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Die Sklavenkarawane

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Also Schwarz hielt die Karawane, welche er in der Nähe vermuten mußte, für eine Gum. Es war also alle Veranlassung zur Vorsicht und Wachsamkeit vorhanden, zumal er allen Grund hatte, anzunehmen, daß die Homraraber sich mit den Räubern im Einverständnisse befanden. Es war zunächst nichts zu thun, als die Araber zu beobachten und die Dschelabi von der auch ihnen drohenden Gefahr zu benachrichtigen. Er that dies, indem er während einer Pause, welche in der Unterhaltung der Leute eingetreten war, den »Vater der elf Haare« fragte:

»Ihr seid durch das Land der Baggara gekommen. Waren diese Leute friedlich gesinnt?«

»Ja,« antwortete der Slowak. »Es gibt keinen Stamm, welcher uns Dschelabi feindlich behandelt. Man braucht uns ja überall, da wir allein es sind, welche den Leuten bringen, was sie brauchen. Darum sind wir überall willkommen und werden von jedem als Freunde behandelt.«

»Und doch habe ich gehört, daß auch Dschelabi angefallen und ausgeraubt worden sind.«

»Das sind sehr seltene Ausnahmen und geschieht nur von solchen Stämmen, mit denen man nicht verkehrt. Wir sind auch stets so vorsichtig, uns überall genau zu erkundigen, ob vielleicht eine Gum sich unterwegs befindet oder gar gesehen worden ist.«

»Nun, habt ihr vielleicht in letzter Zeit so etwas erfahren?«

»Nein. Die Baggara sind augenblicklich alle daheim, und mit den Schilluk, in deren Lande wir uns jetzt befinden, leben wir in Freundschaft.«

»Kommt ihr auch zu den Homrarabern?«

»Nein. Ihre Dörfer liegen uns zu weit entfernt.«

»So würdet ihr euch unter Umständen vor ihnen wohl nicht ganz sicher fühlen?«

»Wir würden ihnen, wenn es sich thun ließe, aus dem Wege gehen. Heute, da wir ihnen und dir begegneten, war dies nicht gut möglich. Sie sind allerdings nicht freundlich mit uns gewesen, aber wir haben nichts von ihnen zu befürchten.«

»Denkst du?«

»Ja. Wir stehen doch wohl unter deinem Schutze?«

»Gewiß. Aber wird dieser Schutz im gegebenen Falle sich bewähren?«

»Jedenfalls, da sie dich begleiten und also deine Freunde sind. Der Araber ist stets der Freund der Freunde seines Freundes.«

»Hast du denn nicht gesehen und gehört, daß sie sich nicht sehr freundlich zu mir benahmen?«

»Ich habe es bemerkt, aber das thut ja nichts. Sie haben dir ihr Wort gegeben, dich sicher nach Faschodah zu bringen, und müssen es halten.«

»Und dennoch traue ich ihnen nicht. Sie haben mir das Versprechen gegeben, mich und meine Sachen auf ihren Kamelen zu transportieren. Ich dagegen versprach ihnen, sie in Faschodah dafür zu bezahlen. Das ist alles.«

»Wie? So ist nicht ausdrücklich ausgemacht worden, daß sie dich unter Umständen sogar mit ihrem Leben zu beschützen haben?«

»Nein.«

»Du hast nicht die Formel ‚Dakilah ia Schech‘ mit ihnen gewechselt?«

»Nein. Ich wollte es, aber sie behaupteten, daß dies bei ihnen nicht gebräuchlich und übrigens auch gar nicht nötig sei.«

»Dann darfst du ihnen allerdings nicht trauen, und auch wir sind nicht sicher. Die Formel hätte sie gezwungen, nicht nur ehrlich gegen dich zu sein, sondern dich auch nötigenfalls gegen alle Feinde zu verteidigen. So aber haben sie keine Verpflichtung gegen dich, und nach ihren Regeln und Begriffen können sie dich ausrauben und töten, ohne die geringste Schuld auf sich zu laden. Daß sie dir die Formel verweigert haben, ist ein fast sicheres Zeichen, daß sie Böses beabsichtigen. Daß sie es noch nicht ausgeführt haben, darf dich nicht sicher machen, sondern muß dich vielmehr für heute zur doppelten Vorsicht auffordern. Heute ist der letzte Abend. Morgen würdest du Faschodah erreichen, wo sie dir nichts mehr anhaben können. Vielleicht ist meine Befürchtung ohne Grund; aber ich rate dir, anzunehmen, daß dir heute eine große Gefahr drohe, dir und also auch uns. Ich werde nicht schlafen und sofort meinen Elefantenmörder wieder laden, was ich unterließ, da ich nicht wußte, daß unsre Sicherheit bedroht ist.«

Er griff auch wirklich nach dem gewaltigen Katil elfil und nach dem Pulverhorne. Der »Vater des Gelächters« zeigte, daß er ganz der Ansicht seines Kollegen sei, denn er sagte:

»Meine Harbi ist leider am Bauche des Löwen zerbrochen, aber ich werde mich mit den Armen und Händen wehren. Diese Väter und Söhne des Raubes sollen weder mein Leben, noch meinen Esel, noch meine Waren bekommen. Ich erwürge sie einzeln, einen nach dem andern. Ich kenne die Homr. Sie haben die Worte des Koran auf den Lippen. Sie versäumen weder das Abrik noch die vorgeschriebenen Salawaht, aber sie sind Diebe, und der Verrat ist bei ihnen Gebrauch. Wenn man von einer Gum hört, so hat sie ganz gewiß aus lauter Arab el Homr bestanden. Allah verschließe ihnen den Himmel mit hundert Riegeln!«

»So ist es jedenfalls auch eine Gum der Homr, welche sich hier in der Nähe befindet.« bemerkte Schwarz.

»Was? Wie?« fragte der Slowak. »Eine Gum ist uns nahe?«

»Gewiß weiß ich es nicht, aber ich vermute es.«

Er teilte ihnen die Beobachtung mit, welche er gemacht hatte, und die Vermutung, die er infolgedessen hegte. Seine Worte brachten eine Aufregung hervor, die er nur durch den Hinweis auf die in der Nähe sitzenden Araber dämpfen konnte. Diese durften nicht ahnen, in welchem Verdachte man sie hatte. Darum beherrschten sich die Dschelabi und zeigten beim Fortlaufe des natürlich leise geführten Gespräches eine möglichst ruhige Haltung.

»Wenn das so ist, Herr, so bin ich freilich ganz deiner Meinung, daß die Leute, denen die Vögel folgten, zu einer Gum gehören,« sagte der Ungar. »Wir müssen uns auf einen Überfall gefaßt machen. Wäre es nicht am besten, deine Homr sofort niederzuschießen?«

»Nein. Noch haben wir keinen Beweis. Und selbst wenn wir denselben hätten, würde ich dagegen sein. Ich kann mich zur Tötung eines Menschen nur dann entschließen, wenn dies unumgänglich nötig ist.«

»So wollen wir uns augenblicklich aufmachen und diesen gefährlichen Ort verlassen!«

»Auch dazu kann ich nicht raten. Hier wissen wir genau, was unser wartet. Diese Felsen gewähren uns gute Deckung, ebenso die Büsche. Reiten wir aber fort, so ist es sicher, daß die Gum uns folgt und draußen auf der freien Ebene überfällt. Wir wissen nicht, wie stark sie ist. Wir sind neun Mann. Selbst wenn sie nicht zahlreicher wären und wir den Angriff siegreich abschlügen, würden wir den Sieg mit Toten oder wenigstens Verwundeten bezahlen. Auf alle Fälle steht zu erwarten, daß die Homr mit der Gum gemeinsame Sache machen, was die Angelegenheit verschlimmert. Hier haben wir sie vor uns und können sie im Auge behalten. Ich rate also, hier zu bleiben.«

»Aber wir wissen ja nicht, wenn uns die Kerls überfallen werden, und können doch nicht immer mit angelegtem Gewehr hier sitzen!«

»Das ist auch nicht nötig, wenn wir unsre Vorbereitungen treffen. Zunächst müssen wir das Feuer ausgehen lassen. Es blendet uns. Wer an einem Feuer sitzt, kann nur schwer sehen, was jenseits desselben in der Dunkelheit vorgeht. Wenn es hier finster ist, können auch die Homr nicht erkennen, was wir thun. Lassen wir sie glauben, daß wir uns jetzt zur Ruhe legen. Ist dann die Flamme erloschen, so verlassen wir die Feuerstätte und placieren uns an die Felswand. Dann stecken wir hinter den Kamelen und Gepäckstücken und sind außerdem von dem Gebüsch gedeckt. Inzwischen werde ich zu erfahren suchen, wo sich die Gum befindet.«

»Wie willst du das erfahren?«

»Indem ich nach ihr suche. Sie ist, wie wir, von Westen gekommen und wird also in dieser Richtung zu finden sein.«

»Aber du begibst dich dabei in eine sehr große Gefahr!«

»In gar keine!«

»O doch, Herr. Man wird dich sehen und ermorden.«

»Man wird mich nicht sehen. Ich gehe nicht aufrecht, sondern ich schleiche mich am Boden hin.«

»Man wird dich dennoch bemerken, da die helle Farbe deines Haïk dich verraten muß.«

»Ich lege ihn vorher ab. Die Farbe der Bantaluhn und Kutrahn, welche ich darunter trage, ist dunkler, gleich derjenigen des Erdbodens, von dem ich dann nicht leicht zu unterscheiden bin.«

»Man wird dich dennoch erkennen. Die Sterne scheinen hell, und welcher Mensch kann wie eine Schlange an der Erde hinkriechen!«

»Viele können es, und auch ich habe es lernen müssen. Als ich drüben in Jeni dünja war, befand ich mich lange Zeit bei berühmten Jägern, mit denen ich allezeit auf der Hut vor wilden Indianern sein mußte. Von einem von ihnen, welcher Old Shatterhand hieß, in arabischer Sprache Abu Jadd ed darb, habe ich gelernt, mich so an einen andern anzuschleichen, daß er es gar nicht bemerkt. Diesen Leuten habe ich es auch zu verdanken, daß wir heute den Löwen und seine Frau besiegten. Ich war bei ihnen, um Pflanzen und allerlei kleines Getier zu sammeln, und wurde von ihnen im Kampfe mit wilden Menschen unterrichtet. Ich bin überzeugt, daß ich die Homr finden und vielleicht sogar auch belauschen werde, ohne von ihnen gesehen und gehört zu werden.«

»Aber ihre Kamele werden deine Nähe riechen und dich verraten. Willst du dich wirklich in diese Gefahr begeben?«

»Ja.«

»So will ich dir ein Mittel geben, welches die Kamele abhalten wird, unruhig zu werden. Sie riechen es gern. Ich habe es unter den Spezereien, mit denen ich handle. Du mußt, sobald du in ihre Nähe kommst, einige Tropfen davon auf deine Kleidung fließen lassen. Es ist Milh ennuschahdir, welcher mit Gir und Moje zubereitet wird.«

Er ging zu seinem Esel, neben welchem das ihm gehörige Gepäck lag, und brachte ein kleines Fläschchen, das den Salmiakgeist enthielt. Schwarz steckte es zu sich.

Die Dschelabi hatten sich vor dem Löwen verkrochen. Ihn fürchteten sie, weil sie so abergläubische Vorstellungen von ihm hegten. Die Gum aber hatte sie nur vorübergehend erschreckt. Zwar hatten sie fliehen wollen; aber nun sie einsahen, daß es geraten sei, zu bleiben, waren sie zur Gegenwehr entschlossen. Sie hatten es mit Menschen, aber nicht mit einem gewaltigen Raubtiere zu thun, in welchem ihrer Meinung nach der Geist eines Verstorbenen steckte.

 

Sie legten sich nieder und breiteten ihre Decken über sich aus, um die Meinung zu erwecken, daß sie nun schlafen würden. In kurzer Zeit ging das Feuer aus, und diese Abteilung des Lagers war nun in nächtliches Dunkel gehüllt, während die Homr auf der andern Seite ihr Feuer sorgfältig weiter unterhielten, so daß man sehen konnte, was sie thaten.

Jetzt schlüpfte Schwarz aus seinem Haïk und entfernte sich leise, von den Homr ungesehen. Seine beiden Gewehre, welche ihm nur hinderlich sein konnten, ließ er zurück.

Die Homr befanden sich auf der Südseite. Er schlich sich auf der nördlichen, wo, wie bereits erwähnt, kein Buschwerk stand, um den Felsen. Dort blieb er zunächst stehen, um zu lauschen.

Der »Vater der vier Augen« konnte, so sehr er seine Augen und Ohren anstrengte, ein menschliches Wesen weder sehen noch hören. Darum ging er langsam weiter, sich gerade westlich haltend.

Der Boden war fein sandig; die Schritte des Deutschen verursachten kein Geräusch. Langsam und vorsichtig vorwärts schreitend, ging er weiter und weiter, doch ohne etwas zu bemerken. Schon waren vielleicht zehn Minuten vergangen, und er nahm an, daß er eine falsche Richtung eingeschlagen habe, obgleich er genau auf der Fährte ging, welche er mit seinen Begleitern gemacht hatte und auf der die Gum zu suchen war.

Da drang ein leises Klirren an sein Ohr, wie wenn zwei Waffen sich berührt hätten. Der Ton kam ganz genau aus der Richtung, welche er eingeschlagen hatte. Er verdoppelte seine Vorsicht und verlangsamte seine Schritte. – Schon nach kurzer Zeit tauchte es in unbestimmten Konturen wie graue Schatten vor ihm auf. Sie saßen auf der Erde und bewegten sich nicht. Zu gleicher Zeit wehte ihm die bekannte Ausdünstung von Kamelen entgegen. Er hatte die Gum vor sich, die zu derselben gehörigen Männer waren in die landesüblichen grauen Haïks gehüllt. Nun legte er sich nieder und kroch auf den Händen und Füßen weiter.

Da die Leute ihrer Aufmerksamkeit jedenfalls auf die Gegend gerichtet hatten, aus welcher er kam, so schlug er einen Bogen nach rechts, um sich von Norden her anzuschleichen. Seine Gestalt war trotz des hellen Sternenschimmers nicht von dem Boden zu unterscheiden. Da seine hellere Gesichtsfarbe vielleicht zur Verräterin werden konnte, so zog er sein dunkelrotes Taschentuch hervor und band es sich vor den untern Teil des Gesichtes, so daß er nur die Augen frei behielt. Den Fes, den er unter der Kapuze getragen hatte, zog er über die Stirn herein.

Als er näher kam, sah er die Kamele liegen, nicht eng beisammen, sondern einzeln. Nun konnte er die Personen zählen. Es waren ihrer zwölf. Sie saßen in einem kleinen Kreise, vor welchem zwei Kamele lagen.

Dieser Umstand war ihm sehr willkommen, da derselbe es ihm vielleicht ermöglichte, sich so weit hinanzuschleichen, daß er hören konnte, was gesprochen wurde.

Er schob sich sehr, sehr langsam vorwärts, fast Zoll um Zoll. Die Luft war leise bewegt; sie kam ihm entgegen. Das war die Ursache, daß die Tiere ihn noch nicht bemerkten. Nun war es an der Zeit, das Mittel des Dschelabi zu versuchen. Er öffnete das Fläschchen und besprengte sich mit dem Salmiakgeiste.

Es ist bekannt, daß die Ausdünstung des Kamels eine ammoniumartige ist und daß aus dem Miste und Urin dieses Tieres Salmiak gewonnen wird. Darum hielt Schwarz es für nicht ganz unmöglich, daß die Kamele eine Art von Vorliebe für den Geruch dieses Produktes besitzen. Er fand auch wirklich sofort Veranlassung, sich zu überzeugen, daß dies wirklich der Fall sei. Denn kaum hatte er das Fläschchen wieder eingesteckt, so wendeten beide Kamele die Köpfe nach ihm und öffneten die weit geschnittenen Nüstern, doch ohne ein Zeichen von Unruhe zu geben. Sie schienen den Geruch mit Behagen einzuziehen.

Dadurch beruhigt, kroch er näher. Schon war er so weit, daß die hohen Rücken der Tiere es den Arabern nicht mehr ermöglichten, ihn zu sehen. Er schob sich an das eine Kamel heran, schmiegte sich eng an dasselbe und begann, es mit der Hand zu krauen, wobei es einen leisen, behaglich grunzenden Laut hören ließ.

Die Gruppe der Männer war nicht mehr als drei Schritte von dem Tiere entfernt. Sie sprachen zwar nicht laut, aber doch so vernehmlich, daß er die meisten ihrer Worte verstehen und das übrige sich hinzudenken konnte.

Unter ihnen fiel ihm eine besonders lange und außerordentlich hagere Gestalt auf, welche die andern weit überragte. Der aufrecht sitzende Oberkörper dieses Mannes war fast vier Fuß hoch. Die Länge dieses Menschen mußte, wenn er stand, weit über drei Ellen betragen, eine große Seltenheit bei den Arabern. Er saß etwas zur Seite, als ob er dadurch einen Vorrang zum Ausdruck bringen wolle. Seine Stimme klang hohl und im Grabestone, als er jetzt sagte:

»Nein, wir brauchen uns nicht erst zu überzeugen. Wir haben die Spur gesehen. Es sind lauter Esel gewesen, acht an der Zahl. Und wer reist auf Eseln? Nur Dschelabi können es sein. Diese Krämer sind gewöhnlich feig. Wir haben sie nicht zu fürchten. Wollten wir einen von uns hinsenden, um nachzusehen, ob sie sich mit an dem Brunnen befinden, so könnte er durch irgend einen Zufall bemerkt werden, und wir wären verraten. Diese Dschelabi sind sicher dort, was uns nur lieb sein kann, da wir zu der übrigen Beute auch noch ihre Waren und Tiere bekommen.«

»Sollen wir die Krämer auch töten?« fragte einer.

»Ja.«

»Das könnte mir beinahe leid thun. Diese Leute sind nützliche Menschen und Anhänger des Propheten, während der Fremde ein Giaur ist, dessen Seele der Teufel fressen möge!«

»Hat die Sonne dir das Gehirn versengt, daß du von Mitleid redest? Sollen wir die Unvorsichtigkeit begehen, acht Zeugen leben zu lassen? Der Fremde steht im Schutze seines Unsul, welcher, wenn er seinen Tod erführe, so lange nach Rache schreien würde, bis man uns ergriffen und getötet hätte.«

»Aber wir würden den Dschelabi doch nicht sagen, wer wir sind!«

»Auch hier reicht dein Verstand nicht aus. Wie nun, wenn sich einer unter ihnen befindet, der einen von uns kennt?«

»Diesen einen könnten wir stumm machen.«

»So müssen wir sie eben alle umbringen, denn mich würden sie selbst in dem Falle erkennen, daß sie mich noch nie gesehen haben. Allah ist, als er meiner Seele den Körper gab, verschwenderischer als sonst gewesen, wofür ich ihm nicht dankbar bin, denn es ist meist sehr verdrießlich, eine Gestalt zu besitzen, welche jedem auffallen muß. Man weiß, daß ich ein Sklavenjäger bin. Das ist schon genug, seit die Franken, über welche die Verdammnis kommen möge, in Chartum es durchgesetzt haben, daß der Sklavenhandel verboten wurde. Nun sitzt selbst hier in Faschodah ein Mudir, welcher kein Sklavenschiff passieren läßt, so daß wir stets ausladen und den langen und beschwerlichen Landweg einschlagen müssen. Dieser Mudir hat sein Auge ganz besonders auf mich gerichtet. Falle ich ihm in die Hände und es befindet sich nur ein einziger Sklave bei mir, so bin ich verloren. Soll er nun auch noch erfahren, daß ich, wenn Allah mir die Gelegenheit sendet, meine Leute in eine Gum verwandle, so ist das Ende meines Lebens nahe, was der Prophet verhindern möge, denn ich habe Lust, den Preis von noch Tausenden von Negern mit euch zu teilen. Diese acht Dschelabi würden, sobald sie mich sähen, augenblicklich wissen, daß ich Abu el Mot bin, und es morgen dem Mudir verraten. Dieser wieder weiß, in welchem Gebiete ich nach Schwarzen jage; ebenso weiß er ungefähr, wenn ich mit meinen Sklaventransporten durch sein Gebiet muß, und so würde er mir mit doppelter Sorgsamkeit auflauern. Ist es schon jetzt schwer, ihm zu entgehen, so würde es nachher unmöglich sein. Nein, die Dschelabi müssen sterben! Wenn du Mitleid mit ihnen hast, so kannst du heimkehren und Durrha essen. Ich brauche keinen Mann, dessen Herz von Wolle ist anstatt von Eisen.«

Dabei zog er sein Messer und spielte in so bedeutungsvoller Weise mit demselben, daß der andre einsah, er werde nicht weit kommen, wenn es ihm einfallen sollte, dieser Aufforderung Folge zu leisten. Darum antwortete er in begütigendem Tone:

»Hast du mich jemals weinen sehen, wenn mein Messer oder meine Kugel einen Menschen getroffen hatte? Warum soll ich jetzt auf einmal ein Weib geworden sein, da mir einmal ein milder Gedanke kommt? Ich werde der erste von euch sein, welcher sein Messer in das Herz eines dieser Dschelabi senkt.«

»Das hoffe ich auch, damit du die Zweifel zerstreust, zu denen du mir soeben Veranlassung gegeben hast! Ein Sklavenjäger muß ermorden können, ohne mit der Wimper zu zucken. Kann er das nicht, so taugt er nichts für dieses Geschäft. Morgen früh werden die Geier auf den Gerippen von neun Menschen sitzen und sich so dick angefressen haben, daß sie nicht davonfliegen können. Wir aber werden unsre Beute nach Kaka bringen und uns derselben erfreuen.«

»Nach Kaka? So müssen wir nach Nordost gegen den Nil, also zurück. Warum nicht nach Faschodah?«

»Das liegt zwar näher und ist auch ein besserer Handelsplatz; auch kann ich mich getrost dort sehen lassen, wenn ich keine Sklaven bei mir habe; aber ich würde dort keinen Käufer für die Sachen finden, welche wir diesem Giaur abnehmen werden. In Kaka aber habe ich meinen Agenten, welcher die Sammlung gern nach Chartum bringen wird, um sie für mich zu verwerten.«

»Wird man dort nicht Verdacht fassen?«

»Nein, denn der Agent wird so klug sein, den Leuten ein Märchen zu erzählen, welches sie glauben müssen. Dort gibt es Personen, welche den Wert einer solchen Sammlung kennen und einen guten Preis zahlen werden. Wir können sie auf anderm Wege unmöglich an den Mann bringen. Und daß sie viel wert ist, kann man daraus schließen, daß der Christ seine Heimat verlassen hat und sich so großen und vielen Gefahren aussetzt, um diese Pflanzen und Tiere zu holen. Wir werden bald einen zweiten, ähnlichen Fang machen. Der letzte Bote, der mir aus der Seriba Omm et Timsah gesandt wurde, teilte mir mit, daß dort zwei Weiße, ein junger und ein alter, eingetroffen sind, welche Gewächse suchen, um sie zwischen Papierblätter zu legen, und Käfer, Schlangen und allerlei Gewürm fangen, welches sie in Flaschen stecken. Beide haben schwarze Diener bei sich, viele Waffen und Tauschartikel und große, schwere Ballen Zeug, welches, wie ihr wißt, dort die Stelle des Geldes vertritt. Diese Europäer drängen sich mit großer Frechheit in unser Sklavengebiet. Wir dürfen das nicht dulden und werden sie also, sobald wir hinkommen, in die Hölle senden, ihre Sachen aber behalten. Diese Menschen glauben an Isa Ben Marryam, welcher gelehrt hat, daß es keine Sklaven geben dürfe, da auch die Schwarzen Allahs Kinder seien. Wenn wir sie nicht töten, wird diese Lehre überhand nehmen und unsern Handel zu nichte machen. Ich dulde keinen Christen im Bereiche meines Jagdgebietes, am allerwenigsten aber christliche Priester, welche die Schwarzen gegen uns aufwiegeln, indem sie denselben die alberne Lehre von der Liebe bringen. Darum werden diese beiden Weißen sterben wie der Giaur, der jetzt dort am Brunnen lagert.«

»Meinst du nicht, daß er sich verteidigen wird?«

»Nein, denn wir werden ihm keine Zeit dazu lassen. Unser Überfall wird so plötzlich geschehen, daß er gar keine Zeit finden wird, sich seiner Waffen zu bedienen. Wenn der Schech uns nachher aufsucht, wie verabredet worden ist, so werden wir von ihm erfahren, wo der Giaur liegt und wo die Dschelabi schlafen. Wir schleichen uns hinan und werden sie wohl gar im Schlafe töten, so daß sie zur Hölle fahren, ohne vorher zu erwachen. Vielleicht sind die Gewehre noch gar nicht wieder geladen, welche sie vorhin abgeschossen haben, um die Löwen abzuschrecken.«

»Allah ‚l Allah! In welcher Gefahr haben wir da auch uns befunden! Wie leicht konnte der Verderber der Herden auch zu uns kommen!«

»Nein. Er hat seine Wohnung im Osten des Brunnens und ist wieder dorthin zurück. Schliche er sich in unsrer Nähe herum, so würden die Kamele ihn durch ihre Angst verraten. Vorher waren sie unruhig; aber seit die Schüsse gefallen sind, haben sie keine Furcht mehr gezeigt. Der Vater des dicken Kopfes ist also fort. Laßt uns nun nicht mehr sprechen, sondern lieber aufpassen. Der Schech könnte eher kommen, als wir ihn erwarten, und wir müssen dafür sorgen, daß er uns nicht verfehlt.«

Aus diesen Worten war zu schließen, daß die Unterhaltung nun zu Ende sei. Darum hielt Schwarz es für geraten, sich zurückzuziehen. Er kroch so leise und vorsichtig davon, wie er gekommen war. In der Entfernung, in welcher er nicht mehr gesehen werden konnte, erhob er sich aus der kriechenden Stellung, da er nun getrost wieder aufrecht gehen konnte. Erst als er den Felsen erreichte, mußte er wieder vorsichtig verfahren, da die Homr nicht wissen durften, daß er fort gewesen war.

 

Es gelang ihm, seinen Platz von ihnen unbemerkt zu erreichen. Die Dschelabi hatten Sorge um ihn gehabt, da seine Abwesenheit eine ziemlich lange gewesen war. Er erzählte ihnen, was er gehört hatte und fragte sie, ob ihnen dieser Abu el Mot vielleicht bekannt sei. Sie alle kannten diesen Mann, ohne ihn aber jemals gesehen zu haben. Sie hatten gehört, daß er der eifrigste und unbarmherzigste Sklavenjäger sei, doch wo er sein Jagdgebiet habe, wußten sie nicht.

»Er scheint seine Raubzüge von einer Seriba, welche Omm et Timsah heißt, aus zu unternehmen,« sagte der Deutsche. »Ist euch diese nicht bekannt?«

»Nein,« antwortete der ‚Vater der elf Haare‘. »Ich kenne alle Seriben bis jenseits des Dinka-Landes, aber von einer dieses Namens habe ich noch nie gehört. Doch muß uns das einstweilen gleichgültig sein. Wir müssen an unsre Verteidigung denken. Wir müssen überlegen, wie wir uns am besten wehren können.«

»Da gibt es nicht viel zu überlegen. Die Hauptsache ist, daß der Feind uns nun nicht mehr überraschen kann. Wir wissen, wo er sich befindet.«

»Aber nicht, wann er kommen wird.«

»O doch. Der Schech will die Gum aufsuchen. Er hat also mit Abu el Mot den Überfall schon längst geplant. Es ist da drüben hell, und wir können also leicht sehen, wenn er sich entfernt. Er wird den Räubern sagen, wo und wie wir lagern, und dann werden sie kommen.«

»Wir schießen sie nieder?«

»Nein. Sie sind zwölf Personen und wir nur neun; aber da wir nun sie überraschen und nicht sie uns, so sind wir ihnen überlegen. Wir bleiben natürlich nicht hier liegen, sondern erwarten sie am Beginn der Büsche, zwischen welchen wir uns verstecken können. Sind sie an uns heran, so springen wir auf. Jeder nimmt seinen Mann und schlägt ihn nieder. Ein tüchtiger Hieb auf den Kopf genügt dazu; aber die Kerls müssen so getroffen sein, daß sie gleich zusammenbrechen. Mit den übrigen drei werden wir dann schnell fertig. Fliehen sie, so lassen wir sie laufen; wehren sie sich, nun, so können wir ihr Leben freilich nicht schonen. Die ersteren werden hoffentlich nicht tot sein. Wir nehmen sie gefangen und liefern sie in Faschodah an den Mudir ab.«

»Und was geschieht mit den Homr?«

»Das wird sich ganz nach ihrem Verhalten richten. Ich vermute, daß sie sich nicht direkt an dem Angriffe beteiligen werden; sie dürften das vielmehr der Gum überlassen, welche übrigens, wie ich aus dem Dialekte der Leute vermute, auch aus Homr besteht. Meine bisherigen Begleiter werden beabsichtigen, so lange dort an ihrem Feuer zu bleiben, bis wir getötet worden sind. Sie kommen also bei dem Kampfe zunächst nicht in Betracht. Die Hauptsache ist, daß jeder von uns seinen Mann richtig trifft.«

»Darin soll es bei mir nicht fehlen. Ich kehre meinen Elefantenmörder um und bearbeite den Kerl so, wie ich vorhin die Frau des Löwen erschlagen habe.«

»Und ich,« sagte Hadschi Ali, »habe hier den halben Schaft meines zerbrochenen Spießes. Das gibt eine Keule, mit welcher ich zuschlagen kann. Allah sei demjenigen gnädig, der sie auf den Kopf bekommt!«

In ähnlicher Weise äußerten sich auch die andern. Sie waren damit einverstanden, daß die Feinde nicht getötet werden sollten. Sie dachten an die Genugthuung, die ihnen würde, wenn sie morgen mit ihren Gefangenen in Faschodah einziehen. Wer von ihnen keine zum Zuschlagen passende Waffe besaß, der suchte sich unter den Gepäckstücken einen geeigneten Gegenstand aus.

Die Homr waren überzeugt, daß der Deutsche und die Dschelabi schliefen. Diese hatten nur leise gesprochen, und wäre je ein Wort etwas lauter gewesen, so hätte es doch nicht leicht gehört werden können, da die Kamele und Esel sich noch immer nicht ganz beruhigt hatten. Besonders die letzteren standen keinen Augenblick ruhig, weil die Kadaver der beiden Raubtiere sich in ihrer Nähe befanden. Die Kamele schnaubten ängstlich, mußten aber ruhig liegen, da ihnen die Füße gefesselt waren.

In Erwartung des Kommenden verging allen die Zeit sehr langsam. Endlich erhob sich drüben der Schech.

»Jetzt geht er!« flüsterte Ali.

»Nein,« antwortete der Ungar ebenso leise. »Er kommt erst hierher, um nachzusehen, ob wir wirklich schlafen. Er wird so thun, als ob er sich um die Kamele bekümmern wolle. Regen wir uns nicht!«

Der Schech kam wirklich langsam herbei. Er trat zu den Kamelen, als ob er nach ihnen habe sehen wollen, und blieb da eine kleine Weile stehen. Er lauschte nach den Dschelabi herüber. Als keiner derselben sich bewegte, sagte er, zu ihnen gewendet:

»Die Dschimahl fürchten sich noch immer. Wollen wir nicht die Leichen des Löwen und seiner Sultana fortschaffen?«

Er fragte das natürlich nur, um zu erfahren, ob die Dschelabi fest schliefen. Als er keine Antwort bekam, trat er leise näher und bückte sich zu ihnen nieder. Um ganz sicher zu sein, berührte er den Arm des Deutschen. Als auch darauf nichts erfolgte, war er seiner Sache sicher und schlich weiter, um den Felsen wie vorhin Schwarz.

Dieser richtete sich nach einiger Zeit auf und kroch ihm nach. Er sah ihn in westlicher Richtung davonschreiten und dann im Dunkel der Nacht verschwinden. Zu den Dschemali[Dschelabi] zurückgekehrt, forderte er diese auf:

»Jetzt ist es Zeit. Kommt mit fort, aber leise, damit die Homr es nicht hören!«

Er führte sie bis dahin, wo das Dickicht zu Ende war und sich in einzelne Büsche auflöste. Es war vorauszusehen, daß die Angreifenden da vorüberkommen würden. Jeder steckte sich hinter einen Busch.

Sie warteten wohl eine halbe Stunde und noch länger. Dann hörten sie leise Schritte, und zugleich erkannten sie die Gestalten, welche, eine hinter der andern, langsam herbeikamen. Als sie sich so weit genähert hatten, daß man die einzelnen Personen unterscheiden konnte, sah Schwarz den Schech als Führer an der Spitze. Die lange, schmale Gestalt Abu el Mots schwankte, sich herüber- und hinüberwiegend, am Ende des kleinen Zuges. Sie blieben an der Felswand stehen. Wäre es hier so hell gewesen wie draußen außer dem Bereiche des Schattens, den der Fels warf, so hätten sie die unmittelbar neben ihnen hinter den Büschen kauernden Dschelabi sehen müssen, denn die Sträucher waren nicht dicht und breit genug, einen Mann vollständig zu verbergen.

Schwarz befand sich dem verlassenen Lagerplatze am nächsten. Die Feinde waren nicht bis zu ihm herangekommen. Der Ungar, der am entgegengesetzten Ende kauerte, hatte sie gerade vor sich. Er hörte, daß der Schech sagte:

»So! Bis hieher habe ich euch geführt. Gleich um die Ecke rechts liegen sie im tiefen Schlafe; sie werden sterben ohne zu erwachen. Ich gehe jetzt zu meinen Männern, um ihnen zu sagen, daß der Augenblick gekommen ist.« Er entfernte sich, indem er einige Schritte zurückging, und verschwand an der Westseite des Felsens, an dessen Ostseite die Lagerstelle sich befand.

»Nun vorwärts!« gebot die Grabesstimme Abu el Mots. »Allah möge euern Messern sichern Stoß verleihen!«

Schwarz wollte natürlich warten, bis sie ihn erreicht hatten; aber der kleine Slowak fühlte sich von solcher Kampfeslust ergriffen, daß er den vorteilhaftesten Augenblick nicht erwartete.

»Rauwidschu – schnell, drauf!« rief er aus, indem er aufsprang. Sein Gewehr umkehrend, holte er aus und führte nach dem Nächststehenden einen so gewaltigen Kolbenhieb, daß der Getroffene sofort zusammenbrach und aber auch er selbst niederstürzte.

Die andern brachen auch hervor. Schwarz als der Entfernteste hatte wohl acht oder neun Schritte zurückzulegen, um an die Feinde zu kommen. Er hatte es auf Abu el Mot abgesehen gehabt, welche Absicht aber nun nicht auszuführen war.

Die Männer der Gum waren so erschrocken, daß sie sich für den ersten Augenblick nicht von der Stelle bewegten. Sie wären verloren gewesen, wenn der überhitzige Ungar nur noch drei oder vier Minuten gewartet hätte. So aber fanden sie Zeit, sich einigermaßen zu fassen, doch nicht hinreichend genug, ihre Waffen zu gebrauchen. Einige von ihnen empfingen die ihnen zugedachten Hiebe; andern gelang es, dieselben von sich abzuwehren.