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Old Surehand I

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Ich war in Eifer geraten und hätte wohl noch weiter räsonniert, wenn wir nicht jetzt unser Lager erreicht hätten.

Als die Apatschen erfuhren, daß Old Wabble von den Comantschen gefangen worden sei, sagte derjenige von ihnen, welcher der älteste war und also für die andern das Wort zu führen hatte:

»Das alte Bleichhaar ritt fort, ohne uns zu fragen. Konnten wir ihn halten?«

»Nein,« antwortete ich. »Er hätte auf keinen Fall auf euch gehört. Aber warum stieg er zu Pferde, anstatt zu Fuße zu gehen? Wißt ihr das?«

»Wir wissen das, denn er sagte es uns. Es war das Einzige, was er sagte. Er bediente sich der Schnelligkeit wegen des Pferdes; er wollte eher bei den Comantschen sein und dann auch eher als ihr zurückkehren.«

»Um sich dann gegen uns zu brüsten! Nun hat er ja allen Grund gefunden, seinen Ruhm auszuposaunen. Sorge dafür, daß die Wachen aufmerksam sind! Wir wollen uns jetzt schlafen legen, denn wir müssen mit der Sonne wieder munter sein.«

Mit dem Schlaf hatte es so seine Wege, denn der Aerger über Cutter hielt mir noch lange Zeit die Augen wach, und als ich bei Sonnenaufgang geweckt wurde, hatte ich noch nicht ausgeschlafen.

Jetzt galt es, den Abzug der Comantschen zu beobachten. Wir sahen zwar den dunkeln Streifen, den die »hundert Bäume« am südlichen Horizonte bildeten, sie selbst aber konnten wir nicht erkennen. Darum nahm ich das Fernrohr und verließ mit Old Surehand den Lagerplatz, um die große Entfernung zu verringern. Auf halbem Wege setzten wir uns nieder und warteten. Es dauerte gar nicht lange, so tauchten ihre Gestalten hinter den Büschen auf. Sie ritten fort, und zwar in derselben Weise, wie sie gekommen waren, nämlich nicht im Gänsemarsche. Sie thaten das, um eine recht breite, sichtbare Fährte zu machen und dadurch den Truppen die Verfolgung zu erleichtern. Als Wegweiser ließen sie sich, wie wir es ja beabsichtigten, die Pfähle dienen, von denen sie glaubten, daß sie von Schiba-bigk angebracht worden seien; sie ahnten nicht, welche Veränderung inzwischen mit denselben vorgegangen war.

Als sie fern im Südosten verschwunden waren, warteten wir in großer Spannung wohl über eine Stunde lang. Da tauchten im Westen sechs Reiter auf, deren Weg sichtlich nach den »hundert Bäumen« führte.

»Das sind Dragoner,« meinte Old Surehand.

»Ja,« stimmte ich bei. »Es sind die Eclaireurs, welche der Kommandant vorausgesandt hat, die Comantschen auszumachen.«

»Da ist er vorsichtiger als Vupa Umugi gestern, der gleich mit seiner ganzen Truppe kam, ohne jemand vorauszuschicken.«

»Der war seiner Sache sicher, während der Kommandant nicht weiß, ob die Comantschen noch da sind oder nicht. Uebrigens ist das Voraussenden von Eclaireurs eine so streng geforderte militärische Gepflogenheit, daß sich dieser Offizier der größten Unterlassungssünde schuldig machen würde, wenn er es unterließ, diese Vorsichtsmaßregel anzuwenden.«

»Was thun wir jetzt? Reiten wir hin?«

»Nein.«

»Warum nicht? Es würde doch das kürzeste sein, diesen Vorposten zu sagen, daß die Roten fort sind. Da brauchten sie nicht erst lange nach ihnen zu suchen.«

»Das ist richtig; aber ich möchte mir gern einen Spaß machen.«

»Welchen?«

»Der Kommandant hat mich, als ich ihn jenseits des Mistake-Cañon in seinem Lager traf, nicht für voll angesehen und wie einen Neuling behandelt.«

»Dummkopf!«

»Hm! Er konnte nicht gut anders, weil ich mich für einen Gräbersucher ausgab.«

»Gräbersucher? Was ist das, Sir?«

»Ich gab vor, nach der Abstammung der Indianer zu forschen, und für einen solchen Gelehrten sind Ausgrabungen, besonders alter Gräber, von großer Bedeutung, Mr. Surehand.«

»Ah, so! Und da hat er Euch geglaubt?«

»Ja.«

»Dann ist er eben das, was ich sagte, nämlich ein Dummkopf.«

»Mag sein; aber selbst Parker und die Männer, die bei ihm waren, haben es geglaubt und sich von mir täuschen lassen.«

»Das ist aber doch kaum möglich! Wer Euch sieht, Euer Aeußeres betrachtet, Euer ganzes Wesen beurteilt, muß doch unbedingt darauf kommen, daß Ihr nichts andres seid – — —«

»Als ein Westmann?« unterbrach ich ihn.

»Yes.«

»Ich verstellte mich damals, und mein Anzug sah auch ganz anders aus als jetzt. Es war wirklich nicht allzu schwer, mich für ein Greenhorn zu halten. Daß man dies that, hat mir großen Spaß gemacht, und ich möchte jetzt gern sehen, was der Kommandant für ein Gesicht macht, wenn er mich so unerwartet hier am öden, wüsten Llano estacado wiederfindet.«

»Also ein wenig Theater spielen?«

»Ja.«

»So wollt Ihr erst ohne unsre Apatschen zu ihm?«

»Ja.«

»Auch ohne mich?«

»Ihr könnt mit.«

»Recht so! Möchte auch wissen, was er sagt, wenn er erfährt, daß der vermeintliche Gräberforscher kein andrer als Old Shatterhand ist. Er wird ein ungeheuer kluges Gesicht dabei machen.«

Wir sahen durch das Fernrohr, daß die sechs Reiter sich zerstreuten, um in dieser Weise die »hundert Bäume« zu erreichen; das war sehr pfiffig von ihnen, aber, natürlich ohne daß sie es wußten, nicht nötig, weil die Comantschen sich entfernt hatten.

Als sie verschwunden waren, dauerte es nur zehn Minuten, da sahen wir wieder einen von ihnen, der im gestreckten Galoppe zurückritt, um dem Kommandanten zu melden, daß er nachkommen könne, weil die »hundert Bäume« von den Feinden verlassen worden seien. Eine kleine Stunde später sahen wir dann die Dragoner kommen, und wir kehrten in unser Lager zurück, um unsre Pferde zu holen und den Apatschen die Weisung zu erteilen, daß sie nach einer Stunde nachkommen sollten.

Wir ritten erst schnell und dann, als wir von den »hundert Bäumen« aus gesehen werden konnten, langsamer, so langsam wie Leute, die nichts zu versäumen haben, weil der Zweck ihres Rittes kein wichtiger ist. Als wir uns dem Gebüsch auf ungefähr tausend Schritte genähert hatten, sahen wir einige Wachen stehen. Die andern konnten wir nicht sehen, weil sie im Innern der Einbuchtung lagerten. Wir wurden von diesen Posten bemerkt; sie meldeten uns, und nun kamen viele der Soldaten hinter dem Gesträuch hervor, um uns zu betrachten. Da wir nur zwei Personen und noch dazu keine Indianer waren, wurde unserm Kommen mit Ruhe entgegengesehen.

»Halt!« rief uns der äußerste Posten an. »Woher?«

»Daher,« antwortete ich, indem ich nach rückwärts zeigte.

»Wohin?«

»Da hin!«

Dabei deutete ich nach dem Lager.

»Was wollt ihr dort?«

»Ausruhen.«

»Wer seid Ihr?«

»Das geht Euch zunächst nichts an; es ist das Sache Euers Offiziers!«

»Oho! Ich habe Euch auszufragen, und Ihr habt mir zu antworten!«

»Wenn es uns beliebt, ja; da es uns aber nicht beliebt, werden wir eben nicht antworten.«

»Da schieße ich!«

»Versucht es doch! Ehe Ihr Euern Schießprügel anlegt, seid Ihr eine Leiche.«

Bei diesen Worten richtete ich den Stutzen auf ihn und fuhr fort:

»Wir haben hier nämlich ganz dasselbe Recht wie Ihr. Wir können auch fragen: Wer seid Ihr? Woher kommt Ihr? Was wollt Ihr hier? Und wer ist der Offizier, der Euch befehligt?«

»Was? Ihr bedroht einen militärischen Posten mit dem Gewehre?«

»Gewiß. Ihr seht es doch!«

»Da geht‘s um Euer Leben! Wißt Ihr das?«

»Unsinn! Unsre Kugeln treffen ebenso sicher wie die eurigen. Und nun laßt uns in Ruhe! Wir wollen nach dem Wasser.«

Wir bogen um das Gebüsch und ritten nach dem Quell, an welchem das Offizierszelt bereits errichtet war. Der Posten hinderte uns nicht, aber die Soldaten, die meine Antworten gehört hatten, liefen uns voran, um dem Kommandanten zu sagen, wie wir uns verhalten hätten und was für renitente Kerls wir seien. Er stand vor dem Zelte, hörte ihren Bericht und sah uns mit drohend gefalteter Stirn entgegen. Da, als wir ihm nahe genug gekommen waren, erkannte er mich und rief aus:

»Good lack! Das ist ja der Gräbersucher! Nun, dem sind solche Dummheiten wohl zuzutrauen. Der versteht das nicht. Was weiß der vom Kriegszustande und von den Pflichten, die ein Posten hat, wenn ihm nicht Gehorsam geleistet wird!«

Während er das sagte, hatten wir ihn erreicht und stiegen von den Pferden.

»Good morning, Sir!« grüßte ich unbefangen. »Erlaubt uns, hier Platz zu nehmen! Wir brauchen Wasser für uns und für die Pferde.«

Er lachte laut auf und wendete sich zu seinen Offizieren, welche in sein Gelächter einstimmten:

»Seht diesen Mann, Mesch‘schurs! Wahrscheinlich kennt Ihr ihn noch. Der Kerl ist ein Original und hat Raupen im Kopfe, die ihresgleichen suchen. Natürlich hat er keine Ahnung davon, daß unsre Posten ihn eigentlich niederschießen mußten. Gegen solche Dummheit kämpfen selbst Götter vergebens. Wollen ihm also sein bißchen Leben schenken. Er hat einen Kameraden gefunden, der sehr wahrscheinlich ganz gleichwertig mit ihm ist. Solche Leute können wir ruhig hier aufnehmen, ohne befürchten zu müssen, daß sie uns schaden.«

Und uns das Gesicht wieder zukehrend, sagte er zu uns:

»Ja, ihr mögt hier bleiben und soviel Wasser trinken, wie ihr wollt; ich weiß, daß euch das sehr nötig ist, weil euer Gehirn doch sehr wahrscheinlich aus weiter nichts als Wasser besteht.«

Wir gaben unsre Pferde frei und setzten uns neben dem Quell nieder. Ich nahm den ledernen Trinkbecher vom Gürtel, schöpfte bedächtig, trank sehr langsam und antwortete erst dann:

»Wasser im Gehirn? Hm! Habt Ihr nicht auch getrunken, Sir?«

»Natürlich, ja. Was wollt Ihr damit sagen?«

»Daß Euch das Wasser auch nötig gewesen ist.«

»Und – — —?«

»Und daß daraus auf Euer Gehirn wohl ebenso zu schließen ist wie auf das unsrige.«

»All thunders! Ihr wollt mich beleidigen?«

»Nein.«

»Aber das war doch eine Beleidigung!«

»Wüßte nicht! Ich glaubte nur, gegen Euch genau so höflich sein zu müssen, wie Ihr gegen uns.«

»Da hat man es! Der Mann weiß nicht, was er spricht. Er zieht im Lande herum, um alte Gräber aufzumachen und nach verfaulten Knochen zu suchen. Da weiß man ja, daß man auf das, was er sagt, nicht viel oder auch gar nichts zu geben hat.«

 

Um diesen Worten eine Illustration zu geben, tippte er sich mit der Spitze des Zeigefingers an die Stirn und fragte mich dann:

»Habt Ihr viel solche Gräber gefunden, Sir?«

»Kein einziges,« antwortete ich.

»Das läßt sich denken. Wer Indianergräber suchen will, der darf nicht nach dem wilden Llano estacado gehen!«

»Llano estacado?« fragte ich, scheinbar verblüfft.

»Ja!«

»Wo liegt denn der?«

»Das wißt Ihr nicht?«

»Ich weiß nur, daß das eine sehr traurige Gegend sein soll.«

»O sancta simplicitas! So wißt Ihr also nicht, wo Ihr seid?«

»In der Prairie, an diesem schönen Wasser hier.«

»Und wo wollt Ihr von hier aus hin?«

»Dahin.«

Ich deutete bei diesen Worten nach Osten.

»Dahin? Da kommt Ihr ja in den Estacado!«

»Wie – — —? Was – — —?«

»Ja, in den Estacado!« lachte er.

»Wirklich?«

»Ja. Ihr könnt Gott danken, daß Ihr uns hier getroffen habt. Ihr habt ja gar keine Ahnung, daß Ihr Euch hier am Rande der Wüste befindet. Wenn Ihr weiter reitet, müßt Ihr elend umkommen! «

»Hm! Da werden wir umkehren.«

»Ja, das müßt Ihr, Sir, sonst fressen Euch die Geier.«

»Und wahrscheinlich würden wir im Llano auch auf keine Gräber treffen?«

»Wenigstens nicht auf solche, wie Ihr sucht. ihr wollt ein Gelehrter sein und wißt doch nicht, daß all Euer Forschen vergeblich ist!«

»Vergeblich? Warum?«

»Ihr habt doch gesagt, daß Ihr alte Reste ausgraben wollt, uni zu erfahren, woher die Rothäute stammen? «

»Allerdings.«

»Es können Euch also nur alte, uralte Gräber von Nutzen sein?«

»Ja.«

»Und doch reitet Ihr in der Prairie und überhaupt im fernen Westen herum, wo es zwar Gräber giebt, die aber neu sind!«

»Hm!« brummte ich nachdenklich.

»Ihr müßt doch da nachgraben, wo Indianerstämme gewohnt haben, die längst untergegangen sind. Ist das nicht richtig?«

»Eigentlich, ja.«

»So macht Euch also aus dem Westen fort! Die Gräber, die ihr sucht, liegen nicht westlich, sondern östlich von dem Missisippi. Den guten Rat gebe ich Euch. Ihr seht, wie es um Eure Gelehrsamkeit steht, wenn Euch erst Andere die richtigen Wege zeigen müssen!«

»Well! So gehen wir also wieder über den Missisippi hinüber. «

»Das rate ich Euch. Dort giebt es auch nicht die vielen Gefahren, denen Ihr Euch hier so überflüssiger Weise auszusetzen habt.«

»Gefahren? Nicht daß ich wüßte!«

»Was? Ihr wißt nichts von Gefahren?«

»Woher soll das unsereiner wissen?«

»Die Indianer!«

»O, die thun mir nichts!«

»Nichts? Welch ein Leichtsinn! Oder welch eine Unwissenheit! Ihr scheint nicht zu ahnen, daß grad jetzt die Comantschen die Beile des Krieges ausgegraben haben. Sie morden alles, Rot und Weiß!«

»Mich nicht!«

»Warum grad Euch nicht?«

»Weil wir ihnen nichts gethan haben.«

»Hört, da ist die Einfalt denn doch zu groß! Diese Roten verschonen keinen Menschen, den sie treffen, keinen einzigen.«

Ich schüttelte ungläubig den Kopf. Da fuhr er mich zornig an:

»Es ist so, wie ich sage. Und Ihr habt es mir großen Dank zu wissen, daß ich Euch warne. Wohin seid Ihr denn eigentlich geritten, nachdem Ihr da oben unser Lager verlassen hattet?«

»Immer ostwärts.«

»Und dann?«

»Dann an den See, den die Indianer das »blaue Wasser« nennen.«

»An das »blaue Wasser«?« rief er erstaunt, ja fast erschrocken aus. »Grad dort hat ja eine ganz bedeutende Comantschenschar gelagert!«

»So?« fragte ich, mich ganz ahnungslos stellend.

»So – oo – oo?« ahmte er meine Stimme nach. »Haben sie Euch denn nicht gesehen und ertappt?«

»Gesehen? Vielleicht! Ertappt? Nein! Wir haben uns sogar den Spaß gemacht, im See zu schwimmen.«

»Und seid nicht erwischt worden?«

»Nein. Wenn ich mir die Sache richtig überlege, so denke ich, daß wir jetzt nicht hier säßen, wenn wir von ihnen erwischt worden wären.«

Da lachte er wieder laut auf und rief:

»Das ist freilich richtig, außerordentlich richtig! Sie hätten Euch getötet und skalpiert!«

»Sir, das ist nicht so leicht, wie Ihr zu denken scheint!«

»Wie so?«

»Wir hätten uns gewehrt.«

»Gegen hundertfünfzig Rote?«

»Ja.«

»Mit den Sonntagsflinten, die Ihr hier habt?«

»Ja.«

Ich sagte das so ernst und überzeugungsvoll, daß sich abermals ein schallendes Gelächter erhob. Old Surehand gab sich alle Mühe, seine Gesichtszüge zu beherrschen; dennoch sah ich es ihm an, wie sehr er sich innerlich belustigte. Als sich das Gelächter gelegt hatte, fuhr der Kommandant fort:

»Das ist denn doch zu toll! Also Ihr hättet Euch gewehrt? Wirklich?«

»Natürlich!«

»Da sage ich Euch, daß dieser Gedanke der reine Wahnsinn ist. Ihr wäret sofort von anderthalbhundert Kugeln durchlöchert worden.«

»Oh! Hm!«

»Glaubt‘s oder glaubt es nicht! Was ich Euch sage, ist richtig. Wie lange seid Ihr denn eigentlich an dem »blauen Wasser« geblieben?«

»Einen Tag!«

»Und wohin seid Ihr dann geritten?«

»Immer wieder nach Osten.«

»Also über die Ebene?«

»Ja.«

»Gerade hierher?«

»Ja.«

»Das ist wirklich ein Wunder, ein himmelblaues Wunder! Ich sehe doch, daß Ihr ohne allen Schaden und ganz heil hier angekommen seid!«

»Ja, heil und gesund sind wir. Was sollte uns fehlen?«

»Was Euch fehlen sollte? Es ist großartig, wirklich großartig! Die Comantschen sind nämlich auch vom »blauen Wasser« hierher geritten.«

»Wirklich?«

»Ja, wirklich!« antwortete er, beinahe wütend über meine Unbefangenheit. »Haben Euch diese Halunken denn nicht gesehen?«

»Das weiß ich nicht; sie müssen es wissen.«

»Ja, sie müssen es wissen!« lachte er grimmig. »Und ich weiß es auch. Sie haben Euch nicht gesehen, sonst lebtet ihr nicht mehr. So etwas ist wirklich kaum zu glauben. Da reiten diese beiden Männer immer dahin, wo die Comantschen sind; sie trollen ihnen immer im Wege und vor den Augen hin und her und werden doch nicht ertappt. Einem tüchtigen Westmann oder Soldaten könnte das nicht passieren. So ein Glück! Und dabei ahnen diese Leute nicht einmal, in welcher Gefahr sie sich befunden haben. Es ist doch wahr, was das alte Sprichwort sagt: Die Dummen haben Glück!«

