicht den Vorteil beanspruchen, dir einen Gegner auszuwählen, weil wir wissen, daß er dir überlegen ist.«

»Ueberlegen? Apanatschka hat bis jetzt noch keinen Feind gefunden, vor dem er gewichen ist.«

»Desto besser für dich. Und die Art und Weise des Kampfes? Auch die überlassen wir dir. Wähle!«

»So wähle ich das Messer. Die beiden Gegner werden mit den linken Händen zusammengebunden und bekommen das Messer in die rechte Hand. Es geht um das Leben. Ist Old Shatterhand einverstanden?«

»Ja. Wen suchst du dir aus?«

»Würdest du beistimmen, wenn ich dich wählte?«

»Ja.«

»Und Winnetou?«

»Auch ich,« antwortete der Apatsche.

Das Gesicht des Comantschen nahm einen hochbefriedigten Ausdruck an; er sagte:

»Apanatschka ist sehr stolz darauf, daß die zwei berühmtesten Krieger des Westens bereit sind, mit ihm zu kämpfen. Würden sie ihn für feige halten, wenn er trotzdem keinen von ihnen wählte?«

»Nein,« antwortete ich. »Dein Grund würde jedenfalls ein ganz andrer sein.«

»Ich danke dir. Winnetou und Old Shatterhand werden für unüberwindlich gehalten, und wenn ich sie nicht wähle, kann es scheinen, als ob es mir am Mute fehle. Aber sie beide sind Männer, die mir für heilig und für unantastbar gelten; sie sind die Freunde aller roten und aller weißen Krieger und leben allen Bewohnern des wilden Westens als Vorbilder, die ich nicht verletzen darf. Wenn einer von ihnen unter meinem Messer fiele, würde das ein Verlust sein, den ich und niemand jemals ersetzen kann. Das ist der Grund, weshalb ich weder den roten noch den weißen Häuptling der Mescalero-Apatschen wähle.«

»So suche dir einen andern aus!«

Er ließ sein Auge forschend über die Schar der Apatschen, über Old Wabble, Parker und Hawley schweifen und richtete den Blick dann auf Old Surehand.

»Apanatschka ist ein Häuptling und möchte nicht mit einem gewöhnlichen Krieger kämpfen,« sagte er dann. »Wer ist das Bleichgesicht, welches hier bei Euch steht?«

»Sein Name ist Old Surehand,« antwortete ich.

»Old Surehand? Von ihm hörte ich oft sprechen. Er ist stark, gewandt und tapfer; ihn kann ich also zum Gegner wählen, ohne in den Verdacht zu kommen, daß ich dabei an meinen Vorteil denke. Wird er diese meine Wahl annehmen oder zurückweisen?«

»Ich nehme sie an,« antwortete Old Surehand, ohne sich einen Augenblick zu bedenken.

»Aber Apanatschka wiederholt seine vorigen Worte, daß es um das Leben geht!«

»Dieser Worte bedarf es nicht. Ich weiß, daß so etwas nicht als Spiel zu betrachten ist. Apanatschka mag sagen, wann der Kampf stattfinden soll!«

»Ich wünsche, daß er sogleich beginne, Ist Old Shatterhand einverstanden?«

»Ja,« antwortete ich.

»So habe ich eine Bitte.«

»Welche?«

»Es ist bisher alles nach meiner Wahl gegangen; dafür muß ich meinem Gegner einen Vorteil bieten.«

»Welchen?«

»Er mag den ersten Stich haben. Er soll mein Messer nicht eher fühlen, als bis ich das seinige empfangen habe.«

Da warf Old Surehand ein:

»Das nehme ich nicht an! Ich bin kein Knabe, dem man Schonung bieten kann. Es soll keiner das Recht des Angriffes, des ersten Stiches haben. Old Shatterhand mag das Zeichen geben, wann der Zweikampf beginnen soll, und dann kann von uns beiden anfangen, wer da will.«

»So ist‘s recht,« stimmte ich bei. »Es darf keiner vor dem andern etwas voraus haben. Apanatschka mag gehen und sein Messer holen!«

Er hatte seine Waffe natürlich auch da abgelegt, wo diejenigen seiner Comantschen lagen; er ging.

»Ein tüchtiger Kerl!« sagte Old Surehand. »Man muß ihn wirklich achten, und ich gestehe sogar, daß ich ihn lieb haben könnte. Schade, wirklich jammerschade um ihn!«

»Wieso?«

»Wenn er mich zwänge, ihn niederzustechen.«

»Hm! Seid Ihr Eurer Sache so sicher?«

»Ich denke es, obgleich ich weiß, daß der Zufall es oft anders fügt, als man vorher denkt.«

 

»Ganz richtig, und ich bitte Euch, dies ja nicht außer acht zu lassen. Er besitzt jedenfalls eine bedeutende Körperstärke!«

»Was das betrifft, so denke ich, es mit ihm aufnehmen zu können. Oder nicht?«

»Ja; Ihr seid ja wegen Eurer Muskelkraft berühmt. Aber seht ihn dort gehen! Es federt jedes Glied, wenn er sich bewegt; er ist jedenfalls außerordentlich gewandt.«

»Mag sein. Ich denke, es dennoch mit ihm aufzunehmen. Man hat nicht umsonst seinen guten Turn- und Fechtunterricht genossen, sich von Jugend auf geübt und sich dann unter tausend Gefahren in den »bloody-grounds« herumgetrieben. Aufrichtig gestanden, meine ich, ihm überlegen zu sein, so daß ich mir sogar vornehme, sein Leben zu schonen.«

»Was das betrifft, so müßt Ihr freilich am besten wissen, wie Ihr haltet. Ich gestehe aufrichtig, daß es mir leid um ihn thun würde, wenn er fiele.«

»Aber um mich wohl nicht?« lächelte er.

»Diese Frage ist natürlich überflüssig. Oder soll ich Euch extra ein Liebesgeständnis machen und Euch in einer langen und begeisterten Rede erklären, daß ich ohne Euch nicht leben kann?«

»Nein, das ist freilich nicht nötig, Sir. Ich habe Euch herzlich, herzlich lieb und weiß, daß Ihr mir auch gewogen seid. Sollte mir jetzt in diesem Zweikampfe etwas Menschliches passieren, so bitte ich Euch, mich nicht allzu schnell zu vergessen, Mr. Shatterhand. Wollt Ihr das? Gebt mir Eure Hand darauf!«

»Hier ist sie, obgleich es dieser Bekräftigung gar nicht bedarf, Mr. Surehand.«

»Und dann habe ich noch eine Bitte.«

»Sprecht sie aus! Wenn ich kann, werde ich sie erfüllen.«

»Sollte ich fallen, so geht nach Jefferson-City am Missouri. Kennt Ihr diese Stadt?«

»Ja.«

»Dort findet Ihr in der Fire-Street das Bankgeschäft von Wallace und Co. Sagt Mr. Wallace Euern Namen, auf welche Weise ich meine Laufbahn hier beendet habe, und bittet ihn um Auskunft über das, was mich so oft immer und immer wieder in den wilden Westen getrieben hat!«

»Wird er es mir mitteilen?«

»Ja, wenn ich nämlich tot bin und Ihr ihm versichert, daß Ihr in dieser Angelegenheit mein Erbe seid. So lange ich lebe, wird er freilich keinem Menschen etwas sagen.«

»Und wenn ich es erfahren habe, was soll ich dann thun?«

»Das, was Ihr wollt.«

»Es wäre mir lieber, wenn ich von Euch bestimmtere Weisungen erhalten könnte.«

»Die mag ich Euch nicht geben, Sir. Die Angelegenheit ist nämlich eine sehr ungewöhnliche, und wenn Ihr die Absicht hättet, in meine Fußstapfen zu treten, so ständen Euch große Mühen und Gefahren bevor.«

»Glaubt Ihr, daß ich diese scheuen würde?«

»Nein; ich kenne Euch ja. Aber ich will Euch nicht zumuten, Euer Leben an eine Sache zu setzen, welche Euch vollständig fremd ist und Euch selbst in dem Falle, daß es Euch gelingt, sie zu Ende zu führen, nicht den geringsten Nutzen bringen kann.«

»Wer fragt nach dem Nutzen, wenn es sich um einen Dienst der Freundschaft handelt!«

»Ihr nicht; das weiß ich ja; dennoch stelle ich kein Verlangen an Euch. Laßt Euch also von Mr. Wallace erzählen, um was es sich handelt, und thut dann das, was Euch Euer Herz und das Andenken an mich gebieten! Um mehr kann ich nicht bitten, und damit mag diese Angelegenheit erledigt sein.«

Indem Old Surehand dies sagte, kehrte Apanatschka zurück, mit dem Messer in der Hand. Der Zweikampf konnte also beginnen.

Es ist leicht zu denken, welche Aufregung es unter den Anwesenden hervorbrachte, als sie hörten, daß ein Messerkampf um das Leben zwischen Old Surehand und Apanatschka ausgefochten werden sollte. Die Apatschen bildeten sofort einen Halbkreis um uns, und zwar so, daß die an der Erde liegenden, gefesselten Comantschen das Schauspiel auch beobachten konnten.

Old Surehand entledigte sich seiner Waffen und behielt nur das Messer; dann gab er Apanatschka die Hand und sagte in freundlichem Tone zu ihm:

»Ich bin der Gegner des jungen Häuptlings der Comantschen; er hat es so gewollt. Es geht Leben um Leben, Tod um Tod, doch will ich, bevor ich das Messer gegen ihn erhebe, ihm sagen, daß ich mich darauf gefreut hatte, sein Freund und Bruder zu sein, Mag die Entscheidung fallen, wie sie wolle, sie fällt zwischen Männern, welche sich, würden sie nicht durch den Tod getrennt, gewiß geachtet und geliebt hätten.«

»Old Surehand ist ein berühmtes Bleichgesicht,« antwortete Apanatschka; »meine Seele fühlt sich zu ihm hingezogen, und wenn er fallen sollte, wird sein Name stets in meinem Herzen wohnen.«

»Ich hoffe es. Nun bleibt nur noch eins auszumachen: Wenn einer von uns während des Kampfes sein Messer verliert, muß er es wiederbekommen?«

»Nein. Es ist seine Schuld, daß er es nicht festgehalten hat; er kann sich dann nur noch mit der Hand verteidigen. Howgh!«

Ihre Hände ruhten noch ineinander. Als sie jetzt, Auge in Auge, die Blicke ineinander tauchten, kam es plötzlich über mich, warum die Züge des Comantschen mir während der Unterredung bekannt vorgekommen waren; sie besaßen mit denen von Old Surehand eine wenn auch nicht auffällige, aber doch solche Aehnlichkeit, daß ich mich wunderte, dies nicht sofort erkannt zu haben – — ein ganz eigentümlicher Zufall, denn es konnte natürlich nichts andres als nur Zufall sein.

Jetzt zog Winnetou einen Riemen aus der Tasche und sagte:

»Meine Brüder mögen mir ihre linken Hände geben, daß ich sie binde!«

Er schlang den Riemen vierfach um die beiden Handgelenke, um sie zwar fest aber so zu vereinigen, daß der nötige, kleine Spielraum blieb. Dann traten wir zurück, um ihnen für ihre Bewegungen Platz zu machen. Es waren neunhundert Augen in größter Spannung auf sie gerichtet, beide aber sahen mich an, der ich das Zeichen geben sollte.

»Jetzt – — go on!« sagte ich.

Sofort verließen mich ihre Blicke und richteten sich aufeinander. Hätte ich Apanatschka gegenüber gestanden, so wäre ich gewiß ganz ruhig und kaltblütig gewesen; so aber schlug mir das Herz so schnell, daß ich glaubte, seine Schläge hören zu können. Ich hatte Old Surehand sehr lieb gewonnen, und das Schicksal des Comantschen war mir auch nichts weniger als gleichgültig. Wer von beiden würde Sieger sein und wer unterliegen!

Sie standen einige Minuten still und bewegungslos, die rechten Hände mit den Messern herabgesenkt. Welcher wird den Arm zum ersten, blitzschnellen Stich erheben? Diese kurze Zeit kam mir wie eine Stunde und noch länger vor. Da – — – Old Surehand hob den Arm und im nächsten Momente bewegte sich derjenige des Comantschen mit einer solchen Schnelligkeit, daß wir mit den Augen nicht zu folgen vermochten – — ein metallisches Knirschen der beiden Klingen, ein dumpfer Schlag der beiden Fäuste, welche zusammenstießen; beide Messer flogen durch die, Luft, und beide Arme senkten sich wieder. Keiner war verletzt.

