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Old Surehand I

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»Oh – oh – oh – — Bob auch mit Mesch‘schurs! Schwarzer Bob sein also grad so Gentleman wie weißer Gentleman! Er sich sehr darüber freuen und nun zeigen, daß er grad so tapfer und mutig, wie weiße Jäger. Leider aber er nun haben kein Gewehr, um totschießen rote Indianer!«

»Du wirst eins bekommen. Wir haben am »kleinen Walde« mehrere erbeutet; davon suche ich dir eines heraus. Was dir sonst noch fehlt, ein Messer und dergleichen, das bekommst du auch.«

Als ich jetzt mein Pferd streichelte, litt es das ruhig, ohne ein Zeichen der Abneigung sehen zu lassen. ich untersuchte die Hufe; es gab sie so ruhig her wie ein Bauernpferd, welches stets im Stalle gestanden hat und mit seinem Herrn auf vertrautem Fuße steht. Als ich aufgestiegen war, blieb es stehen; kurz, es verhielt sich genau so wie ein Pferd, welches man mit dem bekannten Ausdrucke als »militärfromm« bezeichnet. Es hatte mich als seinen Meister anerkannt. Old Wabble schüttelte vor Verwunderung darüber den Kopf, sagte aber nichts.

Da es auch vor den andern und ihren Pferden nicht mehr scheute, brauchte ich mich nicht mehr von ihnen abzusondern; wir konnten also zusammenhalten und thaten dies, indem bald dieser und bald jener eines seiner Erlebnisse zum besten gab. Auch Old Surehand erzählte einige seiner Abenteuer. Er hatte dabei eine eigene, kurze, prägnante Weise, welche den Gedanken, daß er nach unserm Lobe strebe, gar nicht aufkommen ließ. Das, was wir aus seinem Munde hörten, waren mehr Berichte als Erzählungen. Old Wabble fand dabei einigemal Gelegenheit, Fragen auszusprechen, bei deren Beantwortung der Erzähler eigentlich gar nicht umgehen konnte, über seine Herkunft und seine Verhältnisse Auskunft zu erteilen, und das war jedenfalls auch der Zweck des Alten; aber Old Surehand wußte sehr klug auszuweichen, und ich hörte und merkte es ihm an, daß es nicht in seiner Absicht lag, sich auch nur zu einer Andeutung bewegen zu lassen. Ueber sein Leben und seine Erfahrungen im wilden Westen sprach er; weiteres aber konnte der Alte nicht erfahren. Ich meinerseits hütete mich, eine Frage auszusprechen, die mich ihm hätte als neugierig erscheinen lassen können.

In dieser Weise verging der Vormittag, und ein großer Teil des Nachmittags, und es war gegen Abend, als wir den Rio Pecos an einer Stelle erreichten, welche vielleicht eine englische Meile oberhalb der Mündung des »blauen Wassers« lag. Wir schwammen hinüber, denn die Umgehung des »blauen Wassers« konnte nur auf der jenseitigen, der rechten Seite des Flusses geschehen.

Drüben angekommen, stießen wir auf eine Fährte, welche in der Nähe des Wassers abwärts führte.

»Hallo!« meinte Old Wabble. »Da sehen wir ja gleich, daß Nale-Masiuv mit seinen Roten schon angekommen ist!«

Old Surehand warf nur einen kurzen Blick auf die Spuren und entgegnete dann:

»Das ist er nicht gewesen.«

»Nicht? Wieso?«

»Wieviel Rote sollte er bringen?«

»Hundert. «

»Ist das die Fährte von hundert Reitern?«

»Nein; das gebe ich zu. Wenn er es nicht gewesen ist, so möchte ich wissen, wer – — – hm! Sollte es nur ein Vortrab von seiner Schar gewesen sein?«

»Möglich.«

»Da kommen die andern nach und entdecken unsre Spuren. Was ist da zu thun? Wir dürfen uns nicht verraten.«

»Was zu thun ist, mag Mr. Shatterhand bestimmen.«

Ich bog mich vom Pferde herab, um die Eindrücke der Hufe genau zu betrachten, und sagte dann:

»Das sind ungefähr zwanzig Reiter gewesen, welche sich sehr sicher gefühlt haben müssen, denn sie sind nicht im Gänsemarsche geritten. Die Spur ist wenigstens vier Stunden alt; wer hinter uns her kommt und ein gutes Auge hat, kann die unsrige also sehr leicht von ihr unterscheiden; aber der Abend ist nahe, der diese Unterscheidung unmöglich macht. Wollen ihr getrost folgen; ich muß sie besser kennen lernen.«

Wir lenkten in die Fährte ein und kamen bald an eine Stelle, wo die Reiter angehalten hatten; sie wurde an der vom Flusse abgewendeten Seite von Büschen begrenzt, in denen es eine schmale Lücke gab.

»Ja, es sind ungefähr zwanzig Reiter gewesen,« wiederholte ich; »weiter ist nichts herauszufinden.«

»Also ein Vortrab?« fragte Old Wabble.

»Das möchte ich bezweifeln.«

»Warum?«

»Weshalb sollte Nale-Masiuv seine Schar geteilt und eine Vorhut vorausgesandt haben? Das thut man nur vor dem Kampfe oder wenn man sich in einer sehr unsichern Gegend befindet. An einen Kampf war nicht zu denken, und unsicher haben sich diese Leute nicht gefühlt, sonst wären sie in ganz andrer Weise geritten.

Wir haben es also nicht mit einem Vortrab zu thun, sondern mit einem ganz selbständigen Trupp. Nale-Masiuvs Leute sind es nicht gewesen.«

»Hm! Ich denke da an den jungen Häuptling Schiba-bigk, meinen Bekannten, der ja auch nach dem »blauen Wasser« kommen muß, wenn er mit Vupa Umugi nach dem Llano-estacado will; er soll den Führer machen. Vielleicht ist er es gewesen.«

»Das ist sehr leicht möglich, Sir. Was thun wir nun? Folgen wir dieser Fährte?«

»Das hat keinen Zweck und würde uns nur in Gefahr bringen können.«

»Aber wir müssen doch stromabwärts gehen, um wieder an das andre Ufer zu kommen.«

»Ja, aber nicht so nahe am Wasser hin, wo wir jeden Augenblick auf Rote treffen können. Wir reiten einen Bogen, und zwar so, daß wir die Furt erst dann erreichen, wenn es dunkel ist und wir nicht gesehen werden können.«

»Das ist klug und zugleich gefährlich. «

»Wieso gefährlich?«

»Wenn noch vor der Dunkelheit Indsmen hinter uns herkommen, sehen sie die Stelle, wo wir diese Fährte verlassen haben; unsre Spur muß ihnen auffallen; sie folgen uns, und wir sind verraten.«

»Wenn wir es dumm anfangen, ja. Wir müssen eben da abweichen, wo es nicht bemerkt werden kann.«

»Wo wäre das?«

»Hier.«

»Hier? Ah!«

»Ja, hier. Meint Ihr nicht, daß diese Lücke im Gebüsch die beste Gelegenheit dazu bietet?«

»Ob Lücke oder nicht, sie werden doch bemerken, daß eine Fährte abseits führt.«

»Nein, wenn wir es richtig machen. Wir reiten nicht langsam hinein, sondern im Sprunge. Daß unsre Pferde hier zum Sprunge angesetzt haben, können sie nicht sehen, weil diese Stelle von Spuren ganz bedeckt und niedergetreten ist. Unsre Pferde fassen jenseits der Lücke wieder Fuß, wodurch allerdings Hufeindrücke erzeugt werden, die aber von hier aus nicht gesehen werden können, weil die Lücke schmal ist und die Zweige unten ineinander gehen. Wir müssen hoch springen und uns dabei hüten, Blätter abzustreifen oder gar Aeste abzubrechen.«

»Well, das geht, Mr. Shatterhand! Wer springt zuerst?«

»Ich. Kommt ihr mir einzeln nach, und macht es genau wie ich!«

Ich nahm mein Pferd hoch, gab ihm die Hilfe und flog in einem weiten Bogen zwischen den Büschen hindurch, wo ich natürlich nicht halten blieb, sondern für die andern Platz machte. Sie kamen ebenso gut hinüber wie ich, und dann durchquerten wir den hier schmalen Waldessaum des Flusses, bis wir hinaus auf das offene Terrain kamen. Da ritten wir in gerader, rechtwinkelig vom Flusse wegführender Linie weiter, bis wir so weit von ihm entfernt waren, daß wir von dort aus nicht gesehen werden konnten. Von hier aus schlugen wir die parallele Richtung ein und lenkten, als wir weit genug abwärts gekommen waren, wieder nach dem Pecos zurück. An sein Ufer zurückgekehrt, mochten wir uns ungefähr eine halbe englische Meile unterhalb der Furt befinden und waren also gezwungen, uns rückwärts zu wenden. Dabei war große Vorsicht erforderlich, denn es war inzwischen dunkel geworden und die Situation überhaupt nicht ganz geheuer. Infolge des Zuzuges, den Vupa Umugi erwartete, mußte man grad an der Furt stets auf Begegnungen gefaßt sein. Wir stiegen also ab und gingen zu Fuße, indem wir die Pferde führten und uns bemühten, so wenig Geräusch wie möglich zu verursachen.

Es zeigte sich gar bald, daß diese Behutsamheit gar nicht überflüssig war, denn wir bemerkten, noch ehe wir die Furt erreicht hatten, einen brenzlichen Geruch. Es gab ein Feuer in der Nähe; wir blieben also stehen. Es galt natürlich, zu erfahren, wer das Feuer angebrannt hatte; das wollte ich mit Old Surehand thun. Wir übergaben also Old Wabble und Bob unsre Pferde und Gewehre und schlichen uns weiter. Der Geruch wurde mit jedem Schritte stärker, und als wir nur noch eine kurze Strecke bis zur Furt hatten, sahen wir das Feuer. Es brannte in der Nähe des Wassers. Wer sich dort befand, das konnten wir nicht sehen, weil Büsche dazwischen lagen.

Wir huschten mit Anwendung aller Vorsicht weiter und weiter, bis wir dieses Gebüsch erreicht hatten. Es lag ungefähr zwölf Schritte von dem Feuer entfernt, an welchem zwei Indianer einander gegenüber saßen, die Gesichter einander zugekehrt, so daß wir beide im Profile sehen konnten. Es waren Comantschen. Was wollten sie hier an der Furt? Wozu hatten sie dieses Feuer? Das waren die zwei Fragen, die wir uns natürlich vorlegen mußten. Die Beantwortung konnte uns nicht schwer fallen.

Old Surehand hatte dieselben Gedanken wie ich. Er gab ihnen Ausdruck, indem er mir zuflüsterte:

»Nale-Masiuv ist noch nicht da. Ihr habt also mit Euern Vermutungen recht gehabt, Sir.«

»Ja; sie warten auf ihn und haben diese Wachen hier ausgestellt, die ihn empfangen sollen.«

»Warum sie das für nötig gehalten haben?«

»Das ist sehr einfach. Nale-Masiuv ist von einem andern Stamme als Vupa Umugi und hat seine Weideplätze entfernter von hier. Darum kennt er die Furt nicht, und diese beiden sollen sie ihm zeigen, wenn er kommt.«

»Das trifft jedenfalls zu. Wie gut, daß wir erst am Abende hierherkamen!«

»Ja; am Tage hätten sie uns wahrscheinlich bemerkt, denn da waren sie jedenfalls auch schon da. Nun hat uns der Geruch ihres Feuers vor Entdeckung bewahrt.«

»Das wäre schlimm gewesen, denn wenn es auch ganz unmöglich gewesen wäre, daß sie uns hätten fassen können, so wüßten sie doch nun, daß wir noch immer hier sind, während sie das Gegenteil dachten.«

 

»Dieses Feuer ist allerdings ein Beweis, daß sie überzeugt sind, wir seien über alle Berge. Wenn sie uns noch hier in der Gegend glaubten, würden sie sich hüten, eins anzuzünden. Dumme Kerls, sie werden doch nie klug!«

»Sie dürfen sich nicht darüber beschweren, daß sie keine Gelegenheit gehabt hätten, gescheit zu werden. Ihr habt ihnen genug gute Lehren erteilt. Bleiben wir hier?«

»Ich möchte.«

»Ich auch. Jetzt sitzen sie zwar stumm wie Oelgötzen da, aber es ist doch möglich, daß sie miteinander reden.«

»Wenn sie das thun, werden wir etwas erfahren.«

»Wichtiges? «

»Wenn nicht grad das, so doch wenigstens etwas, was uns interessiert. Der eine rechts ist nämlich ein hervorragender Krieger.«

»Kennt Ihr ihn?«

»Ja. Als ich sie da drüben am »blauen Wasser« belauschte, saß er mit bei dem Häuptlinge und nahm neben dem Alten mit am Gespräch teil. Wenn sie reden, dann doch wahrscheinlich von ihrem kriegerischen Vorhaben. Horcht!«

Der Rote, von dem wir sprachen, hatte ein Wort gesagt, aber so kurz und unterdrückt, daß es nicht zu verstehen gewesen war. Der andere antwortete, aber auch für uns unverständlich. So fielen eine Zeitlang einzelne Worte hin und her, ohne daß wir wußten, wen oder was sie betrafen. Da legten wir die Ohren auf die Erde, um besser verstehen zu können.

Kaum hatten wir das gethan, so stieß Old Surehand mich mit dem Ellbogen bedeutungsvoll an. Ich wußte sogleich, was er meinte, denn ich hatte das Geräusch, auf welches er mich aufmerksam machen wollte, auch gehört. Wir kannten es beide genau; es war das dumpfe Hufstampfen von Pferden auf weichem Grunde, wobei an eine Wurzel oder sonst etwas Festes gestoßen wird.

»Waren das etwa unsre Pferde?« fragte Old Surehand.

»Nein. Der Schall kam abwärts.«

»Da handelt es sich um Rote, die da kommen. «

»Jedenfalls.«

»Auch Comantschen, sonst würden sie sich sehr in acht nehmen und ihre Pferde besser führen.«

»Comantschen sind es; aber sie wissen nicht, daß hier auch Rote sitzen. «

»Sollten sie das Feuer nicht sehen?«

»Nein. Der Schall läßt auf eine Entfernung von wenigstens achtzig Schritten schließen, und nach oben hin stehen dichte Sträucher, welche das Feuer verdecken. «

»Aber riechen müssen sie es doch!«

»Nein, denn der Wind kommt von oben und weht den Rauch und also auch den Geruch abwärts.«

»Bin neugierig, wer es ist!«

»Ich auch. Sobald sie das Feuer entdecken, werden sie die Pferde anhalten, um abzusteigen und herbei zu schleichen. Dann erfahren wir jedenfalls etwas.«

Wir warteten. Das dumpfe Geräusch wiederholte sich noch zweimal. Die beiden Comantschen am Feuer hörten es nicht, weil sie nicht, so wie wir, mit den Ohren auf der Erde lagen. Dann war es still. Es verging eine Weile. Die Kommenden waren aufmerksam geworden und hatten sich jedenfalls leise herbei gemacht. Da raschelte es plötzlich im gegenüberliegenden Gebüsch, und ein lautes Hiiiiiiih!« erschallte. Die beiden Wächter sprangen erschrocken auf. Schon machten sie Miene, sich in die Sträucher zu verbergen, hinter denen wir steckten; wir sprangen auch schon auf, um schleunigst zu retirieren; da ertönte von jenseits der laute, fragende Ruf.

»Vupa, Vupa?«

Infolgedessen blieben die Wächter stehen, und der eine von ihnen antwortete:

»Umugi, Umugi!«

Sie setzten sich wieder nieder; sie waren beruhigt, denn dieser Zuruf hatte sie überzeugt, daß die, die kamen, keine Feinde waren. »Vupa – — – Umugi«, das war ein Erkennungszeichen, welches verabredet worden war. Man sieht, daß die Roten von den Weißen den Gebrauch des Feldgeschreis gelernt und sich angeeignet haben.

Es verging einige Zeit, dann kamen zwei Reiter von oben herab. Sie hatten ihre zurückgelassenen Pferde geholt und stiegen am Feuer ab. Wir beide hatten uns natürlich wieder niedergelegt. Die Ankömmlinge setzten sich zu den Wächtern, ohne zunächst ein Wort zu sagen; das ist so Indianersitte. Erst als ungefähr fünf Minuten vergangen waren, begann der, den ich als hervorragenden Krieger bezeichnet hatte und der die Unterhaltung führte, während sein Gefährte schwieg:

»Meine roten Brüder sind erwartet worden. Vupa Umugi harret voller Ungeduld.«

»Darf ein Krieger ungeduldig werden?« fragte einer der Gekommenen.

»Er darf es nicht zeigen; aber er darf es sein. Habe ich gesagt, daß er es gezeigt habe?«

»Das hat mein Bruder nicht gesagt. «

»Wir haben schon am Nachmittage gewartet. Nun kommt ihr als Vorhut. Wann wird Nale-Masiuv nachfolgen?«

»Er folgt heute nicht nach.«

»Uff!«

»Wir kommen nicht als Vorhut, sondern als seine Boten. Wo ist Vupa Umugi, mit dem wir sprechen sollen?«

»Er lagert am »blauen Wasser«.«

»Führe uns zu ihm!«

»Wir können noch warten. Meine Brüder wissen, daß ich das Ohr und das Vertrauen des Häuptlings besitze. Wenn sie nicht zornig empfangen werden wollen, mögen sie mir ihre Botschaft sagen, damit ich den Häuptling vorbereite.«

Die beiden Boten sahen einander fragend an, und dann antwortete der Sprecher:

»Ja, wir wissen, daß du der Mund und das Ohr des Häuptlings Vupa Umugi bist; darum sollst du erfahren, was du hören Willst, obgleich wir den Befehl erhielten, nur mit dem Häuptling zu sprechen. Nale-Masiuv kann mit seinen hundert Kriegern heut nicht kommen. «

»Uff! Warum?«

»Weil er von Bleichgesichtern aufgehalten wurde, mit denen er kämpfen mußte.«

»Giebt es Bleichgesichter in der Nähe?«

»In der Nähe nicht; aber jenseits des Mistake-Cañons stießen wir plötzlich auf Soldaten der Bleichgesichter, welche über uns herfielen. Es waren ihrer so viele, daß wir fliehen mußten, wobei viele unsrer Krieger verwundet oder gar getötet wurden. Die Bleichgesichter verfolgten und zerstreuten uns, und als es Abend wurde, hatten sich nur fünfzig Krieger bei dem Häuptlinge eingefunden.«

»Uff, uff, uff! Was wird Vupa Umugi sagen! Vielleicht verschiebt er den Zug nach dem Llano estacado und zieht nach dem Mistake-Cañon, um euch zu rächen!«

»Das soll er nicht! Nale-Masiuv, unser Häuptling, hat uns befohlen, ihm dies zu sagen. Die Bleichgesichter, mit denen wir kämpften, sind keine Westmänner, sondern Soldaten. Wenn wir sie besiegen, und es kommt auch nur einer nach seinem Fort zurück, so werden hundert und wieder hundert neue Soldaten gesandt, um die Gefallenen zu rächen. Ja, unsre Toten sollen gerächt werden, aber so, daß kein Soldat heimkehrt, sondern alle, alle sterben müssen.«

»Hat Nale-Masiuv einen Plan ersonnen, wie das geschehen soll?«

»Ja.«

»Kennst du ihn?«

»Ja; ich soll ihn Vupa Umugi mitteilen.«

»Darf ich ihn hören?«

»Ihr alle müßt ihn erfahren; warum sollte ich ihn dir da nicht sagen dürfen?«

»So steht mein Ohr mit Spannung offen, dich zu hören.«

»Die Soldaten der Bleichgesichter müssen nach dem öden Llano estacado gelockt werden, um dort zu verschmachten.«

»Uff, uff, uff! Das ist ein Gedanke, der den Beifall unsres Häuptlings sofort haben wird. Diese weißen Hunde müssen alle untergehen, und keiner darf zurückkehren, um erzählen zu können, was geschehen ist.«

»Mein roter Bruder hat recht. Darum darf der Zug nach dem Llano nicht verschoben werden, sondern muß schnell unternommen werden, denn wenn wir die Bleichgesichter in den Tod locken, und nicht selbst verschmachten wollen, brauchen wir das Wasser, an welchem der Bloody-Fox wohnt. Dieses müssen wir haben, ehe wir die Soldaten nach dem Llano estacado führen können.«

»Wie sollen sie dorthin gelockt werden?«

»Ist der junge Häuptling Schiba-bigk schon hier bei meinen roten Brüdern eingetroffen?«

»Er kam am Nachmittage mit zwanzig Mann.«

»Er kennt den Weg nach dem Wasser der Wüste und wird von Vupa Umugi so viele Krieger erhalten, wie nötig sind, sich in den Besitz des Wassers zu setzen und den blutigen Fuchs zu fangen. Während er das thut, wartet Vupa Umugi hier so lange, bis Nale-Masiuv kommt, um zu ihm zu stoßen.«

»Wann wird das geschehen? «

»Er hat, als wir uns nach dem Kampfe sammelten, sofort zwei Boten heimgesandt, die noch hundert Krieger holen müssen, welche im Rücken der weißen Soldaten bleiben sollen, ohne sich von ihnen sehen zu lassen, bis die Bleichgesichter sich in der Wüste befinden. Jetzt wartet er einen Tag, um die versprengten Krieger zu sammeln, und greift die Soldaten dann an; er wird aber nicht kämpfen, sondern sich zurückziehen bis hierher an das »blaue Wasser«, wo er seine wenigen Leute mit euern hundertfünfzig Kriegern vereinigt. Die Bleichgesichter werden folgen. Kommen sie hier an, so sind wir schon fort. Wir lassen uns stets sehen, aber sobald wir angegriffen werden sollen, weichen wir zurück, bis wir die weißen Hunde in der Wüste haben. Da sind wir ihnen voraus, und die hundert Krieger, nach denen Nale-Masiuv gesandt hat, kommen hinter ihnen her; sie werden also eingeschlossen sein. Auch wenn sie uns dann angreifen wollen, werden wir nicht kämpfen, sondern immer weiter in die Wüste zurückweichen, denn wir haben Wasser, sie aber keines; sie werden also verschmachten und sterben müssen bis auf den letzten Mann, während wir keinen der Unsrigen verlieren.«

»Uff, uff! Dieser Plan ist gut, sehr gut!«

»Denkt mein roter Bruder, daß Vupa Umugi auf denselben eingehen wird? «

»Er wird ja sagen; ich weiß es genau. Und wenn er dagegen wäre, würde ich ihn überreden. Die Versammlung der Aeltesten ist ganz gewiß auf meiner Seite.«

»So wollen wir sofort nach dem »Blauen Wasser«, damit ich mit dem Häuptlinge sprechen kann, denn ich muß mich beeilen, Nale-Masiuv die Antwort zu bringen.«

»Mein Bruder warte noch eine kleine Weile! Der Plan ist sehr gut; er wird zum vollständigen Verderben der Bleichgesichter führen; aber er hat eine Lücke.«

»Welche?«

»Schiba-bigk, der die Wüste kennt, soll mit einer Schar vorausreiten und sich in den Besitz des Wassers setzen. Wenn wir dann kommen, wie finden wir den Ort, wo das Wasser ist?«

»Er wird zurückkehren und uns den Weg zeigen.«

»Wird er das können? Wird er Zeit dazu haben? Wird er durch nichts verhindert werden?«

»Auch daran hat Nale-Masiuv gedacht. Als die drei Häuptlinge den Zug nach dem Llano besprachen, hat Schiba-bigk gesagt, daß es an der letzten Höhe vor dem Beginne der Wüste ein Wasser gebe, welches Suks-ma-lestavi[38] heißt. Mehrere von den Kriegern der Comantschen sind an diesem Orte gewesen; sie kennen ihn und werden ihn sehr leicht finden – —«

»Suks-ma-lestavi? Diese Stelle weiß ich auch, denn ich bin einigemale dort gewesen.«

»Das ist gut. Weil dieser Ort an dem Wege liegt, den Schiba-bigk zu nehmen hat, wird er dort die Vorbereitungen treffen, welche nötig sind, wenn wir von dort aus auf alle Fälle den Weg nach dem Wasser finden sollen. Es giebt viele Büsche und junge Bäume dort; er wird viele Stangen schneiden und sie von da aus in den Sand der Wüste bis nach dem Wasser stecken. «

»Uff! So wie es die Bleichgesichter thun, wenn sie durch die Wüste reiten und den Weg nicht verlieren wollen!«

»Ja, so! Wenn wir dann nach dem Suks-ma-lestavi kommen und Schiba-bigk uns nicht dort erwarten kann, so finden wir die Stangen, welche uns den Weg weisen.«

»Und die Bleichgesichter kommen hinter euch her und finden das Wasser dann auch!«

»Nein! Hat mein Bruder einmal von den weißen Räubern gehört, welche Stakemen genannt werden?«

»Ja.«

»Weiß mein Bruder auch, was diese Leute thun, um die Reisenden in den Tod zu führen? «

»Sie ziehen die Stangen heraus und setzen sie anders.«

»Können die roten Krieger nicht auch thun, was die Bleichgesichter machen?«

»Uff! Das ist wahr!«

»Wir ziehen hinter uns die Stangen heraus und stecken sie nach einer Richtung ein, wo es kein Wasser giebt und wo die Soldaten verschmachten müssen. Hat mein roter Bruder noch eine Frage oder ein Bedenken? «

»Nein.«

»Das ist es, was ich Vupa Umugi, dem Häuptlinge zu sagen habe. Wenn er auf diesen Plan eingeht, wird nicht nur das Wasser in der Wüste den Comantschen für immer gehören, sondern wir werden den blutigen Fuchs fangen und die weißen Soldaten verderben.«

»Er wird ganz gewiß thun, was ihm Nale-Masiuv durch dich vorschlagen läßt. Ich habe es gesagt. Howgh!«

»So wollen wir nun nach dem »blauen Wasser« reiten, denn wir haben keine Zeit. Wir müssen sofort wieder zurückkehren, weil Nale-Masiuv auf uns wartet. «

 

»Und wir können hier das Feuer auslöschen, denn weil eure Krieger nicht kommen, brauchen wir nicht auf sie zu warten. Wir werden euch durch die Furt führen.«

Sie traten das Feuer aus und entfernten sich dann, um in den Fluß zu gehen, die beiden Boten zu Pferde, und die beiden Wächter zu Fuß.

Als sie fort waren, standen wir auf und sahen einander an, obgleich wir in der Dunkelheit unsre Gesichter nicht erkennen konnten. Das, was wir gehört hatten, war von größter Wichtigkeit.

»Da möchte man wie ein Indianer »Uff, uff, uff!« ausrufen, meinte Old Surehand.

»Nun, habe ich nicht gesagt, daß wir hier etwas hören würden, Sir?«

»Und was! So ein Plan!«

»Ich bin da oben im Lager der Truppen gewesen. Also von ihnen ist Nale-Masiuv angefallen worden! Der Anführer hat mir zwar nicht gefallen; er war ein arroganter Kerl, der eigentlich eine Demütigung verdiente; aber das, was diese Roten mit ihm vorhaben, können wir unmöglich geschehen lassen.«

»Habt Ihr mit ihm gesprochen? «

»Ja.«

»Kannte er Euch?«

»Nein.«

»Und Ihr habt ihm auch nicht gesagt, wer Ihr seid?«

»Ist mir nicht eingefallen.«

»Dann will ich seine Arroganz begreifen, sonst aber möchte ich den Menschen, und wenn es ein hoher Offizier wäre, sehen, der sich gegen Old Shatterhand anmaßend benehmen dürfte, ohne »in die Käse zu fliegen«, wie Ihr Euch da kürzlich ausdrücktet! Was aber sagt Ihr zu dem Plane, den dieser Nale-Masiuv ausgeheckt hat?«

»Meisterhaft ist er nicht.«

»Ganz meine Meinung; aber so ein Kavallerieoffizier ist kein Westmann; ich halte es für möglich, daß er sich nach dem Llano locken läßt.«

»Und ich bin sogar überzeugt davon. Wenn ich den Plan nicht für meisterhaft halte, so will ich damit nicht etwa sagen, daß er nichts tauge; o nein, ich meine nur, daß zum Beispiele wir beide ihn ganz anders gestaltet hätten. Dennoch werden die Weißen in die Falle gehen.«

»Wenn Vupa Umugi mit Nale-Masiuv einverstanden ist!«

»Das ist er, das ist er ganz bestimmt.«

»Eigentlich sollten wir uns nach dem blauen Wasser, schleichen, um zu beobachten oder gar zu hören, was beschlossen wird. Meint Ihr nicht?«

»Dieser Gedanke liegt sehr nahe; aber wir werden ihn aus zweierlei Gründen nicht ausführen, von der Gefahr, die wir dabei laufen würden, ganz abgesehen.«

»Und diese Gründe?«

»Erstens nehme ich als für ganz sicher an, daß Vupa Umugi zustimmt, also brauchen wir nicht zu lauschen, und zweitens haben wir keine Zeit dazu. Ich bin überzeugt, daß Schiba-bigk morgen früh oder gar noch während dieser Nacht nach dem Suks-ma-lestavi aufbricht, und da wir ihm zuvorkommen müssen, haben wir keine Zeit zu verlieren. Wir müssen schnell nach dem Nargoleteh-tsil, um zu sehen, ob unsre Apatschen schon dort angekommen sind. Wenn sie da sind, lassen wir unsre Pferde nur kurze Zeit ausruhen und reiten noch vor Anbruch des Morgens nach dem Llano.«

»Ist Euch die Stelle bekannt, welche von den Comantschen Suks-ma-lestavi genannt wurde?«

»Sehr genau sogar. Ich habe da stets Lager gemacht, wenn ich den Bloody-Fox besuchte oder von ihm kam. In der Sprache der Apatschen lautet der Name Gutesnontinkhai, was ganz dasselbe, nämlich hundert Bäume, bedeutet.«

»Diesem Namen nach scheint es dort Wald zu geben?«

»Wald im eigentlichen Sinne nicht. Nur in Anbetracht der Lage am Wüstenrande ist dieser Name gerechtfertigt. Eigentliche Bäume giebt es wenig. Man findet lichtes Buschwerk und dürres, hoch aufgeschossenes Langholz, welches sich allerdings sehr gut zu den Pfählen eignet, die Schiba-bigk dort schneiden soll. Jetzt wollen wir zu den Gefährten zurück. Wir müssen über den Fluß, so lange die Furt frei und unbeobachtet ist. Kommt!«

»Das hat eine halbe Ewigkeit gedauert,« empfing uns Old Wabble, als wir bei ihm ankamen. »Hätte sich Eure Abwesenheit verlängert, so wäre ich nachgekommen.«

»Um uns in Gefahr zu bringen!« antwortete ich. »Das ist es ja, was ich Euch abgewöhnen möchte. Ich bin überzeugt, daß Euch dieser Fehler, den Ihr nicht lassen zu können scheint, noch einmal ins Verderben führt!«

»Old Wabble insVerderben? Derdenkt gar nicht daran!«

Ja, er glaubte es nicht, er war trotz seines hohen Alters noch der leichtblütige, unbesorgte Cowboy von früher. Hätte er mir doch geglaubt! Die Worte, welche ich ihm gesagt hatte, waren eine Weissagung, welche leider später wörtlich in Erfüllung ging.

Wir setzten über die Furt, ritten langsam durch den schmalen Waldstreifen des Flußufers und konnten dann unsre Pferde ausgreifen lassen, weil die Sterne uns das dazu nötige Licht spendeten. Dieser günstige Umstand erlaubte mir auch, eine so schnurgerade Linie einzuhalten, daß wir, als wir den Regenberg erreichten, gewiß nicht zwei Minuten umgeritten waren. Es war um Mitternacht, als wir die nicht bedeutenden zwei Höhen des Berges vor uns auftauchen sahen.

Der Fuß des Berges war mit Gebüsch umsäumt. Als wir an demselben hinritten, hörten wir den Apatschenruf erschallen:

»Ti arku – Wer da?«

»Old Shatterhand,« antwortete ich.

»Owan ustah arhonda – kommt hierher!«

Wir lenkten hin. Es trat ein Roter auf uns zu, der ganz nahe zu mir herankam, um mich zu betrachten.

»Ja, das ist Old Shatterhand, der große Häuptling der Apatschen,« sagte er. »Wir haben an verschiedenen Seiten dieses Berges Posten ausgestellt, um auf Euch zu warten.«

»Sind die Krieger der Apatschen angekommen?«

»Ja, dreimal hundert an der Zahl.«

»Mit Proviant?«

»Fleisch und Mehl für mehrere Wochen.«

»Wer ist der Anführer? «

»Entschar-Ko[39], welcher der Liebling Winnetous ist, wie mein großer Bruder Old Shatterhand weiß.«

»Ist Langes Messer mit zwei Bleichgesichtern bei euch hier eingetroffen?«

»Sie sind hier angekommen und haben von den Thaten Old Shatterhands erzählt. Meine Brüder mögen mir folgen.«

Er führte uns ein Stück in das flache Thal hinein, welches sich zwischen den beiden Bergeshälften aufwärts zog, und bald langten wir im Lager der Apatschen an.

Entschar-Ko war nicht nur der Liebling Winnetous, sondern auch der meinige. Wir begrüßten uns mit großer und aufrichtiger Herzlichkeit, und er erklärte mir, daß er sich und seine Schar unter meinen Befehl stelle. Parker und Hawley kamen natürlich auch herbei, um uns die Hände zu drücken. Wir erzählten ihnen in kurzen Worten, wie uns die Befreiung Bobs gelungen war. Sie hatten Sorge um uns gehabt; um so größer war nun ihre Freude.

Eine Beratung brauchte nicht gehalten zu werden. Ich wollte nach dem Llano, das genügte. Ich teilte Entschar-Ko mit, wie die Verhältnisse lagen, und da wir schlafen mußten, übernahm er es, die notwendigen Vorbereitungen so zu treffen, daß wir nach unserm Erwachen sofort aufbrechen konnten.

Am nächsten Morgen, als die Sonne aufging, waren wir schon fern von dem Regenberge, und unser Zug bewegte sich mit hinreichender Schnelligkeit über die Ebene, die nach dem schon mehrerwähnten Höhenzuge führt, von dem hinab man nach dem Llano steigt. Zwischen seinen östlichen Ausläufern giebt es jene fließenden Wasser, welche später im Sande versickern und wahrscheinlich dann sich in dem See sammelten, an dem Bloody-Fox seine geheimnisvolle Heimstätte aufgeschlagen hatte.

Old Surehand freute sich über unsre Apatschen. Er bemerkte, daß sie fast militärisch geschult waren. Eines so vortrefflich eingerichteten Proviantwesens wie sie konnte sich wohl kein andrer Indianerstamm rühmen, und als ich ihm während des Rittes erzählte und erklärte, welche Mühe sich Winnetou gegeben und welche Umsicht er aufgewendet hatte, um aus seinen Mescaleros eine Elitetruppe zu machen, wuchs die Hochachtung, welche er bisher vor diesem Häuptlinge empfunden hatte, noch weit mehr. Es waren sogar aus Gazellenhäuten angefertigte Wasserschläuche vorhanden, damit die Krieger nicht zu dürsten brauchten.

Am Nachmittage überstiegen wir die erwähnten Höhen. Ich führte den Trupp nach einem mir bekannten Thale, in dem wir ausruhten. Es gab da ein kleines, freilich sehr dünn fließendes Wässerchen, welches aber trotzdem hinreichte, unsre Schläuche zu füllen. Dann ging es in den Llano estacado hinab, in dessen leichtem, weiß-gelbem Sand wir nordostwärts ritten. Dieses Thal lag ungefähr einen Viertelstagesritt südlich von den »hundert Bäumen«, wohin die Comantschen kommen wollten.

Als die Sonne sank, machten wir mitten in der Wüste Halt. Sie lag rund um uns als eine durch nichts unterbrochene Sandebene, deren Horizont, eine wie mit dem Zirkel gezogene Kreislinie – bildete ein riesengroßes, mit Gries und Zucker bestreutes, rundes Kuchenblech; eigentlich ein sehr kühner Vergleich, wenn es sich um den öden, dürren, unfruchtbaren Estacado handelt!

38Hundert Bäume.
39Großes Feuer.