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Der beiden Quitzows letzte Fahrten

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»Worüber soll ich mich freuen? Etwa darüber, daß die elenden Räuber uns so schändlich geschlagen haben?« brummte dieser mißmuthig. »Wenn ich diese dumme Geschichte meinem Bruder erzählen werde, wird er nicht gerade viel Achtung vor meiner Tapferkeit hegen. Blitz und Donner, ich ärgere mich fürchterlich!«



»Laßt das Aergern jetzt bei Seite. Dort sitzt mein Bruder!«



»Wer? Euer Bruder? Wo?«



»Dort auf den Tauenden!«



»Dann werde ich sofort zu ihm gehen, vielleicht —!«



»Ha,« rief er, vor dem Wachtmeister angekommen, diesem zu: »Ihr seid der Wachtmeister Caspar Liebenow, der Bruder des Capitäns?«



»Ist es Euch etwa nicht recht?« klang es scharf zurück.



»Gewiß, gewiß. Ich wollte Euch nur fragen, ob Ihr meinen Bruder Balthasar kennt, der bei Herrn Claus von Quitzow auf Stavenow ist?«



»Mordelement,« fuhr der Wachtmeister, den vor ihm stehenden riesigen Mann neugierig betrachtend, erstaunt auf. »Ihr seid der Pruder meines alten Freundes Steckelpein und seines Rasumonoflitsch?«



»Wenn wir in Hamburg vor Anker liegen bleiben, dann werde ich ihn, nachdem ich durch Euch erfahren, daß er noch lebt, sicher besuchen! Wer ist denn der Resimanoflitsch? Den kenne ich nicht!«



»Freund Steckelpein hat einen Gaul, welcher epenso lang und dürr ist wie er selpst und diesen gotteslästerlichen Namen führt! Ich meine, Ihr könnt doch nicht so lange von Eurem Bruder getrennt sein, um die alte Mähre nicht kennen gelernt zu hapen, mit der er aufgewachsen ist?« —



»Alle Bombardenläufe, Bruder Balthasar scheint wirklich Euer Freund zu sein, daß Ihr ihn und sein Pferd in der Weise besprecht! Erzählt mir doch etwas Näheres über den Jungen!«



Während beide Männer sich hier unterhielten, unterwarf der Graf den Räuber, welcher zur Wiedererlangung des Goldes behülflich gewesen, einem strengen Verhör.



»Du gehörst also zu den Leuten des Rolf Vendaskiold?«



»Ja!«



»Wie kamst Du mit Deinen gefesselten Genossen nach Hamburg und wer hat Euch Kenntniß von der Ladung meines Schiffes gegeben?«



»Der Capitän hat stets eine Anzahl seiner Leute in Hamburg, denen die Aufgabe zugetheilt ist, die auf Neuwerk geborgenen Waaren von dort abzuholen und nach Hamburg zu bringen, wo die Güter an bestimmte Kaufleute abgeliefert werden. Bei besonders wichtigen Transporten werden wir benachrichtigt, wann dieselben von Neuwerk abzuholen sind. Vor einiger Zeit nun erhielt unser Bootsmann den Befehl, fortan auf jedes im Hafen ankommende Schiff zu achten und falls ein englisches sichtbar werden sollte, den Namen des Besitzers desselben zu erforschen. Dasjenige Fahrzeug, auf welchem der Herr Graf von Warwick angekommen, sollten wir noch vor der Löschung der Ladung aus dem Hafen heraus und bis Neuwerk bringen, dort die Ladung in der Höhle bergen und das Schiff dann nach Helgoland schaffen.«



»Hm! Hm! Und der Bootsmann hat auch sofort nach meiner Ankunft Kenntniß davon erhalten?«



»Ja, Herr!«



»Weshalb ist dann in der vorvergangenen Nacht nicht bereits der Versuch gemacht worden, das Schiff mit sammt der Ladung zu stehlen? Ich konnte ja gestern im Laufe des Tages die Löschung der Ladung vornehmen lassen?«



»In der ersten Nacht nach Ankunft der »Schwalbe« waren die Matrosen die ganze Nacht auf dem Schiffe beschäftigt, zum mindesten war es unmöglich, den allerdings beabsichtigten Angriff, ohne die Aufmerksamkeit der Wachtposten auf den zunächstgelegenen Schiffen und der Hafenwache zu erregen, auszuführen. Dann aber waren wir auch durch geheime Verbündete davon unterrichtet worden, daß die Löschung nicht eher vorgenommen werden wird, als bis eine Anzahl Herren aus den Marken in Hamburg eingetroffen sein werde.