»Hört, Sir, nennt uns nicht dumm! In meiner Heimat giebt es ein Sprichwort, welches das viel anständiger ausdrückt.«

»Welches?«

»Man pflegt zu sagen: Die dümmsten Bauern ernten die größten Kartoffeln. «

Als ich das so ruhig lächelnd sagte, schien er endlich doch aufmerksam zu werden. Er betrachtete mich mit einem langen, forschenden Blicke und sagte dann:

»Hört, Ihr wollt doch nicht etwa so thun, als ob Ihr etwas hinter den Ohren hättet? Bildet Euch ja nicht ein, klüger zu sein als wir!«

»Keine Sorge, Sir! Wir haben ganz und gar nicht die Absicht, zwischen uns und Euch einen Vergleich anzustellen. Das wäre Thorheit.«

»Denke es auch!« nickte er befriedigt, ohne den eigentlichen Sinn meiner Worte zu verstehen. »Ich habe nicht nötig, aufrichtig mit Euch zu sein; aber Ihr thut mir in Eurer Dummheit so leid, daß ich Euch sagen will, wie die Verhältnisse stehen. Wir haben nämlich die Comantschen angegriffen und besiegt; sie sind vor uns nach dem »blauen Wasser« geflohen, und wir sind ihnen nach.

Von dort sind sie wieder geflohen, hierher, und nun hetzen und jagen wir sie in den öden Llano estacado hinein, wo sie entweder vor Durst sterben oder von unsern Kugeln gefressen werden, wenn sie sich uns nicht ergeben. Das ist es, was ich Euch mitteilen will und wovon Ihr keine Ahnung gehabt habt.«

»Keine Ahnung? Glaubt Ihr denn wirklich, daß wir so ganz und gar nichts davon wissen?« fragte ich, jetzt in ganz anderm Tone.

»Was könntet Ihr wissen!« antwortete er verächtlich.

»Zunächst wissen wir, daß Ihr, wenn es genau nach Eurem Plane geht, die Comantschen auf keinen Fall bekommen werdet.«

»Ah?« fragte er ironisch.

»Ja! Ich füge sogar hinzu, daß nicht sie es sind, sondern Ihr es seid, welchen das Los bevorsteht, im wüsten Llano zu verschmachten.«

»Wirklich? Wie klug Ihr plötzlich seid! Warum werden wir verschmachten?«

»Giebt‘s im Llano Wasser?«

»Nein.«

»Habt Ihr Schläuche?«

»Nein.«

»Könnt Ihr also Wasser mitnehmen?«

»Zum Teufel, nein! Fragt doch nicht so dumm!«

»Meine Frage ist gar nicht dumm! In der Wüste braucht man Wasser, und das bißchen Wasser, was man im Gehirn hat, wie Ihr vorhin sagtet, reicht noch lange nicht aus, Pferd und Reiter vor dem Verschmachten zu retten. Wißt Ihr, wie weit Ihr hinein in die Wüste müßt, um die Comantschen zu treffen? Wißt Ihr, wie lange Eure Pferde in der Glut des Llano dursten können?«

»Wir wissen, daß wir gar nicht weit hinein müssen, denn die Roten haben auch kein Wasser.«

»Wißt Ihr das genau?«

»Sehr genau!«

»So thut Ihr mir jetzt ebenso sehr leid, wie Euch vorhin meine Dummheit erbarmt hat. Die Comantschen wissen nämlich einen Ort im Llano estacado, an welchem es genug Wasser für sie giebt.«

»Ah! Es giebt einen solchen Ort?«

»Ja.«

»Unmöglich!«

»Warum unmöglich? Habt Ihr noch nie gehört, daß es in Wüsten Oasen giebt?«

»Aber nicht im Llano estacado.«

»Gerad da giebt es ein Wasser, welches tausend Pferde nicht auszutrinken vermögen!«

»Unsinn! Ihr habt nicht einmal geahnt, daß Ihr Euch jetzt am Rande des Llano befindet; was wollt Ihr da von diesem Wasser wissen!«

»Redet doch Ihr nicht von Ahnen und Wissen! Ihr selbst ahnt ja gar nicht, was wir beide wissen, ich und mein Kamerad hier neben mir.«

»Zwei Gräbersucher! Was wißt Ihr denn, he?«

»Daß Ihr Euch mit allem, was Ihr denkt und beabsichtigt, in einem ungeheuren Irrtum befindet und Euerm sichern Untergange entgegenreiten würdet, wenn es nicht einige Männer gäbe, welche sich vorgenommen haben, Euch zu retten.«

»Unserm sichern Untergange? Das ist toll. Aber Euch sind solche Reden zuzutrauen. Wer sind denn diese braven Männer, Sir?«

»Es sind drei, nämlich Winnetou, Old Surehand und Old Shatterhand.«

Da zog er die Brauen hoch empor und fragte:

»Winnetou, der Apatschenhäuptling?«

»Ja,«

»Old Shatterhand, sein Freund, der weiße Jäger?«

»Ja.«

»Und Old Surehand, von welchem man so viel erzählen hört?«

»Ja, diese drei.«

»Die wollen sich unser annehmen?«

»Sie müssen es, wenn sie nicht ruhig zusehen wollen, daß Ihr in die Falle geht, welche die Comantschen Euch gestellt haben.«

»Eine Falle? Uns gestellt? Sprecht Ihr im Fieber?«

»Ich habe meine Gedanken sehr beisammen, Sir.«

»Das scheint nicht so; ich glaube vielmehr, Ihr leidet an Hallucinationen.«

»Wenn jemand in irgend welcher Sinnestäuschung befangen ist, so sind nicht wir es, sondern Ihr seid es. Kennt Ihr den Anführer der Comantschen, mit denen Ihr gekämpft habt?«

»Wir wissen nicht, wie er heißt. Wir haben keinen Scout, der das erfahren konnte.«

»Dieser Häuptling heißt Nale-Masiuv, was so viel wie »Vier Finger« bedeutet. Und wie heißt der Häuptling derjenigen Comantschen, welche am »blauen Wasser« lagerten?«

»Das war eben jener Nale-Masiuv, wenn Ihr seinen Namen richtig genannt habt.«

»Nein; das war Vupa Umugi, was »großer Donner« heißt.«

»Also ein andrer?«

»Ja.«

»Es kann kein andrer, sondern es muß derselbe gewesen sein, denn wir haben ihn bis an das »blaue Wasser« vor uns hergetrieben, Sir.«

»Ah! Sind das die Hallucinationen, von denen Ihr redetet! Ihr seid so freundlich gewesen, uns vorhin den Stand der Dinge klarzulegen, ohne daß Ihr es für nötig hieltet. Dafür wollen wir nun Euch, ohne daß es notwendig ist, sagen, wie die Verhältnisse liegen. Nale-Masiuv hat sich nämlich mit Vupa Umugi verbündet, Euch zu verderben. Er ist nicht nach dem »blauen Wasser«, sondern er hat heimgeschickt, um schnell noch hundert Krieger kommen zu lassen. Während Ihr glaubtet, ihn zu verfolgen, blieb er in Eurem Rücken und verfolgte Euch. Ihr wurdet nach dem »blauen Wasser« gelockt, wo Vupa Umugi auf Euch wartete und Euch, als Ihr kamt, sogleich Platz machte. Vupa Umugi, der Häuptling der Naiini, wendete sich hierher nach dem Orte, wo wir uns jetzt befinden und den die Comantschen Suks-ma-lestavi, »hundert Bäume«, nennen. Er kam gestern abend hier an. Ihr seid ihm nachgeritten und er ging, ehe Ihr hier erschient, in die Wüste, um Euch hinter sich herzuziehen. Während Ihr glaubt, ihn zu verfolgen und ihn vernichten zu können, lockt er Euch in eine Falle. Er reitet mit seinen Naiini voran und hinter Euch kommt Nale-Masiuv mit weit über hundert Kriegern. Ihr befindet Euch zwischen diesen beiden feindlichen Trupps. So stehen die Verhältnisse, Sir, so und nicht anders.«

 

Seine Offiziere blickten fragend von mir zu ihm hinüber und wieder von ihm zu mir herüber. Er selbst starrte mich staunend an, als ob ich etwas für ihn Unbegreifliches sei, und fragte mich.

»Aber, Sir, was sind das für Phantastereien?«

»Meine Phantasie ist hierbei gar nicht thätig; ich spreche von Dingen, welche wirklich sind.«

»Ihr kennt die Namen alle; woher wißt Ihr sie?«

»Ich spreche die Sprache der Comantschen.«

»Ihr, der Gräbersucher?«

»Gräbersucher, pshaw! Wollt Ihr denn noch immer nicht einsehen, daß Ihr Euch auch in Beziehung auf mich in einem großen Irrtum befunden habt?«

Arrtum? Seid Ihr denn nicht der, für den ich Euch gehalten habe, Sir?«

»Nein.«

»Wer denn?«

»Jetzt zeigt es sich, wer Wasser im Gehirn hat, Ihr oder ich. Habt Ihr es denn wirklich für möglich gehalten, daß ein Gelehrter, also ein studierter Mann, sich als Dummkopf im wilden Westen nur zu dem Zwecke herumtreibt, um Gräber zu entdecken?«

»All devils!«

»Und daß er den Indianern nur immer so im Wege herumkrabbelt, ohne von ihnen entdeckt zu werden?«

»Ich bin erstaunt, Sir!«

»Erstaunt über Euch, aber nicht über mich! Ich habe Euch vorhin die Namen dreier Männer genannt, von denen Ihr wohl oft gehört haben werdet. Ist Euch vielleicht zufälligerweise bekannt, was für ein Pferd Winnetou gewöhnlich reitet?«

»Einen Rapphengst, welcher »Wind« heißen soll.«

»Ja, Wind. Der Apatschenname dafür ist Iltschi. Habt Ihr auch von dem Pferde Old Shatterhands gehört?«

»Ja, auch ein Rapphengst, »Blitz« genannt.«

»Richtig! Das Apatschenwort dafür ist Hatatitla. Jetzt paßt einmal auf mein Pferd dort auf!«

Mein Rappe hatte sich grasend wohl über siebzig Schritte von mir entfernt. Ich drehte mich nach ihm um und rief den Namen Hatatitla; er kam sofort herbeigesprungen und rieb sein Maul liebkosend an meiner Schulter.

»Zounds!« rief der Kommandant aus. »Sollte —?«

»Ja, sollte – — – —!« lachte ich. »Ihr seid Kavallerist und habt diesen Hengst schon einmal gesehen. Ihr hieltet ihn für einen Kutschengaul. Betrachtet ihn jetzt genauer! Habt Ihr schon einmal ein so edles Pferd gesehen? Kann ein »Gräbersucher« ein so unvergleichliches Tier besitzen?«

Er drückte und drückte, um etwas zu sagen, brachte aber vor Verlegenheit lange nichts heraus, bis er endlich rief:

»Wo habe ich nur meine Augen gehabt!«

»Ja, wo habt Ihr sie gehabt, und zwar nicht nur in Beziehung auf das Pferd, sondern auch in Hinsicht auf den Reiter! Wißt Ihr, wie Winnetou bewaffnet ist?«

»Mit seiner berühmten Silberbüchse.«

»Und Old Shatterhand?«

»Mit dem Bärentöter und dem Henrystutzen.«

»Habt Ihr denn nicht schon in Euerm Lager jenseits des Mistake-Cañon gesehen, daß ich zwei Gewehre habe?«

»Ja, aber sie waren, wenigstens das eine, eingewickelt.«

»Nun, jetzt sind sie nicht verhüllt. Da, seht sie an!«

Ich hielt sie ihm hin. Seine Offiziere richteten ihre Blicke auch höchst neugierig auf die Gewehre.

»Alle Wetter, Sir,« stieß er hervor, »sollte diese starke, schwere Rifle der Bärentöter sein?«

»Sie ist es.«

»Und dieses Gewehr mit dem sonderbaren Schlosse?«

»Der Henrystutzen! Ja, der ist es.«

»So wäret – — wäret Ihr – — – —«

Er sprach die Frage nicht ganz aus und stotterte beinahe vor Verlegenheit.

»Old Shatterhand?« fiel ich ein, »der bin ich allerdings.«

»Und Euer Gefährte hier?«

»Heißt Old Surehand.«

Die Offiziere wiederholten in größter Ueberraschung diese beiden Namen, welche augenblicklich von Mund zu Mund durchs ganze Lager gingen. Der Kommandant war aufgesprungen, ließ seinen Blick zwischen uns beiden hin und her gleiten und fragte in einem Tone, als ob er sich nur im halben Wachen befinde:

»Old Shatterhand und Old Surehand! Ist‘s zu glauben!«

»Ihr glaubt es nicht?« fragte ich.

»O doch; aber – — – aber – — —«

Er wurde unterbrochen, denn draußen, wo die Posten standen, erscholl jetzt der laute Ruf-

»Indsmen kommen, Indsmen!«

»Woher?« fragte der Kommandant mit schallender Stimme.

»Von dort, aus Norden,« lautete die Antwort, wobei die Posten nach der angegebenen Richtung deuteten. Der Offizier wollte den Alarmbefehl erteilen; ich hinderte ihn daran:

»Seid ruhig, Sir! Es hat nichts zu bedeuten. Wenn Ihr noch nicht glaubt, daß wir diejenigen sind, für die wir uns jetzt ausgegeben haben, so kommen jetzt Zeugen, welche bestätigen werden, daß wir die Wahrheit sagen.«

»Meint Ihr die Roten?«

»Ja.«

»Aber das sind ja Feinde! Ich muß sofort – —«

»Nichts müßt Ihr, nichts. Sie sind Freunde; sie sind sogar Eure Retter. Es sind Apatschen, welche ich hergebracht habe, um Euch gegen die Comantschen beizustehen.«

»Apatschen? Da bringt Ihr mich in eine Lage, Sir, welche für mich ungeheuer bedenklich ist; Rote sind Rote; es ist keinem zu trauen, und noch weiß ich nicht, ob Ihr wirklich Old Shatterhand seid.«

»Well, so trefft die Maßregeln, welche Ihr für notwendig haltet; nur hütet Euch vor Feindseligkeiten. Ich werde Euch alles erklären, vorher aber den Apatschen einen Wink geben, sich dem Lager nicht auf Schußweite zu nähern, bis Ihr Vertrauen gewonnen habt.«

»Ich will gehen und es ihnen sagen,« erbat sich Old Surehand.

»Ja, thut das, Sir! Sagt ihnen auch, daß sich einige von ihnen hinauf auf die Höhe an das Gebüsch postieren sollen!«

»Da hinauf? Warum?« fragte der Kommandant, noch immer mißtrauisch. »Warum Posten in meinem Rücken?«

»Um nach Nale-Masiuv auszuschauen. Ich habe Euch ja gesagt, daß er hinter Euch her ist. Er kann jeden Augenblick kommen.«

»Ich könnte doch Posten von meinen Leuten aufstellen!«

»Meine Apatschen haben schärfere Augen.«

»Alle Wetter! Wenn Ihr – — – wenn Ihr – —!«

»Nur heraus damit, Sir! Ihr wollt sagen: Wenn Ihr Feinde und Betrüger wäret?«

»Ja,« gestand er zu.

»Glaubt Ihr wirklich, daß zwei Weiße so kühn und zugleich so schlecht sein könnten, solche Absichten zu hegen?«

»Hm! Ich weiß nicht, ob die Roten, die da kommen, wirklich Apatschen sind.«

»So versteht Ihr es nicht, Apatschen von Comantschen zu unterscheiden?«

»Nein.«

»Und da führt Ihr Krieg mit Indianern? Da könnt Ihr ja die allergrößten Fehler begehen! Uebrigens seht, da draußen kommen sie! Es sind fünfzig Mann. Ihr habt, wie ich schätze, gegen hundert gut geschulte Kavalleristen bei Euch. Könnt Ihr Euch da vor den Roten fürchten?«

»Nein. Ich will Euch trauen, Sir. Nur müssen die Indsmen dem Lager fern bleiben, bis ich ihnen erlaube, herbeizukommen. Das zu verlangen, gebietet mir meine Pflicht.«

»Das sehe ich ein. Und Ihr seht jetzt, daß Ihr ruhig sein könnt. Mr. Surehand hat sie erreicht; sie bleiben halten und sitzen ab. Nur drei von ihnen reiten fort, hinauf zur Höhe; das sind die Wachen, die für unsre Sicherheit sorgen sollen.«

»Schön! Ich bin zufrieden, Sir. Dennoch darf ich das nicht unterlassen, was zu thun mir die Sorge für unsre Sicherheit gebietet.«

Er erteilte einige Befehle, infolge deren seine Truppen mit schußbereiten Gewehren eine solche Aufstellung nahmen, daß sie einen Angriff der Apatschen, falls diese einen solchen beabsichtigen sollten, leicht abschlagen konnten.

»Das darf Euch nicht erzürnen,« entschuldigte er sich.

»Fällt mir nicht ein, es Euch zu verdenken!« antwortete ich. »Wenn Ihr mich bis zu Ende angehört habt, werdet Ihr Vertrauen haben. Da kommt Mr. Surehand zurück. Setzen wir uns wieder zusammen nieder! Ich will Euch erzählen und dadurch die Beweise beibringen, daß ich vorhin die Wahrheit gesagt habe und Ihr ohne uns verloren wäret.«

Wir nahmen am Wasser wieder so bei einander Platz, wie wir vorhin gesessen hatten, und ich teilte ihm soviel mit, wie er wissen mußte. Es lag ja doch in unsrem persönlichen Interesse, das zu übergehen, was nicht wichtig für ihn war. Meine Erzählung machte einen ganz bedeutenden Eindruck auf ihn und seine Offiziere. Sein Gesicht wurde immer ernster, seine Miene immer bedenklicher, und als ich geendet hatte, blieb er noch eine ganze Weile unbeweglich und sinnend sitzen, ohne ein Wort zu sagen. Auch seine Offiziere waren nun überzeugt, daß sie ohne unsre Dazwischenkunft in eine enge Falle gegangen wären. Endlich hob er den gesenkten Blick zu mir empor und sagte:

»Vor allen Dingen eine Frage, Mr. Shatterhand: Wollt Ihr mir verzeihen, daß ich so – — so – — gegen Euch gewesen bin?«

»Gern! Ihr glaubt also nun, daß ich Old Shatterhand bin?«

»Ich würde ein Idiot sein, wenn ich es nicht glaubte!«

»Ebenso überzeugt könnt Ihr davon sein, daß Eure Lage genau so ist, wie ich sie Euch beschrieben habe, Sir.«

»Einer solchen Versicherung bedarf es gar nicht mehr. Wie ein Westmann, wie Ihr seid, doch selbst dem tüchtigsten Offizier überlegen ist! Wir können beim besten Willen, bei aller List und Tapferkeit nichts thun, wenn wir nicht Führer bei uns haben, welche nicht nur die Gegenden, sondern auch die Roten und ihre Sprachen und Gewohnheiten genau kennen. Ihr habt die Comantschen belauscht und darum alle ihre Pläne erfahren. Konnten wir das?«