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Old Surehand I

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»Ja, genau dies war meine Absicht und mein Plan,« antwortete ich dem scharfsinnigen Freunde.

Da ergriff Bloody-Fox, der bisher geschwiegen hatte, obgleich die Angelegenheit ihn selbstverständlich am meisten interessieren mußte, zum erstenmale das Wort:

»Mein berühmter Bruder Winnetou mag mir eine Frage gestatten. Schiba-bigk wird sehr vorsichtig nahen, um nicht vor der Zeit bemerkt zu werden. Und wenn wir uns seitwärts aufstellen, ihn zu erwarten, dürfen wir uns seinem Wege doch nicht so weit nähern, daß er uns sieht. Ist es da nicht möglich, daß er vorüberkommt, ohne daß unsere Augen auf ihn und seine Comantschen fallen?«

»Nein.«

»Was Winnetou, der große Häuptling der Apatschen, sagt, ist nicht anzufechten; aber in der Wüste giebt es keinen Weg, den man sieht; es giebt nur eine Richtung, von welcher man leicht rechts oder links abweichen kann. Ist es da nicht möglich, daß Schiba-bigk auch abweicht und grad deshalb auf uns trifft?«

»Nein. Mein Bruder Fox mag sich an Old Shatterhand wenden, um zu erfahren, warum ich nein sage!«

Da Fox mich infolge dieser Worte fragend anblickte und die andern dies auch thaten, erklärte ich:

»Ein Weißer könnte aus der geraden Richtung weichen, ein Roter aber nicht. Ein Roter hat den untrüglichen Ortssinn des Vogels, der meilenweit gerade nach seinem Neste fliegt, obwohl es in der Luft, genau so wie hier im Sande, keine vorgezeichneten Wege giebt. Und sodann ist zu bedenken, daß die erste Schar der Comantschen, welche kommt, die Aufgabe hat, den Weg nach der Oase durch Stangen zu bezeichnen. Das Feststecken der Stangen ist eine Arbeit, die uns die Ankunft Schiba-bigks so kenntlich machen muß, daß wir sie gar nicht übersehen können. Er wird und muß in unsere Hände geraten. Wir schaffen ihn und seine Leute dann nicht etwa hierher, denn er darf den neuen Weg durch den Kaktus nicht kennen lernen, sondern sie werden draußen in der Wüste zusammengebunden und gut bewacht, bis alles vorüber ist.«

»Und was wird aus den Stangen? Es wurde vorhin gesagt, daß wir sie entfernen und in falscher Richtung wieder feststecken werden?«

»Das werden wir allerdings thun, um Vupa Umugi irre zu führen.«

»Wohin?«

»Hm! Irgendwo hin, wo wir ihn leicht einschließen und fassen können. Die Kaktusstrecken haben sich, seit ich zum letztenmal hier war, so verändert, daß ich im voraus nichts sagen kann.«

»Darf ich da einen Vorschlag machen?«

»Warum nicht?«

»Es giebt einen guten Tagesritt südöstlich von hier eine Kaktuswildnis von außerordentlich großer Ausdehnung, in welche ein offener, nach und nach immer schmaler werdender Sandstreifen hineinführt.«

»Wie tief hinein?«

»Wenn man langsam reitet, kann man fast zwei Stunden zubringen, ehe man an das Ende des Streifens kommt.«

»Sind die Kaktus alt oder frisch?«

»Beides durcheinander; aber dicht sind sie, sehr dicht.«

»Da wäre dies freilich ein Ort, wie wir ihn für unsern Zweck gar nicht besser wünschen können. Hält mein Bruder Winnetou ihn für ebenso passend?«

Der Häuptling der Apatschen nickte zustimmend und antwortete in seiner ruhigen, bestimmten Weise:

»Wir werden die Comantschen in diesen Kaktus treiben.«

»So sind wir fertig mit dem, was zunächst und für heut und morgen zu besprechen war; das weitere muß sich nach den Ereignissen richten. Die Sonne hat den Horizont erreicht; wir wollen Menschen und Tieren die Ruhe geben, welche sie brauchen, um morgen kräftig und ausdauernd zu sein.«

Es wurde mir beigestimmt. Wir versorgten unsre Pferde mit allem, was die Oase für sie bieten konnte, und Winnetou begab sich hinaus zu seinen Apatschen, um ihnen die Lagerbefehle zu erteilen und ihnen den Weg durch den Kaktus nach der Oase zu zeigen, denn sie mußten ihre Pferde tränken und sich selbst auch mit Wasser versorgen; dann legten wir uns auf die Maisstrohlager, welche Mutter Sanna inzwischen für uns bereitet hatte.

Aber die meisten von uns kamen nicht sofort zum Schlafen. Ich lag neben Winnetou und hörte seinen leisen Bericht über das, was er seit unsrer Trennung erlebt hatte. Dabei hörte ich, daß Old Wabble und Parker sich noch eine ganze Weile, auch mit unterdrückten Stimmen, miteinander zankten. Durch die offenen Fenster des Hauses schallten die Stimmen des Negers und seiner Mutter, welche außerordentlich glücklich waren, einander wieder zu besitzen, und vom Wasser her waren die Schritte der Apatschen und ihrer Pferde noch stundenlang zu vernehmen. So ein Lagerabend hat einen ganz eigenartigen Reiz, den nur derjenige kennt, der ihn selbst empfunden hat.

Als ich am Morgen erwachte, stand Winnetou schon munter am See, um seinen Oberkörper mit dem Wasser eines gefüllten, großen Kürbis zu baden. Sanna lief leise, aber geschäftig hin und her, dafür besorgt, daß die Gäste ein gutes, reichliches Frühstück finden möchten. Die andern schliefen noch, wachten aber auch bald auf. Dann kamen die Apatschen wieder mit ihren Pferden, die sich für den ganzen Tag jetzt satt zu trinken hatten. Ein leichter Rauch, den wir fern draußen vor dem Kaktusfelde sahen, sagte uns, daß die Roten sich mit Hilfe trockener Kakteen einige Feuer angezündet hatten, um an denselben ihr Essen zu bereiten. Als wir gefrühstückt hatten, ritten wir hinaus zu ihnen; sie hatten nun auch gegessen und waren zum Aufbruche bereit. Eine Abteilung von ihnen, bei welcher Bloody-Fox blieb, wurde zum Schutze der Oase zurückgelassen; dann ritten wir fort.

Gestern waren wir aus Südwesten gekommen, heut hatten wir grad westlich zu reiten, denn dort lag der Gutesnontin-khai. Die Linie, auf welcher die Comantschen zu erwarten waren, mußten wir uns natürlich denken; wir hielten uns parallel mit ihr, und zwar So, daß wir zunächst ungefähr eine halbe englische Meile von ihr entfernt waren, denn jetzt konnten die Feinde noch nicht kommen; später aber mußten wir uns vorsichtshalber weiter von ihr entfernen, wenn nämlich die Luft so rein und durchsichtig blieb, wie sie jetzt war. Man konnte außerordentlich weit sehen. Trotzdem befanden wir uns im Vorteile vor den Comantschen, weil ich ein Fernrohr hatte und Winnetou auch eins besaß.

Wer aber glaubte, wir hätten uns in einem Trupp zusammengehalten, der wäre in einem großen Irrtum befangen. Dies zu thun, wäre der größte Fehler gewesen, den man sich hätte denken können. Die erwähnte gedachte Linie lag nördlich, also rechts von uns. Es war nicht ganz unrichtig, was Old Wabble gestern abend gesagt hatte, daß nämlich die Comantschen zufällig von dieser Linie abweichen könnten, und wenn es auch nur wenig wäre. Darum mußte sich, als der Vormittag ziemlich vergangen war, unsre Schar weiter südlich halten, während nur einige der erfahrensten Leute mehr rechts ritten. Die der gedachten Linie am nächsten Befindlichen waren Winnetou, Old Surehand und ich, und auch wir ritten nicht neben, sondern so weit entfernt voneinander, daß wir unsre Zurufe grad noch hören konnten. Durch dieses Arrangement war dafür gesorgt, daß die Comantschen uns unmöglich entdecken konnten, außer in dem fast unwahrscheinlichen Falle, daß sie von ihrem Wege sehr weit südlich abgewichen wären. Aber selbst in diesem Falle durften wir hoffen, sie zu umzingeln und keinen von ihnen entkommen zu lassen. Das letztere war für alle Fälle die Hauptsache, denn gelang es auch nur einem einzigen, uns zu entschlüpfen, so war es natürlich seine erste und einzige Aufgabe, zurückzureiten und Vupa Umugi, dem großen Donner, Mitteilung von unsrer Anwesenheit zu machen.

Es wurde Mittag und noch hatten wir nichts gesehen. Da, es mochte wohl fast ein Uhr sein, stieß Winnetou, der in diesem Augenblicke sein Fernrohr an das Auge gesetzt hatte, einen lauten Ruf aus und winkte Old Surehand und mich zu sich heran. Als wir ihn erreichten, streckte er die Hand nach Norden aus und sagte:

»Ganz da draußen am Horizonte hält ein Reiter, den man nicht mit dem bloßen Auge erkennen kann.«

»Ist es ein Indianer?« fragte Old Surehand.

»Das ist nicht zu unterscheiden; mein Bruder mag das Rohr nehmen und dahin sehen, wohin ich zeige.«

Er gab ihm das Perspektiv, und ich setzte das meinige an, um es in dieselbe Richtung zu halten.

»Ja, es ist ein Reiter,« bestätigte Old Surehand; »aber man kann nicht erkennen, ob ein roter oder weißer.«

»Es ist ein roter,« warf ich ein.

»Erkennt Ihr das, Sir? Dann ist Euer Rohr viel besser als dasjenige Winnetous.«

»Ich erkenne es nicht; aber dennoch behaupte ich sogar, daß es ein Comantsche ist.«

»Uff!« rief Winnetou verwundert, der sein Rohr wieder genommen hatte und durch dasselbe blickte.

»Und zwar ein Comantsche von Schiba-bigks Schar; vielleicht ist es dieser selbst.«

»Uff, uff! Warum denkt dies mein Bruder?«

»Er ist nicht allein. Mein Bruder Winnetou mag sein Rohr dahin richten, woher dieser Reiter gekommen sein muß, also ein wenig mehr nach links. Dort sind noch mehr Reiter zu sehen und dabei kleinere Punkte, welche Fußgänger bedeuten, die von ihren Pferden gestiegen sind.«

»Uff, uff, es ist richtig! Ich sehe größere Punkte; das sind Reiter; und kleinere Punkte, welche sich hin und her bewegen; das sind Männer zu Fuße.«

»Weiß mein roter Bruder, warum diese kleineren Punkte nicht geradeaus gehen, sondern sich immer hin und her bewegen?«

»Nun, da mein Bruder Shatterhand mich darauf aufmerksam gemacht hat, weiß ich es. Es sind die Männer, welche die Pfähle einzustecken haben. Um das thun zu können, sind sie von ihren Pferden gestiegen.«

»Ganz richtig! Ihr wißt, Mr. Surehand, daß es unter diesen Comantschen nur Einen giebt, der den Weg kennt?«

»Ja, nämlich Schiba-bigk,« antwortete der Gefragte.

»Er ist also nicht nur der Anführer, sondern überhaupt der Führer. Wo aber pflegt sich so ein Führer aufzuhalten, hinten oder vorn, Sir?«

»Natürlich ist er stets voran.«

»Well! Darum nehme ich an, daß der erste, den wir gesehen haben und der an der Spitze der andern hält, der junge Häuptling Schiba-bigk ist. Er reitet voran und bleibt von Zeit zu Zeit, bis ein Pfahl festgesteckt ist, an der Spitze des Zuges halten. Schau! Winnetou wird durch sein Rohr bemerken, daß die Fußgänger jetzt ihre Pferde wieder besteigen. Es ist ein Pfahl eingesteckt worden, und nun reiten die Indsmen weiter.«

 

Es war so, wie ich sagte; wir sahen, daß die Comantschen sich von der Stelle, wo sie sich jetzt befunden hatten, im Galoppe entfernten. Sie wurden dabei kleiner und immer kleiner, bis wir sie nicht mehr sahen; sie waren genau in der Richtung nach der Oase verschwunden.

»Habt Ihr sie zählen können, Sir?« fragte mich Old Surehand.

»Nicht genau, aber ich denke, daß ich gestern recht gehabt habe; es werden nicht mehr als fünfzig sein.«

»Was thun wir nun?«

»Wir reiten der Sicherheit wegen noch ein Stück so weiter, wie wir bisher geritten sind; dann wenden wir uns nach Norden, um auf ihre Spur zu kommen. Haben wir diese, so befinden wir uns in ihrem Rücken und folgen ihnen so lange, bis wir eine passende Stelle oder Gelegenheit finden, sie einzuschließen.«

Dies wurde ausgeführt. Wir vereinigten uns mit unserm Trupp, sagten, daß wir die Gesuchten gesehen hätten, und folgten unsrer bisherigen Richtung noch einige Minuten lang; nachher bogen wir rechts ab und erreichten nach zehn Minuten die Fährte der Comantschen. Diese war eine sehr deutliche und ausgesprochene; ein Blinder hätte sie zwar nicht sehen können, aber fühlen müssen. Sie bestand nicht nur aus den Eindrücken der Pferdehufe und Menschenfüße, sondern außerdem aus einer Menge von Strichen, welche tief im Sande fortliefen. Die zu transportierenden Stangen waren nämlich mit einem Ende an den Sattel befestigt und schleiften mit dem andern Ende hinterher. In dieser Weise pflegen die Indianer auch ihre Zeltstangen von einem Orte zum andern zu schaffen, und dadurch waren hier im tiefen, leichten Sande die Striche und Linien entstanden. Da sie ineinander liefen, waren sie nicht zu zählen, aber es war doch zu sehen, daß eine ganz bedeutende Menge von Pfählen mitgeschleppt wurde.

Wir folgten der Fährte so lange rasch, bis wir die Comantschen durch die Fernrohre erkennen konnten; dann mußten wir, um nicht selbst gesehen zu werden, die Schritte unsrer Pferde mäßigen. Indem wir von da an stets in gleicher Entfernung mit ihnen blieben, war es uns leicht, zu bemerken, wie schnell sie vorwärts kamen und wie lange sie brauchen würden, um in die Nähe der Oase zu kommen. Die Entfernung von einer Stange bis zur andern mochte vielleicht einen Kilometer betragen, und wenn die Roten ihre Arbeit in der bisherigen Weise fortsetzten, mußten sie bis zum Abende ihr Ziel beinahe erreicht haben. Sehr wahrscheinlich war es die Absicht Schiba-bigks, des Nachts dann über die Bewohner der Oase herzufallen. Daß er schon am Tage auf Bloody-Fox treffen könne, mußte zwar auch in seiner Berechnung liegen, konnte ihn aber nicht irre machen, weil er jedenfalls glaubte, daß es diesem einen Bleichgesichte unmöglich sei, gegen fünfzig rote Krieger aufzukommen.

Während wir der Fährte folgten, ritt ich zwischen Winnetou und Old Surehand; beide waren still. Desto lauter ging es unmittelbar hinter uns her, wo Old Wabble zwischen Parker und Hawley ritt. Dem alten Cowboy war es geradezu unmöglich, in einer solchen Lage ruhig zu sein. Er erging sich in allerlei Berechnungen und Vermutungen, die ihm von den beiden andern widerlegt wurden, doch fiel es ihm gar nicht ein, ihre Widersprüche als begründet gelten zu lassen.

»Und Ihr könnt sagen, was Ihr wollt,« hörte ich ihn sagen, »ich meine, daß wir die Halunken vielleicht gar nicht bekommen, wenn wir es nicht klüger anfangen als bisher.«

»Warum denn, alter Wabble?« fragte Parker. »Ich denke, die drei da vor uns wissen ganz genau, was sie thun.«

»Meint Ihr? Wirklich? Warum lungern wir da so langsam und ohne zuzugreifen hinter den Roten her?«

»Weil die Gentlemen höchst wahrscheinlich warten wollen, bis es Abend geworden ist.«

»Das ist ja noch viel, viel schöner! Jetzt sehen uns die lndsmen nicht, und am Abende sehen wir sie nicht; da werden wir sie wohl überhaupt niemals zu sehen bekommen!«

»Hört, Mr. Wabble, unsre Anführer sind keine Kinder, sondern Männer, welche genau wissen, was sie zu thun haben!«

»O! hm! Wenn ich als Anführer da vorn ritte und etwas zu sagen hätte, da wüßte ich etwas Besseres.«

»Was?«

»Ich würde kurzen Prozeß machen.«

»Wieso?«

»Ich würde befehlen, den Pferden die Zügel schießen zu lassen und die Roten einfach über den Haufen zu reiten.«

»Das, alter Wabble, würde wohl das allerdümmste sein, was Ihr anordnen könntet.«

»Unsinn! Warum?«

»Weil die Comantschen uns natürlich kommen hören oder kommen sehen und schnell ausreißen würden.«

»Was schadete das? Wir würden sie natürlich einholen und gefangen nehmen.«

»Das ist leicht gesagt. Wenn sie sich auf der Flucht zerstreuten, könnte uns leicht einer von ihnen entgehen. Und das darf nicht sein. Habe ich da nicht recht, Mr. Shatterhand?«

Ich drehte mich zu dem Fragenden und antwortete ihm:

»Ja. Laßt Mr. Cutter reden! Er kennt die Absichten Winnetous nicht, und so ist es ihm nicht übel zu nehmen, daß er unser Verhalten für fehlerhaft hält.«

Der Alte sah mich fragend an. Er hätte wohl gern gewußt, was ich meinte, getraute sich aber nicht, zu fragen; darum erklärte ich ihm freiwillig:

»Winnetou weiß nämlich, daß ungefähr eine Reitstunde von hier eine Thalmulde liegt, durch welche der gerade Weg nach der Oase des Bloody-Fox führt. Sie ist ziemlich lang und ziemlich tief, so daß derjenige, der sich in ihr befindet, nicht sehen kann, was außerhalb auf der höher liegenden Fläche der Wüste vorgeht. Bis in diese Thalsenkung wollen wir die Comantschen kommen lassen; nicht weiter.«

Da fiel der Apatsche ein:

»Mein Bruder will mir einen Ruhm geben, der mir nicht gebührt, denn dieser Plan ist von ihm; er hat schon gestern abend, bevor wir einschliefen, von ihm gesprochen.«

»Nein, du sprachst davon,« entgegnete ich.

»Ich wollte sprechen; du kamst mir aber zuvor.«

»So ist es hier wieder so gewesen, wie stets und immer, daß nämlich mein Bruder Winnetou genau so denkt wie ich.«

»Ja, meine Gedanken sind die deinigen, und deine sind die meinigen, denn wir haben gegenseitig unser Blut getrunken und besitzen nicht zwei Herzen, sondern ein einziges. Was wir beide dachten, das soll geschehen: Wir werden die Comantschen in einer Stunde in dem Thale des Sandes gefangen nehmen.«

»Ohne daß einer von ihnen vorher sprechen darf?«

Als ich diese Frage aussprach, sah Winnetou mich fragend an, doch nur einen kurzen Augenblick; dann erkundigte er sich:

»Will mein Bruder den jungen Häuptling ausfragen?«

»Ja.«

»Glaubst du, daß er dir sagen wird, was du wissen willst?«

»Ja.«

»Schiba-bigk ist zwar jung, aber dennoch klug. Ich weiß, daß Old Shatterhand seine Fragen und Worte so zu setzen versteht, daß er selbst einen sehr listigen Mann auszuhorchen vermag. Schiba-bigk weiß dies auch und wird schweigen.«

»Er wird sprechen, denn er wird glauben, daß ich nicht als Feind zu ihm komme, sondern ihm ganz zufällig begegne. Ich werde ihm nämlich nicht nachreiten, sondern mich von euch trennen und einen Bogen reiten, so daß ich also nicht von dieser Seite, sondern von der uns jetzt entgegengesetzten das Thal des Sandes erreiche, und das muß ihn auf die Vermutung bringen, daß ich von Bloody-Fox, von der Oase komme. Er wird also meinen, daß ich seine Spur nicht gesehen und keine Ahnung von seinen Absichten habe. Er wird glauben, mich leicht gefangen nehmen zu können und mich also für unschädlich halten, und das wird ihm zwar den Mund nicht öffnen, ihn aber nicht scharf auf die Worte achten lassen, mit denen ich aus ihm herauslocken will, was mir zu wissen nötig ist. Sicht das mein roter Bruder ein?«

»Ich sehe es ein; aber warum willst du dich in Gefahr begeben, um heut etwas zu erfahren, was du morgen ganz ohne alle Gefahren hören und entdecken wirst?«

»Weil ich vermute, daß es mir heut mehr Nutzen bringt als morgen. Und Gefahr? Winnetou weiß, daß, ehe ich mich in eine Gefahr begebe, ich sie vorher genau berechne.«

»Howgh! Aber hast du daran gedacht, daß die Comantschen, wenn sie uns sehen, dich als Geisel betrachten werden?«

»Auch das habe ich überlegt, doch kenne ich einen Schild, mit dem ich jeden Schuß und Stich von mir abzuwehren vermag.«

»Welchen Schild?«

»Schiba-bigk.«

»Uff, uff! Ich erkenne, daß ich meinen weißen Bruder nicht zu warnen brauchte; er mag getrost ausführen, was er sich vorgenommen hat.«

»So gilt es also nur noch, zu sagen, wie ich euch kommen zu sehen wünsche. Das Thal des Sandes geht lang von West nach Ost. Ihr bildet vier Abteilungen, die sich voneinander trennen, sobald ihr seht, daß die Comantschen im Eingange der Bodensenkung verschwunden sind. Mit dem ersten Viertel deiner Krieger reitest du im Galoppe einen Bogen bis zum östlichen Ausgange des Thales; Old Surehand reitet mit dem zweiten Viertel nach der südlichen, und Entschar-Ko mit dem dritten Viertel nach der nördlichen Seite desselben.

»Wenn dann Old Wabble mit den übrigen seinen Weg fortsetzt und am Eingange der Bodenmulde halten bleibt, in der sich die Feinde befinden, so sind dieselben von allen Seiten eingeschlossen. Natürlich dürft ihr euch nicht sehen oder hören lassen. Ich weiß, daß der starke Knall meines Bärentöters durch das ganze Thal ertönen und von euch allen gehört werden wird. Sobald ich diesen Schuß abfeure, kommt ihr von allen Seiten herbei, und ich bin überzeugt, daß uns dann kein Comantsche entkommen kann. Hat dieser Plan die Billigung meines roten Bruders?«

»Er hat sie,« antwortete er kurz.

Old Surehand aber war nicht so schnell einverstanden. Er sagte:

»Euren Plan in allen Ehren, Sir, aber ich glaube doch, daß er ein wenig verwegen ist!«

»Gar nicht!«

»O, gewiß. Was kann der kühnste Mann einer abgeschossenen Kugel gegenüber thun?«

»Ihr ausweichen.«

»Sir, das ist leichter gesagt als gethan. Glaubt mir, daß ich Euch alles zutraue; aber ich habe Euch so lieb gewonnen, und ich wüßte nicht, was – — —«

Da fiel ihm der Apatsche schnell in die Rede:

»Winnetou hat ihn noch viel mehr lieb und läßt ihn dennoch fort; mein Bruder Surehand mag also keine Sorge haben; es giebt vier scharfe Augen, die über Old Shatterhand wachen werden, nämlich die seinigen und die meinigen.«

»Und die meinigen auch! « fügte Old Wabble, sich in die Brust werfend, schnell hinzu. »Er hat mir ein Kommando anvertraut und soll erfahren, daß er sich nicht in mir täuschen wird. Wehe dem roten Halunken, der es wagen sollte, ihm auch nur ein Haar krümmen zu wollen; meine Kugel würde ihn sofort fressen; th‘is clear!«

Auf diese eifrige Versicherung war ein kleiner Dämpfer nötig. Ich warnte ihn also:

»Nicht so hitzig, Mr. Cutter! Wenn ich Euch heute wieder einmal Vertrauen schenke, geschieht es in der Absicht, zu erfahren, daß Ihr nicht immer selbständig handelt, sondern im stande seid, eine Euch erteilte Weisung genau zu befolgen. Geschieht das Gegenteil, so könnt Ihr sicher sein, daß ich Euch nie wieder einen Auftrag geben werde. Ihr reitet mit Eurer Abteilung ganz ruhig weiter, bis ihr den Eingang zum Thale erreicht habt. Dort bleibt ihr versteckt halten und habt gar nichts zu thun, als auf den Schuß zu warten. Hört Ihr den, so kommt Ihr im Galopp ins Thal geritten und haltet vor den Comantschen eure Pferde an. Das ist alles, was von Euch verlangt wird, alles.«

»Well! Deutlich genug gesprochen! Werde ganz genau so exerzieren, wie Ihr es vorgeschrieben habt. Will nicht wieder sagen lassen, daß Old Wabble Jugendstreiche verübt.«

»Recht so! Und nun muß ich mich von Euch trennen, wenn ich die hintere Seite des Thales zur rechten Zeit erreichen will. Macht Eure Sache gut!«

Diese Aufforderung galt natürlich nur dem Alten; die andern drei zu ermahnen, war natürlich nicht nötig. Ich bog von der Fährte, welcher wir folgten, rechts ab und ritt im Galopp einen Bogen, dessen Sehne eben diese Fährte war, und hielt mich dabei so weit von ihr fern, daß die Comantschen mich nicht sehen konnten. Als ich nach einer halben Stunde das Pferd wendete, sah ich das östliche Ende der Thalmulde vor mir; ich ritt jetzt also, grad umgekehrt gegen vorher, nach Westen, während die Comantschen und hinter ihnen unsere Apatschen ostwärts auf mich zukamen.

Ich kann nicht sagen, daß ich irgend welche Besorgnis hegte; ich war nur gespannt darauf, wie Schiba-bigk sich bei meinem Anblicke verhalten würde. Es stellte sich heraus, daß die Zeit gut berechnet war, denn als ich ungefähr die Hälfte des Thales durchritten hatte, sah ich die Roten kommen. Die Bodensenkung war gar nicht tief, und ihre Wände stiegen ganz allmählich empor, aber dennoch konnte man von da aus, wo ich mich befand, keinen Blick hinaus auf die Ebene des Llano werfen.

 

Die Roten hatten es nicht für nötig gehalten, hier in dem Thale auch einen Pfahl zu stecken; sie brauchten sich also nicht aufzuhalten und kamen in scharfem Trabe auf mich zugeritten. Wie stutzten sie, als sie mich erblickten! Ich hielt mein Pferd natürlich an, als ob mir diese Begegnung ganz unerwartet sei, und nahm meinen Stutzen zur Hand. Sie griffen auch zu den Waffen und machten Miene, mich zu umringen. Da legte ich das Gewehr an und drohte ihnen entgegen.

»Halt! Wer mir in den Rücken will, der erhält eine Kugel. Welche roten Krieger können hier – — —,«

Ich hielt mitten in der Rede inne und richtete, treu meiner Rolle, den Blick erstaunt auf den Häuptling.

»Uff, uff! Old Shatterhand!« rief er überrascht, indem er sein Pferd parierte.

»Ist‘s möglich?« ließ ich mich hören. »Schiba-bigk, der junge, tapfere Häuptling der Comantschen!«

»Ich bin es,« antwortete er. »Ist Old Shatterhand von dem Geiste der Savanne durch die Luft in diese Gegend getragen worden? Die Krieger der Comantschen glaubten ihn weit im Westen von hier.«

Ich sah es ihm an, daß er nicht wußte, welchen Ton er gegen mich anschlagen sollte. Wir waren Freunde gewesen; ich hatte das volle Recht, auch heut noch Freundschaft von ihm zu verlangen, und doch war er jetzt gezwungen, mein Feind zu sein.

»Wer hat meinem jungen, roten Bruder gesagt, daß ich im Westen sei?« entgegnete ich.

Er öffnete schon den Mund, wahrscheinlich um zu sagen, daß er es von Vupa Umugi erfahren habe, besann sich aber eines Bessern und antwortete:

»Ein weißer Jäger sagte es, der Old Shatterhand gegen Untergang der Sonne getroffen haben wollte.«

Das war eine Lüge. Die Blicke seiner Krieger waren finster und feindselig auf mich gerichtet. Ich that, als ob ich dies gar nicht bemerkte und keinen von ihnen am »blauen Wasser« gesehen hätte, sondern stieg ruhig und mit scheinbarer Unbefangenheit vom Pferde, setzte mich nieder und sagte:

»Ich habe mit Schiba-bigk, dem jungen Häuptlinge der Comantschen, die Pfeife des Friedens und der Freundschaft geraucht; mein Herz ist entzückt, ihn nach so langer Zeit und so unverhofft wiederzusehen; wenn Freunde und Brüder einander begegnen, so begrüßen sie sich nach der Sitte, von welcher kein Krieger abweichen darf. Mein junger Bruder mag aus dem Sattel kommen und sich zu mir setzen, damit ich mit ihm sprechen kann!«

Die Blicke seiner Leute wurden drohender; sie waren bereit, über mich herzufallen, doch hielt er sie durch eine gebieterische Handbewegung zurück. Ich sah es seinem Gesichte an, daß ihm ein Gedanke gekommen war, jedenfalls der Gedanke, den ich beabsichtigte. Ich hatte gesagt, daß ich mit ihm zu sprechen wünsche, und er ging bereitwillig darauf ein, um mich auszufragen; er hegte also ganz dieselbe Absicht mir gegenüber, die ich ihm gegenüber auch hatte.

»Old Shatterhand hat Recht,« sagte er. »Häuptlinge müssen sich als berühmte Krieger begrüßen.«

Bei diesen Worten stieg er ab und setzte sich mir gegenüber nieder. Als seine Leute das sahen, verließen sie auch die Pferde und wollten einen Kreis um uns bilden. Dabei wären mir mehrere von ihnen in den Rücken gekommen, was ich verhindern mußte. Darum sagte ich, daß alle es hörten:

»Giebt es unter den Söhnen der Comantschen welche, die so feig sind, daß sie sich nicht getrauen, Old Shatterhand in das Angesicht zu schauen? Ich glaube nicht. Auch bin ich nicht gern so unhöflich, einem tapferen Krieger den Rücken zuzuwenden.«

Das half; sie setzten sich so, daß ich sie alle im Auge hatte. Sie sahen von einem sofortigen Angriffe ab, weil sie mich allein sahen und mich also sicher zu haben glaubten. Ich knüpfte die Friedenspfeife, welche ich am Halse hängen hatte, von der Schnur, that als ob ich sie stopfen wollte, und sagte:

»Mein junger Bruder Schiba-bigk mag den Gruß des Calumets mit mir rauchen, damit er erfahre, daß Old Shatterhand noch sein Freund wie früher ist.«

Da hob er zurückweisend die Hand und antwortete:

»Schiba-bigk war einst stolz darauf, einen so berühmten Bruder zu besitzen, jetzt aber möchte er wissen, ob Old Shatterhand wirklich noch sein Freund ist.«

»Zweifelst Du daran?« fragte ich, scheinbar erstaunt.

»Ich zweifle.«

»Warum?«

»Weil ich erfahren habe, daß Old Shatterhand ein Feind der Comantschen geworden sei.«

»Wer das sagte, der war entweder ein Lügner, oder er irrte sich!«

»Der es sagte, brachte Beweise, denen ich Glauben schenken mußte!«

»Will mein junger Bruder mir diese Beweise mitteilen?«

»Ich will es. Ist Old Shatterhand nicht an dem Wasser gewesen, welches Saskuan-kui genannt wird?«

»Ja.«

»Was wolltest du da?«

»Nichts. Mein Weg führte mich da vorüber. Ich wollte da lagern und am Morgen weiterreiten.«

»So hast du dort auch nichts gethan?«

»Doch.«

»Was?«

»Ich sah rote Männer da, welche einen weißen Krieger gefangen hatten; den habe ich befreit.«

»Was für Krieger waren das?«

»Ich erfuhr nachher von dem Bleichgesichte, daß sie Comantschen vom Stamme der Naiini seien.«

»Welches Recht hattest du, dieses Bleichgesicht zu befreien?«

»Er hatte den Comantschen nichts gethan. Ebenso würde ich einen Comantschen befreien, wenn er unschuldig in die Hände der Bleichgesichter gefallen wäre. Old Shatterhand ist aller Guten Freund und aller Bösen Feind; er fragt nicht nach der Farbe des Hilfsbedürftigen.«

»Du hast dir aber dadurch die Feindschaft und Rache der Comantschen zugezogen!«

»Nein.«

»Ja.«

»Nein, denn ich habe am andern Morgen mit Vupa Umugi, ihrem Häuptlinge, gesprochen und ein Bündnis geschlossen. Er war mein Gefangener und ich gab ihn frei.«

»Wußtest du, was die Comantschen dort an dem Saskuankui wollten?«

»Wie sollte ich das wissen? Ich habe sie nicht gefragt. Sie werden wahrscheinlich dort gewesen sein, um Fische zu fangen.«

»Weißt du, wo sie sich jetzt befinden?«

»Ich vermute es.«

»Wo?«

»Sie werden westwärts nach dem Mistake-Cañon gezogen sein, um den dortigen Comantschen beizustehen, die, wie ich hörte, von weißen Reitern bedroht werden.«

»Uff!« rief er aus, indem sein Gesicht ein überlegenes Lächeln zeigte. Seine Leute warfen sich Blicke zu, die mir sagten, daß ich in diesem Augenblicke mir auf meine Klugheit gar nichts einzubilden hätte. Dann fuhr er fort.

»Waren noch andere Männer bei dir?«

»Einige Bleichgesichter.«

»Wohin seid ihr vom Saskuan-kui aus geritten?«

»Nach Westen.«

»Und doch befindest du dich jetzt so weit östlich von dem blauen Wasser! Wie kommt das?«

»Ich hörte von der Feindschaft zwischen den weißen Soldaten und den Kriegern der Comantschen. Als Weißer hätte ich den Soldaten helfen müssen; da ich aber ein Freund der roten Männer bin, suchte ich dies dadurch zu umgehen, daß ich mich ostwärts wandte.«

»Wieder nach dem blauen Wasser?«

Es war für ihn natürlich sehr wichtig, zu erfahren, ob ich wieder dort gewesen sei. Ich antwortete:

»Weshalb hätte ich dorthin zurückkehren sollen? Ich bin nach dem Llano geritten, um meinen jungen Bruder Bloody-Fox zu besuchen, den du auch kennst, denn du bist damals sein Gast gewesen und hast die Pfeife des Friedens und der Freundschaft mit ihm geraucht.«

»Hast du die Bleichgesichter mit zu ihm genommen, die bei dir waren?«

»Das fragst du, der doch weiß, daß wir Bloody-Fox versprochen haben, sein Geheimnis nicht zu verraten? Kann ich da fremde Männer zu ihm bringen?«

»Wo sind sie jetzt?«

»Als ich mich von ihnen trennte, wollten sie nach dem großen Flusse und EI Paso hinüber.«

»Hast du Bloody-Fox getroffen?«

»Ja.«

»Wo befindet er sich jetzt?«

»In seinem Hause.«

»Du bist so schnell von ihm fort. Hat er seinen berühmten Bruder Old Shatterhand nicht bei sich behalten wollen?«

»Doch. Ich kehre zu ihm zurück.«

»Warum verließest du ihn heut? Wohin wolltest du jetzt reiten?«