Das war ein Meisterstück von Old Surehand. Er wollte Apanatschka schonen, ihn nicht töten; das Erheben seines Armes war eine Finte gewesen, durch die er den Gegner zum Stoße verleitet hatte.

»Uff, uff, uff, uff!« rief es im Kreise der Apatschen und Comantschen.

»Das ist nichts. Gebt ihnen die Messer wieder!« schrie Old Wabble. »Blut muß man sehen, Blut!«

Die beiden Kämpfenden ließen die Augen nicht einen Moment voneinander; dabei sagte Apanatschka:

»Wünscht Old Surehand, daß wir die Messer wiederbekommen?«

»Nein,« antwortete dieser. »Das würde gegen die Verabredung sein.«

»Ich sprach davon, daß einem von uns das Messer entfällt; wir haben sie aber beide verloren!«

»Das ist ganz dasselbe. Weiter mit den Fäusten!«

»Ja, weiter!«

Wieder standen sie eine Weile still; dann versetzte der Comantsche seinem Gegner einen Hieb auf den Kopf, daß es zu krachen schien, und erhielt fast in demselben Augenblick einen ebensolchen Schlag; keiner von beiden wankte.

»Uff!« sagte Winnetou mit gedämpfter Stimme. »Keiner von ihnen ist Old Shatterhand!«

Beide sahen ein, daß mit solchen Faustschlägen nichts zu erreichen war, und hatten sich schnell bei den Kehlen. Ich war Zeuge so manches Zweikampfes gewesen; aber einem Ringen, wie es nun erfolgte, hatte ich noch nicht zugesehen. Sie hatten sich von dem Platze, auf welchem sie standen, nicht um einen Zoll entfernt, ihre kräftigen, muskulösen Gestalten ragten wie Säulen, wie eherne Statuen aus dem Boden auf; die mächtigen Schenkel schienen in der Erde festgewachsen zu sein; die gefesselten Hände gesenkt, hatten sie die rechten Arme erhoben und die Kehlen einander mit den Händen wie mit Schrauben umklammert. So standen sie unbeweglich. Hätte ein Photograph seinen Apparat auf sie gerichtet, das Bild hätte sicher nicht die allergeringste Schwankung gezeigt.

Jeder hatte die Absicht, dem andern den Atem zu rauben; es war ein schreckliches, weil starres und vollständig bewegungsloses Würgen, bei dem es darauf ankam, welcher Hals, welche Gurgel am kräftigsten entwickelt war. Das Gesicht Old Surehands wurde röter und röter; es begann, blau anzulaufen. Dasjenige des Comantschen war dunkler gefärbt, dennoch sah man deutlich, daß es auch immer tiefere Töne annahm. Dann hörten wir ein Aechzen, ohne aber zu wissen, von wem es kam – ein Stöhnen, ein doppeltes Röcheln; dann begannen sie zu wanken, beide zugleich; ihre Füße erhoben sich und stampften im Sande; die Beine spreizten sich aus, um festen Halt zu gewinnen, die steifen Körper neigten sich herüber und hinüber, vorwärts und rückwärts; es folgte ein erstickendes Gurgeln, und dann war es aus; sie stürzten um und fielen beide wie leblose Figuren steif und starr in den Sand. Da blieben sie liegen, ohne die Hände voneinander zu lassen.

Die vielen Zuschauer waren still; keiner von ihnen ließ ein Wort, einen Ruf hören; so wirkte dieser lautlose Würgkampf sogar auf diese wilden Menschen. Ich kniete mit Winnetou bei den Zweikämpfern nieder, um zu erfahren, wie es mit ihnen stand. Wir mußten alle Kraft anwenden, um die zwei zusammengekrallten Hände von den blutunterlaufenen Hälsen zu entfernen; dann griffen wir beide unter die Jagdhemden, um den Herzschlag zu untersuchen.

»Uff!« sagte Winnetou. »Apanatschka lebt noch; er ist noch nicht erwürgt.«

»Und auch ich fühle den allerdings ganz leisen Puls,« antwortete ich. »Sie sind bewußtlos. Warten wir, bis sie zu sich kommen!«

Wir befreiten ihre Hände von den Riemen. Da kam Old Wabble zu uns und fragte:

»Sind sie tot, beide tot?«

Wir antworteten nicht.

