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Old Surehand I

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»Aber es ist eine Qual!«

»Ich denke, du achtest Schmerzen nicht!«

»Pshaw! Schmerzen sind es nicht, die ich leide. Warum hast du dem Nigger den Befehl gegeben, dies mit mir zu thun?«

»Ich habe es ihm nicht befohlen.«

»So hat er es aus eigenem Antriebe gethan?«

»Ja.«

»So werde ich ihn töten, sobald ich wieder frei geworden bin!«

»Das wirst du nicht!«

»Ich werde es!«

»Dann wirst du nie wieder frei sein! Ich habe ihm geboten, dich loszubinden und gut zu behandeln. Hast du gehungert?«

»Nein.«

»Oder gedürstet?«

»Nein.«

»So hast du also alles gehabt, was du brauchtest. Worüber kannst du dich da beschweren?«

»Darüber, daß er mir diese Stangen auf den Rücken gebunden hat. Das thut man mit keinem Häuptlinge der Comantschen!«

»Wo steht das geschrieben, oder wer hat das gesagt? Sprechen etwa die alten Wampums oder Ueberlieferungen der Comantschen davon? Nein! Daß man es thut, das hast du jetzt an dir selbst erfahren. Und wer ist schuld daran, daß es geschehen ist? Du selbst!«

»Nein.«

»Doch! Du hast gesagt, daß du fliehen werdest, sobald sich dir eine Gelegenheit dazu biete. Der Neger mußte dich bewachen und hat dir durch die Stangen diese Gelegenheit genommen. Du mußt einsehen, daß er nichts als seine Pflicht gethan hat.«

»Aber er hat mich dadurch lächerlich gemacht! Ich will lieber große Schmerzen erleiden als diese Stangen tragen!«

»Das hat er sich freilich nicht sagen können; er hat es gut gemeint. Hättest du mir dein Wort gegeben, nicht zu entfliehen, so könntest du draußen im Freien sitzen und alle die Ehren genießen, welche einem Häuptling gebühren.«

»Ich darf dies Wort nicht geben!«

»Du darfst!«

»Nein!«

»Du darfst es thun, weil deine Weigerung dir gar nichts nützen und fruchten könnte.«

»Ich würde unsre Krieger aufsuchen und sie warnen!«

»Du würdest sie nicht finden!«

»Ich finde sie!«

»Nein. Du weißt nicht, wo sie sich befinden.«

»Ich weiß es!«

»Nein, du hast ja gar keine Ahnung von dem, was heut wieder geschehen ist.«

»Darf ich es nicht erfahren?«

»Eigentlich nicht; aber ich will es dir dennoch sagen. Aus dieser Aufrichtigkeit magst du ersehen, daß wir unsrer Sache sicher sind und daß die Flucht gar keinen Vorteil für dich brächte.«

»So sprich!«

»Glaubst du zunächst, daß wir euern Plan durchschauen?«

»Ich weiß, daß ihr ihn kennt.«

»Ihr wolltet die weißen Reiter in die Irre führen und bei dieser Gelegenheit die Oase hier in Besitz nehmen. Du rittest voran, um Vupa Umugi den Weg hierher zu zeigen. Dann wolltet Ihr die Stangen anders stecken und die Bleichgesichter hinter euch herlocken. Nach ihnen sollte Nale Masiuv kommen, um sie einzuschließen und ihnen den Rückweg zu verlegen. Ist es so?«

»Mein weißer Bruder hat es erraten.«

»Ja, ich muß es sehr genau wissen, sonst würdest du es nicht in dieser weise eingestehen. Nun aber weißt du am allerbesten, daß wir dich gefangen genommen haben, noch ehe du damit fertig warst, Vupa Umugi den Weg hierher zu zeigen.«

»Ich weiß es.«

»Du hast auch gesehen, daß Winnetou mit fünfzig Apatschen fortgeritten ist, um die Stangen zu entfernen und in falscher Richtung anzubringen?«

»Ich sah es.«

»Well. Wir sind dann von hier fortgeritten, um die Krieger der Comantschen zu beobachten. Als wir bei den »hundert Bäumen« ankamen, sahen wir, daß Winnetou seine Sache sehr gut gemacht hatte. Die Stangen steckten in einer Richtung, durch welche Vupa Umugi mit seinen Leuten in die Einöde geführt wird, wo es kein Wasser giebt.«

»Uff!«

»Ja, ich will dir sogar mit noch größerer Aufrichtigkeit sagen, daß wir ihm eine noch weit gefährlichere Falle gestellt haben, als du dir vielleicht denken wirst. Die Stangen werden ihn morgen mitten in ein großes, undurchdringliches Kaktusfeld führen, aus welchem kein Entrinnen ist. Der Weg führt ihn hinein, aber nicht wieder heraus.«

»Uff!«

»Er wird länger als eine Stunde reiten, bis er in die Mitte dieses großen Kaktusfeldes kommt. Da ihn die Stangen in diese Falle leiten, wird er denken, du habest sie gesteckt, und ihnen folgen. Er wird annehmen, daß dieser Weg ihn wieder in das Freie bringe; aber dieser Weg hört plötzlich auf, und eure Krieger können weder nach vorn noch nach einer Seite weiter. Es bleibt ihnen nichts übrig, als umzukehren. Aber sobald sie sich wenden, sehen sie uns mit dreihundert Apatschen hinter sich. Wir halten den Weg besetzt und lassen sie nicht wieder heraus.«

»Uff!«

Er stieß dieses eine Wort nun zum drittenmal aus. Er war so eingeschüchtert, daß er nichts andres zu sagen wußte.

»Sag mir nun, was eure Krieger machen werden?« fuhr ich fort.

»Sie werden sich verteidigen.«

»Wie wollen sie das anfangen?«

»Sie werden auf euch schießen.«

»Glaubst du?«

»Ja. Sie sind tapfere Krieger, denen es nicht einfallen wird, sich ohne Widerstand zu ergeben.«

»Das sagst du, weil du dich hier in diesem Hause befindest und nicht in der betreffenden Falle steckst. Der Weg, welcher in den Kaktus führt, ist sehr schmal; es finden nur wenige Reiter nebeneinander Platz. Wenn sich eure Krieger umgedreht haben und auf uns schießen wollen, können sie nicht Front gegen uns machen, sondern werden in einer langen, schmalen Linie hintereinander halten, so daß nur die Vordersten auf uns schießen könnten. Und wenn sie das dennoch thäten, es würde uns keine von ihren Kugeln erreichen.«

»Meinst du, daß sie so schlechte Schützen sind?«

»Nein. Aber wir haben, wie du weißt, Gewehre, die viel weiter reichen als die ihrigen. Dadurch können wir sie so fern von uns halten, daß es ihnen unmöglich ist, uns zu treffen.«

»Uff!«

»Sie werden also mitten im Kaktus stecken, ohne uns den geringsten Schaden thun zu können.«

»Und ihr? Was werdet ihr thun?«

»Wir werden einfach warten, bis sie sich ergeben. Wir haben Wasser; sie aber haben keins.«

»Und wenn sie sich nicht ergeben?«

»So müssen sie verschmachten.«

Da ging ein leises Lächeln über sein Gesicht, und er sagte:

»Old Shatterhand ist ein kluger Mann, aber an alles kann er doch nicht denken!«

»Meinst du? Kennst du für die Comantschen einen Weg, uns zu entkommen?«

»Ja.«

»Einen Weg, den ich nicht kenne?«

»Wenn du an ihn gedacht hättest, würdest du ganz anders sprechen. Howgh!«

Seine Züge hatten den Ausdruck der Zuversichtlichkeit angenommen. Es war kein Zweifel, er hatte einen Einfall, auf welche Weise die Comantschen uns entgehen könnten. Und diesen Einfall hielt er für vortrefflich, wie das Wort »Howgh« bezeugte, welches hier einen Ausruf der Versicherung bedeutete.

»Howgh?« fragte ich. »Bist du deiner Sache so gewiß?«

»Ja.«

»Welchen Weg meinst du denn?«

»Hält Old Shatterhand mich für so unklug, es ihm zu sagen?«

»Nein. Du brauchst es mir nicht zu sagen, denn ich weiß es bereits. Wenn du glaubst, Old Shatterhand habe nicht an alles gedacht, so irrst du dich. Ich dächte, du müßtest mich da kennen.«

»So sage doch, was ich meine!«

»Warte noch! Selbst wenn du einen Rettungsweg für eure Krieger wüßtest, an den ich nicht denke, müßtest du dich doch fragen, ob sie auch auf den Gedanken kommen werden, den du für so vortrefflich hältst.«

»Sie kommen sicher darauf!«

»Schön! Da nehmen wir sie natürlich nicht bloß von vorn, sondern auch von hinten.«

»Uff!«

Dieser Ausruf klang wie Schreck.

»Nun?« fragte ich lächelnd. »Hat Old Shatterhand wirklich nicht an alles gedacht?«

»Ich – — weiß – — es nicht,« antwortete er zögernd.

»Aber ich weiß es; ich kenne den Rettungsweg, der leider nur in deiner Einbildung lebt. Du hast dir im stillen gesagt: Wenn die Comantschen mitten im Kaktus stecken, so brauchen sie doch nicht die Hoffnung zu verlieren; sie haben ja ihre Messer mit, mit deren Hilfe sie sich einen Weg aus der Falle bahnen können. Habe ich recht oder nicht?«

»Uff, uff!« antwortete er niedergeschlagen.

»Ja, du hast dich jetzt für sehr klug gehalten. Aber bedenke, wie lange es dauern würde, ehe ein solcher Weg fertig würde! Er würde schmal sein, und es könnten also nur wenige daran arbeiten. Es vergingen Tage darüber! Und denkst du, daß wir dabei ruhig zusehen würden?«

Er schwieg.

»Ich würde unsre Leute teilen und die Hälfte nach der andern Seite des Kaktus schicken, um auf diese Weise eure Krieger zwischen uns zu bekommen. Wir könnten auch noch viel kürzern Prozeß machen und alle Comantschen in wenig Minuten vernichten, ohne daß es uns einen Schuß kostet.«

»Wie?«

»Wir brennen den Kaktus an.«

»Uff! Da müßten doch alle unsre Krieger verbrennen!«

»Allerdings!«

»So etwas thut Old Shatterhand nicht!«

»Poche nicht so sicher auf meine Güte!«

»Nein, nein, das thut er nicht!«

»Mag sein! Ich wollte dir damit nur sagen, daß es keine Rettung für eure Krieger giebt; sie können uns nicht entgehen.«

»Ja, wenn ihr sie in dieser Weise einschließt, so müssen sie sich ergeben; aber ihr werdet sie nicht so umzingelt halten können.«

»Wirklich?«

»Ihr werdet von der Falle fort müssen.«

»Warum?«

»Hast du denn ganz vergessen, daß Nale-Masiuv kommen wird? Denkst du denn nicht an ihn?«

»Oh, ich habe ihn nicht vergessen.«

»So weißt du, daß er euch nachfolgt. Er ist dann hinter euch, und vor euch habt ihr Vupa Umugi; ihr steckt zwischen ihnen und befindet euch dann in einer ebenso schlimmen Falle, wie diejenige ist, in welche ihr Vupa Umugi locken wollt. Old Shatterhand wird mir recht geben.«

Sein Gesicht hatte wieder einen zuversichtlicheren Ausdruck angenommen. Ich antwortete:

»Leider kann ich dir nicht das Vergnügen machen, dir recht zu geben. Es ist inzwischen etwas geschehen, was du noch nicht erfahren hast. Und selbst wenn die Lage genau so wäre, wie du sie dir denkst, würdest du dich verrechnet haben, denn Nale-Masiuv würde nicht hinter uns kommen.«

 

»Doch!«

»Nein. Vor ihm kommen die weißen Kavalleristen; das hast du vergessen.«

»Uff!« klang es enttäuscht.

»Siehst du ein, daß alle deine Gedanken falsch sind, während Old Shatterhand ganz richtig denkt? Auch wenn heut gar nichts dazwischen gekommen wäre, könnten wir Vupa Umugi ganz ruhig eingeschlossen halten, ohne uns an Nale-Masiuv zu kehren; diesem wäre es unmöglich, uns zu stören, denn ihn würden die Dragoner auf sich nehmen.«

»Uff, uff!«

»Aber so weit wird es gar nicht kommen. Mein junger Bruder hat mich vorhin unterbrochen, als ich von den »hundert Bäumen« sprach. Wir lagerten versteckt in der Nähe derselben und sahen Vupa Umugi kommen. Er hatte keine Ahnung von unsrer Anwesenheit und hielt es also nicht für nötig, Vorsichtsmaßregeln zu treffen. Darum gelang es mir und Old Surehand, uns in sein Lager zu schleichen und ihn wieder einmal zu belauschen. Als wir genug gehört hatten, entfernten wir uns, ohne entdeckt worden zu sein. Früh zog er mit seinen Comantschen fort, den Stangen nach, die Winnetou für ihn errichtet hatte.«

»Nach welcher Richtung?«

»Mein junger Bruder fragt sehr schlau; Old Shatterhand wird nicht weniger klug sein und ihm nicht antworten.«

»Wenn du es auch sagtest, könnte es uns doch nichts nützen!«

»Oh doch! Wenn es dir gelänge, heut noch zu entfliehen, wüßtest du dann, in welcher Gegend du eure Krieger zu suchen hättest. Du wirst es also nicht erfahren. Ich freue mich übrigens außerordentlich darüber, daß du deinen ganzen Scharfsinn aufbietest, mich trotz aller Hoffnungslosigkeit zu überlisten. Ich spreche weiter: Als Vupa Umugi fort war, kamen die weißen Soldaten nach den »hundert Bäumen«. Was denkst du, was ich da gethan habe?«

»Du hast mit ihnen gesprochen?«

»Ja!«

»Sie gewarnt?«

»Natürlich!«

»Uff!«

»Ich habe sie nicht nur gewarnt, sondern meine Apatschen mit ihnen vereinigt, um Nale-Masiuv in Empfang zu nehmen.«

»Uff! Ihr habt mit ihm gekämpft?«

»Nein.«

»Er kam gar nicht? Er sandte Kundschafter voraus, die euch sahen und Verdacht schöpften?«

»Nein; so klug seid ihr Comantschen nicht! Er sandte allerdings Kundschafter, die uns aber nicht sahen, weil wir uns versteckt hielten. Dann kam er selbst mit seiner ganzen Schar und lagerte sich ans Wasser. Er sah die Spuren der weißen Reiter und glaubte, sie seien fort, hinter Vupa Umugi her. Darum hielt er es nicht für nötig, vorsichtig zu sein, und es gelang uns leicht, ihn zu umzingeln.«

»Uff, uff! Er ist umzingelt worden? Und doch sagst du, er habe nicht mit euch gekämpft!«

»Er war zu feig dazu und ging auf eine Beratung mit mir ein. Ich saß mit ihm allein beisammen; keiner hatte eine Waffe mitbringen sollen; aber wie er vorher feig gewesen war, so war er jetzt nun hinterlistig. Während ich mit ihm sprach, zog er plötzlich ein Messer, um mich zu erstechen.«

»Uff! Hat er das wirklich gethan?«

»Ja.«

»Das ist eines Kriegers unwürdig!«

»Zumal wenn dieser Krieger ein Häuptling ist!«

»Hat dich sein Messer getroffen?«

»Nein. Auch er täuschte sich in mir, denn ich hatte ihn scharf betrachtet und war auf meiner Hut. Als er den Arm mit dem Messer erhob, schlug ich ihn nieder.«

»Mit der Faust?«

»Womit sonst? Ich hatte ja keine Waffe bei mir.«

»Uff, uff! Wieder mit der Faust! War er tot?«

»Nein, denn ich wollte ihn nicht töten. Ich nahm ihn schnell auf meine Schulter und trug ihn zu meinen Apatschen und den weißen Kriegern.«

»Ohne daß die Comantschen dich hinderten?«

»Das konnten sie nicht, denn es geschah so rasch, daß sie keine Zeit dazu fanden. Und dann durften sie sich uns nicht nähern, weil wir sonst ihren Häuptling getötet hätten. Als er aus seiner Bewußtlosigkeit erwachte, drohte ich, ihm die Skalplocke zu nehmen, seine Medizin zu verbrennen und dann aufzuhängen.«

»Du wolltest seine Seele töten?«

»Ja.«

»Das hat er nicht zugegeben; das hat er ganz gewiß nicht zugegeben; ich weiß es. Ich glaube zwar nicht daran; er aber ist der Ansicht aller roten Männer, daß dadurch der Geist eines Kriegers vernichtet wird.«

»Du meinst, er habe es nicht zugegeben? Was hätte er dagegen machen können, wenn es meine Absicht gewesen wäre, es zu thun?«

»Lieber hat er sich gefangen gegeben!«

»Er allein?«

»Er al – — – uff, uff! Doch nicht etwa auch alle seine Krieger mit?«

»Ja, alle!«

»War es nicht genug mit ihm allein?!«

»Nein. Ich mußte sie alle haben; das wirst du einsehen.«

»Und du hast sie alle bekommen?«

»Ja.«

Da senkte er den Kopf und sagte in gedrücktem Tone:

»So ist alle meine Hoffnung dahin! Selbst wenn es mir gelänge, noch heut von hier zu fliehen, könnte ich weder Vupa Umugi noch seine Krieger retten.«

»Nein. Erstens wüßtest du nicht, wo er zu suchen ist, und zweitens könnte dich Nale-Masiuv nicht unterstützen.«

»Wo habt ihr ihn und seine Krieger?«

»Ich könnte dich täuschen, denn es ist nicht nötig, daß ich es dir sage; dennoch will ich es dir nicht verheimlichen. Er ist mit seinen Leuten zurück nach seinem Dorfe.«

»Uff! So bist du so gütig gewesen, ihnen die Freiheit gleich wiederzugeben?«

»Nein, so gütig war ich nicht. Du wirst einsehen, daß eine solche Güte die größte Dummheit gewesen wäre, die ich hätte begehen können.«

»Warum?«

»Ich hätte diesen Leuten das Versprechen abnehmen müssen, sofort umzukehren und heimzureiten.«

»Sie hätten es gegeben.«

»Aber nicht gehalten!«

»Du traust ihnen nicht?«

»Ich traue keinem Comantschen.«

»Auch mir nicht?«

»Dir allein würde ich wahrscheinlich Glauben schenken, denn du kennst den großen, guten Manitou und weißt, daß er alle Unwahrheit und Verräterei bestraft.«

»Aber du hast sie also nicht freigegeben und sagst doch, daß sie zurückgekehrt seien?«

»Als Gefangene.«

»Wessen?«

»Der weißen Dragoner. Diese haben den Rückweg angetreten und sie mitgenommen.«

»Gefesselt?«

»Ja.«

»So werden sie sie töten!«

»Nein. Der Anführer dieser Bleichgesichter hat mir sein Wort gegeben, ihnen das Leben zu schenken.«

»Wird er es halten?«

»Ja; ich bin überzeugt davon.«

»So wird er sie wenigstens ausrauben!«

»Ausrauben? Was nennst du ausrauben? Gehört nicht der Besiegte mit allem, was er hat, dem Sieger?«

»Auch bei den Christen?«

»Auch bei uns, denn ihr zwingt uns, euch genau so zu behandeln, wie ihr uns behandelt. Ihr als Sieger würdet uns nicht nur unser ganzes Eigentum, sondern auch das Leben nehmen. Wenn wir euch das Leben schenken, ist das eine so große Güte, daß ihr unmöglich mehr verlangen könnt.«

»Also werden die weißen Soldaten den Comantschen alles nehmen, was sie bei sich haben?«

»Die Pferde und die Waffen, ja.«

»Aber wie sollen die roten Krieger ohne Pferde und ohne Waffen leben?«

»Das ist ihre Sache. Ihr seid es, die das Kriegsbeil ausgegraben haben; dies wäre nicht geschehen, wenn ihr weder Pferde noch Gewehre hättet. Wenn wir euch beides abnehmen, begehen wir keinen Raub, denn es ist unsre rechtmäßige Beute, und wir sorgen zu gleicher Zeit dafür, daß ihr nicht so bald wieder imstande seid, den Frieden zu brechen.«

»So werdet ihr wohl auch Vupa Umugi und seinen Kriegern die Gewehre und die Pferde nehmen?«

»Wahrscheinlich.«

»Uff! Das ist schlimm!«

»Schlimm für euch, ja; aber ihr habt es nicht anders verdient. Denke nur an dich! Wer mit jemand die Pfeife der Freundschaft und des Friedens raucht und ihm verspricht, sein Wigwam keinem Menschen zu verraten, und dann doch mit einer großen Kriegerschar gezogen kommt, um ihm das Wigwam und das Leben zu nehmen, der hat mehr, weit mehr verdient, als daß er nur sein Pferd und sein Gewehr einbüßt. Das wirst du einsehen!«

Er sah es allerdings ein und seufzte betrübt:

»Also auch mein Gewehr und mein Pferd!«

»Nein, das nicht. Ich habe dich lieb und betrachte mich trotz deiner Feindseligkeit noch immer als deinen Freund. Du wirst behalten, was du hast. Und auch in Beziehung auf Vupa Umugi und seine Indsmen will ich sehen, ob es möglich ist, Güte walten zu lassen. Es kommt ganz darauf an, wie sie sich gegen uns verhalten.«

»Wie sollen sie sich verhalten? Sie sind Krieger und werden sich wehren.«

»Das wollen wir nicht wünschen. Wenn unsrerseits Blut fließt, die wir keines vergießen wollen, könnt ihr auf keine Nachsicht rechnen. Ich hoffe aber, es wird mir gelingen, den Häuptling zu überzeugen, daß Widerstand geradezu Tollheit sein würde. Ich denke, daß er meine Gründe verständiger beurteilen wird als du.«

»Als ich?« fragte er verwundert.

»Ja. Ich wollte dir deine Gefangenschaft so leicht wie möglich machen und forderte nur das Versprechen, nicht zu fliehen, von dir. Du hast es mir verweigert, weil du nicht einsahest, daß deine Flucht euch nur schaden aber nichts nützen kann. Dadurch zwingst du mich, streng zu sein.«

»Ich gab das Versprechen nicht, weil ich noch nicht wußte, was ich jetzt weiß.«

»So siehst du also ein, daß du euern Kriegern nicht zu helfen vermagst?«

»Ja.«

»So ist es noch Zeit zu dem Versprechen.«

»Ich gebe es.«

»Gut! Aber denke dabei auch daran, daß du durch dein Verhalten nicht nur dir allein, sondern allen den Deinen entweder nützen oder schaden wirst. Was du thust, sei es gut oder böse, wird ihnen mit vergolten. Würdest du dein Wort brechen, so käme die Strafe dafür nicht nur über dich, sondern auch über sie!«

»Ich breche es nicht!«

»Wohl! Aber welche Bürgschaft kannst du mir dafür bieten?« Er sah mich fragend an; darum erklärte ich ihm: »Auf das Wort eines Christen kann ich mich verlassen, auf das Versprechen eines Roten aber nie.«

»Würdest du Winnetou glauben?«

»Alles, alles; aber er ist eine Ausnahme, und er ist innerlich ein Christ.«

»Wenn du einem roten Krieger die Medizin als Pfand abnimmst, muß er jedes Versprechen halten.«

»Das kann ich bei dir nicht thun, denn du glaubst nicht an die Macht der Medizin.«

»So werde ich die Pfeife des Schwures mit dir rauchen!«

»Auch das kann mir nicht als Pfand gelten. Du hast sie mit mir und Bloody-Fox geraucht und dein Wort doch gebrochen.«

Da senkte er die Augen und sagte leise und betrübt:

»Die Strafe, die ich von Old Shatterhand empfange, ist schwer; sie richtet sich nicht gegen meinen Körper, aber sie erfüllt meine Seele mit tiefem Schmerz!«

Ich sah es ihm an, daß dieser Schmerz wirklich vorhanden und seine Betrübnis eine aufrichtige war; darum antwortete ich:

»Du hast gehört, daß ich mich noch immer als deinen Freund und Bruder betrachte, und so will ich jetzt einmal ausnahmsweise auf meine gewöhnliche Vorsicht verzichten und dir Glauben und Vertrauen schenken. Aber mein Herz würde sehr, sehr traurig sein, wenn ich mich abermals in dir täuschte. Wirst du fliehen, wenn ich dich jetzt freigebe?«

»Nein.«

»Wirst du nicht ohne meine Erlaubnis diese Oase verlassen?«

»Nein.«

»Ich wünsche auch nicht, daß du versuchst, auf dem Wege durch den Kaktus hinaus zu deinen Comantschen zu gehen, um mit ihnen zu sprechen!«

»Ich thue das nicht. Selbst wenn sie hereinkämen, würde ich schweigen, bis ich deine Erlaubnis hätte.«

»So gieb mir deine Hand darauf, wie es Männer und Krieger thun, welche zu stolz sind, als daß sie nach einem Vorteile trachten, welcher nur durch die Lüge zu erlangen ist!«

»Hier hast du die Hand! Du kannst mir glauben; sie gilt so viel, als ob ich mich selbst dir übergäbe!«

Er sah mir dabei mit einem so aufrichtigen Blicke in die Augen, daß ich vollständig überzeugt war, er werde mich nicht täuschen. Der Sicherheit wegen und um des Negers willen fügte ich aber hinzu:

»Du warst zornig auf Bob?«

»Sehr.«

»Wirst du dich rächen?«

»Nein. Ein roter Krieger ist zu stolz, sich an einem schwarzen Manne zu rächen. Dieser Nigger wußte nicht, was er that. Er ahnte nicht, daß es gegen die Würde eines Häuptlings ist, ihm solche Stangen auf den Rücken zu binden.«

»Ich werde dich von ihnen befreien.«

Ich nahm sie ihm ab. Er streckte die steif gewordenen Glieder und ging dann mit mir hinaus ins Freie, wo die Pferde wieder zum Abende getränkt wurden. Mutter Sanna brachte uns das Essen, und als das beendet und am Wasser Ruhe eingetreten war, legten wir uns nieder, denn wir mußten morgen wieder mit der Sonne aufstehen. Schiba-bigk legte sich zwischen mich und Old Surehand, ohne daß wir dies verlangten. Er wollte sich freiwillig unter unsre Aufsicht stellen und dadurch beweisen, daß er es mit seinem Versprechen ehrlich meine.

 

Als wir am frühen Morgen aufgestanden waren, füllten wir alle vorhandenen Schläuche mit Wasser, versahen uns mit Proviant und ritten fort, nachdem ich von Schiba-bigk Abschied genommen hatte. Bob stand am Wege und fragte mich:

»Massa Shatterhand sagen, ob Bob jungen Indianerhäuptling wieder bewachen!«

»Nein; es ist nicht nötig.«

»Auch nicht wieder Stangen auf Buckel binden?«

»Das gar nicht. Er hat versprochen, nicht zu fliehen und wird sein Versprechen halten.«

Obgleich ich das mit vollster Ueberzeugung sagte, fiel es mir doch nicht ein, die nötige Vorsicht zu versäumen. Es blieben so viel Apatschen draußen am Kaktusfelde, wie nötig waren, die fünfzig gefangenen Comantschen zu bewachen, und ich gab dem Anführer dieser Wächter den Befehl, auch auf Schiba-bigk mit Acht zu haben und ihn auf keinen Fall herauszulassen. Dann ritten wir fort, zweihundert Mann stark, mehr als genug, um mit den Comantschen fertig zu werden. Diesesmal nahmen wir natürlich auch Parker und Hawley mit.

Zunächst suchten wir die Stelle auf, an welcher wir gestern die fünf Apatschen als Posten zurückgelassen hatten. Sie waren gleich nach Tagesgrauen so klug gewesen, nach den Comantschen auszuschauen, und hatten nach einem nur kurzen Ritte die Stelle gefunden, wo diese gelagert hatten; die Naiini waren schon aufgebrochen gewesen; sie hatten es also auch heut wieder sehr eilig. Wir folgten ihnen auch schnell, und zwar in der Weise, daß ich sie zuweilen vor das Fernrohr bekam, ohne uns ihnen aber so weit zu nähern, daß sie erkennen konnten, ob Rote oder Weiße hinter ihnen seien, denn sie sollten uns, wie es sich ganz von selbst versteht, für die Dragoner halten.

Es verging der ganze Tag, ohne daß etwas Erwähnenswertes passierte, als daß sich gegen Abend ein starker Wind erhob, wie er im Llano estacado nicht selten ist. Er kam von Norden, hatte über einen großen Teil der Wüste gestrichen und war also sehr heiß. Wir hatten ihn zwar halb im Rücken, doch belästigte er uns immerhin, und zwar nicht nur durch seine Hitze, sondern noch mehr dadurch, daß er den Sand aufwirbelte und ihn uns in die Augen, Ohren, Mund und Nase trieb.

»Dummer Wind!« brummte Parker mißmutig. »Brauchte jetzt nicht zu kommen, sondern konnte warten, bis wir wieder am Wasser sind. Man kann ja kaum sehen und Atem holen!«

»Räsonniert nicht, Mr. Parker!« antwortete ich. »Ich freue mich über ihn und sage Euch, daß er mir außerordentlich gelegen kommt.«

»Gelegen, sagt Ihr? Wüßte wirklich keinen Grund dazu.«

»Ich meine wegen Winnetou.«

»Wegen dem? Warum?«

»Seht Ihr denn nicht, daß dieser Wind, indem er den Sand in die Höhe treibt, die Spuren der Comantschen verwischt? Wir würden ihnen gar nicht folgen können, wenn die Pfähle nicht wären.«

»Ja, das sehe ich allerdings; aber was hat das mit Winnetou zu thun?«

»Sehr viel, denn seine Spuren werden auch verwischt.«

»Hm! Kann uns das nicht gleichgültig sein?«

»Ganz und gar nicht. Winnetou muß doch die Pfähle bis in die Falle leiten, nicht?«

»Yes,«

»Er muß also ein Stück in das Kaktusfeld hineinreiten, in welchem wir die Comantschen fangen wollen. Aber er darf nicht drin bleiben, sondern muß wieder heraus, muß umkehren.«

»Das ist doch ganz selbstverständlich, denn wenn er das nicht thäte, wäre er selbst gefangen. So viel sehe ich auch ein, Sir.«

»Aber die Folgen scheint Ihr nicht einzusehen.«

»Welche Folgen?«

»Daß die Roten seine Spuren sehen und also erfahren würden, daß er umgekehrt ist. Würde das nicht ihr Mißtrauen erregen?«

»Möglich!«

»Das ist nicht nur möglich, sondern es würde unbedingt geschehen. Diese Roten sind erfahrene und schlaue Kerls, und Ihr als Westmann müßtet eigentlich die Gedanken, welche sie dabei haben würden und haben müßten, leicht erraten können.«

»Na, da will ich einmal raten! Sie halten die Spuren Winnetous und seiner Apatschen für die Fährte von Schibabigks Comantschen. Diese führt in den Kaktus hinein und kommt aber wieder heraus, um seitwärts weiter zu führen. Was werden sie also anderes denken, als daß Schiba-bigk sich verritten oder verirrt hatte und daß der richtige Weg also nicht in den Kaktus führt, sondern in die neue Richtung, die er eingeschlagen hat. Ist das so richtig, Mr. Shatterhand?«

»Ja.«

»Sie werden also nicht in den Kaktus, also nicht in die Falle gehen, sondern der neuen Fährte folgen. Ihr seht, Sir, daß ich nicht so dumm bin, wie Ihr dachtet, und auch etwas erraten kann.«

»Darauf brauchst du dir aber ganz und gar nichts einzubilden, alter Sam,« rief ihm Jos Hawley zu.

»Meinst du? Warum denn nicht?«

»Weil du nicht von selbst auf diesen Gedanken gekommen bist. Du bist doch erst durch Mr. Shatterhand auf denselben gebracht worden.«

»So? Mag sein. Aber darum ist es doch wohl nicht nötig, daß du es unternimmst, meinen Schulmeister und Ermahner zu machen.«

»Wollte dich nur vor Ueberhebung bewahren!«

»Das konntest du dir ersparen, denn du bist ja selbst nicht – — —«

»Keinen Streit, Mesch‘schurs!« fiel ich ein. »Der Gedanke ist da; ob er von mir oder von Mr. Parker gekommen ist, das bleibt sich gleich. Wir müssen aber nicht bei ihm stehen bleiben, sondern weiter denken. Die Comantschen würden also der neuen Fährte Winnetous folgen. Wohin aber wird diese führen, Mr. Parker?«

»Natürlich her zu uns,« antwortete er.

»Gewiß. Winnetou bleibt nicht dort, sondern sucht uns auf. Er wird sich erst seitwärts entfernen und dann sich nach den Pfählen zurückwenden; das würden sie entdecken, wenn sie ihm folgten, und Ihr könnt Euch denken, wie geeignet das wäre, ihr Mißtrauen zu erwecken. Das Gelingen unsres Planes stände auf dem Spiele. Da kommt nun der Wind und zerstört alle vorhandenen Spuren. Muß uns das nicht lieb sein? Ich sage Euch, daß ich mich außerordentlich darüber freue. Er kommt grad so zur rechten Zeit, als ob er ein vernünftiges Wesen wäre und die Absicht hätte, uns beizustehen. Winnetou wird ebenso froh darüber sein wie ich.«

»Hm, ja!« brummte Parker wieder. Er suchte nach einer Gelegenheit, zu zeigen, daß er meine Hilfe nicht brauche, sondern selbst auch Gedanken haben könne. »Was Ihr sagt, ist ganz gut, Mr. Shatterhand, aber nur für den Fall, daß Winnetou das Kaktusfeld schon erreicht hat, ehe dieser schöne Wind sich erhob.«

»Das ist gewiß der Fall.«

»So?«

»Ja. Ich möchte behaupten, daß er mit dem Einstecken der Pfähle längst fertig ist und sehr bald zu uns stoßen wird.«

»Wenn er uns nur auch trifft!«

»Keine Sorge! Der Häuptling der Apatschen weiß, was er zu thun hat. Es wäre geradezu ein Wunder, wenn er uns verfehlte. Uebrigens möchte ich es wenigstens ein halbes Wunder nennen, daß die Comantschen so fortdauernd und vertrauensvoll hinter ihm herreiten. Mir an Stelle Vupa Umugis wäre die Sache schon lange in hohem Grade bedenklich geworden. Euch wohl nicht, Mr. Parker?«

»Warum bedenklich, Sir?«

»Schiba-bigk kannte den Weg von den »hundert Bäumen« nach der Oase des Bloody-Fox und hat es jedenfalls Vupa Umugi gesagt, wie weit es dorthin ist. Nun reiten sie fort und immer fort, und die Oase will noch immer nicht kommen. Sie hätten sie gestern abend erreichen müssen und sind nun heut noch den ganzen Tag geritten, ohne an ihr Ziel zu gelangen. Wenn das nicht bedenklich ist, so giebt es überhaupt nichts Bedenkliches in der Welt.«

»Das ist freilich richtig. Sie hätten längst halten bleiben sollen, um sich die Sache zu überlegen. Wahrscheinlich nehmen sie an, daß Schiba-bigk sich irrte, als er von dem Wege und von der Entfernung sprach, oder daß sie ihn nicht richtig verstanden haben.«

»Wahrscheinlich ist es so; aber dazu kommt etwas andres, was sie unaufhaltsam weiter treibt, nämlich der Durst. Sie haben seit gestern früh kein Wasser für sich und die Pferde gehabt. Wenn sie umkehren, brauchen sie volle zwei Tage, um bei den »hundert Bäumen« welches zu finden. Lieber reiten sie weiter, da die Pfähle jedenfalls doch nach der Oase führen, die in jedem Augenblicke vor ihnen auftauchen kann. Daß diese meine Vermutung richtig ist, zeigt auch die Eile, die sie haben.«

»Ja, sie reiten schnell und – — —«

Er stockte mitten in der Rede, hielt sein Pferd an, deutete mit der Hand vorwärts und fuhr dann hastig fort:

»Sie sind umgekehrt! Wahrhaftig, sie haben Mißtrauen gefaßt und sind umgekehrt. Dort kommen sie; dort kommen sie!«

Dieser Schreckensruf lenkte unsre Aufmerksamkeit nach dem Horizonte vor uns, den ich in den letzten Minuten infolge unsres Gespräches nicht beobachtet hatte. Dort waren allerdings Menschen zu sehen. Ob sie sich bewegten, konnten wir mit bloßen Augen nicht erkennen. Ich nahm also mein Rohr zur Hand und richtete es auf sie. Schon nach wenigen Augenblicken konnte ich die Beruhigung aussprechen: