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Durchs wilde Kurdistan

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Auch die andern waren erfreut, meinen Besuch kennen zu lernen, und ich darf wohl sagen, daß den beiden Chaldäerinnen sehr viel Achtung und Aufmerksamkeit entgegengebracht wurde. Sie blieben da bis Mittag, wo sie das Mahl noch mit uns einnehmen mußten, und dann begleitete ich sie eine Strecke Weges nach Schohrd zu. Als ich von ihnen schied, fragte Ingdscha:

»Herr, hast du dich wirklich mit meinem Vater ausgesöhnt?«

»So ist es.«

»Und hast du ihm vollständig verziehen?«

»Vollständig.«

»Und er zürnt mir nicht? Er wird mich nicht schelten?«

»Er wird dir nicht ein unfreundliches Wort sagen.«

»Wirst du ihn einmal besuchen?«

»Bin ich denn dir und ihm willkommen, Ingdscha?«

»Ja, Herr!«

»So komme ich bald, vielleicht schon heute, vielleicht auch morgen.«

»Ich danke dir. Lebe wohl!«

Sie reichte mir die Hand und schritt weiter.

Madana aber blieb bei mir stehen und wartete, bis das Mädchen außer Hörweite war; dann fragte sie:

»Herr, weißt du noch, was wir gestern gesprochen haben?«

Ich ahnte, was jetzt kommen werde, und antwortete daher lächelnd:

»Jedes Wort.«

»Und doch hast du ein Wort vergessen.«

»Ah! Welches?«

»Besinne dich!«

»Ich glaube, alles zu wissen.«

»O, grad das beste, das allerbeste Wort hast du vergessen.«

»So sage es!«

»Das Wort von dem Geschenke!«

»Meine gute Madana, ich habe es nicht vergessen. Verzeihe mir, ich komme aus einem Lande, wo man die Frauen höher hält, als alles andere. Sie, die so schön, so zart und liebenswürdig sind, sollen sich nicht mit schweren Lasten plagen. Darum haben wir euch eure Geschenke nicht mitgegeben. Ihr sollt sie nicht diesen weiten Weg nach Schohrd tragen müssen, sondern wir werden sie euch heute noch senden. Und wenn ich morgen komme, so wird dein Anblick mein Herz erfreuen, denn ich werde dich geschmückt sehen mit dem, was ich dir aus Dankbarkeit verehre.«

Die Wolke schwand und heller Sonnenschein glänzte auf dem runzeligen Angesicht der guten Petersilie. Dieselbe schlug die Hände zusammen und rief:

»O, wie glücklich müssen die Frauen deines Landes sein! Ist es weit bis dahin?«

»Sehr weit.«

»Wie viele Tagreisen?«

»Weit über hundert.«

»Wie schade! Aber du kommst morgen wirklich?«

»Sicher!«

»Dann lebe wohl, Herr! Der Ruh ‚i kulyan hat gezeigt, daß du sein Liebling bist, und auch ich versichere dir, daß ich deine Freundin bin!«

Nun gab sie mir die Hand und eilte Ingdscha nach. Wäre Germanistan nicht so viele Tagreisen entfernt gewesen, so hätte meine Petersilie vielleicht versucht, aus eigener Anschauung kennen zu lernen, »wie glücklich unsere Frauen sind«!

Ich hatte den Rückweg noch nicht sehr weit verfolgt, als ich eine Gestalt rechts von der Höhe herabsteigen sah. Es war die alte Marah Durimeh. Auch sie hatte mich erkannt; sie blieb stehen und winkte mir. Als sie sah, daß ich ihrem Winke Folge leistete, drehte sie sich um und stieg mit langsamen Schritten wieder den Berg hinan, wo sie hinter einem Gesträuch verschwand. Dort erwartete sie mich.

»Der Friede Gottes sei mit dir, mein Sohn!« begrüßte sie mich. »Verzeihe mir, daß ich dich zu mir heraufsteigen ließ.

Meine Seele hat dich lieb, und im Hause des Melek kann ich nicht allein mit dir sein; darum rief ich dich zu mir. Hast du ein wenig Zeit für mich?«

»So viel du willst, meine gute Mutter.«

»So komm!«

Sie nahm mich bei der Hand, wie es eine Mutter mit ihrem Kinde tut, und führte mich noch einige hundert Schritte weiter, bis wir einen moosbewachsenen Fleck erreichten, von dem aus man die ganze Gegend überblicken konnte, ohne selbst bemerkt zu werden. Sie setzte sich nieder.

»Komm, nimm an meiner Seite Platz!« bat sie.

Ich folgte ihrem Gebote. Sie ließ den weiten Mantel fallen, und nun saß sie neben mir so vornehm, so ehrwürdig, so Ehrfurcht gebietend, wie eine Gestalt aus der Zeit der Propheten Israels.

»Herr,« begann sie, »blicke auf, dahin zwischen Süd und Ost. Diese Sonne bringt Frühling und Herbst, bringt Sommer und Winter; ihre Jahre sind viele, viele Male über mein Haupt dahingegangen. Siehe dieses Haupt an! Es hat nicht mehr das Grau des Alters, sondern das Weiß des Todes. Ich sagte dir bereits in Amadijah, daß ich nicht mehr lebe, und ich habe die Wahrheit gesprochen; ich bin ein – Geist, der Ruh ‚i kulyan.«

Sie hielt inne. Ihre Stimme klang geheimnisvoll, Wie aus fernen Vergangenheiten heraus; aber sie vibrierte doch wie unter der Regung eines lebendigen Herzens, und die Augen, die auf das Gestirn des Tages gerichtet waren, zeigten einen lichten, feuchten Glanz.

»Ich habe viel gehört und viel gesehen,« fuhr sie fort. »Ich sah den Hohen fallen und den Niedern emporsteigen; ich sah den Bösen triumphieren und den Guten zu Schanden werden; ich sah den Glücklichen weinen und den Unglücklichen jubeln. Die Gebeine des Mutigen zitterten vor Angst, und der Zaghafte fühlte den Mut des Löwen in seinen Adern. Ich weinte und lachte mit; ich stieg und sank mit – dann kam die Zeit, in der ich denken lernte. Da fand ich, daß ein großer Gott das All regiert und daß ein lieber Vater alle bei der Hand hält, den Reichen und den Armen, den Jubelnden und den Weinenden. Aber viele sind abgefallen von ihm; sie lachen über ihn. Und noch andere nennen sich zwar seine Kinder, aber sie sind dennoch die Kinder dessen, der in der Dschehennah wohnt. Darum geht ein großes Leid hin über die Erde und über die Menschen, die sich nicht von Gott strafen lassen wollen. Und doch kann keine zweite Sündflut kommen, denn Gott würde keinen Noah finden, der der Vater eines besseren Geschlechtes werden kann.«

Sie machte eine neue Pause. Ihre Worte, der Ton ihrer Stimme, dieses stille und doch so sprechende Auge, ihre langsamen, müden und doch so bezeichnenden Gesten machten einen tiefen Eindruck auf mich. Ich begann die geistige Herrschaft zu begreifen, die dieses Weib auf die intellektuell armen Bewohner dieses Landes ausübte. Sie fuhr fort:

»Meine Seele zitterte, und mein Herz wollte brechen; das arme Volk erbarmte mich. Ich war reich, sehr reich an irdischen Gütern, und in meinem Herzen lebte der Gott, den sie verworfen hatten. Mein Leben starb, aber dieser Gott starb nicht mit. Er berief mich, seine Dienerin zu sein. Und nun wandere ich von Ort zu Ort, mit dem Stab des Glaubens in der Hand, um zu reden und zu predigen von dem Allmächtigen und Allgütigen, nicht mit Worten, die man verlachen würde, sondern mit Taten, die segnend auf jene fallen, die der Barmherzigkeit des Vaters bedürftig sind. Die alte Marah Durimeh und der Ruh ‚i kulyan sind dir ein Rätsel gewesen; sind sie es dir auch jetzt noch, mein Sohn?«

Ich konnte nicht anders, ich mußte ihre Hand erfassen und an meine Lippen drücken.

»Ich verstehe dich!« sagte ich.

»Ich wußte es, daß es bei dir nur dieser Worte bedurfte; denn auch du ringst mit dem Leben, ringst mit den Menschen außer dir und mit dem Menschen in dir selbst.«

Ich schaute rasch auf zu ihr. War sie mit der Gabe des Sehens begnadet? Wie kam es, daß ihr Auge so tief drang und so richtig blickte? Ich antwortete nicht, und sie fuhr nach einer Weile fragend fort:

»Du bist ein Emir in deinem Lande?«

»Nicht das, was bei euch ein Emir ist. Bei uns gibt es Emire der Geburt, Emire des Geldes, Emire des Wissens und Emire des Leidens, des Duldens und des Ringens.«

»Zu welchen gehörest du?«

»Zu den letzteren.«

Sie blickte mich lange forschend an; dann fragte sie:

»Bist du reich?«

»Ich bin arm.«

»Arm an Gold und Silber, aber nicht arm an andern Gütern; denn dein Herz teilt Gaben aus, die andere erfreuen. Ich habe gehört, wie viele Freunde du dir erworben hast, und auch mich hast du beglückt. Warum bleibst du nicht daheim; warum gehest du in ferne Länder? Man sagt, du wanderst, um mit deinen Waffen Taten zu verrichten; aber dies ist nicht wahr, denn die Waffen töten, und du willst den Tod des Nächsten nicht.«

»Marah Durimeh, ich habe noch keinem gesagt, weshalb ich die Heimat immer wieder verlasse; du aber sollst es hören.«

»Weiß es auch in deiner Heimat niemand?«

»Nein. Ich bin dort ein unbekannter, einsamer Mann; aber diese Einsamkeit tut meinem Herzen wohl.«

»Mein Sohn, du bist noch jung. Hat dir Allah bereits solches Leid beschert, daß deine Seele einwärts geht?«

»Das ist es nicht, sondern es ist das, was dich noch leben läßt,« erwiderte ich.

»Erkläre es mir!« sagte sie.

»Wer in der Wüste schmachtet, der lernt den Wert des Tropfens erkennen, der dem Dürstenden das Leben rettet. Und auf wem das Gewicht des Leides und der Sorge lastete, ohne daß eine Hand sich helfend ihm entgegenstreckte, der weiß, wie köstlich die Liebe ist, nach der er sich vergebens sehnte. Und doch ist mein ganzes Herz erfüllt von dem, was ich nicht fand, von jener Liebe, die den Sohn des Vaters auf die Erde trieb, um ihr die frohe Botschaft zu verkünden, daß alle Menschen Brüder sind und Kinder eines Vaters. Und wie der Heiland aus den Höhen, wohin kein Sterblicher dringen kann, auf die kleine Erde herniederstieg, so gehen nun seine Boten hinaus in alle Welt, um das Evangelium der Liebe zu verkündigen allen, die noch in Finsternis wandeln. Das sind die Emire des Christentums, die Helden des Glaubens, die Meleks der Barmherzigkeit.«

»Aber nicht alle lehren das, was du jetzt gesprochen hast,« fiel sie ein. »Es gibt Sendlinge, die die Boten des echten Glaubens verfolgen. Siehe dieses Land an, über dem jetzt die Sonne leuchtet. Dieselbe Sonne hat Tausende hier sterben sehen, und derselbe Fluß, den du hier vor uns erblickst, hat Hunderte von Leichen mit sich fortgerissen. Und warum? Frage die Emire des Glaubens, die dort hinter den Bergen von Karitha und Tura Schina wohnten; frage die Scheiks der christlichen Fürsten, die bei den Statthaltern des Sultans waren und dies alles ruhig geschehen ließen! Hat nicht jeder christliche Sultan und Schah das Recht und die Pflicht, die Christen zu schützen, sie mögen sich befinden, wo es nur immer sei? Ich habe heut um Mitternacht die Christen dieses Tales vom Tode errettet, ich, das Weib; warum haben diese Emire weniger Macht als ich? Einst war ich Meleka; jetzt bin ich nur ein altes Weib; aber dennoch hören Türken, Kurden und Chaldani meine Stimme. Auch ich habe heut um Mitternacht das Christentum verkündet, aber nicht das Christentum des Wortes, über dessen Sinn die Abgefallenen streiten, sondern das Christentum der Tat, daran niemand zweifeln kann. Züchtigt die Bösen, und sie werden es euch später danken, während die Guten, die sich nach Erlösung sehnen, euer Nahen mit Freudigkeit begrüßen werden. Sendet nicht Boten, die wie einzelne Funken im Meere verlöschen, sondern sendet Männer, vor denen sich der Unterdrücker fürchtet; dann werden die Berge jauchzen und die Täler jubilieren; das Land wird Segen bringen zu jeder Zeit, und es wird das Wort von einem Hirten und einer Herde sich erfüllen. Hat nicht dieser eine Hirt bereits seinen Statthalter auf Erden? Warum wendet ihr selbst euch von ihm weg? Kehrt zu ihm zurück; dann seid ihr einig, und die Macht dessen, der euch sendet, wird die Erde zu dem Belad el Kuds[162] machen, in dem Milch und Honig fließt!«

 

Sie hatte während ihrer Rede sich erhoben. Ihre hohe Gestalt stand aufrecht vor mir; in ihren Zügen zeigte sich sprühendes Leben; ihre Augen leuchteten vor Begeisterung, und ihre Stimme erscholl laut und voll, als ob sie zu Tausenden rede. Es war ein Augenblick, den ich nie vergessen werde. Jetzt hielt sie erschöpft inne und setzte sich wieder nieder. Diese Frau mußte viel gesehen und gehört, viel gefühlt und gedacht, vielleicht auch gar manches gelesen haben. Was sollte ich ihr antworten?

»Marah Durimeh, tadelst du auch mich?« fragte ich sie.

»Dich? Warum meinst du das?«

»Weil ich auch ein Bote bin.«

»Du?! Wer hat dich gesandt?«

»Niemand. Ich komme selbst.«

»Um zu lehren?«

»Nein, und doch auch ja.«

»Ich verstehe dich nicht, mein Sohn. Erkläre es!«

»Du selbst hast gesagt, daß du Boten der Tat wünschest, aber der Tat, die nicht im Meere verlischt. Gott teilt die Gaben nach seiner Weisheit aus. Dem Einen gibt er die erobernde Rede und dem Andern befiehlt er, zu wirken, bevor die Zeit kommt, da er nicht mehr wirken kann. Mir ist die Gabe der Rede versagt, aber ich muß wuchern mit dem Pfunde, das Gott mir verliehen hat. Darum läßt es mich in der Heimat nimmer ruhen; ich muß immer wieder hinaus, um zu lehren und zu predigen, nicht durch das Wort, sondern dadurch, daß ich jedem Bruder, bei dem ich einkehre, nützlich bin. Ich war in Ländern und bei Völkern, deren Namen du nicht kennst; ich bin eingekehrt bei weiß, gelb, braun und schwarz gefärbten Menschen; ich war der Gast von Christen, Juden, Moslemin und Heiden; bei ihnen allen habe ich Liebe und Barmherzigkeit gesäet. Ich ging wieder fort und war reich belohnt, wenn es hinter mir erklang: »Dieser Fremdling kannte keine Furcht; er konnte und wußte mehr als wir und war doch unser Bruder; er ehrte unsern Gott und liebte uns; wir werden ihn nie vergessen, denn er war ein guter Mensch, ein wackerer Gefährte; er war – – ein Christ!« Auf diese Weise verkündige ich meine Religion der echten, wahren Menschlichkeit. Und sollte ich auch nur einen einzigen Menschen finden, der diese Religion achten und vielleicht gar dann lieben lernt, so ist mein Tagewerk nicht umsonst getan, und ich will irgendwo auf dieser Erde mich von meiner Wanderung gern zur Ruhe legen.«

Es entstand eine lange, lange Pause. Wir beide blickten wortlos zur Erde nieder; dann ergriff sie langsam mit beiden Händen meine Rechte.

»Herr,« sagte sie, »ich liebe dich!«

Dabei sahen mich die alten Augen so mütterlich innig an, daß ich‘s nie vergessen werde!

»Mein Sohn,« sagte sie, »wenn du dieses Tal verlassen hast, so wird mein Auge dich nie wiedersehen, aber Marah Durimeh wird für dich beten und dich segnen, bis dieses Auge geschlossen ist. Du sollst nun auch der einzige sein, der außer den dreien, die um Mitternacht beim Ruh ‚i kulyan waren, mein Geheimnis erfährt. Willst du?«

»Wenn Schweigen besser ist, so verzichte ich darauf; doch willst du es mir wirklich und gewiß gern anvertrauen, so nimm meinen Dank dafür.«

»Diese drei haben geschworen, nie ein Wort davon zu sagen – – —.«

»Auch ich werde nie darüber sprechen.«

»Zu keinem Menschen?«

»Zu niemand!«

»So sollst du alles hören.«

Und nun erzählte sie. Es war eine Geschichte, die als Sujet einen Autor berühmt machen könnte, eine lange Geschichte aus jener Zeit, in der die drei Teufel Abd-el-Summit-Bey, Beder-Khan-Bey und Nur-Ullah-Bey das Christentum im Tale des Zab ausrotteten, eine Geschichte, die mir die Haare sträuben machte. Es dauerte lange, ehe sie beendet war, und dann saß die Alte noch geraume Zeit in tiefem Schweigen neben mir. Nur ein leises Schluchzen unterbrach dann und wann die Stille, und ihre Hand langte nach den Augen, um die immerfort rinnenden Tränen zu trocknen. Dann legte sie ermüdet und ganz von selbst ihr Haupt an meine Schulter und bat mich leise:

»Verlaß mich jetzt! Ich wollte hinab nach Lizan gehen; aber ich steige nochmals zurück, um zu warten, bis mein Herz wieder ruhig schlägt. Am Abend komme ich zu euch.«

Ich achtete diesen Wunsch und ging.

Als ich in Lizan anlangte, sah ich keine Kurden mehr; aber der Bey hatte auf mich gewartet.

»Emir,« sagte er, »meine Leute sind fort, und auch ich scheide von hier; aber ich erwarte, daß du zurück nach Gumri kommst.«

»Ich komme.«

»Auf lange Zeit?«

»Auf kurze Zeit, denn die Haddedihn sehnen sich nach den Ihrigen.«

»Sie haben mir versprochen, mitzukommen, und wir werden dann beraten, wie ihr am sichersten den Tigris erreicht. Lebe wohl, Emir!«

»Lebe wohl!«

Der Melek stand mit meinen Gefährten dabei. Der Bey verabschiedete sich nochmals bei ihnen und eilte dann davon, um seine Kurden zu erreichen.

Marah Durimeh hielt Wort: sie kam des Abends; und als sie mich ungehört sprechen konnte, fragte sie mich:

»Herr, willst du mir eine Bitte erfüllen?«

»Von Herzen gern.«

»Glaubst du an die Macht der Amulette?«

»Nein.«

»Aber dennoch habe ich dir heut eins gemacht. Willst du es tragen?«

»Als Andenken an dich, ja.«

»So nimm es. Es hilft nicht, so lange es geschlossen ist; aber wenn du einmal eines Retters bedarfst, so öffne es; der Ruh ‚i kulyan wird dir dann beistehen, auch wenn er nicht an deiner Seite ist.«

»Ich danke dir.«

Das Amulett war viereckig und in einem zusammengenähten Kattunlappen eingeschlossen. Da es mit einem Bande versehen war, hing ich es mir gleich um den Hals. Später sollte es mir allerdings sehr nützlich sein, trotz meines offen gestandenen Unglaubens; freilich konnte ich nicht erwarten, daß der Inhalt ein so überraschender sei.

162Heiligen Lande.