»Ihr selbst, Herr Graf, habt am Abende des Tages, an dem die »Schwalbe« im Hafen vorfuhr, erklärt, daß die Löschung sich voraussichtlich noch einige Tage verzögern dürfte.«



»Das ist allerdings richtig; durch wen aber hat der Bootsmann das erfahren?«



»Dies ist mir nicht bekannt. Gestern Abend sollte der Angriff in jedem Falle ausgeführt werden und wir warteten nur noch die dafür festgesetzte Stunde ab, als ein Mann zum Bootsmann kam, der uns schon öfter gute Dienste geleistet hat. Derselbe war von Euch beauftragt, dem Capitän Eures Schiffes irgend eine – richtig, jetzt entsinne ich mich dessen, die Nachricht zu überbringen, daß Ihr die Nacht nicht auf das Schiff zurückkehren würdet!«



»Hallunke!« rief der Graf knirschend. »Sprich weiter!« herrschte er dem Räuber zu.



»Der Bote wurde an den Capitän abgeschickt und beauftragt, uns über die Verhältnisse auf der »Schwalbe«, ich meine darüber, ob die Matrosen alle auf derselben anwesend, ob und wie viele noch wach seien und so weiter, möglichst genauen Bericht zu erstatten!«



»Dieser Aufforderung kam der Schuft natürlich nach?«



»Ja. Wir erfuhren, daß eine Anzahl der Matrosen das Schiff verlassen, die übrigen aber, außer der Wache und dem Capitän, bereits schliefen.



»Es gelang uns, die Wache so zu täuschen, daß wir sie zu binden und zu knebeln vermochten, ehe sie auch nur einen Laut von sich gegeben hatte. Mit derselben Leichtigkeit konnten wir die anderen Matrosen binden, nur der Capitän allein war nur mit Aufbietung aller Gewalt zu überwältigen. Zufällig wurde er in der Kajüte überfallen, sodaß der einzige Schrei, den er auszustoßen vermochte, bei dem herrschenden Winde kaum weit zu hören gewesen sein kann.



»Wir waren eben im Begriff, abzufahren, als auch die noch fehlenden Mannschaften an Bord zurückkehrten. Die Neugierde, zu erfahren, weshalb die Schiffswache nicht auf ihrem Posten sei, veranlaßte sie, in die inneren Räume hinabzusteigen. Hier lagen wir auf der Lauer und wenige Minuten später befanden sich die schnell Ueberwältigten bei ihren Kameraden. Mit möglichster Vorsicht fuhren wir nun im Schutze der außerordentlich dunklen Nacht ab und waren schon zur Abfahrt von Neuwerk bereit, als Ihr ankamt. Das Weitere wißt Ihr ja selbst!«



Als der Mann seine Erzählung beendet, schritt der Graf noch einige Zeit sinnend auf und ab.



»Deine Erzählung scheint auf Wahrheit zu beruhen,« bemerkte er endlich, »und ich werde Dir behülflich sein, von hier so zeitig fortzukommen, daß Du nicht etwa das Loos der Elenden zu theilen hast, die im Kielraum liegen. Für jetzt verlange ich noch die offene Beantwortung der Frage, ob es Dir bekannt ist, durch wen Rolf Vendaskiold Kenntniß von meiner Reise und von der Ladung der »Schwalbe« erhalten hat!«



»Darüber vermag ich keine genaue Auskunft zu geben. Es wurde aber auf dem »Wiking« angenommen, daß ein Pfaffe seine Hand im Spiele gehabt haben müsse.«



»Ein Geistlicher?«



»Ja, ein Geistlicher, der vor nicht langer Zeit aus den Marken zum Capitän gekommen ist.«



»Näheres über diesen Geistlichen hast Du nicht erfahren?«



»Hinrich, der Mann, welcher aus dem Häuschen auf Neuwerk abgeholt wurde, sagte, daß derselbe sich Pater Eusebius genannt habe!«



Junker Dietz von Quitzow hatte den letzten Theil der Unterredung gehört und trat, als er den Namen des Paters hörte, näher heran.