»Wenn sie etwa nicht tot, sondern nur ohnmächtig sind, so ist der Kampf natürlich nicht zu Ende, sondern muß mit den Messern von neuem begonnen werden; th‘is clear!«

Da stand Winnetou auf, streckte den Arm aus und sagte nur das eine Wort.

»Fort!«

In solchen Augenblicken war er ganz Häuptling, ganz der Mann, gegen dessen Willen es keinen Widerspruch gab. Gegen seine Augen, sein Gesicht und seine Haltung war da nicht aufzukommen. So erging es jetzt auch dem alten Cowboy; er wagte kein Wort, drehte sich um und ging brummend von dannen.

Nach einiger Zeit begannen die Bewußtlosen sich zu bewegen, und zwar beide mit den Händen an die Hälse. Old Surehand öffnete zuerst die Augen; er starrte uns wie abwesend an; dann besann er sich und stand taumelnd auf.

»Das – — das – — das war – — —« stammelte er.

Ich nahm ihn beim Arme, um ihn zu halten, und sagte:

»Ein schreckliches Würgen! Nicht wahr?«

»Ja – aaa – — aaaaa!« gurgelte er. »Meine Kehle ist – — – noch – — – halb zuuuuuuu!«

»So redet jetzt noch nicht! Könnt Ihr fest stehen?«

Er holte tief, tief Atem, machte eine starke Anstrengung, seine Schwäche zu überwinden und antwortete:

»Ja, ich kann. Wie steht – — – es mit – — – Apanatschka – — —? Lebt – — lebt er noch?«

»Ja; er wird gleich zu sich kommen. Seht, da hat er schon die Augen offen!«

Wir mußten dem Comantschen auch aufhelfen; er war genau so schwindelig wie sein weißer Gegner, und es verging eine ziemliche Weile, ehe beide wieder Herren ihrer Sinne und Glieder waren. Als dies der Fall war, fragte mich Apanatschka:

»Wer hat gesiegt?«

»Keiner,« antwortete ich.

»Wer fiel zuerst um?«

»Auch keiner; ihr stürztet zu gleicher Zeit.«

»So müssen wir wieder beginnen. Gebt uns die Messer und bindet uns zusammen!«

Er wollte sich entfernen, um sein Messer da, wo es hingeschleudert worden war, zu holen; ich hielt ihn aber am Arme zurück und erklärte in bestimmtem Tone:

»Halt! Der Kampf ist zu Ende und wird nicht wieder angefangen; ihr seid miteinander fertig.«

»Nein!«

»Ja!«

»Es ist keiner von uns tot!«

»Würde etwa bestimmt, daß unbedingt einer von euch beiden sterben muß?«

»Nein; aber einer muß doch Sieger sein!«

»Nimm es, wie du willst! Ihr seid entweder beide besiegt oder beide Sieger. Auf alle Fälle aber hast du dein Leben eingesetzt und also bewiesen, daß du dir die Freiheit nicht schenken lässest.«

 

»Uff! Ist das wirklich deine Ansicht?«

»Ja.«

»Und wie denkt Winnetou?«

»Ganz wie mein Bruder Old Shatterhand,« antwortete der Apatsche. »Apanatschka, der junge Häuptling der Naiini, ist nicht ohne Kampf in unsre Hände gefallen.«

»Werden das auch alle andern sagen?«

»Wenn Winnetou es sagt, so ist‘s genug. Kein Krieger der Apatschen wird eine andre Meinung haben als ich!«

»So will ich mich bescheiden. Ich bin also jetzt euer Gefangener, ohne mir einen Vorwurf machen zu müssen. Hier sind meine Hände; bindet mich so, wie alle Krieger der Comantschen gebunden sind!«

Ich sah Winnetou fragend an. Ein Blick von ihm genügte mir, zu wissen, was er dachte; darum schob ich die ausgestreckten Hände Apanatschkas zurück und sagte:

»Ich habe dir schon vorhin gesagt, daß wir dich nicht fesseln, sondern dir sogar deine Waffen geben werden, wenn du uns versprichst, nicht zu fliehen. Willst du uns dieses Versprechen geben?«

»Ich gebe es.«

»So hole dein Gewehr und dein Pferd!«

Er stand schon im Begriff, sich umzudrehen und fortzugehen, that dies aber nicht, sondern sprach:

»Sogar mein Gewehr soll ich haben? Wenn ich euch nun betrüge und mein Wort nicht halte, sondern versuche, unsre Krieger zu befreien?«

»Das thust du nicht. Du bist kein Betrüger.«

»Uff! Old Shatterhand und Winnetou werden sehen, daß Apanatschka das Vertrauen verdient, welches sie ihm schenken.«

»Wir brauchen das gar nicht erst zu erfahren. Unser Vertrauen ist sogar noch viel größer, als du denkst. Höre, was ich dir jetzt sagen werde!«

»Was?«

»Nimm dein Gewehr und alles, was du bei dir hattest; setze dich auf dein Pferd und reite fort!«

»Fortreiten?« fragte er erstaunt.

