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In den Schluchten des Balkan

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»Wirst du diese entdecken?«

»Ich hoffe es.«

»Es ist aber eine so lange Zeit vergangen.«

»Das tut nichts. Die drei Männer, welche wir suchen, sind keine Indianer, die gewohnt sind, ihre Fährten zu verbergen.«

»Ja, du verstehst es ja, alle Spuren und Fährten zu lesen. Ich bin neugierig, wie du es auch dieses Mal fertig bringen wirst.«

Ich war selbst auch neugierig darauf und hatte viel weniger Vertrauen zu meinem Scharfsinn, als ich den kleinen Hadschi merken ließ.

Wenn man in der leeren Sandwüste oder in der grasigen Prärie reitet, so ist eine Spur viel leichter zu entdecken und zu verfolgen, als in bebauter Gegend oder gar in der Nähe einer bewohnten Stadt.

Wir gingen am Waldesrand unter den Bäumen hin, bis wir auf den Weg trafen, welcher zur Höhe führte. Es war kein eigentlicher Weg. Er war nicht ausgetreten. Der Boden war steinig. Nur hier oder da war ein Grasbüschel zu sehen.

Indem wir ihm langsam folgten, suchte ich scharf nach Fußeindrücken. Es war nichts, gar nichts zu finden. Hatten die drei etwa diesen Weg gar nicht benutzt?

Sie waren des Morgens hier angekommen, und es ließ sich da denken, daß sie die Stadt umritten hatten, um unbemerkt zu bleiben.

So kamen wir eine ziemliche Strecke empor, bis ich das erste Zeichen fand, daß Pferde hier gewesen seien. Sie waren von rechts her zwischen den Bäumen herausgekommen. Die Hufeindrücke waren hier in dem weichen Humusboden ganz deutlich zu sehen.

Jetzt konnten wir rascher gehen. Es gab nun genug Anzeichen, daß die Reiter von hier an den Weg verfolgt hatten.

Bald gelangten wir oben an. Der Weg mündete auf eine Lichtung. Jenseits derselben sahen wir das Gemäuer der Ruine. Eine aus Gebälk und Steinen ziemlich roh errichtete Hütte lehnte sich an eine hohe, aber halb verfallene Wand.

»Da drin wohnt der Alte,« meinte Halef.

»Jedenfalls.«

»Gehen wir hinein?«

Er wollte unter den Bäumen hervor auf die Lichtung treten, ich aber hielt ihn zurück.

»Halt! Erst müssen wir uns überzeugen, daß wir nicht beobachtet werden.«

»Es ist ja kein Mensch hier.«

»Weißt du das so genau?«

»Man würde ihn sehen oder hören.«

»O Hadschi Halef Omar, ich habe dich für viel klüger und vorsichtiger gehalten! Diejenigen, welche wir suchen, sind hier versteckt. Wie leicht können sie uns sehen, und dann ist alle Mühe umsonst! Bleib‘ hier stehen.«

Ich schlich mich am Rand der Lichtung im Halbkreise bis zu der Hütte hin und trat an die Türe. Sie war verschlossen. So viel ich lauschte und spähte, es war niemand zu bemerken. Ich ging mit ganz demselben Erfolg die andere Seite ab und kehrte so zu Halef zurück.

»Wir sind wirklich unbemerkt,« sagte ich ihm. »Jetzt gilt es, das Versteck der drei aufzufinden. Die Pferde müssen uns führen.«

»Und doch hast du sie nicht da, diese Pferde.«

»Wir wollen sie schon finden.«

Der Boden bestand aus nackten Felsen. Da gab es keine Spur; aber unter den Bäumen mußten Fährten zu finden sein. Und mitten auf der Lichtung war ein Quell, welcher aus dem Stein zutage trat, aber keinen sichtbaren Abfluß hatte. Am Rand desselben befand sich ein schmaler Pflanzenwuchs.

Wir gingen hin. Pferde müssen getränkt werden, und jedenfalls war dieser Quell benutzt worden.

Ich untersuchte den Rand. Richtig! Ich fand die Spitzen des Grases abgefressen. Eine Butterblume, Ranunkel, lag abgerissen am Wasser. Das gelbe Blümchen mutete mich heimatlich an.

»Das ist eine Butterblume,« sagte Halef. »Warum schaust du sie so aufmerksam an?«

»Sie soll mir sagen, wann die Pferde hier getränkt wurden.«

»Sagt sie dir das wirklich?«

»Ja. Siehe sie dir nur richtig an! Ist sie verwelkt?«

»Nein, sie ist noch ganz frisch.«

»Weil sie am kalten Wasser gelegen hat; hätte sie hüben auf dem Fels gelegen, so wäre sie nicht mehr so frisch. Die Staubfäden haben sich schon gesenkt. Es kann ungefähr vor anderthalb Stunden gewesen sein, daß sie abgerissen wurde. Zu dieser Zeit waren also die Pferde hier.«

»Oder ist‘s ein Mensch gewesen?«

»Beißt ein Mensch Gras ab?«

»Nein, das tut er nicht.«

»Hier aber siehst du das abgefressene Gras. Einige Halme sind ganz herausgerissen worden, hier liegen sie. Betrachte sie. Sie sind bereits ziemlich welk, weil sie nicht am Wasser niedergefallen sind. Ich habe ganz richtig geschätzt, als ich eine und eine halbe Stunde sagte. Nun gilt es, zu erfahren, woher die Pferde gekommen und wohin sie wieder geführt worden sind.«

»Wie willst du das erfahren?«

»Auf irgend eine Weise. Da vor uns hast du das Gemäuer. Durch dasselbe können sie nicht gehen. Wir müssen also nach Oeffnungen suchen.«

Zunächst gingen wir zur Hütte. Hier trennten wir uns. Halef wendete sich nach rechts und ich mich nach links, um den Rand der Lichtung zu untersuchen. Am gegenüberliegenden Punkt trafen wir uns wieder. Ich hatte nichts gefunden und er auch nichts. Auf meine Augen konnte ich mich verlassen, auf die seinigen aber weniger. Darum suchten wir seine Strecke nochmals ab, hier war der Boden auch unter den Bäumen anfangs steinig.

»Ich habe ganz genau aufgepaßt, Sihdi,« sagte Halef. »Hier herein sind sie nicht gekommen.«

Zwischen den Nadelbäumen standen Laubhölzer. Ein Ahorn neigte seine niedersten Zweige tief herab, und hier fand ich, was ich suchte. Ich zeigte ihm einen der Zweige.

»Schau, was siehst du hier, Halef?«

»Es hat jemand die Spitzen abgezupft.«

»Das ist ein Pferd gewesen, welches von den Blättern naschte.«

»Es kann dies auch ein Mensch getan haben.«

»Schwerlich. Gehen wir weiter!«

Wir folgten der Richtung, und bald wurde der Boden weicher, und wir sahen ganz deutliche Hufeindrücke. Dann gelangten wir an eine Mauerbresche, hinter welcher es einen von vier hohen Wänden eingeschlossenen Platz gab. Es hatte den Anschein, als ob hier ein Saal gewesen sei.

Uns gegenüber führte eine Türöffnung nach einem zweiten, ähnlichen und nur etwas kleineren Raum, welcher drei solche Oeffnungen hatte. Ich trat durch dieselben.

Am Boden war keine Spur zu bemerken. Die beiden ersten Aus- oder Eingänge führten zu kleinen, verfallenen Gemächern. Der dritte leitete uns nach einem größeren Platz, der jedenfalls früher ein Hof war. Er war gepflastert gewesen.

Und hier zeigte mir Halef, stolz auf seinen Scharfblick, eine ganz untrügliche Spur – den Auswurf eines Pferdes.

»Da sind sie gewesen,« sagte er. »Siehst du, daß ich auch Fährten zu finden verstehe?«

»Ja, ich bewundere dich. Aber sprich von jetzt an leiser. Wir kommen den Tieren jedenfalls näher, und wo sie sind, befinden sich wahrscheinlich auch noch die Menschen.«

Wir blickten ringsum, doch vergeblich. Der Hof schien nur den einen Eingang zu haben, durch welchen wir gekommen waren. Rundum waren lückenlose Mauern. Diejenige, welche uns gegenüberstand, war ganz mit dichtem Efeu überwachsen.

»Weiter können wir nicht, denn weiter geht es nicht,« sagte Halef. »Die Pferde sind hier gewesen. Das ist richtig. Nun aber sind sie fort.«

»Das möchte ich doch noch bezweifeln. Laß sehen!«

Langsam ging ich die vier Seiten ab. Als ich die Mitte der Efeumauer erreichte, glaubte ich den eigenartigen Geruch zu bemerken, welchen Pferde haben.

Selbst in großen, belebten Städten, wo die Gesundheitspolizei streng auf Reinlichkeit hält, wird man durch den Geruch die Straßenstellen bemerken, welche als Droschkenstationen dienen. Diesen Geruch verspürte ich hier.

Ich winkte Halef zu mir, und er stimmte mir bei. Als wir nun den Efeu untersuchten, fanden wir, daß derselbe einen Ausgang so vollständig maskierte, daß wir denselben ohne den erwähnten Geruch wohl schwerlich entdeckt hätten.

Die langen Ranken ließen sich sehr leicht auseinander schieben. Als wir das taten, sahen wir ein kleines Gemach vor uns. Es war leer. Wir traten ein.

Gegenüber gab es eine zweite Oeffnung. Ein Schnauben ließ sich hören.

»Jetzt ganz vorsichtig!« flüsterte ich. »Da draußen sind die Pferde. Nimm den Revolver zur Hand! Man muß auf alles gefaßt sein. Die Kerls würden sich natürlich wehren.«

»Nehmen wir sie gefangen?«

»Vielleicht.«

»Oder gehen wir, um die Polizei zu holen?«

»Je nach den Verhältnissen. Ich habe eine Leine bei mir. Das reicht aber nur, um einen zu binden.«

»Ich habe Riemen eingesteckt.«

»Schön! So komm! Aber leise!«

Wir huschten zu dem Eingang. Ich blickte vorsichtig nach jenseits. Da standen die drei Pferde und knabberten an einem kleinen Vorrat von Maiskolben, welchen man ihnen vorgeworfen hatte. Eine schmale Maueröffnung führte weiter. Es war mir, als ob ich von dorther eine gedämpfte Stimme reden hörte.

Richtig! Jetzt erschallte lautes Lachen, und ich vernahm ganz deutlich eine Stimme, ohne jedoch die einzelnen Worte unterscheiden zu können.

»Sie sind da,« flüsterte ich dem kleinen Hadschi zu. »Bleib‘ hier stehen; ich will nachsehen.«

»Um Gottes willen, Sihdi, nimm dich aber ja in acht!« warnte er.

»Keine Sorge! Wenn ein Schuß fällt, kommst du mir natürlich zu Hilfe.«

Am liebsten wäre ich vorwärts gekrochen, aber das hätte die Pferde furchtsam machen können; denn eine aufrechte Gestalt flößt ihnen keine Angst ein. Also schritt ich leise, leise weiter.

Die Tiere erblickten mich. Eins von ihnen schnaubte beunruhigt. Ich an Stelle dieser drei Männer hätte dieses Schnauben sofort als ein böses Zeichen erkannt; die Leute aber beachteten es nicht.

Ich erreichte die gegenüber stehende Wand, und nun erst legte ich mich nieder. Indem ich mich nur sehr langsam vorschob, brachte ich den Kopf an den Eingang.

Es gab da eine Stelle, an welcher ein Stein ausgebröckelt war. Diese Lücke erlaubte mir, nach jenseits zu blicken, ohne daß mein Kopf gesehen werden konnte.

Da saßen sie alle drei. Manach el Barscha und Barud el Amasat waren mit dem Rücken nach mir gekehrt. Der Schließer hielt das Gesicht auf den Eingang gerichtet. Ich hatte ihn noch nicht gesehen, aber er mußte es sein.

 

Sie spielten Karten, jedenfalls mit demselben Spiel, welches sie benutzt hatten, um die Aufmerksamkeit Ibareks von dem Diebstahl abzulenken.

Ihre Gewehre lehnten in einer Ecke; auch die Messer und Pistolen hatten sie abgelegt.

Ich drehte mich zurück und sah Halef vorn am Eingang stehen. Ich gab ihm einen Wink, und er kam herbei. Wieder schnaubte ein Pferd, ohne daß es von den Spielern beachtet wurde. Halef duckte sich neben mir nieder und schaute durch die Lücke.

»Hamdullillah!« flüsterte er. »Wir haben sie! Was beschließest du zu tun?«

»Wir nehmen sie gefangen, da es so prächtig paßt. Bist du einverstanden?«

»Natürlich. Aber wie machen wir es?«

»Du nimmst den Gefängniswärter, ich die beiden andern.«

»Warum die beiden Gefährlichsten?«

»Ich werde mit ihnen fertig.«

»So beginne!«

»Erst die Riemen heraus, damit wir sie gleich bei der Hand haben.«

Halef zog seine Riemen so weit aus der Tasche, daß er sie dann leicht und rasch haben konnte. Da stieß Barud el Amasat einen Fluch aus:

»Waï bashina! Was fällt dir ein! Uns betrügst du nicht. Wir wissen, daß du ein Falschspieler bist, und passen auf. Mische die Karten noch einmal!«

»Wollen wir nicht lieber aufhören?« fragte Manach el Barscha. »Warum wollen wir uns das Geld abnehmen?«

»Recht hast du. Es ist auch zu langweilig, und seit dieser Mübarek die alberne Nachricht gebracht hat, habe ich keine Aufmerksamkeit mehr für das Spiel.«

»Vielleicht hat er sich geirrt.«

»Das ist unmöglich. Wir haben ihm den Kerl ja so genau beschrieben, daß er ihn sofort kennen muß.«

»Allah verdamme ihn! Was hat er mit uns? Was haben wir ihm getan? Er mag uns in Ruhe lassen.«

»Er wird uns in Ruhe lassen. Morgen früh ist er ein toter Mann.«

»Wenn es gelingt!«

»Es wird gelingen. Der Mübarek ist mächtig. Er wird es so weit noch bringen, daß die Hunde eingesperrt werden. Dann gehen wir in der Nacht hin und erschlagen sie.«

»Und wenn man sie nicht einsperrt?«

»So suchen wir sie im Konak auf. Der Mübarek muß uns die Gelegenheit auskundschaften. Er verwandelt sich in den Bettler.«

Das war freilich ein sauberer Plan. Also ermordet sollten wir werden! Der Mübarek war bereits hier gewesen und hatte ihnen unsere Ankunft gemeldet.

»Ich möchte ihn doch sehen,« sagte der Schließer. »Wenn solche Männer, wie ihr seid, sich vor ihm fürchten, so muß er ein gefährlicher Kerl sein.«

»Ein Scheïtan ist er, ein Giaur, ein Christenhund, der im tiefsten Pfuhle der Hölle braten soll!« antwortete Manach el Barscha. »Mir ist er in Edreneh nachgelaufen durch zwanzig Straßen und Gassen. Ich habe alles getan, ihn irre zu leiten, und dennoch hat er mich gefunden. Und der kleine Bursche, welcher ihn begleitet, ist ein eben solcher Teufel. Hätten wir ihn doch damals im Stall zu Edreneh erstochen, anstatt daß wir ihn leben ließen! Wer die beiden übrigen sind, das möchte ich wissen; aber sterben müssen sie auch. Der Satan beschützt sie, sonst wären sie nicht aus Menlik entkommen!«

»Die Männer dort müssen es aber sehr dumm angefangen haben.«

»Ja. Und die Boten sind noch nicht da. Es bleibt uns nichts andres übrig, als uns selbst zu helfen. Auch werden wir das nicht umsonst tun. Das Pferd dieses Menschen ist es wert, daß man sie alle vier kalt macht. Und seine Waffen sollen vorzüglich sein. Ich kann die Rückkehr des Mübarek kaum erwarten. Gelingt es uns heute, uns dieser Verfolger zu entledigen, so sind wir aller Sorgen los. Ich werde dem Halunken das Messer mit wahrer Lust ins Herz stoßen.«

»Das wirst du bleiben lassen!«

Indem ich diese Worte rief, trat ich ein und versetzte ihm einen Faustschlag, daß er sogleich zusammenbrach.

Die beiden Andern starrten mich einige Sekunden lang an, ganz bewegungslos vor Schreck. Das genügte. Ich packte Barud bei der Gurgel und drückte ihm dieselbe so fest zusammen, daß er einige Male mit den Armen um sich schlug und sich dann lang ausstreckte.

Halef hatte sich auf den Schließer geworfen, der vor Entsetzen gar nicht an Gegenwehr dachte.

Ich hielt Barud noch einige Augenblicke fest, bis er sich nicht mehr rührte; er war ebenso besinnungslos wie Manach. Dann half ich Halef, den Gefängniswärter zu binden.

Nun legten wir die beiden Andern nebeneinander, mit den Rücken zusammen, und zwar so, daß der Eine seinen Kopf bei den Füßen des Andern hatte. Um diese beiden Körper wurde dann die Leine so fest geschlungen, daß es ihnen ohne fremde Hilfe ganz unmöglich war, sich nur zu bewegen. Der Schließer ward natürlich ebenso vorsichtig gefesselt.

Nun untersuchten wir ihre Taschen und die Taschen der Sättel, welche auch da lagen. Wir fanden sämtliche Gegenstände, welche Ibarek gestohlen worden waren, und noch vieles andere dazu. Besonders Manach hatte eine ganz bedeutende Summe Geldes bei sich.

Der Schließer sah unserm Tun und Treiben zu, ohne ein Wort zu sagen. Er hatte uns noch nicht gesehen, konnte sich aber denken, wer wir seien.

Halef versetzte ihm einen Fußtritt und fragte:

»Schurke, weißt du, wer wir sind?«

Der Gefragte antwortete nicht.

»Hast du mich gehört? Ich frage dich, ob du ahnst, wer wir sind. Antworte, sonst gebe ich dir die Peitsche!«

»Ich weiß es,« knurrte der Gefesselte, sich vor der Peitsche fürchtend.

»Ja, du wolltest uns kennen lernen. Das sagtest du vorhin. Nun ist dir der Wunsch so schnell erfüllt. Das hättest du wohl nicht gedacht!«

Barud el Amasat konnte wieder atmen. Er erholte sich rasch, öffnete die Augen und starrte mich mit entsetzten Blicken an.

»O jazik – o wehe!« rief er aus. »Jetzt sind wir verloren!«

»Ja,« lachte Halef ihn an. »Verloren seid ihr jetzt, ihr werdet das Schicksal finden, welches ihr uns zugedacht habt, ihr Schufte. Ihr wolltet uns ermorden.«

»Nein, das ist nicht wahr!«

»Schweig! Wir haben alles gehört.«

»Die Andern wollten es tun, ich nicht!«

»Lüge nur! Wir wissen genau, woran wir sind.«

Jetzt begann auch Manach el Barscha sich zu bewegen, soweit nämlich die Fesseln ihm das erlaubten. Er blickte uns an und schloß dann die Augen.

»Nun, kannst du uns nicht begrüßen, Kerl!« rief Halef, ihm einen Peitschenhieb gebend.

Da öffnete er die Augen wieder, sah von Halef auf mich und wieder zurück und sagte:

»Bindet uns los! Gebt uns frei!«

»Das wolle Allah verhüten!«

»Ich bezahle euch!«

»Dazu bist du nicht reich genug.«

»Ich bin reich, sehr reich.«

»Von dem Gelde, welches du zusammengeraubt hast! Man wird es dir nehmen.«

»Niemand findet es!«

»So bleibt es liegen. Wir brauchen es nicht. Sihdi, was tun wir mit den Kerls? Nach der Stadt hinunterschaffen können wir sie doch nicht.«

»Nein. Sie mögen hier liegen, bis wir sie holen.«

»Können sie sich nicht vielleicht befreien?«

»Nein; wir werden dafür sorgen, daß sie dingfest bleiben.«

»Aber das, was wir bei ihnen gefunden haben, nehmen wir doch mit uns?«

»Wir lassen es da. Die Polizei muß alles so finden, wie wir es jetzt gefunden haben.«

Wir benutzten das Zaumzeug der drei Pferde, um die Gefangenen noch fester zu binden, so daß ihnen eine Bewegung unmöglich war. Doch trafen wir diese Sicherheitsmaßregel so, daß sie den Männern keine Schmerzen bereitete. Der Gefängnisschließer wurde quer an die beiden andern geschnallt, so daß es ihnen auch unmöglich wurde, durch Wälzen ihre Lage zu verändern. Dann gingen wir.

Die Gefesselten hatten kein Wort mehr gesprochen. Drohungen wären lächerlich gewesen, und für Bitten hatten wir keine Ohren.

Als wir die freie Lichtung erreichten, ging Halef nach dem Häuschen des Mübarek, um zu sehen, ob dasselbe noch verschlossen sei.

»Der Mensch könnte uns einen schönen Streich spielen, wenn er die drei Halunken befreite,« sagte er.

»Dazu wird er nicht kommen.«

»Wie nun, wenn er nach Hause zurückkehrt und zu ihnen geht?«

»Wenn er heraufgehen wird, sind wir bei ihm.«

»Du hältst es also nicht für möglich, daß er eher kommt, als wir?«

»Nein. Er wird beim Kodscha Bascha sitzen und mit Schmerzen auf uns warten. Er geht nicht eher von dort fort, als bis diese berühmte Gerichtsverhandlung vorüber ist.«

»Wenn er wüßte, was ihm droht!«

»Er wird es bald erfahren. Wir wollen uns beeilen. Es wird Nacht.«

Der Tag war vorüber, und die Sonne hatte sich hinter den westlichen Horizont hinabgesenkt. Als wir im Konak anlangten, erfuhren wir, daß der Kodscha Bascha den Herbergsvater Ibarek hatte holen lassen. Derselbe war nicht wieder zurückgekehrt. Dann waren schon zwei Boten dagewesen, um uns zu holen. Sie hatten gemeldet, daß die Gerichtspersonen vollständig beisammen seien.

»Halte dich tapfer, Effendi!« sagte der Wirt. »Du wirst eine große Versammlung finden. Der Hof ist gedrängt voll von Menschen. Man ist begierig, zu hören, wie ihr euch verteidigen werdet.«

»Ich habe den Leuten ja gezeigt, wie ich mich ungefähr verhalten werde.«

»Ja, und darum sind sie doppelt neugierig, einen Mann zu sehen, der sich vor dem Kodscha Bascha nicht fürchtet.«

Eben als wir aufbrechen wollten, kam der Fährmann zu uns.

»Herr,« sagte er zu mir, »ich komme heimlich, um mir deinen Rat zu holen. Ich weiß nicht, wie ich mich verhalten soll.«

»Sollst du etwa als Zeuge gegen mich auftreten?«

»Ja. Der Mübarek zwingt mich dazu. Er hat mich deshalb aufgesucht.«

»Was sollst du denn gegen mich aussagen?«

»Daß du mich in Lebensgefahr gebracht und hier in diesem Hofe mißhandelt habest.«

»Habe ich das getan?«

»Nein, Effendi.«

»Also verleitet er dich, falsches Zeugnis abzulegen. Das soll er büßen.«

»Herr, sage nichts! Er würde sich an mir rächen.«

»Habe keine Sorge! Es wird ihm unmöglich sein, sich zu rächen.«

»Ist das wahr?«

»Ja. Sage nur die volle Wahrheit. Er kann dir nichts tun.«

»So will ich schnell wieder hingehen. Ich habe mich heimlich fortgeschlichen.«

Wir folgten ihm langsam nach.