»Erlaubt, Herr Graf, eine Frage an den Mann!«



»Du nanntest den Pater Eusebius?« wandte er sich an den Räuber.



»Hast Du ihn selbst gesehen?«



»Einen Augenblick vermochte ich ihn zu sehen, als er auf den Wiking gebracht wurde!«



»Beschreibe mir die Gestalt des Geistlichen.«



Der Mann kam dieser Aufforderung nach, soweit er dies noch im Stande war, und der Junker vermochte eine peinliche Ueberraschung nur schwer zu verbergen.



»Kennt Ihr diesen Geistlichen?« fragte Herr von Bismarck, dem dies nicht entgangen war.



»Einen Augenblick,« erwiderte der Junker, welcher sich inzwischen wieder gesammelt hatte, »glaubte ich in dem frommen Herrn Jemanden wiederzufinden, von dem ich früher einmal gehört habe, doch sehe ich bei reiflicher Ueberlegung ein, daß dies ein Irrthum sein muß!«



Durch die Ankunft der »Schwalbe« im Hafen wurde die Unterhaltung unterbrochen, und Herr von Bismarck, welcher den Junker scharf beobachtet hatte, schien absichtlich vorläufig jede weitere Frage zu unterlassen.



Während die Ritterjetzt ungesäumt an die Ausführung der erforderlichen Vorbereitungen zur Abreise gingen, übergab der Graf die gefesselten Räuber und Hinrich, welcher nicht nur jede nähere Auskunft über den mehrerwähnten Pater verweigerte, sondern überhaupt nicht sprechen wollte, der Hafenbehörde und entließ dann, mit einer Geldspende versehen, den zur Wiedererlangung der Ladung behülflich gewesenen Mann.



Am Nachmittage desselben Tages noch reisten die Herren Hans von Uchtenhagen und Heinrich von Strantz mit dem nach dem Vorschlage des Ersteren gebildeten Transporte ab.



Als gegen Abend die Goldtönnchen aus dem Schiffe und auf die bereitstehenden Wagen verladen waren, schritt ein großer, starker Mann an den in der Nähe der Letzteren weilenden Herren vorüber, welcher den Grafen nicht nur auffallend scharf betrachtete, sondern selbst auch die Aufmerksamkeit namentlich des Herrn von Bismarck und des Grafen erregte.



Wer ist dieser Mann?« diese Frage schwebte auf Aller Lippen, aber weder einer der Anwesenden noch auch einer der zunächststehenden Hafenbeamten vermochte genügende Aufklärung zu geben.



»Ich habe den Mann mehrmals bereits hier gesehen,« meinte der Eine, »doch nie erfahren können, wie er heißt und was er ist. Daß er ein Seemann ist, werden die Herren selbst bereits bemerkt haben, das ist aber auch Alles, was ich über ihn weiß!«



Weder der Graf noch auch Herr von Bismarck beruhigten sich mit dieser Auskunft. Mehrmals noch blickten sie dem langsam dahinschreitenden Manne nach und erst die Bemerkung Suteminn’s, ihm genüge zu wissen, daß der Unbekannte nicht zu den guten Freunden gehöre, die auf dem Landwege nach den Geldtönnchen verlangten, störte sie in ihrem Grübeln.



»Ihr habt Recht!« erwiderte der Graf, »und es wäre ein nutzloses Beginnen, die Zeit noch länger mit Grübeln und Rathen einer Person wegen zu verbringen, die uns gleichgültig sein kann!«

 



»Werdet Ihr, Herr Graf, von hier den directen Weg nach Kostritz einschlagen?« fragte Herr von Bismarck, dessen Gedanken seither noch immer bei dem Unbekannten geweilt zu haben schienen.



»Ich habe in Folge der vor wenig Stunden glücklich beendigten Angelegenheit hier noch Verschiedenes zu erledigen, worunter die Sicherung der »Schwalbe«, die hier noch eine Zeit lang vor Anker liegen wird, obenan steht. Dann aber beabsichtige ich, die Reise nach Potsdam anzutreten, von wo aus ich erst geraden Weges nach Kostnitz reisen werde. Ich wünsche Euch, meine Herren, glückliche Durchführung der übernommenen Aufgabe und hoffe, Euch auf meiner Reise durch die Marken wiederzusehen!«



Nach einer kurzen freundlichen Verabschiedung von den Herren ging der Graf auf die »Schwalbe« zurück und der Zug setzte sich unter Führung der Ritter vom Hafen aus in Bewegung.



Als der Wachtmeister, welcher von seinem Bruder das Versprechen erhalten, daß dieser ihn in nächster Zeit schon mit Bewilligung des Grafen für einige Tage besuchen werde, sich bei einer Biegung des Weges zum letzten Male nach dem Hafen zurückwandte, um noch einen Blick auf die Schiffe zu richten, rief er in komischem Zorne:



»Gott straf mich, wenn ich fluche, der Deiwel soll mich aper holen, wenn ich noch einmal einen Fuß auf einen so wackeligen Kasten setze, wie die Schiffe da sind. Ich pegreife Peter nicht, daß er sich da wohl fühlen kann, wo ein anderer ehrlicher Christenmensch keinen Schritt zu gehen vermag, ohne nicht fürchten zu müssen, auf die Nase zu fallen. Meine Nase muß üprigens gut aussehen, der Deiwelskerl hat ja eine Faust, die so hart ist, wie ein Stein!«



Etwa vierzehn Tage waren seit der Abreise der Herren aus Hamburg vergangen. Der Geldtransport war ungefährdet in Potsdam angekommen und Suteminn saß in seinem, den Lesern bereits bekannten Gemache im Zauberhause in Tangermünde im eifrigen Gespräch mit Herrn Henning von Bismarck.



Sie hatten aber noch einmal über den Zusammenstoß des Herrn Hans von Uchtenhagen mit den Wegelagerern gesprochen, unter denen er Herrn Claus von Quitzow sicher und, wenngleich weniger bestimmt, den Junker Boldewin erkannt haben wollte, und lachend der Ueberraschung erwähnt, welche ihnen die Oeffnung der statt mit Gold mit Sand gefüllten Fäßchen bereitet haben werde.



Beide sprachen dann über die dringende Nothwendigkeit, dem Unwesen des Raubritterthums ein Ende zu machen und für Sicherung des Lebens und Eigenthums auf den öffentlichen Straßen zu sorgen.



»Hier geordnete Zustände herbeizuführen,« meinte Suteminn, »vermag nur der Markgraf. Dieser aber wird im Augenblick derart beschäftigt, daß ein energischer Zug gegen die Boldewin’s, Quitzow’s, Steinfurth’s und wie die Raubritter alle heißen, in nächster Zeit kaum zu erwarten sein dürfte!«



»Da erinnere ich mich aber,« rief Herr von Bismarck hastig, »daß ich dieser Tage die Nachricht erhalten habe, Herr Claus von Quitzow sei auf Garlosen plötzlich gestorben!«



»Demnach wäre einer der berüchtigtsten Wegelagerer weniger,« warf Suteminn gleichmüthig ein.



»Hört nur weiter. Ihr habt die beiden Söhne Dietrichs von Quitzow, die Junker Dietz und Cuno, kennen gelernt. Beide verdienen nach dem, was ich durch Hans von Uchtenhagen von ihnen erfahren und soweit ich selbst Gelegenheit gehabt, sie zu beobachten, alle Achtung; sie sind ihrer Gesinnung nach ihrem berüchtigten Vater sehr wenig ähnlich, und Junker Dietz war es ja auch, durch den ich erfahren, daß der Pater, welcher dem Rolf Vendaskiold die Ankunft einer Goldsendung aus England verrathen, ohne Zweifel der Caplan von Garlosen sei.



