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Der blaurote Methusalem

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Das Gebäck sah höchst appetitlich aus und war in acht gleich große Teile geschnitten. Wieder wurden die Lampen verhängt, dieses Mal für längere Zeit, denn selbst ein Geist bedarf mehr Frist, ein Stück Kuchen zu essen als um einen Schluck Branntwein zu nehmen.

Als dann die Laternen wieder enthüllt wurden, staunten alle. Der Geist hatte sich nicht nur mit einem Achtel begnügt, sondern den ganzen Kuchen verzehrt. Er war jedenfalls aus sehr weiten Regionen herabgestiegen, da er einen so großen Hunger hatte. Am meisten erstaunt war der Priester selbst. Seine Augen waren ganz erschrocken auf den Teller gerichtet, auf welchem der Kuchen gelegen hatte. Er wußte nicht, was er denken sollte. Der Zopf wollte ihm vor Schreck zu Berge steigen. Er hatte gemeint, einen Hokuspokus zu begehen. Sollte es doch in Wirklichkeit Geister geben? Sollte das Kong-pit kein Betrug sein? Sollte in Wahrheit dort auf dem scheinbar leeren Sessel ein Geist sitzen, der in so kurzer Zeit die übrigen sieben Achtel verschlungen hatte? Denn das eine Achtel hatte er, der Priester, im Schutze der Finsternis zu sich genommen.

Sein Auftreten war von jetzt an wenig sicherer als vorher. Die Hauptfragen waren beantwortet, und nun wurde es den Matrosen erlaubt, sich mit etwaigen Erkundigungen an den Geist zu wenden. Die abergläubischen Leute machten davon reichlichen Gebrauch. Das war den Offizieren lieb, da sie durch die Aussprüche des Orakels eine gewisse Macht über diese sonst schwer lenkbaren Menschen gewannen.

Der Geist gab auch jetzt so vortreffliche Antworten, daß der Priester ihn bat, die Gnade zu haben, noch einen Schluck zu trinken. Sobald die Laternen verdunkelt worden waren, schlich der betrügerische Geisterbanner sich herbei, um nach dem Kruge zu greifen und einen tüchtigen Schluck zu thun. Wie erschrak er aber, als seine Hand die Stelle leer fand, auf welcher derselbe soeben noch gestanden hatte. Fast hätte er laut aufgeschrieen. Es war also doch ein Geist vorhanden, welcher Kuchen aß und Sam-chu trank. Welch ein Triumph, wenn man das den Leuten zeigen konnte! Welch ein Anblick, einen in der Luft schwebenden Krug zu sehen, ohne aber den Trinkenden erblicken zu können! Er gab sofort den Befehl, die Hüllen von den Lampen zu entfernen. Als das geschah – — – stand der Krug wieder auf seinem Platze, aber vollständig leer. Er war ausgetrunken worden. Der Geist mußte ebenso durstig wie hungrig sein. Der Priester machte ein ganz unbeschreibliches Gesicht. Richard Stein aber, welcher neben dem Mijnheer saß, flüsterte diesem zu:

»Was soll man denken? Ich habe es wirklich trinken hören.«

»Zoo?« lächelte der Dicke. »Ik kan‘t niet gelooven – so? Ich kann es nicht glauben!«

»O doch! Ich hörte es so glucksen und schlürfen, wie wenn jemand recht hastig trinkt, um schnell fertig zu werden.«

»Zoo is de dorst zeer groot geweest – so ist der Durst sehr groß gewesen!«

Was den Priester und die Offiziere, welche den Schwindel des Kong-pit kannten, in Schrecken versetzte, das erregte den Jubel der Mannschaften, die nun überzeugt waren, daß ein Geist vorhanden sei, und zwar ein sehr vornehmer, der sich nicht mit einem Schluck Reiswein und einem Stück Kuchen abspeisen lasse. Der Geistercitierer faßte sich notgedrungenermaßen und fragte nun die Gäste, ob auch sie vielleicht wünschten, eine Frage an den Geist zu richten. Der Methusalem hatte sich bereits vorgenommen, darum zu bitten, und ging also schnell auf diesen Vorschlag ein. Er ließ die Frage aufschreiben, ob er und seine Gefährten den Zweck ihrer Reise erreichen würden. Als dann der Geist mit Hilfe des Mediums die Antwort in den Sand geschrieben hatte, trat Degenfeld hinzu, um die Antwort selbst zu lesen. Er geriet in das höchste Erstaunen, denn sie lautete:

»Ja. Ihr werdet den reichen Oheim finden, auch die Frau mit den Kindern, und der Holländer wird ein großes Geschäft kaufen.«

Der Methusalem übersetzte seinen Kameraden diese Antwort ins Deutsche, was ihre höchste Verwunderung zur Folge hatte. Es war klar: Der Geist kannte ihr Vorhaben, welches sie so geheim gehalten hatten! Die Genugthuung über ihre sichtbare Betroffenheit war bei dem Priester so groß, daß er die in ihm aufgetauchten Bedenken bezüglich des Geistes ganz vergaß und denselben höflichst aufforderte, den Anwesenden die Ehre zu erweisen, ein Stück Braten zu sich zu nehmen.

Dieser Braten war natürlich kalt geworden. Die sieben oder acht großen Stücke, welche auf dem Teller lagen, sahen recht einladend aus, fast wie recht knusperiger Kalbsbraten. Natürlich wurden die Lichter wieder verhüllt, und der Priester schlüpfte herbei, um heimlich zuzulangen. Da er aber der Sache nicht traute und in Erwartung dessen, daß er als Stellvertreter des Geistes werde tüchtig essen müssen, am Tage gar nichts zu sich genommen hatte, nahm er zwei Stücke weg, um nicht ganz schlecht wegzukommen, falls der Geist nochmals selbst auch zulangen werde.

Diese zwei Stücke verzehrte er mit großem Appetite und gebot dann, die Laternen wieder zu enthüllen. Kaum fiel der Schein derselben auf den Tisch, so konnte man sehen, daß der Teller vollständig geleert sei.

Dem Priester wurde es angst und bange, zumal er die bedenklichen Blicke bemerkte, welche die in seine Kunstgriffe eingeweihten Offiziere auf ihn warfen. Diejenigen Stücke, welche der Geist übrig zu lassen pflegte, waren stets für sie bestimmt. Jetzt mußten sie natürlich meinen, daß sie von dem Medium übervorteilt worden seien; sie mußten annehmen, daß der Priester das Fehlende zu sich gesteckt habe, um es später zu verzehren.

»Alle Wetter!« sagte der Methusalem halblaut. »Dieser Geist eines Vizekönigs muß wirklich seit über viertausend Jahren gehungert und gedurstet haben. Er ißt und trinkt ja wie ein deutscher Bauernknecht beim Dreschen!«

»Kann mich leid thun, der arme, liebe Nante!« meinte Gottfried von Bouillon. »Bei sonne jesegnete Mahlzeit muß sein Magen platzen, und dann ist es mit seine jute Konstitution vorüber. Wenn er sich mit so einer jrassen Indijestion wieder alleine hinauf in die Wolken findet, so soll man mir jetrost Jottfried von Oleum nennen anstatt von Bouillon!«

»Ich hörte ihn essen,« bemerkte Richard. »Das Schnalzen und Schmatzen war ganz deutlich.«

»Zoo?« fragte der Dicke. »Heeft hij gesnaalzen en smaazt?«

»Ganz deutlich. Es war so nahe, als ob Sie es seien.«

Um aus seiner Verlegenheit zu kommen, forderte der Priester nun auch die Offiziere auf, ihre Fragen vorzubringen. Sie lehnten es ab, und so sah er sich veranlaßt, den Geist zu verabschieden. Er schrieb eine höfliche Danksagung auf einen Zettel und verbrannte denselben. Der Geist aber besaß nicht weniger guten Ton, denn er fuhr in den Priester und zwang ihn, mit Hilfe des Pinsels in den Sand zu schreiben.

»Meine Herren, ich war sehr erfreut, Sie kennen zu lernen und danke Ihnen innigst für die Gaben, mit denen Sie mich beglückt und gestärkt haben. Ich muß nun schleunigst fort, denn es warten noch viele andere auf meine Hilfe, und so ersuche ich Sie, mich gefälligst nach der Treppe zu geleiten.«

Nachdem diese Abschiedsworte vorgelesen worden waren, wurde denselben Folge geleistet. jeder der Anwesenden bekam ein brennendes, gelbes Papier in die Hand, und dann wurde ein Zug gebildet, um dem Geiste das Ehrengeleit nach der Schiffsleiter zu geben. Er ging wieder so, wie er gekommen war, nämlich zwischen dem Kapitän und dem Steuermanne, und obgleich er nicht zu sehen war, verbeugten sich doch alle unaufhörlich, bis er das Schiff verlassen hatte.

Die Deutschen waren auf ihren Plätzen geblieben. Es fiel ihnen nicht ein, den Hokuspokus mitzumachen und dadurch die Meinung zu erwecken, als ob sie demselben Glauben schenkten. Einiges daran war ihnen freilich unverständlich.

»Ein tüchtiger Esser und Trinker war dieser Jeist,« meinte Gottfried. »Er muß sehr lange jefastet haben.«

»Unsinn!« sagte Turnerstick. »Der Priester hat alles getrunken und gegessen.«

»Dieser dürre, kleine Kerl? Dat will mich nicht in den Kopf. Ich habe von hier aus jerochen, dat der Branntwein nicht janz ohne war. Er duftete wie neunzigjrädiger Spiritus. Und so ein Topf voll? Nein, dat ist der Priester nicht jewesen.«

»Ik ben‘t geweest,« erklärte da der Dicke. »Ik heb den Brandewijn dronken.«

»Sie?« fragte der Methusalem erstaunt. »Sie haben ihm den Krug wegstibitzt?«

»Ja.«

»Und ihn vollständig geleert?«

»Ja; hij was dook zeer klein en de Brandewijn zwak – ja, er war doch sehr klein und der Branntwein schwach.«

»Da geht mir freilich ein Licht auf! Dann haben Sie wohl auch den ganzen Kuchen gegessen?«

»Ik heb hij opefreten – ich habe ihn aufgefressen.«

»Und das viele Fleisch?«

»Heb ik ook opefreten – habe ich auch aufgefressen.«

»Aber Sie haben doch vorher im Hotel so reichlich gespeist! Wie ist es Ihnen denn da zu Mute? Wie befinden Sie sich da?«

»Zeer wel, allerbest; ik heb den koek zeer gaarne en ook het vlesch – sehr wohl, vortrefflich; ich habe den Kuchen sehr gern und auch das Fleisch.«

»Nun, dann brate nicht mir, sondern Ihnen einer einen Storch! Ich glaube, Sie würden auch diesen verzehren!«

»Een ooijevaar? Waarom niet, als hij goed gebraden is – einen Storch? Warum nicht, wenn er gut gebraten ist?«

Er sagte das mit einem solchen Ernste und so unbefangen, daß die anderen ein lautes Gelächter aufschlugen. Soeben kehrten die Chinesen von der Begleitung des Geistes zurück. Die Matrosen zerstreuten sich über das Verdeck; die Offiziere aber nahmen den Priester in ihre Mitte und begannen mit ihm ein sehr erregtes Verhör über den außerordentlichen Appetit, welchen der Geist entwickelt hatte. Er beteuerte seine Unschuld; sie aber glaubten ihm nicht und zwangen ihn, seine Taschen zu zeigen. Wie erstaunten sie, als sie dieselben leer fanden! Sie hatten den Priester nicht aus den Augen gelassen; er konnte also den Kuchen und das Fleisch nicht anderweit versteckt haben, und so gaben sie endlich kopfschüttelnd zu, daß heut einmal ausnahmsweise ein wirklicher Geist dagewesen sei.

 

Der Methusalem hatte sie von weitem beobachtet. Er erriet aus ihren Bewegungen den Gegenstand und Inhalt ihres Gespräches. Jetzt kamen sie herbei, um sich zu erkundigen, welchen Eindruck das Kong-pit auf ihn und seine Gefährten gemacht habe. Sie waren überzeugt, den Fremden außerordentlich imponiert zu haben. Degenfeld hätte ihnen seine Meinung so gern aufrichtig gesagt, aber damit hätte er sich sofort in Mißkredit gebracht, denn die Sitte befiehlt dem Chinesen, in allen Fällen höflich zu sein, und erlaubt ihm keine Ausnahme von dieser Regel. Darum verheimlichte der Blaurote seinen Unglauben und beantwortete aber die an ihn gerichteten Fragen mit möglichster Gleichgültigkeit. Darüber verwunderten sie sich so, daß der Ho-tschang fragte:

»Hat euch denn die Anwesenheit des Geistes nicht in Verwirrung gebracht?«

»Nein. Wie könnte sie das?«

»Der Geist ist doch ein höheres Wesen als der Mensch.«

»Das sagt ihr; ihr werdet mir aber wohl erlauben, anderer Meinung zu sein.«

»Dürfen wir diese Meinung erfahren?«

»Ja. Welches ist das höchste irdische Wesen?«

»Der Mensch.«

»Woraus besteht er?«

»Aus dem Leibe und dem Geiste.«

»Ganz richtig. Wäre der Leib allein auch ein Mensch?«

»Nein.«

»Oder der Geist allein?«

»Auch nicht.«

»Wenn also weder der Leib allein noch der Geist allein würdig ist, ein Mensch genannt zu werden, so steht ihre Vereinigung, der Mensch, hoch über beiden. Wie könnte daher mich, der ich zu der Klasse der höchsten irdischen Geschöpfe zähle, die Anwesenheit eines Geistes, der unter mir steht, in Verwirrung bringen!«

Diese Logik, gegen welche er nichts zu sagen wußte, verblüffte den Ho-tschang. Dennoch fand er eine Entgegnung, welcher er auch Worte gab.

»Aber dieser Geist ist ein Wang gewesen!«

»Jetzt ist er es nicht mehr, und euer berühmtes Li-king, das Buch, nach welchem ihr euch in allen Lebenslagen zu richten habt, befiehlt euch, jedem die Ehre des Standes zu geben, welchem er augenblicklich angehört. Wie könnt ihr euch vor einem Geiste fürchten, der zwar Wang war, aber nicht mehr ist.«

»Vielleicht hat euer Volk recht, vielleicht das unsrige. Wir wollen uns nicht streiten. Aber da uns eine so glückliche Fahrt prophezeit worden ist, müssen wir uns darüber freuen, und diese Freude wollen wir durch ein Mahl feiern, zu welchem wir euch ehrerbietigst einladen.«

»Wir danken euch! Wir wissen, was uns die Höflichkeit gebietet, und bitten euch also, euer Mahl allein zu verspeisen. «

»Ihr versteht mich falsch. Wir meinen unsre Einladung in vollem Ernste.«

»Auch mir ist es völlig Ernst mit meiner Abweisung. Folgte ich eurer Bitte, so müßtet ihr uns für sehr unbewanderte und unhöfliche Menschen halten. Ihr seid so höflich, uns einzuladen, wie dürften wir da so unhöflich sein, euch dadurch zu belästigen, daß wir euern Wunsch erfüllen!«

Der Blaurote hatte nach chinesischen Begriffen vollständig recht. Man darf nur derjenigen Einladung folgen, welche in aller Form und unter Ueberreichung eines großen, farbigen, dazu hergerichteten Papierbogens geschieht.

»Wir meinen unseren Wunsch wirklich aufrichtig,« drängte der Ho-tschang. »Wir haben keine gedruckten Einladungen an Bord, und da ich englisch spreche, meine ich meine Einladung nicht chinesisch.«

»Darf ich das glauben?«

»Ja, ich bitte sehr darum.«

»So will ich es wagen, die Einladung anzunehmen. Wann wird das Essen beginnen?«

»In einer halben Stunde. Ich selbst werde euch abholen. Fleisch kann ich euch leider nicht vorsetzen, denn das hat der Geist verzehrt. «

»Ich habe es bisher nicht gewußt, daß Geister Fleisch essen. Vielleicht haben sie eine besondere Vorliebe für denjenigen Braten, welchen ihr ihm vorsetztet. Werdet ihr die Güte haben, mir zu sagen, von welchem Tiere dieses Fleisch gewesen ist?«

»Es war Dschi, das delikateste Essen, welches es nur geben kann. Darum hat der Geist uns leider nichts übrig gelassen.«

Indem der Methusalem zu seinen Gefährten zurückkehrte, welche während dieser Unterredung von fern gestanden hatten, lachte er über dieses Dschi still in sich hinein. Er führte sie nach dem Bug zu, da er ihnen eine Mitteilung zu machen hatte, und unbeobachtet sein wollte.

Dort angekommen, teilte er ihnen mit, daß sie zum Abendessen eingeladen seien, und fügte lächelnd hinzu:

»Aber Mijnheer van Aardappelenbosch wird da wohl nicht viel leisten können.«

»Waarom niet?« fragte der Dicke. »Ik ete en drink zeer gaarne.«

»Aber Sie haben am Nachmittage schon tüchtig gespeist und jetzt am Abende wieder.«

»Immers, doch heb ik evenwel alreeds wederom honger – allerdings, doch habe ich trotzdem schon wiederum Hunger.«

»Mijnheer, ist das möglich? Was für einen Magen müssen Sie haben!«

»Ja, mijn maag is goed, maar mijn buik niet. Hij is zoo zwak – ja, mein Magen ist gut, aber mein Bauch nicht. Er ist so schwach.«

Er legte mit der traurigsten Miene die Hände an den Bauch und fragte dann den Methusalem in dringlichem Tone:

»Wat zeggt het woordenboek van de buik?«

»Was das Wörterbuch von dem Bauche sagt? Das wollen wir nicht erörtern. Ich halte es für viel interessanter, Sie zu fragen, ob Sie wissen, was für Fleisch Sie gegessen haben.«

»Gebraden kalfvleesch.«

»Leider nicht. Es war nicht Kalb, sondern Dschi.«

»Dschi? Dat weet ik niet.«

»Sie wissen nicht, was Dschi ist?«

»Neen.«

»So raten Sie einmal!«

»Goed; is‘t een dier?«

»Ja, es ist ein Tier.«

»Kan‘t vliegen?«

»Nein, fliegen kann es nicht.«

»Kan‘t zwemmen?«

»Ja, schwimmen kann es.«

»Kan‘t ook loopen?«

»Laufen kann es auch.«

»Is het geschoten worden van de jager?«

»Nein, es ist nicht vom Jäger geschossen worden. Der Jäger schießt es nie, denn er nimmt es als beste Hilfe mit auf die Jagd.«

Das runde Gesicht des Mijnheer wurde zusehends länger.

»O mijn Holland en Nederland!« rief er erschrocken aus. »Is het een hond?«

»Ja, Hund ist es. Dschi heißt Hund. Sie haben Hundebraten gegessen. Wissen Sie nicht, daß man in China gewisse Hunderassen, welche schnell fett werden, mästet, um sie dann zu schlachten und zu verzehren?«

»Hondvleesch, Hondvleesch heb ik gegeten!« schrie der Dicke.

Er raffte sich von seinem Sitze auf und wollte davoneilen, besann sich aber doch eines anderen. Er drehte sich wieder um, schlug sehr energisch mit der einen Hand in die andere und rief:

»Neen, en driemal neen, en duizendmal neen! Wat in de maag is, dat moet ook in de maag blijven – nein, und dreimal nein und tausendmal nein! Was in dem Magen ist, das muß auch in dem Magen bleiben!«

»Selbst wenn es ein Hund ist!« lachte der Methusalem.

»Ja, de Hond moet blijven! Ik et nook een gebraden openop – ja, der Hund muß bleiben! Ich esse noch einen Braten obendrauf.«

Alle lachten. Er aber nahm wieder auf seiner Decke Platz, und in seinem fetten, zufriedenen Angesicht war nicht die mindeste Spur des Ekels zu bemerken, den er soeben empfunden hatte.

»So, den Hund haben wir begraben,« fuhr der Methusalem fort. »Nun fragt es sich, ob wir das andere ebenso leicht bewältigen. Haben Sie sich nicht über die Antwort gewundert, welche der Geist auf meine Frage gab?«

»Außerordentlich!« sagte Turnerstick. »Erst, als sie unter so emsigen Verbeugungen den Geist, den man doch nicht sehen konnte, geführt brachten und ihn so höflich einluden, sich niederzusetzen, mußte ich mir alle Mühe geben, das Lachen zu verbeißen. Später aber, als Sie mir die Antwort verdolmetschten, was übrigens nur darum nötig war, weil dieser Geist ein so miserables Chinesisch diktiert hatte, wußte ich wirklich nicht, woran ich war.«

»Aber jetzt, nun wissen Sie es?«

»Aufrichtig gestanden, nein.«

»Aberst ich weiß jenau, wat ich von die Sache zu denken habe,« fiel Gottfried ein. »Dieser Jeist leidet an Schwindel, wat jar nicht zu verwundern ist, da er ja aus die Wolken jekommen ist. Die Schreiberei auf den Sand ist sonner Mumpitz, dat ich dem Priester jewiß wat hinter die Ohren jewidmet hätte, wenn ich nicht als Fremder verpflichtet wäre, nur meine anjenehmen Eijenschaften zu zeijen. Es hat mir die jrößte Mühe jekostet, dem Betrüjer nicht mit die Hände im Jesichte herum zu lustwandeln.«

»Aber seine Antwort auf meine Frage!«

»Ja, die ist mich allerdings auch noch eine unentdeckte Himmelsjejend. Ich kann sie mich unmöglich erklären. Sie vielleicht?«

»Ja. Wir sind doch wohl alle darüber einig, daß von einem Geiste keine Rede ist. Der Priester gibt die schriftlichen Antworten nach eigenem Ermessen und nicht infolge der Einwirkung eines überirdischen Wesens. Er muß also wissen, welchen Zweck wir in China verfolgen. Er hat es erfahren; aber von wem?«

»Von mich kein Wort!«

»Van mij ook niet!« beteuerte der Mijnheer.

»Das glaube ich gern. Wer es ihm verraten hat, muß der chinesischen Sprache mächtig sein. Es ist nur die eine Erklärung möglich, daß wir belauscht worden sind und zwar hier auf dem Schiffe. Wann haben wir von unseren Absichten gesprochen? Als wir beim Eintritte der Dunkelheit vor unserer Kajüte saßen. Und wer von der Schiffsmannschaft war da bei uns? Der Malaie, welcher uns bedient. Er also muß es sein, der das Erlauschte dem Priester verraten hat.«

»Aberst wie sollte dat möglich sein? Wir haben ja deutsch jesprochen.«

»Allerdings. Aus diesem Grunde ist zu vermuten, daß er deutsch versteht.«

»Ein Malaie?«

»Kann ein Malaie nicht mit Deutschen in Berührung gekommen sein? Ist dieser Mann wirklich das, für was er sich ausgibt? Er trägt sein Gesicht zwar rasiert, hat aber dichten Bartwuchs, was bei einem echten Malaien nicht vorkommt. Seine Farbe ist nicht gelbbraun und sein Schädel nicht breit wie bei einem solchen. Von vorstehenden Backenknochen ist keine Rede. Dazu kommt, daß sein Englisch einen eigentümlich amerikanischen Beigeschmack hat. Er spricht gebrochen, bringt aber dabei zuweilen Wortverbindungen, welcher sich nur einer, dem die Sprache geläufig ist, bedienen kann. Auf das alles habe ich vorher kein Gewicht gelegt; nun ich aber Verdacht fasse, denke ich daran. Fast möchte ich ihn für einen Yankee halten, und in diesem Falle wäre es kein Wunder, daß er deutsch versteht, da sich in den Vereinigten Staaten Millionen unserer Landsleute befinden.«

»Ein Yankee unter chinesischen Matrosen?« meinte Turnerstick. »Könnte einer sich wirklich so vergessen?«

»Warum nicht. Kann er nicht aus irgend einer Ursache vom Schiffe gelaufen sein?«

»Hm! So etwas kommt freilich öfters vor. Und die Zopfleute nehmen einen befahrenen Matrosen jedenfalls sehr gern bei sich auf. Wenn Sie recht haben, so ist der Kerl ein Deserteur, dem nichts Gutes zuzutrauen ist.«