»Ja.«

»Wohin?«

»Wohin du willst.«

»Wohin ich will? Das kann und darf ich nicht.«

»Warum nicht?«

»Weil ich euer Gefangener bin.«

»Du irrst. Du bist frei.«

»Frei – — –?!« wiederholte er dieses Wort.

»Ja. Wir haben dir nichts zu sagen und nichts zu befehlen; du bist dein eigener Herr und kannst thun und lassen, was dir beliebt.«

»Aber – — aber – — aber warum?« fragte er, indem er einige Schritte zurücktrat und uns mit weit geöffneten Augen ansah.

»Weil wir wissen, daß du ohne Trug und Falschheit bist, und weil wir die Freunde und Brüder aller ehrlichen und guten Menschen sind.«

»Aber wenn ich nun anders bin, als ihr denkt?«

»Das bist du nicht!«

»Wenn ich fortreite und Krieger hole, um eure Gefangenen zu befreien?«

»Das brächte kein Mensch fertig. Unsre Gefangenen sind uns sicher. Woher solltest du solche Krieger bekommen? Woher das Wasser? Und wenn dir das alles möglich wäre, so würdest du doch keine Hand und keinen Fuß zur Befreiung Vupa Umugis rühren, denn du hast teil an der Beratung genommen, die ihn in unsere Hände lieferte. Du hast deine Zustimmung gegeben und wirst sie nicht zurücknehmen, weil du die Freiheit erhalten hast.«

Da rötete sich sein Gesicht vor Freude und Entzücken tiefer, und es war ein wahrer Herzenston, in welchem er versicherte:

»Old Shatterhand und Winnetou mögen hören, was Apanatschka, der Häuptling der Comantschen, ihnen jetzt sagt! Ich bin stolz darauf, daß so berühmte Männer mir vertrauen und an mich glauben, und nie im Leben werde ich es vergessen, daß ihr mich für ohne Trug und Falschheit hieltet. Ich bin frei und kann gehen, wohin ich will; aber ich werde bei euch bleiben und, anstatt hinter euerm Rücken mit euern Gefangenen heimlich zu verkehren, vielmehr scharf auf sie achten und dafür sorgen, daß keiner von ihnen die Flucht ergreift. Das werde ich thun, obgleich sie meines Stammes sind.«

»Wir sind überzeugt davon und werden uns jetzt mit dir niedersetzen, um mit dir das Kalumet der Freundschaft und der Bruderschaft zu rauchen.«

»Das – — das – — – wolltet ihr auch thun?«

»Ja. Oder bist du nicht bereit dazu?«

»Uff, uff! Nicht bereit! So weit es rote Männer giebt, ist kein einziger braver Krieger zu treffen, der es nicht für die größte Auszeichnung seines Lebens hielte, mit euch das Kalumet rauchen zu dürfen.«

»Aber was wird Vupa Umugi und was werden die andern Gefangenen dazu sagen?«

Wupa Umugi? Bin ich nicht ein Häuptling so wie er? Habe ich gewöhnliche Krieger zu fragen, was ich thun darf und was nicht? Wer von ihnen hat das Recht, mir einen Befehl zu erteilen oder Rechenschaft von mir zu fordern? Ich werde nicht einmal Kolakekho fragen.«

Kolakekho heißt »mein Vater«.

»Deinen Vater? Ist er mit hier?«

»Ja.«

»Wo?«

»Er liegt dort neben Vupa Umugi.«

»Ah! Seine Kleidung und sein Haarschopf sagen mir, daß er der Medizinmann der Comantschen ist?«

»Er ist‘s.«

»Hat er ein Weib?«

»Ja, meine Mutter.«

»Du wirst mein Freund und Bruder sein und dich darum nicht wundern, wenn ich dich nach deiner Mutter frage. Bei uns Christen ist es Brauch, wenn sie mit einem Sohne sprechen, zugleich auch an diejenige zu denken, die ihn unter ihrem Herzen getragen hat. Befindet sich deine Mutter wohl?«

»Ihr Körper ist gesund, aber ihre Seele ist nicht mehr bei ihr, sondern sie ist zum großen Manitou gegangen.«

Damit wollte er sagen, daß seine Mutter irrsinnig sei. Sie war die Frau, mit welcher ich am Kaam-kulano gesprochen hatte. Ich hätte sehr gern mehr über sie gehört, durfte aber, wenn ich nicht auffallen wollte, dieses Thema nicht weiter verfolgen. Ich hätte jetzt auch keine Zeit dazu gehabt, denn jetzt sahen wir von Norden her eine Anzahl Reiter kommen, welche Packpferde bei sich hatten; das waren die ersten Apatschen, welche Wasser brachten. Die Verbindung mit der Oase war also glücklich hergestellt und wir konnten von jetzt an auf eine ununterbrochene Wassersendung rechnen.

Wir waren zwar auch durstig, aber die Gefangenen natürlich noch weit mehr als wir, weshalb sie zuerst berücksichtigt wurden. Der Inhalt der Schläuche reichte zwar nicht weit; da aber unsre Relais-Posten ohne Pause thätig waren, kamen nach und nach weitere Sendungen an, mit denen wir zuletzt auch die Pferde wenigstens soweit befriedigen konnten, daß sie imstande waren, den Rückweg auszuhalten.

Nach dieser Verteilung des Wassers ging die Ceremonie des Kalumets vor sich, durch welche Apanatschka uns zur immerwährenden Freundschaft verbunden wurde, und ich hatte die beste Zuversicht zu ihm, daß er es nicht so wie Schiba-bigk machen würde, der mir einmal untreu geworden war.

Unser Rückweg mußte natürlich nach der Oase führen, schon des Wassers wegen, welches die vielen Menschen und Pferde brauchten. Vom Satttrinken konnte besonders bei den Tieren keine Rede sein, und das nötigte uns, die Rückkehr möglichst bald anzutreten; darum beschlossen wir, den Abend und die Nacht zu reiten, was auch darum vorzuziehen war, weil dadurch die ermattende Hitze des Tages vermieden wurde.

Die Waffen der Comantschen wurden unter den Apatschen verteilt, und dann brachten wir die Gefangenen auf ihre Pferde, wegen deren Ermattung der Ritt leider nur langsam vor sich gehen konnte. Doch trafen wir unterwegs von Relais zu Relais auf so viel Wasser, welches die armen Tiere bekamen, daß sie es bis zur Oase aushalten konnten.

Natürlich schloß sich jeder dieser Posten, sobald wir ihn erreichten, an uns an, auch wurde jeder Pfahl, an den wir kamen, aus der Erde gezogen und mitgenommen; denn wenn wir sie stecken lassen hätten, wären sie möglicherweise für andere Leute die Wegweiser zu Bloody-Fox geworden, was vermieden werden mußte.

Der »General« hatte sich uns mit seinen weißen und roten Begleitern angeschlossen, was wir nicht gut verhindern konnten, obgleich uns seine Anwesenheit nichts weniger als willkommen war. Was die Beaufsichtigung der Gefangenen unterwegs betrifft, so fiel uns dieselbe nicht schwer, weil wir ‚ die Maßregel getroffen hatten, daß je ein Comantsche zwischen zwei Apatschen ritt; die beiderseitige Anzahl machte dies bequem.

Unser nächtlicher Ritt ging ganz gut von statten und wurde nur dann für kurze Zeit unterbrochen, wenn wir auf die uns entgegenkommenden Posten stießen, welche Wasser brachten; da wurde angehalten, um es sogleich zu verteilen.

Schon damals, gleich nach meinem Zusammentreffen mit der irrsinnigen Frau am Kaam-kulano, hatte ich mir vorgenommen, falls ihr Mann in unsere Hände fallen Sollte, den unauffälligen Versuch zu machen, etwas über sie zu erfahren. Jetzt, da wir ihn hatten, konnte ich diesen Vorsatz ausführen. Ich lenkte, als wir unterwegs waren, mein Pferd an seine Seite und fragte ihn: