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Die Juweleninsel

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»Sie ist falsch. Euer Bruder schlug sich mit dem Prinzen —«

»Ah – —«

»Auf Burg Himmelstein.«

»Wirklich? Warum dort?«

»Weil der Prinz es so wollte.«

»Wer siegte?«

»Ich weiß es nicht.«

»Und dann?«

»Verschwand Euer Bruder.«

»Nach Amerika?«

»Wie es allen Anschein hat.«

»Mit seiner – — mit Miß Ella?«

Der Bowie-Pater senkte den Kopf, so daß man das Spiel seiner Mienen nicht bemerken konnte, und erst nach einer Pause antwortete er mit einer hörbar belegten Stimme:

»Nein.«

»Nicht? Aber sie verschwand ja doch zu gleicher Zeit mit ihm.«

»Das ist richtig. Sie liebte die Person Eures Bruders und die glänzende Stellung des Prinzen zu gleicher Zeit. Sobald Euer Bruder in Folge des Ausganges des Duells zur Flucht gezwungen war und dadurch Alles verlor, was seine Zukunft gesichert hätte, wußte sie, daß sie für ihn verloren sei. Sie besaß nicht die Opferwilligkeit, ihm in die Ferne, in die Armuth zu folgen, sie blieb auf Burg Himmelstein bei dem Prinzen zurück.«

»Ah!« machte Fred verwundert. »Weiter, weiter!«

»Sie verlebte Tage, Wochen und Monate eines Rausches, der allerdings endlich einmal verfliegen mußte und sie zu einer Enttäuschung brachte, welche nicht größer und schlimmer sein konnte. Sie wüthete und tobte – der Prinz lachte; sie jammerte und weinte – der Prinz spottete; er ging auf neue Abenteuer aus, und sie ging auch, nämlich in das Kloster.«

»Nicht möglich! Sie, die Kunstreiterin, in das Kloster!«

»Ja. Wundert Ihr Euch darüber?«

»Sollte ich nicht?«

»Pah!«

Dieses Wort wurde in einem Tone ausgesprochen, welcher wohl verächtlich sein sollte, und doch klang es mehr wie der Schmerzensschrei eines tief gequälten und ungeheilten Herzens. Der Bowie-Pater legte das Gesicht in die beiden Hände und erhob es erst nach einer längeren Weile wieder. Es hatte jetzt ein erdfahles Aussehen und seine Augen funkelten in einer wilden unheimlichen Gluth.

»Denkt Ihr etwa, daß sie fromm geworden ist?« frug er beinahe höhnisch.

»Wenn sie in das Kloster gegangen ist – —«

»Pah; Ihr kennt die Klöster nicht! Sie blieb die Courtisane des Prinzen, trotzdem sie eine Nonne geworden war. Und als er nichts mehr von ihr wissen wollte, fand sie reichlichen Ersatz in den Herren Patres, welche heimlich das Frauenkloster besuchten, um die frommen Schwestern auf – den Weg zur Seligkeit zu bringen.«

Die Anderen lauschten gespannt den Worten, weiche zwischen den halb geschlossenen Lippen und knirschenden Zähnen hervorgestoßen wurden.

»Woher wißt Ihr das Alles?« frug Fred.

»Ich – — ich – — ich verkehrte damals oft in dem Kloster und lernte da manches kennen, von dem sich sonst nicht gleich jemand etwas träumen läßt. Ich kam mit ihr zu sprechen. Trotz ihrer Wildheit war sie zu der Erkenntniß gekommen, daß sie Unrecht gehandelt habe an Eurem Bruder. Sie forschte nach ihm und bekam zufälliger Weise die Briefe in die Hand, welche sein Diener von Amerika aus an den Prinzen geschrieben hatte. Sie versah mich mit den nöthigen Mitteln und sandte mich herüber, um nach ihm zu forschen.«

Fred machte eine Bewegung der Ueberraschung und richtete sich in halbe Lage empor.

»Ah! Habt Ihr eine Spur entdeckt?«

»Von Eurem Bruder noch nicht, aber von Georg Sander.«

»Wo?«

»Zunächst ging ich natürlich nach Lingston in Missouri. Dort hörte ich, daß er nach New-Orleans gegangen sei. Hier hatte er den zweiten Brief geschrieben. Ich folgte seiner Spur hinüber nach der Habanah. Von da war er nach Mexiko gegangen. Ich langte dort an und blieb immer auf seiner Fährte, die mich nach Texas und von da in die Prairien am Red River führte.«

»Habt Ihr ihn da gefunden?«

»Nein. Ich war immer hinter ihm her, Jahre lang, aber gesehen habe ich ihn nicht, bis ich endlich erst kürzlich zu der Ueberzeugung gekommen bin, daß er bei den Indianern Aufnahme gefunden haben müsse. Ich werde ihn treffen, das schwöre ich Euch, und dann wird er mir auch sagen müssen, wo Euer Bruder zu finden ist.«

Fred erhob sich jetzt vollständig.

»Und ich werde mit Euch gehen, so weit, als wie die Erde reicht. Wollt Ihr mich als Begleiter haben?«

Der Pater blickte ihm mit funkelnden Augen entgegen, meinte dann aber ernst und langsam:

»Ich möchte wohl gern, aber ich bin kein Mann für Euch.«

»Warum?«

Weil, weil – — pah, hier meine Hand. Schlagt ein; Ihr sollt mit mir gehen dürfen, doch nur unter einer Bedingung.«

»Welche ist es?«

»Ihr dürft niemals nach meiner Vergangenheit und nach meinen persönlichen Verhältnissen fragen.«

»Well, das verspreche ich Euch!«

»Abgemacht also! Geht Bill auch mit?«

»Natürlich!« antwortete dieser sofort. »Wo Fred ist, da bin ich auch, denn wo die Büchse des »Feuertod« blitzt, da muß auch Bill Holmers Flinte knallen.«

»Und Rimatta?«

Alle blickten den Häuptling an. Dieser ließ seine Augen langsam im Kreise herum schweifen und meinte dann:

»Der Häuptling der Apachen wird mit den Bleichgesichtern gehen, bis ihn seine rothen Brüder rufen. Er kennt alle Thiere und alle Männer des Waldes und der Prairie; er kennt vielleicht auch den Diener, den sie suchen.«

»Du?« frug der Bowie-Pater, indem er sich vor Ueberraschung erhob.

»Rimatta hat nicht gesagt, daß es dieser Mann wirklich ist, aber Rimatta kennt ein Bleichgesicht, welches schon lange Zeit bei den Hunden der Komanchen wohnt und mit ihnen die Apachen tödtet und bestiehlt.«

»Wo ist er? In dem Lager oder in dem Dorfe der Komanchen?«

»In ihrem Dorfe.«

»Und wo kam er her?«

»Aus dem Lande, welches der weiße Jäger vorher genannt hat.«

»Wie sieht er aus?«

»Er hat die Augen des Himmels und das Haar des Feuers.«

»Blaue Augen und rothes Haar? Das stimmt. Weiter! Hat Rimatta kein besonderes, kein auffälliges Kennzeichen an ihm bemerkt?«

»Das Bleichgesicht hat eine kleine Wunde an seiner Lippe.«

»Auch dies ist richtig; sie stammt von einer gut operirten Hasenscharte. Er ist es, und nun soll mich nichts abhalten, zu den Komanchen zu gehen. Weiß Rimatta, wo sich ihr festes Dorf befindet?«

»Er weiß es und wird seine weißen Brüder dorthin führen. Sie mögen doch einmal die Gefangenen fragen, welche wissen, wer das Bleichgesicht ist, das sich bei den Komanchen befindet.«

Der Bowie-Pater folgte diesem Rathe und wandte sich an die beiden Indianer, konnte aber nichts erfahren, da sie nicht zu bewegen waren, die erwünschte Mittheilung zu machen. Dadurch gerieth das Gespräch ins Stocken, bis es endlich ganz schwieg.

Die Nacht verging. Als der Tag sich zu lichten begann, erhob man sich, um die Spuren der Komanchen zu verfolgen. Diese führten immer an der rechten Seite des Rio Pekos hin bis an die Stelle, wo der Fluß zwischen die Berge der oberen Sierra Guadelupe tritt. Hier stiegen sie rechts in das Gebirge empor, dessen gegenseitigen Abhang man erst am andern Nachmittag erreichte. Am Abende war die Truppe bis zur offenen Prairie herabgestiegen, in deren Gras die Spur nun wieder leichter zu verfolgen war. Dies wurde jedoch bis zum nächsten Morgen aufgehoben. Die Transporteure der geraubten Nuggets hatten einen zu bedeutenden Vorsprung, als daß es hätte gelingen können, sie noch unterwegs zu erreichen. Es blieb also nichts übrig, als sich kühn mitten durch das Dorf der Komanchen zu wagen. In dem Besitze der beiden Gefangenen, welche ja ihr Versprechen gegeben hatten, war die Gefahr dieses Wagnisses jedenfalls nicht so groß, als es den Anschein hatte. Während des weiteren Rittes wurde wenig gesprochen; es hatte ein jeder mit seinen eigenen Gedanken zu thun, welche auf die nächste Zukunft gerichtet waren.

Um Mittag wurde eine kurze Rast gemacht, und gegen Abend tauchten am Horizonte mehrere dunkle Linien auf, welche bei genauer Betrachtung als Zeltreihen zu erkennen waren. Dies war das große Zeltdorf der Komanchen, welches man hier zum Zwecke der Büffeljagd errichtet hatte.

Rimatta war immer vorangeritten. Er parirte jetzt sein Pferd.

»Wollen meine weißen Brüder wirklich noch die Komanchen besuchen?« frug er. »Noch ist es jetzt Zeit zum Umkehren.«

»Wir kehren nicht um,« entschied der Bowie-Pater. »Fürchtet sich der Häuptling der Apachen, weil er eine solche Frage ausspricht?«

Das Auge des Apachen blitzte ihn zornig an:

»Hat der Indianertödter jemals vernommen, daß Rimatta sich gefürchtet hat? Die Söhne der Apachen haben das Kriegsbeil ausgegraben gegen die Hunde der Komanchen, jeder Apache, der in die Hände der Komanchen fällt, ist verloren, dennoch aber wird Rimatta nicht umkehren, sondern seine weißen Brüder begleiten.«

Dies war allerdings ein stolzes Wort und ein ebenso kühner Entschluß, da er unter allen Umständen von den Todfeinden seines Volkes weniger Rücksicht und Erbarmen finden mußte als die Jäger. Doch ist die wahre Kühnheit stets mit vorsichtiger Klugheit gepaart: er griff im Reiten nach dem Kalumet, brannte es an und reichte es, nachdem er einige Züge gethan hatte, den beiden Komanchen.

»Wollt Ihr nicht sterben, so trinkt mit mir den Rauch des Friedens!« gebot er ihnen.

Sie folgten seinem Befehle, dann fügte er hinzu:

»Reitet hin zu den Eurigen, kündet ihnen unsere Gegenwart an und sagt ihnen, daß wir Eure Gäste sind!«

Sie sprengten davon, auf das Lager zu; die Jäger aber saßen ab und nahmen auf dem Boden Platz.

Sie brauchten gar nicht lange auf den Erfolg dieser Anmeldung zu warten, denn sehr bald kam ein zahlreicher Reitertrupp auf sie zu, welcher sich auflöste und einen Kreis bildete, in den sie eingeschlossen wurden. Dieser Kreis wurde dann plötzlich verengt, indem die Komanchen im Galopp und unter Heulen und Waffenschwenken auf sie von allen Seiten zukamen, daß es schien, als ob sie niedergeritten werden sollten. Eine Gruppe von vier Häuptlingen sprengte wirklich ventre-à-terre auf sie zu und setzte über sie hinweg. Die Jäger blieben dabei ruhig sitzen und bewegten den Kopf um keines Haares Breite nach der rechten oder linken Seite.

 

Jetzt stiegen die vier Häuptlinge ab, traten herzu, und der Aelteste von ihnen nahm das Wort:

»Warum erheben sich die weißen Männer nicht, wenn die Häuptlinge der Komanchen zu ihnen treten?«

Der Bowie-Pater übernahm es, die Antwort zu ertheilen:

»Wir wollen Euch damit sagen, daß Ihr uns willkommen seid und hier an unserer Seite Platz nehmen sollt.«

»Die Häuptlinge der Komanchen setzen sich nur an die Seite von Häuptlingen. Wer ist Euer Anführer, und wo sind Eure Wigwams und Eure Krieger?«

»Die weißen Männer haben keine Wigwams, sondern große steinerne Städte, in denen viele tausende von Kriegem wohnen. Meine rothen Brüder können sich ohne Sorge zu uns setzen, denn jeder von uns ist ein Häuptling.«

»Wie sind die Namen dieser Häuptlinge?«

Der Frager kannte die Namen bereits, denn die beiden Komanchen hatten sie ihm jedenfalls schon gesagt. Es war kein gutes Zeichen für die Jäger, daß er sich verstellte. Besonders auffallen mußten die finstern Blicke, welche von den Wilden auf Rimatta und den Pater geworfen wurden.

»Ich werde Euch unsere Namen sagen,« antwortete der Gefragte. »Dieser große Mann heißt Bill Holmers —«

»Holmers?« unterbrach ihn der Komanche, ganz gegen die sonstige Gewohnheit der Indianer. »Ich kenne diesen Namen. Der weiße Mann ist ein Feind der Indianer, aber er ist kein böser Mensch.«

»Dieser junge Mann wird von den rothen Kriegern Feuertod genannt.«

»Auch seinen Namen kenne ich; er ist unser Feind, aber er tödtet die rothen Männer nur dann, wenn er dazu gezwungen ist.«

»Auch meinen Namen kennst Du. Man nennt mich Bowie-Pater, den Indianertödter.«

»So nennt man Dich; aber Du wirst keinen rothen Mann mehr tödten.«

»Ah? In wiefern?«

»Du wirst selbst sterben.«

»Ah! Weißt Du das so sicher?«

»Du wirst sterben von der Hand der Komanchen. Wer ist dieser rothe Mann?«

»Es ist Rimatta, der Häuptling der Apachen.«

»Er ist ein Hund, der bald verenden wird. Der Geier wird ihm die Augen aushacken, und sein Fleisch soll von den Wölfen wie Aas gefressen werden.«

»Auch das weißt Du so genau?«

»Ihr werdet heute noch sterben am Marterpfahle.«

»Wir? Die Gäste der Komanchen?«

»Ihr seid nicht unsere Gäste!«

»Wir sind es. Wir haben Eure jungen Häuptlinge nicht getödtet, sondern ihnen das Leben gelassen, und sie haben uns ihr Wort gegeben, daß wir friedlich einkehren dürfen in die Hütten der Komanchen.«

»Sie werden Euch ihr Wort halten; aber es wäre ihnen besser gewesen, wenn Ihr sie getödtet hättet. Ein tapferer Krieger stirbt lieber, als daß er sich von seinem Feinde das Leben schenken läßt. Ihr seid ihre Gäste und steht unter ihrem Schutze. Wir Andern aber haben Euch nichts versprochen, und darum werden wir Euch Eure Skalpe nehmen. Erhebt Euch und kommt in die Zelte Eurer Beschützer!«

Die Weißen sahen einander fragend an, Rimatta aber erhob sich ohne Zögern. Er hatte Recht. Sie waren von einer solchen Menge von Komanchen umgeben, daß es kein Entrinnen gab. Sie hatten sich in die Höhle des Löwen gewagt und mußten nun das Weitere abwarten. Man stieg zu Pferde; die Gefangenen wurden von den Wilden in die Mitte genommen, und fort ging es in sausendem Galoppe auf das Lagerdorf zu, in dasselbe hinein und zwischen den Zeltreihen hinauf; bis vor einem Zelte angehalten wurde.

Die Indianer stiegen ab und der alte Häuptling gebot:

»Die weißen Männer mögen hier eintreten!«

»Wem gehört diese Wohnung?« frug der Pater.

»Sie gehört Denen, welche Euch zu schützen haben. Gebt Eure Waffen ab!«

»Ein weißer Jäger trennt sich von seinen Waffen erst dann, wenn er gestorben ist.«

»Wissen die weißen Männer nicht, daß ein Gefangener keine Waffen haben darf?«

»Wir sind Gäste, aber keine Gefangenen.«

»Ihr seid Beides. Gebt die Waffen her!«

Da erhob Rimatta die Hand zum Zeichen, daß er sprechen wolle. Es war das erste Mal, daß er seit der Begegnung mit den Indianern den Mund öffnete.

»Die Söhne der Komanchen verlangen unsere Waffen, weil sie sich vor uns fürchten. Ihr Herz ist feig, und ihr Muth ist wie der des Prairiehuhnes, welches flieht vor jedem Tone, der sich hören läßt!«

Das war ebenso stolz wie schlau gesprochen, denn der Erfolg zeigte sich sofort. Der alte Häuptling maß ihn mit zornigem Auge und antwortete:

»Der Pimo[46] ist häßlich wie die Kröte des Sumpfes. Seine Zunge spricht die Lüge, und von seiner Lippe fließt die trübe Pfütze der Falschheit. Es gibt weder Mensch noch Thier, welches der Komanche fürchten möchte. Tretet ein in dieses Zelt und behaltet Eure Waffen!«

Jetzt erst stiegen die Jäger ab, banden ihre Pferde an und traten ein.

Das Zelt war ganz von der Art, wie man sie auch bei den nördlicher wohnenden Indianern findet. Die Arbeit ihrer Errichtung wird nur von den Frauen besorgt, wie denn der Indianer keine andere Beschäftigung kennt als den Krieg, die Jagd und den Fischfang. Alles Uebrige bleibt den Schultern der Frauen aufgebürdet.

Das Zelt war vollständig leer; es hatte Platz für die ganze Gesellschaft.

»Da sind wir!« meinte Holmers. »Wie wir aber fortkommen, das ist eine andere Frage.«

»Werden wohl sehen!« antwortet der Bowie-Pater einsilbig.

»Es kommt darauf an, ob man uns als Gäste oder als Gefangene betrachtet. Im letzteren Falle ist es um uns geschehen.«

»Wir werden Gefangene sein,« meinte Rimatta.

»Ist dies die feste Ansicht meines Bruders?«

»Sie ist es.«

»Und warum denkt er so?«

»Weil der Indianertödter und Rimatta zugegen sind. Wären es nur meine andern Brüder, so würden sie vielleicht Gäste sein, diese Beiden aber werden die Komanchen niemals gehen lassen wollen.«

»Glaubt Rimatta, daß wir verloren sind?«

»Der Häuptling der Apachen ist noch niemals verloren gewesen.«

»Was müssen wir thun, um uns zu retten?«

»Meine Brüder mögen ganz dasselbe thun, was Rimatta thun wird.«

»Was?«

»Mit den Komanchen das Kalumet rauchen.«

»Ah! Sie werden es nicht.«

»Sie werden es!«

»Ich glaube nicht, daß sie uns die Pfeife des Friedens geben werden.«

»Sie werden sie uns nicht geben.«

»Und dennoch sagest Du, daß wir sie mit ihnen rauchen werden.«

»Ich sage es. Wenn sie uns die Pfeife des Friedens nicht geben wollen, so werden wir sie uns nehmen.«

»Ah!« rief der Pater erstaunt. »Ein köstlicher Gedanke! Aber wird dann das Rauchen auch Geltung haben?«

»Es wird gelten. Rimatta wird die Pfeife rauben, und meine Brüder müssen dann sehr schnell jeder einen Zug thun, ehe sie uns wieder entrissen werden kann.«

»Werden wir auch den Weißen sehen, welchen wir suchen?«

»Wenn er zugegen ist, werden wir ihn sehen. Rimatta wird es so einrichten, daß er sich nicht verbergen kann.«

Damit war die Unterredung zu Ende. Die Jäger schwiegen. Ihr Zelt war von Wächtern umgeben, und es lag ja die Möglichkeit vor, daß sie belauscht wurden. Nach einiger Zeit öffnete sich der Eingang, und es erschien einer der beiden Häuptlingssöhne.

»Meine Brüder sind in großer Gefahr,« begann er.

»Wie können wir in Gefahr sein, wenn wir uns unter Deinem Schutze befinden?« frug der Pater.

»Das Leben meiner Brüder ist sicher, so lange sie sich in meinem Zelte befinden. Sobald sie es aber verlassen, ist meine Bürgschaft zu Ende.«

»Was hat man mit uns vor?«

»Man wird die weißen Männer und den Häuptling der Apachen tödten, nachdem sie am Marterpfahle gestanden haben.«

»Gibt es kein Mittel uns zu retten?«

»Es gibt eines.«

»Welches?«

»Meine Brüder müssen Komanchen werden und sich ein jeder eine Tochter der Komanchen zum Weibe nehmen.«

»Den Teufel werde ich!« antwortete Holmers. »Habe kein weißes Weib leiden mögen, viel weniger eine Kupferhaut. Damit erkaufe ich mir weder meine Freiheit noch mein Leben.«

»So sind meine Brüder verloren!«

»Ist das Bleichgesicht, von welchem wir bereits gesprochen haben, unter den Komanchen zu finden?« frug Waltny.

»Es ist da.«

»Werden wir mit ihm sprechen können?«

»Ich weiß es nicht. Aber sehen werden sie ihn.«

»Wo?«

»Das Bleichgesicht gehört mit zu den Häuptlingen der Komanchen; er wird sitzen mit den andern in dem Kreise der Berathung, wenn über das Schicksal meiner Brüder gesprochen wird. Also, die Bleichgesichter sind nicht bereit in den Stamm der Komanchen einzutreten um sich das Leben zu retten?«

»Nein.«

»So ist Alles für sie verloren, und ich kann nichts weiter für sie thun.«

Er entfernte sich wieder. Nach Verlauf von vielleicht einer Stunde trat ein finster blickender Indianer ein.

»Die weißen Männer und der Apache mögen mir folgen!« befahl er.

Sie steckten ihre Waffen zu sich und schritten hinter ihm her die Zeltgasse entlang bis vor das Lager. Dort hatten sich alle Krieger versammelt. Sie bildeten einen großen Kreis, in dessen Mittelpunkte die Häuptlinge Platz genommen hatten. Das Berathungsfeuer brannte, und das reich mit Perlen und Federn verzierte Kalumet lag zum Gebrauche bereit. Seitwärts von der Gruppe waren mehrere Pfähle in die Erde getrieben, ein sicheres Zeichen, daß die Gesinnung der Komanchen eine solche war, von der sich für die Jäger nichts Gutes erwarten ließ.

Zwischen den Häuptlingen saß ein Mann, dessen helle Farbe ihn von seiner Umgebung unterschied. Er war ein Weißer, trug sich aber vollständig so wie ein Indianer. Sogar einen langen Haarschopf hatte er sich stehen lassen, um durch ihn, der mit Adlerfedern durchflochten war, zu beweisen, daß er nicht unter die gewöhnlichen Krieger gerechnet werden dürfe.

Als die Gefangenen nahten, ergriff der alte Häuptling die Pfeife, steckte sie in Brand und führte das Rohr zum Munde. Er that sechs Züge, blies den Dampf nach Nord, Süd, Ost und West, dann gerade empor zum Himmel und abwärts zur Erde, und gab sie dann seinem Nebenmanne, welcher nur einen einzigen Zug zu thun hatte. Von diesem ging die Pfeife weiter. Der Vierte wollte sie eben dem Fünften geben, als Rimatta mit einem raschen Schritte hinzutrat und sie ihm entriß.

Das war eine That, die Niemand für möglich gehalten hatte, die auch noch niemals vorgekommen war. Die Indianer saßen starr von Erstaunen und geriethen erst dann in Bewegung, als es bereits zu spät geworden war. Rimatta hatte sofort die Pfeife weiter gegeben; sie war unter den Weißen herumgegangen und befand sich schon wieder in der Hand des Apachen, als der Häuptling sich wüthend erhob.

»Hund, was hast Du gethan!« schnob er Rimatta entgegen. Dieser that ruhig noch einen Zug aus dem Kalumet und antwortete:

»Seit wann ist es unter den rothen Männern Sitte, ihre Freunde und Brüder Hunde zu nennen? Oder bedeutet dieses Wort bei den Söhnen der Komanchen eine Höflichkeit?«

»Bist Du unser Freund und Bruder?«

Wir sind Eure Brüder und Eure Gäste, denn wir haben mit Euch aus dem Kalumet geraucht, welches vom heiligen Thone gefertigt wurde.«

»Ihr habt uns das Kalumet entrissen.«

»Das ist wahr; Rimatta sagt niemals eine Lüge. Aber es bleibt dennoch wahr, daß wir mit Euch die Pfeife des Friedens geraucht haben.«

»Dies gilt nichts; denn wir haben sie Euch nicht angeboten.«

»Wenn Rimatta jetzt seinen Tomahawk nimmt, um mit Dir zu kämpfen, so bist Du tapfer und lässest den Kampf gelten, trotzdem Du mir denselben nicht angeboten hast. Ihr habt uns Eure Gastfreundschaft nicht angeboten, wir haben sie uns geraubt; aber wir besitzen sie ebenso sicher, als wenn wir sie freiwillig erhalten hätten. Der große Geist sieht Alles, hört Alles; er wird sehen, ob die Krieger der Komanchen den Muth haben, sich an den Gesetzen der Pfeife des Friedens zu versündigen. Ich habe gesprochen!«

Der Komanche hatte der Beweisführung mit ganz verblüffter Miene zugehört. Er schwieg noch eine ganze Weile, dann meinte er, sich setzend:

»Die Häuptlinge der Komanchen werden über diesen Fall berathen. Tretet auf die Seite; wir werden Euch unsern Entschluß zu wissen thun!«

Die Weißen folgten diesem Gebote. Sie sahen, daß die Berathung eine ziemlich stürmische war, wie die lebhaften Gestikulationen der Apachen [Komanchen] bewiesen, und es verging ,wohl eine halbe Stunde, ehe sie zu Ende war. Dann winkte ihnen der Häuptling näher zu treten. Er erhob sich und gab das Zeichen, daß er sprechen werde.

 

»Die weißen Männer und der Apache mögen hören, denn die Häuptlinge der Komanchen werden sprechen.«

Nach dieser einleitenden Aufforderung begann er seine Rede:

»Es sind nun viele Sonnen her, da wohnten die rothen Männer ganz allein auf der Erde zwischen den beiden großen Wassern. Sie bauten Städte, sie pflanzten Bäume, sie jagten das Elenn, den Bär und den Bison. Ihnen gehörte der Sonnenschein und der Regen; ihnen gehörten die Flüsse und die Seen; ihnen gehörte der Wald, das Gebirge, die Thäler und alle Savannen des weiten Landes. Sie hatten ihre Brüder und Söhne, ihre Frauen und Töchter und waren glücklich. Da kamen die Bleichgesichter, deren Farbe ist wie der Schnee des Winters, deren Herz aber ist wie der Ruß, welcher aus dem Rauche fliegt. Es waren ihrer nur Wenige, und die rothen Männer nahmen sie auf in ihre Wigwams. Doch sie brachten mit die Feuerwaffe und das Feuerwasser; sie brachten mit andere Götter und andere Priester; sie brachten mit die Lüge und den Verrath, viele Krankheiten und den Tod. Es kamen immer mehr von ihnen über das große Wasser herüber; ihre Zungen waren falsch und ihre Messer spitz, die rothen Männer waren gut; sie glaubten ihnen und wurden betrogen. Sie mußten hergeben das Land, in welchem die Gräber ihrer Väter lagen; sie wurden mit List und Gewalt verdrängt aus ihren Wigwams und ihren Jagdgebieten, und wenn sie sich wehrten, so tödtete man sie. Um sie leichter zu besiegen, säeten die Bleichgesichter Zwietracht unter sie; die rothen Stämme wurden entzweit; sie begannen sich nun auch unter einander zu bekämpfen; sie müssen nun sterben wie die Koyoten in der Wüste. Fluch den Weißen; Fluch ihnen, so viele Sterne am Himmel sind und Blätter auf den Bäumen des Waldes!«

Er holte jetzt Athem und fuhr dann fort:

»Heut sind Bleichgesichter in die Wgwarns der Komanchen gekommen. Sie haben die Farbe der Lügner und die Sprache der Verräther. Sie haben einen rothen Mann bethört, mit ihnen zu gehen und ihr Bruder zu sein, den Häuptling der Apachen; er hat den Tod verdient, er und sie mit ihnen. Wir hätten sie langsam am Marterpfahle getödtet, um uns an ihren Qualen zu weiden und über das Geschrei ihrer Schmerzen zu lachen; aber es ist ihnen gelungen, den Rauch unseres Kalumets zu trinken, und so haben die Häuptlinge der Komanchen beschlossen, die Pfeife des Friedens zu ehren und ihnen Platz am Lagerfeuer zu geben, bis ihr Schicksal sich weiter entschieden hat. Ich habe gesprochen; meine Brüder mögen auch sprechen!«

Er setzte sich. Eigentlich wäre es hiermit genug gewesen; aber so schweigsam der Indianer sonst ist, die Gelegenheit eine Rede zu halten läßt er sich sicher nicht entgehen. Es gibt unter den Indianern Häuptlinge, die wegen ihrer Rednertalente weithin berühmt sind und ganz mit derselben rhetorischen Geschicklichkeit zu Werke gehen, wie die großen Redner der zivilisirten Staaten alter und neuer Zeit. Ihre blumenund bilderreiche Sprache erinnert sehr an die Ausdrucksweise des Orientes.

Nach ihm erhoben sich die andern Häuptlinge einer nach dem andern, um in ihren Reden ganz dasselbe zu sagen, was bereits er gesagt hatte. Als der letzte geendet hatte, nahm der Bowie-Pater das Wort.

»Ich habe gehört, daß meine rothen Brüder an einen großen Geist glauben. Sie thun recht daran, denn ihr Manitou ist auch unser Manitou. Er ist der Herr des Himmels und der Erde, der Vater aller Völker; er will, daß alle Menschen ihn verehren sollen. Meine rothen Brüder aber verehren ihn auf eine falsche Weise, und ich bin über das große Wasser herübergekommen, um sie die richtige Weise zu lehren. Das haben mir viele rothe Männer übel genommen; sie haben mir nach dem Leben getrachtet, und ich mußte mich vertheidigen. Auf diese Weise bin ich der Indianertödter geworden. Aber ich kämpfe Auge in Auge mit meinen Feinden, ich habe niemals einen rothen Mann hinterrücks getödtet, und ich würde stets ein Freund der Komanchen gewesen sein, wenn sie sich nicht zu meinen Todfeinden gemacht hätten.«

Er hielt inne und blickte den Häuptling an. Dieser frug:

»Was haben sie gethan, daß sie Deine Todfeinde geworden sind?«

»Das will ich Dir und ihnen sagen. Da drüben über dem großen Wasser wohnte ein Mann, dessen Mund giftiger war als der Mund der Schlange; er war ein Lügner und Betrüger, ein Mörder; er mußte fliehen und ging über das Wasser herüber in dieses Land. Ich ging ihm nach, um ihn zu fassen, und hörte, daß die Söhne der Komanchen ihn bei sich aufgenommen hätten. Mußte ich nicht ein Feind der Komanchen werden?«

»Wer ist dieser Mann? Wir haben keinen weißen Lügner bei uns aufgenommen.«

»Sehe ich nicht ein Bleichgesicht in Eurer Mitte?«

»Dieses Bleichgesicht ist nicht über das Wasser herübergekommen.«

»Aus welchem Lande stammt dieser lichte Häuptling?«

»Aus dem Lande, welches gegen Mittag liegt. Er stieg von dem Gebirge herab, um den Komanchen viele gute Dinge zu zeigen.«

»Er hat Euch belogen!«

Der Betreffende fuhr mit der Hand nach seinem Tomahawk, sprach aber, da der Alte die Unterredung führte, kein Wort.

»So meinest Du, daß es Derjenige ist, den Du suchest?«

»Er ist es!«

»Du irrst!«

»Ich irre nicht. Erlaube, daß ich mit ihm selber rede!«

»Ich erlaube es.«

Jetzt wandte sich der Bowie-Pater direkt an den Weißen.

»Wie ist Dein Name unter diesen Leuten?«

»Mußt Du ihn wissen?«

»Muß man nicht den Namen wissen, wenn man mit einem Manne reden will?«

»Ich heiße Rikarroh.«

»Und wie nannte man Dich früher, ehe Du zu den Komanchen kamst?«

»Diese Frage ist sehr überflüssig.«

»Sie ist nicht überflüssig, sondern sie gehört ganz und gar zur Sache.«

»Ich bin zu den Kriegern der Komanchen gegangen, um die Welt zu vergessen. Mein Name lebt nicht mehr, er ist verschwunden; ich sage ihn nicht.«

»Weder Du bist vergessen, noch Dein Name. Verschwunden? ja, verschwunden warest Du, aber ich habe Dich wiedergefunden, und wenn es Dir gefällt, Deinen Namen zu verschweigen, so werde ich ihn Dir nennen.«

Der Mann verfärbte sich.

»Sage ihn!«

»Du heißt Georg, Georg Sander!«

Das Auge des jetzigen Indianers blitzte erschrocken auf. Er antwortete:

»Georg Sander? Ich habe einen ähnlichen Namen nie gehört.«

»Nie?« lachte der Pater. »Hast Du auch nie den Namen Walmy gehört?«

»Nein.«

»Theodor von Walmy?«

»Nein.«

»Auch nicht den Namen des tollen Prinzen? Des Prinzen von Süderland?«

»Nein!«

»Hast Du auch nie gehört von einer Miß Ella, einer Dame, die in einem Cirkus arbeitete und dann ohne Spur verschwunden ist?«

»Nie.«

»Hm! Rikarroh, Du bist ein großer Lügner; Du hast sie alle gekannt.«

Der Beschuldigte erhob sich und griff zum Tomahawk.

»Mann, nenne mich nicht zum zweiten Male einen Lügner, wenn Du nicht willst, daß ich Dir augenblicklich den Schädel zerschmettere. Wie kannst Du es wagen, in dieser Weise mit einem tapfern Häuptling der Komanchen zu reden, dem noch kein Mensch ein solches Wort in das Gesicht gesagt hat?«

»Wagen? Pah! Ich bin der Bowie-Pater, und den kennt Ihr Alle. Dein Tomahawk thut mir nicht mehr als der Stachel einer Mücke, und damit Du siehst, daß ich mich nicht fürchte, nenne ich Dich nochmals einen Lügner!«

»Hund!«

»Lügner! Du bist Georg Sander! Wir kennen Dich. Siehe Dir einmal diesen Jäger an und sage, ob seine Züge Dir nicht bekannt vorkommen.«

Der Indianer machte eine Bewegung der Geringschätzung und meinte:

»Er ist ein Jäger wie so viele Andere, ich kenne ihn nicht; ich habe ihn niemals gesehen.«

»Und dennoch kennst Du ihn, dennoch hast Du ihn sehr oft gesehen, denn es ist Friedrich von Walmy, der Bruder Deines früheren Herrn.«

Weder flog ein Blitz des Erschreckens über das Angesicht des Indianders.

»Du lügst!«

»Mensch, sage mir dies noch einmal, so schieße ich Dich nieder wie einen Hund. Du mußt dieses Wort anhören, ich aber leide es nicht, denn ich lüge nicht!«

Jetzt trat Fred hart an den jetzigen Wilden heran.

»Kennst Du diesen Brief?«

Er hielt ihm jenes Schreiben vor das Gesicht, welches er am Abend nach dem Kampfe mit den Komanchen dem Bowie-Pater gezeigt hatte. Der Mann warf einen Blick darauf, schüttelte seinen Kopf und antwortete:

»Ich kenne es nicht. Das hat ja ein gewisser Theodor von Walmy geschrieben, wie aus der Unterschrift zu sehen ist. Laßt mich in Ruhe!«

»Du kennst es, denn Du hast es geschrieben, Du hast es gefälscht, Schurke!«

Nun trat auch der Bowle-Pater noch näher.

»Vielleicht kennst Du aber diese beiden Briefe, welche mit Georg Sander unterschrieben sind. Willst Du sie einmal ansehen, mein lieber Schatz?«

Er hielt sie ihm entgegen; der Mann wollte nach ihnen langen, sofort aber zog sie der Pater zurück und hielt sie außer dem Bereiche seiner Arme in die Höhe, so daß er sie zwar lesen aber nicht ergreifen konnte.

46Spitzname für Apache.