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Im Reiche des silbernen Löwen I

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»Min haida – wer ist da?«

»Safi, der Sill,« antwortete der Mann.

»Komm her, gerade aus!«

Er schob sich mit solchem Geräusch durch die Büsche, daß ich ihm folgen konnte, ohne gehört zu werden. Die Perser waren aufgesprungen; er stand bei ihnen, und ich lag ganz nahe bei ihnen an der Erde.

»Wir haben dich erst später erwartet,« sagte der Pädär-i-Baharat. »Steht etwas falsch, daß du so zeitig kommst?«

»Nein,« antwortete der Mann. »Ich komme schon jetzt, weil die Gelegenheit dazu so günstig ist. Der Giaur, den Allah zermalmen möge, ist nämlich in die Nacht hineingegangen, um sein Gebet zu sprechen. Er scheut sich, das in Gegenwart eines wahren Gläubigen zu thun.«

»In die Nacht hinein? Wohin? Doch nicht etwa zufälligerweise hierher?«

»O nein! Er hat sich grad nach der entgegengesetzten Seite gewendet. Dieser Christenhund ist der dümmste Mensch, den ich in meinem Leben gesehen habe. Sein Vertrauen zu mir ist so groß, daß es sich gar nicht vergrößern könnte.«

»War er denn gleich erbötig, euch mitzunehmen?«

»Ja, sogleich.«

»Das haben wir nur der Klugheit zu verdanken, mit welcher ich dir befahl, dein Weib mitzunehmen. Er ist nicht so dumm, wie du denkst; die Gegenwart der Frau aber hat sein Vertrauen erweckt, denn bei Anschlägen, wie der unserige ist, pflegt man das Weib daheim zu lassen. Hat es dir Mühe gemacht, ihn nach der Hütte zu bringen?«

»Gar nicht; er nahm meinen Vorschlag augenblicklich an. Einen besseren Ort konntest du gar nicht wählen, und ich bewundere den Scharfsinn, mit welchem du berechnet hast, daß wir diese Stelle grad gegen Abend erreichen würden.«

»Darüber brauchst du dich nicht zu wundern, denn ein Anführer der Sillan muß natürlich Geschick besitzen. Wo sind die Pferde?«

»Sie grasen jetzt in der Nähe der Hütte. Werdet ihr euch zunächst ihrer versichern?«

»Nein. Haben wir die Männer, so werden die Pferde ganz von selbst unser Eigentum. Ich würde mit diesen beiden Hunden ein schnelles Ende machen, sie einfach erschießen, aber das wäre keine Strafe für die Schmerzen, welche mir der Knirps zugefügt hat; sie sollen mit ihrer eigenen Peitsche geschlagen werden, bis ihre Körper keine Stelle mehr haben, die nicht aufgesprungen ist wie diese beiden Schwielen, welche wie das Feuer der Hölle brennen. Darum muß ich sie lebendig er greifen, und erst dann, wenn sie halb totgeprügelt sind, werden zwei Kugeln mit ihnen ein Ende machen. Wie aber wird es am leichtesten sein, sie zu überwältigen?«

»Jedenfalls dann, wenn sie schlafen.«

»Das weiß ich auch; aber wie erfahren wir es, ob sie schlafen oder nicht?«

»Ich hole euch.«

»Nein, das darfst du nicht. Deine Entfernung könnte sie aufwecken und mißtrauisch machen.«

»So sende ich euch mein Weib.«

»Auch das geht nicht, denn schläft sie mit in der Hütte, so muß sie bleiben, und schläft sie im Freien, so weiß sie ja nicht, ob die Fremden noch wach sind oder nicht. Wir müssen ein Zeichen verabreden, welches zuverlässig ist.«

»Es giebt kein zuverlässigeres, als das Feuer. Solange es brennt, wachen sie noch; ist es verlöscht, so sind sie eingeschlafen.«

»Da hast du recht. Wählen wir also dieses Zeichen. Wir haben sie demnach im Finstern zu überrumpeln. Da müssen wir aber ganz genau wissen, wo sie liegen werden.«

»Das weiß ich schon jetzt. Hinten rechts brennt das Feuer; in der Nähe desselben habe ich ihnen das Lager bereitet. Dem Eingange gegenüber werde ich auf euch warten. Ich wache, bis ihr kommt. Ihr dürft nicht aufrecht eintreten, sondern müßt hereinkriechen, einer nach dem andern. Da fasse ich euch bei den Händen und leite euch dahin, wo sie liegen. Was ihr dann thut, geht mich nichts an.«

»Und dein Weib?«

»Wird im Freien schlafen. Sie braucht nicht dabei zu sein, und wie dürfte eine Frau in einem Raume schlafen, wo sich fremde Männer befinden!«

»Das ist nur bei den Anhängern der Sunna und Schia, aber nicht bei uns verboten. Deine Vorschläge gefallen mir; ich nehme sie an. Wenn du jetzt fortgegangen bist, werden wir zwei Stunden warten und uns dann in die Nähe der Hütte begeben. Sobald es in derselben dunkel geworden ist, kommen wir hineingekrochen. Hast du uns noch etwas zu sagen?«

»Nein.«

»So kehre jetzt zurück, denn eine längere Abwesenheit müßte auffallen. Die Belohnung, welche ich dir versprochen habe, wirst du – — —«

Mehr hörte ich nicht, denn ich hielt es für geraten, mich jetzt zurückzuziehen, und wurde dabei durch das Geräusch unterstützt, mit welchem der Sill sich durch das Gesträuch drängte. Jenseits desselben blieb er stehen, um noch einige Fragen auszusprechen, auf welche er Antworten bekam. Dadurch gewann ich Zeit, mich erst leise fortzuschleichen und dann, als er mich nicht hören konnte, so schnell wie möglich nach der Hütte zu laufen, natürlich in einem Bogen, so daß ich von der andern Seite dort ankam. Und das war gut, denn die Frau stand wartend dort; sie hatte jedenfalls aufzupassen und dem Manne zu sagen, aus welcher Richtung ich zurückgekehrt war.

Drin brannte das Feuer, an welchem Halef saß. Ich trat ein, und sie folgte mir. Indem ich die Abwesenheit ihres Mannes vollständig ignorierte, setzte ich mich zu dem Hadschi und begann ein Gespräch mit ihm. Nun kam der Sill und setzte sich in einiger Entfernung von uns zu seiner Frau. Nach ungefähr einer halben Stunde standen die beiden auf, und er sagte:

»Effendi, wirst du mir erlauben, hier in der Hütte bei euch zu schlafen? Meine Glieder werden zuweilen vom Dah ilmafahßil[105] befallen, wobei die Nebel des Flusses mir schädlich sind.«

»Ihr könnt beide bleiben,« antwortete ich.

»O nein! Du wirst wissen, daß ein Weib nicht da bleiben darf, wo schlafende Männer sich befinden. Ich werde ihr draußen im Gesträuch einen Harem herrichten, wo sie bis morgen ruhen soll.«

»Ja, thue das! Ich werde euch eine Stelle zeigen, welche sich am besten zu einem Harem für sie eignet. Kommt! Auch Hadschi Halef mag mitgehen.«

Der Mann sah mich verwundert an, folgte uns aber, ohne ein Wort zu sagen. Auch der Hadschi war still, aber ein schnelles, listiges Blinzeln seiner Augen sagte mir, daß er meinem Verhalten gute Gründe beimesse.

Als wir an den Pferden vorbeikamen, nahm ich meinem Assil den Lasso vom Halse. Halef erriet sofort, welchen Zweck ich dabei verfolgte, und ging nun hinter den beiden, denen ich voranschritt; er beaufsichtigte sie. Als ich mich weiter und immer weiter von der Hütte entfernte, ohne anzuhalten, fragte der Mann:

»Wohin führst du uns, Effendi? Soll der Harem sich nicht in unserer Nähe befinden?«

»Er wird dir viel näher liegen, als du denkst,« antwortete ich. »Wir gehen nach unserm Flosse.«

»Das ist zu weit, viel zu weit, Effendi!«

»Laß mich nur machen! Ihr werdet mit mir sehr zufrieden sein! Was ich thue, geschieht zu eurem Wohle.«

»Inwiefern?«

»Ihr befindet euch in einer großen, sehr großen Gefahr, vor welcher ich euch bewahren will.«

»Allah akbar! Welche Gefahr könntest du meinen? Ich habe keine Ahnung, daß uns hier in dieser sichern Gegend ein Unfall treffen könne!«

»Das ist es eben, was die Gefahr für euch verdoppelt, daß ihr nicht die geringste Ahnung von ihr habt!«

»So sag es mir, was es für eine ist! Wir kehren doch wieder nach der Hütte zurück?«

»Natürlich! Wenn auch nicht so schnell, wie du denkst. Komm nur, und folge mir!«

Er machte zwar einigemal Miene, stehen zu bleiben, aber Halef ging ihm so auf die Fersen, daß er weiter mußte. So erreichten wir das Floß. Ich sprang hinüber und forderte sie auf, mir zu folgen. Sie hätten sich gar zu gern geweigert, wagten aber nicht, es zu thun. Als sie dann mit Halef bei mir standen, sagte ich:

»Setzt euch nieder! Ich habe euch etwas Wichtiges mitzuteilen.« Sie folgten dieser Aufforderung, und ich fuhr fort: »Ich habe euch hierher geführt, um euch das Leben zu retten. Wenn ihr in der Hütte oder in der Nähe derselben bliebet, würdet ihr gezwungen sein, die Brücke des Todes zu besteigen.«

»Maschallah! Wie kannst du solche Worte sprechen! Wer könnte uns mit dem Tod bedrohen?«

»Drei persische Halunken, welche gar nicht weit von der Hütte im Gebüsch stecken und uns in nicht viel über einer Stunde überfallen wollen.«

»All – — – all – — – all – — – lah – —!«

Er brachte nichts als diesen auseinandergezogenen Ausruf hervor, so erschrocken war er. Ich sprach weiter:

»Ja, denke dir, wir sollen überfallen und erst halb totgeschlagen und sodann erschossen werden. Hättest du so etwas für möglich gehalten?«

»Nein – — nein – — – nein – —!« beteuerte er stockend. »Ich halte- – — es auch – — – jetzt noch für – — – unmöglich, für ganz – — – ganz unmöglich!«

»Das thust du, weil du keine Ahnung hast, was für böse und gewissenlose Menschen es giebt. Was ich sage, ist die vollständige Wahrheit. Diese drei Perser wollen, wenn unser Feuer ausgegangen ist, in unsere Hütte kriechen, um uns zu ermorden.«

»Das – — – das – — – kann ich mir – — – ganz, ganz unmöglich denken, Effendi!«

»Das ist auch nicht nötig, denn wenn du nicht denkst, so denke ich an deiner Stelle. Ich denke da zum Beispiel, daß diese Mörder einen Wegweiser haben, der sie zu unserm Lager führen will.«

Jetzt brachte er kein Wort hervor. Ich fuhr fort:

»Dieser niederträchtige Verräter hält mich für einen Christenhund, welcher der dümmste Mensch ist, den er in seinem Leben gesehen hat. Hältst du mich vielleicht auch für so dumm?«

»Ich – — —? O Effendi, welche Frage! Ich weiß gar nicht, was ich dazu sagen soll! Wer dich für dumm hält, der- – — der – — – der – — – —«

 

»Der ist selber ganz gewaltig und ganz unheilbar dumm, nicht wahr? Und doch hat dieser Mensch sich eingebildet, daß ich mich von ihm täuschen lasse! Er ist mit seinem Weibe auf unser Floß gekommen, um uns hier nach der Hütte zu locken. Obgleich ich ihn sofort durchschaute, glaubte er, mein ganzes Vertrauen zu besitzen. Er bat mich, bei der Hütte anzulegen; ich that es nicht, sondern ich steuerte das Floß hierher nach dieser Stelle. Da hätte er sich doch sagen sollen, daß er sich in Beziehung auf mein Vertrauen geirrt habe. Nicht?«

»Ja, Effendi – — – ja!«

»Er sagte sich das aber nicht; er war dazu zu dumm. In dieser Dummheit suchte er nach dem Aschia die Perser auf, um mit ihnen zu besprechen, wann und wie wir überfallen werden sollen. Wunderst du dich nicht darüber, daß ich das alles so genau weiß?«

»Effendi, ich- – — ich – — – ich bin noch immer so erschrocken, daß mir fast die Sprache mangelt.«

»Worüber bist du denn erschrocken? Ueber die Absicht der Mörder?«

»Ja.«

»Oder darüber, daß ich alles weiß?«

»Ja, darüber auch, oder – — – nein, nein, darüber nicht, gar nicht.«

»Kannst du dir vielleicht denken, weshalb ich mit dem Floß so weit von der Hütte gelandet bin?«

»Nein.«

»So will ich es dir sagen. Das Floß hier ist bestimmt, diesen Verräter und sein Weib so lange festzuhalten, bis ich mit den Mördern fertig geworden bin.

Ich werde beide hier festbinden, und zwar so, daß sie bei dem geringsten Versuche, loszukommen, in das Wasser fallen und ertrinken müssen.«

»O Allah, Allah, Allah! Du sprichst von Mördern und einem Verräter. Wenn ich nur wüßte, was – — – wer – — – wer – — —«

»Wer dieser Verräter ist? Glaubst du denn wirklich, daß ich dir es sage? Das ist denn doch wohl nicht notwendig. Willst du mir nicht vielleicht gestehen, wer es ist?«

»Wer – — wer – — o Effendi, ich weiß von nichts, von gar nichts! Ich schwöre dir beim – —«

»Sei still! Dein Schwur gilt bei mir gar nicht mehr, als eine Lüge gelten kann. Du weißt ganz genau, daß ich keinen andern Menschen als nur dich meine. Und nun höre, was ich dir jetzt sage! Schau dieses Messer in meiner Hand, und sieh, daß Hadschi Halef das seinige auch gezogen hat. Leben gegen Leben, Blut für Blut! Das ist das Gesetz der Wüste; ich will aber barmherzig gegen euch sein. Ich sehe, daß du ein Feigling bist, und mit einem Weibe rechne ich nicht. Wenn ihr mir gehorcht, wird euch nichts geschehen, und ihr seid morgen wieder frei; weigert ihr euch aber, so bekommt ihr unsre Klingen augenblicklich zu fühlen. Steht jetzt beide auf!«

Der Ton, in welchem ich diesen Befehl aussprach, war ein solcher, daß der Mann sich schnell erhob; die Frau folgte diesem Beispiele. Sie hatte bis jetzt kein Wort gesagt und ließ auch fernerhin nicht eine Silbe hören.

»Stellt euch mit den Rücken aneinander, und laßt die Arme herunterhängen!«

Sie gehorchten auch jetzt, doch nicht so schnell, wie Halef es wünschte. Er schob sie kräftig zusammen und sagte:

»Macht nicht so langsam, denn wir haben keine Zeit! Bleibt so stehen und rührt euch nicht, sonst stoße ich euch das Messer augenblicklich in die Herzen! Ich bin Hadschi Halef Omar, der oberste Scheik der Haddedihn, und habe keine Lust, euch lange zu bitten, uns schnell zu gehorchen.«

Er setzte dem Manne das Messer auf die Brust; da jammerte dieser:

»Nicht stechen, ja nicht stechen! Wir gehorchen gern!«

»Feiger Kerl! Die Niederträchtigkeit und der Verrat sind aber immer feig! Hier, das gehört dir, weiter nichts!«

Er spie ihn an. Ich entrollte den Lasso, den wir von oben bis unten so fest um die beiden wanden, daß sie kein Glied bewegen konnten und ein Bündel bildeten, welches wir erst auf das Floß niederlegten und dann am Rande desselben in der Weise anbanden, daß ihnen nur eine Umdrehung nach der Wasserseite möglich war. Wenn sie nicht still lagen, fielen sie in den Fluß und mußten ertrinken.

»So, jetzt seid ihr uns sicher,« sagte ich. »Bleibt ihr ruhig liegen, und verhaltet ihr euch still, so binden wir euch wieder los und lassen euch laufen. Ruft ihr aber etwa um Hilfe oder werdet irgendwie so laut, daß euch die Perser hören, so werfen wir euch in das Wasser!«

»Ja, das thun wir unbedingt!« bekräftigte der kleine Hadschi. »So widerliche Geschöpfe, wie ihr seid, müssen unbedingt ersäuft und von den Saratin[106] gefressen werden, damit ihre Seelen, wenn man sie kocht, in den Schalen vor Schande erröten! Also gebt ja keinen Laut von euch, sonst ist‘s um euch geschehen!«

»Wir werden still sein, ganz still!« versicherte der Mann.

»Das rate ich euch, denn wenn ihr nicht gehorcht, so kenne ich kein Erbarmen. Danke Allah, daß du jetzt mit der Gefährtin deiner Tage und deiner Schlechtigkeiten im schönsten Harem liegst, welches sich für euch denken läßt! Seid klug und weise, und genießt in tiefster Schweigsamkeit die Behaglichkeiten eurer gegenwärtigen Wohnung, bis wir wiederkommen. Haltet treu zusammen, und zankt euch nicht, denn der Streit zwischen Mann und Weib ermüdet die Zungen und beschleunigt die Vermehrung der Magenkrankheiten! Ich verlasse euch mit Wehmut und hoffe, euch fröhlich wiederzusehen!«

Wir sprangen wieder an das Ufer und kehrten nach der Hütte zurück, wo wir grad noch zur rechten Zeit ankamen, um das fast verlöschte Feuer wieder anzufachen. Wir verhängten zunächst die schadhafte Stelle in der Wand mit Halefs Haïk, damit niemand uns von draußen sehen könne, und dann erzählte ich dem Hadschi, was ich bei den Persern gehört hatte.

»Also hereinkommen werden sie?« fragte er. »Um uns im Schlafe zu überfallen? Meinst du, daß wir uns schlafend stellen, Effendi?«

»Nein; das könnte gefährlich für uns werden. Sie kommen nicht zugleich, sondern einer nach dem andern. Sowie sie kommen, werden sie von uns empfangen.«

»Aber mit dem bekannten, freundlichen Ahlan wasahlan[107], welches in deinen Fäusten wohnt. Nicht wahr, Sihdi?«

»Ja.«

»Du giebst ihnen die Hiebe, und ich binde sie. Ich habe wegen einer etwaigen Reparatur des Floßes Riemen mitgenommen; wir haben also, was wir brauchen, um die Glieder unserer persischen Freunde mit Innigkeit und Liebe zu umschlingen. O Effendi, du hattest recht, als du sagtest, daß es besser sei, der Gefahr entgegen als ihr aus dem Weg zu gehen. Ich freue mich von ganzem Herzen auf den Augenblick, an welchem die Köpfe der Mörder erscheinen, um von dir geklopft zu werden! Wie lange wird das wohl noch dauern?«

»In einer halben Stunde lassen wir das Feuer ausgehen; dann können wir sie für jeden Augenblick erwarten.«

»So spät? Ich werde mir die Riemen schon jetzt zurechtlegen.«

»Das hat noch Zeit. Du stellst dich dort an die Wand; ich empfange an Stelle des Sill die Perser, gebe ihnen die Hand, wie es ausgemacht worden ist, führe sie dir zu und sorge dafür, daß sie, wenigstens die beiden ersten, nicht laut werden können. Mit dem dritten und letzten brauche ich nicht so vorsichtig zu sein. Sobald ich ihn festhabe, sorgst du dafür, daß das Feuer schnell wieder zum Brennen kommt. Jetzt wollen wir still sein, denn es ist nicht ausgeschlossen, daß sie Langeweile empfinden und darum ihr Versteck eher verlassen, als sie sich vorgenommen haben. In diesem Falle müssen wir mit dem Umstande rechnen, daß sie draußen horchen.«

»Oh, sie werden noch viel mehr horchen, wenn dann später meine Peitsche das Zwiegespräch mit ihnen beginnt!«

»Willst du wieder hauen?«

»Was sonst, Sihdi? Ich kenne dich. Sie wollen uns töten und vorher halb totschlagen. Eigentlich müßten wir sie erschießen, und das würde auch ganz richtig sein, denn Menschen, welche wie Raubtiere nach Blut lechzen, müssen als Raubtiere behandelt werden. Du wirst dich aber nicht nach dem Gesetze der Wüste rächen, sondern sie begnadigen. Aber ohne alle Strafe dürfen Mörder nicht entkommen. Sie wollen uns erst schlagen und dann ermorden. Nun wohl, ich werde sie auch begnadigen, nämlich zur Peitsche; das Leben schenke ich ihnen. Bist du damit einverstanden?«

»Das kann ich jetzt noch nicht sagen. Was ich thun werde, hängt von ihrem Verhalten ab. Du sprichst überhaupt so sicher, als ob wir sie schon festgenommen hätten. Es kann uns das auch mißlingen.«

»Mißlingen? Uns? Ganz unmöglich! Wir sitzen hier wie zwei Löwen in der Höhle; wer sich hereinwagt, wird gefressen; das ist so sicher und gewiß, daß etwas anderes gar nicht eintreten kann!«

Ich hörte es gar nicht ungern, daß der kleine Kerl so zuversichtlich war. Wer an sich selbst zweifelt, der kann auch nicht an das Gelingen seiner Absichten glauben, und besonders in Lagen, wie die unsrige eine war, ist eine gute Portion Selbstvertrauen mehr als sonstwo wert.

Wir saßen jetzt still und lauschten. Es war nichts als zuweilen das Gluchzen des Wassers zu hören, wenn sich eine einzelne Welle am Ufer verfing. So verfloß die halbe Stunde, und wir löschten das Feuer aus, nachdem wir ganz trockenes Schilf und Streichhölzer zurechtgelegt hatten, um schnell wieder anzünden zu können.

Ich setzte mich in die Nähe der Thür, und Halef nahm die Stelle ein, welche ich ihm angegeben hatte. Um uns beide war mir gar nicht bange; wenn ich eine Sorge hegte, so war es die, ob der Sill mit seiner Frau sich ruhig verhalten würde. Ein Ruf von ihm oder ihr konnte unsern Plan zu Schanden machen.

Unsere Gehörnerven waren in der Weise angespannt, daß ich ein Geräusch von leisen, leisen Schritten ganz deutlich vernahm, obgleich die betreffenden Personen sich noch ziemlich weit von der Hütte befanden.

»Halef, sie kommen,« flüsterte ich.

»Ganz recht; ich habe die Riemen schon längst bereit,« antwortete er.

Die Schritte näherten sich und hielten draußen an. Die Perser waren jedenfalls überzeugt, ganz unhörbar aufzutreten. Nun richtete ich mich halb auf und beobachtete die Thürmatte, welche sich nach kurzer Zeit bewegte; es entstand eine Oeffnung, welche ich gegen den Himmel ganz deutlich sehen konnte. Es kam jemand hereingekrochen und richtete sich im Innern auf. Jetzt erhob ich mich vollends und nahm den Betreffenden bei der Hand.

»Sill?« fragte er fast unhörbar leise.

»Sill,« antwortete ich und zog ihn einige Schritte von der Thür fort, zu Halef hin.

Dann preßte ich ihm die linke Hand um die Kehle und gab ihm mit der rechten zwei Hiebe an die Schläfe. Es war nichts als ein seufzender Hauch zu hören; dann sank die Gestalt in meinen Händen zur Erde nieder.

»Halef, hier der erste – binden!« flüsterte ich; dann huschte ich wieder an die Thür.

Der zweite kam; er fragte nicht, wurde von dem Eingange weggeführt und bekam zwei Hiebe mit demselben Erfolge. Beim dritten brauchte ich nicht so vorsichtig zu sein. Als er hereingekommen war und sich aufgerichtet hatte, riß ich ihn von hinten nieder, kniete auf ihn und hielt ihm die Arme fest. Er war so erschrocken, daß er sich gar nicht wehrte.

»Halef, Feuer!«

»Gleich, Sihdi!« antwortete der Kleine jetzt laut. »Hast du ihn fest?«

»Ja.«

»Warte nur einen Augenblick, dann komme ich hin.«

Das Hölzchen flammte auf und setzte das Schilf in Brand; die Ueberreste von vorhin fingen schnell Feuer; der Raum war hell erleuchtet. Der »Vater der Gewürze« lag ganz, der andre erst halb gebunden am Boden; der, welchen ich festhielt, war Aftab. Als er sah, wer ich war, stieß er einen Fluch aus und versuchte, sich loszumachen. Halef bemerkte das, sprang herbei und sagte:

»Wollen erst diesen binden, weil er lebendig ist; die andern beiden sind besinnungslos, wenn du sie nicht gar erschlagen hast. Sihdi, lieber Sihdi, das ist so leicht, so prächtig gegangen, daß ich gleich wieder von vorn beginnen möchte. Wären doch Zeugen unseres Sieges hier, meine Hanneh, der Ausbund aller Lieblichkeit, und deine Dschanneh, welche nur mit der Lieblingsfrau des Sultans zu vergleichen ist! Sie würden die Preisgesänge des Sieges anstimmen und die Loblieder unserer unvergleichlichen Tapferkeit!«

»Laß sie zu Hause singen; hier brauchen wir keine Lieder! Wirf die Kerle dort in die Ecke; dann wechseln wir zweistündlich im Schlafen und im Wachen miteinander ab!«

»Und die Prügel, welche sie bekommen sollen?«

 

»Davon sprechen wir morgen früh.«

»Und der Sill mit seiner Frau?«

»Die bleiben während der ganzen Nacht auf dem Floße liegen; das soll ihre Strafe sein; dann mögen sie laufen. Wir müssen schlafen, und weil dies nur abwechselnd geschehen kann, wollen wir keine Zeit verlieren.

Uns mit den Gefangenen zu beschäftigen, ist noch Zeit, wenn es Tag geworden ist. Wer soll die erste Wache haben?«

»Ich, Sihdi, ich! Ich muß unbedingt sehen, was die zwei Bewußtlosen für Augen machen, wenn sie beim Erwachen bemerken, daß sie uns weder geprügelt noch totgeschossen haben. Sie werden vor Scham erglühen und vor Schande wieder erbleichen. Der Zorn wird ihr Herz zerfressen und der Aerger ihre Lebern und Lungen zerstören. Ihre Nieren werden vor Grimm zerplatzen und in allen ihren Eingeweiden wird – — halt, wo willst du hin?«

»Hinaus. Ich schlafe draußen. Halte du hier deine Reden weiter!«

»O Sihdi, was bist du doch für ein sonderbarer Mensch! Wer nach einem solchen Siege gleich zu schlafen vermag, der sollte überhaupt nie einen Kampf gewinnen. Der Schlaf ist der Mörder des Ruhmes und das Ende jedes Ehrbegriffes. Im Schlafe ist der tapferste Mensch ein fauler – — —«

Weiter hörte ich ihn nicht, denn ich ließ die Thürmatte hinter mir niederfallen und ging zu meinem Pferde, welches in der Nähe der Hütte lag und auf mich gewartet hatte. Es begrüßte mich mit einem leisen, glücklichen Schnauben und bekam die gewohnte Sure in das Ohr gesagt. Dann dauerte es nicht lange, so war ich eingeschlafen und wachte nicht auf, bis mich Halef nach zwei Stunden weckte.

»Erhebe dich, Effendi!« sagte er. »Meine Zeit ist um, und ich will versuchen, ob die Gestalten meines Traumes den Ruhm kennen, den wir heut im Wachen errungen haben.«

»Wie steht es mit den Persern?« fragte ich, indem ich aufstand.

»Ihr Verstand ist ihnen wiedergekehrt, aber dennoch haben sie sich sehr unverständig benommen.«

»Wieso?«

»Sie geben nicht zu, daß wir über alle Helden der Erde erhaben sind und daß unsere Klugheit und Tapferkeit von keinem andern Menschen erreicht werden kann.«

»Ah! Du scheinst ihnen einige große Reden gehalten zu haben?«

»Ja, das habe ich gethan. Bist du etwa nicht damit einverstanden?«

»Nein, gar nicht. Du hättest schweigen sollen.«

»Schweigen? O Effendi, du hast keinen Begriff von der Gabe der Rede, welche mir verliehen worden ist! Darf ich schweigen, wenn diese Gabe mir die Lippen öffnet? Kann ich die Worte, welche mir wie junge Löwen von der Zunge springen, hinunterschlucken und mir damit die gesunde Verdauung meines Magens verderben? Wenn diese drei Männer sich für kühner und weiser halten, als wir beide sind, so kann es mir doch unmöglich einfallen, im dicken Brei der Sprachlosigkeit zu ersticken, sondern ich bin gezwungen, ihnen zu beweisen, daß der Glaube an ihre Vortrefflichkeit einem Läufer gleicht, welcher Sand in den Schuhen hat, oder einer Großmutter, welche ohne Enkelkinder durch das Leben gegangen ist! Glaube mir, lieber Sihdi, ich verstehe mich auf die Notwendigkeit der Sprachorgane viel, viel besser als du, und ich hoffe, daß du das anerkennst, indem du mich nicht zum Schweigen verurteilst, wenn ich das Sprechen für notwendig halte!«

Wenn der kleine Hadschi jetzt, zu mir, in dieser Weise sprach, welche Reden mußte er da erst den Persern gehalten haben! Ich kühlte seine Hitze durch die kurze Bemerkung ab:

»Schweigen ist Gold; Reden ist Silber, oft auch bloß nur Eisenblech. Leg dich nieder, und schlaf! Ich werde dich nach zwei Stunden wecken.«

Er ging zu seinem Pferde, und während ich mich nach der Hütte wendete, hörte ich ihn noch klagen:

»So haben zuweilen sonst ganz vernünftige Menschen Ansichten, welche selbst der hellste Verstand ganz unmöglich begreifen kann! Allah allein weiß, warum dies so und nicht anders ist!«

Als ich zu den Persern kam, sah ich bei dem Scheine des Feuers ihre Augen mit haßerfüllten Blicken auf mich gerichtet. Der »Vater der Gewürze« war so frech, mich anzudonnern:

»Endlich lässest du dich sehen! Wo hast du gesteckt? Ich erwarte, daß du uns augenblicklich wieder losbindest!«

Ich antwortete ihm kein Wort, warf neues Holz in das Feuer und ging hinaus, um mich an der Stelle der Wand niederzusetzen, wo sie innen lagen und ich ihre Bewegungen und Worte hören konnte.

»Dieser Hund ist taub für meine Reden,« knirschte er. »Sie haben gewußt, daß wir kommen wollten. Safi hat uns nicht verraten; das weiß ich ganz genau. Wo mag er mit seinem Weibe stecken? Wahrscheinlich liegen sie irgendwo, grad so gebunden wie wir. Ich möchte wissen, auf welche Weise dieser Giaur unsern Plan erraten konnte!«

Hierauf sprachen sie leiser miteinander, so daß ich nichts verstehen konnte. So oft ich hineinging, um dem Feuer Nahrung zu geben, bekam ich Grobheiten zu hören, ohne daß ich ein Wort darauf erwiderte. Als meine Zeit vorüber war, schlief Halef so schön, daß ich es nicht über mich brachte, ihn zu wecken. Ich hielt Wache bis zum frühen Morgen; da wachte er von selbst auf und machte mir Vorwürfe, daß ich ihn hatte schlafen lassen.

»Du hast gewiß gedacht,« sagte er, »daß ich diese Männer wieder von der Gewandtheit meiner Rede überzeugen würde. Das hätte ich aber nicht gethan, denn dein Eisenblech« hat mir alle Lust benommen, die Mörder mit den Vorzügen meines Geistes zu beleuchten. Dafür aber hoffe ich, ihnen nicht durch Worte, sondern durch die That beweisen zu dürfen, daß die Pfiffigkeit meiner Peitsche himmelhoch über ihrer berühmten Klugheit steht. Du wirst damit wohl einverstanden sein, Effendi. Nicht?«

»In diesem Falle allerdings. Du weißt, daß ich, selbst wenn es sich um einen gefährlichen, rücksichtslosen Feind handelt, gegen alle Quälereien bin; hier aber gehört uns nach den Gesetzen der Wüste das Leben dieser Menschen, und wenn ich es ihnen schenke, so sollen und dürfen sie doch nicht ganz straflos ausgehen.«

»Allah sei Dank, daß er dich mit dieser prachtvollen Einsicht hell erleuchtet hat! Strafe muß sein, und ich bin ganz glücklich darüber, daß du meiner treuen Kurbadsch gestattest, mit wonnevoller Liebe zu untersuchen, welchen Grad von Dickheit ein Schiitenfell besitzt.«

Der liebe Kleine schwang seine Peitsche gar zu gern. Mir widerstrebten derartige Exekutionen, und es ließ sich auch nicht mit meiner Ansicht über die Würde eines Scheikes der Haddedihn vereinigen, ihm die Ausführung derselben zu übergeben; darum antwortete ich:

»Sie sollen allerdings die Peitsche bekommen, doch hoffe ich, daß du nicht die Absicht hast, das Amt des Henkers selbst zu übernehmen.«

»Warum nicht, Sihdi?«

»Weil es keine Ehre ist, einen Menschen, der sich nicht verteidigen kann, zu schlagen, selbst wenn er die Strafe verdient hat.«

»Hm!« meinte er nachdenklich; »zu rühmen braucht man sich dessen allerdings nicht; das ist wahr; aber eine Schande ist es auch nicht.«

»Was das betrifft, so giebt es Völker, bei denen die Henker so verachtet waren, daß kein ehrlicher Mann mit ihnen verkehrte, und wo dies im Laufe der Zeiten anders geworden ist, hält man doch wenigstens an der Meinung fest, daß es sich für den Richter nicht schickt, sein Urteil mit eigenen Händen auszuführen.«

»Das geht mich gar nichts an, gar nichts! Der Richter bist ja du, Sihdi, und ich, nun, du weißt ja, welche Wonne es für mich ist, die Länge meines Armes und die Innigkeit meines Glückes durch die Peitsche zu vergrößern. Ja, wenn ich der Richter wäre, würde ich es allerdings nicht thun.«

»Du bist ja mehr, viel mehr als ein Richter; du stehst hoch erhaben über ihm!«

»Ich? Wieso« fragte er verwundert. »Ich ahne, daß du mich durch irgend eine deiner Pfiffigkeiten um den herzerquickenden Genuß bringen willst, auf den sich meine ganze Seele freut.«

»Es ist keine Pfiffigkeit, sondern ein sehr ernstes Bedenken, von der Achtung und Freundschaft eingegeben, die ich für dich empfinde, lieber Halef.«

Sein Gesicht hatte sich verfinstert, und es klang nicht sehr freundlich, als er sagte:

»Diese Freundschaft und Achtung kannst du mir grad jetzt nur dadurch beweisen, daß du mir erlaubst, die Haut des Nilpferdes in Bewegung zu setzen.«

»Höre mich nur noch einen Augenblick an! Wenn du dann noch bei deinem Wunsche bleibst, werde ich ihn dir erfüllen. Der Richter fällt seine Urteile nach den Gesetzen, welche der Herrscher gegeben hat. Wenn es gegen die Ehre des Richters ist, eine von ihm bestimmte Prügelstrafe selbst auszuführen, so kann es dem Herrscher, der doch viel höher steht, noch viel weniger einfallen, Henkersdienste zu verrichten. Das giebst du doch wohl zu?«

»Das ist nun freilich ganz richtig, Sihdi,« nickte Halef, ohne zu ahnen, daß er mit dieser Zustimmung in die ihm gestellte Falle ging.

»Und dennoch willst du selbst, mit deiner eigenen Hand, die Perser prügeln?«

»Natürlich! Du, Sihdi, würdest es nicht dürfen, weil du der Richter bist, der ihnen die Zahl der Hiebe, welche sie bekommen sollen, verordnen wird.«

»Ja, ich bin allerdings der Richter, nur der Richter; du aber stehst erhaben über mir.«

105Rheumatismus.
106Krebsen.
107Willkommen.