»Diese beiden Junker also werden nach dem Ableben ihres würdigen Vetters die Erben von Stavenow und wir können uns nur freuen, zwei solch’ ehrenwerthe Herren mehr für das Interesse der Ordnung gewonnen zu haben; der Vortheil, welchen sie durch Bethätigung ihrer Ueberzeugung zu bieten vermögen, ist um so höher anzuschlagen, als Stavenow in der Nähe Garlosen’s liegt, und die Inhaber dieses alten Raubnestes durch die Besitzer von Stavenow gar wohl von der Begehung manches ehrlosen Streiches abgehalten werden können!«



»Ihr seid ein warmer Vertheidiger der beiden Junker,« erwiderte Suteminn lächelnd, »und ich muß mich, so schwer es mir auch fällt, wohl auch zu Eurer Ansicht über die Söhne des berüchtigten Dietrich bekehren, um so mehr, als ich in meinem eigenen Hause Jemanden habe, der mit Euch die gleiche Gesinnung hegt.«



»Junker Detlev?« fragte Herr von Bismarck erstaunt.



»Derselbe. Er hat die Junker bei Herrn Hans von Uchtenhagen kennen gelernt und singt dasselbe Loblied. Da er in den nächsten Tagen Herrn von Uchtenhagen in meinem Auftrage aufsuchen und die beiden Junker dort wohl noch antreffen wird, so werde ich voraussichtlich bald Näheres über den Todesfall Claus von Quitzow’s erfahren. Ich habe übrigens jetzt bereits angefangen, Vorbereitungen für die Reise zu treffen und für alle Fälle Detlev zu instruiren über sein Verhalten bei etwaigen Vorkommnissen, die während meiner, längere Zeit dauernden, Abwesenheit leicht sich ereignen dürften.«



»Ihr hegt Besorgnisse? Was in aller Welt giebt Euch wohl Anlaß zu der Annahme, irgend Jemand könne während der Dauer der Reise eine feindselige Gesinnung gegen Euch bethätigen?«



»Nicht das befürchte ich. In diesem Falle würde Detlev sich auch ohne meinen besonderen Rath zu helfen wissen. Denkt aber an die zahlreichen Feinde des Markgrafen, denen sich die pommerschen Fürsten nachgerade immer offener zugesellen. Ihr werdet mir zugeben, daß diese nur auf die günstige Gelegenheit warten, ihrer wahren Gesinnung gegen Herrn Friedrich Ausdruck zu geben. Sobald diese Herren nun erfahren werden, was in Kostritz erstrebt wird, sobald ihnen bekannt geworden – und dies wird ja schwerlich lange mehr Geheimniß bleiben – welche Aussichten der Markgraf hat, das erstrebte, hohe Ziel auch wirklich zu erreichen, dann will es mir unzweifelhaft erscheinen, daß die Feinde alle ihnen zu Gebote stehende Macht aufbieten werden, um noch vor der Verwirklichung dieser gegründeten Erwartungen des Markgrafen einen Hauptschlag gegen ihn auszuführen. Sie werden nicht zögern, einen Entscheidungskampf zu beginnen, der die Frage zum Austrag bringen muß, wer fortan die alleinige Herrschaft besitzen soll. Es wird ein Kampf auf Tod und Leben, ein Kampf um die Existenz entbrennen und der Markgraf aller treu zu ihm haltenden Kräfte bedürfen, um der nicht zu unterschätzenden Gewalt der Gegner in erwünschter Weise gegenübertreten zu können.«



Herr von Bismarck hatte den Worten Suteminn’s mit wachsendem Erstaunen zugehört.



»Und dieser Entscheidungskampf wird Eurer Ansicht nach entbrennen, noch ehe wir wieder in der Heimath angelangt sind?«



»Ich glaube das fest, und darauf hin zielte meine Andeutung, Detlev habe Anweisung für sein Verhalten bei etwaigen Vorkommnissen erhalten!«



Beide Ritter schwiegen einige Zeit. Suteminn hob eine zu Boden gefallene Pergamentrolle auf und entfaltete sie scheinbar absichtslos. Henning von Bismarck blickte gedankenvoll vor sich hin.



Er hegte nicht den mindesten Zweifel an der Richtigkeit der Schlüsse seines verständnißreichen Freundes, und in seinen Zügen prägte sich im Augenblick nicht undeutlich der Aerger darüber aus, daß er möglicherweise erst auf dem Kampfplatze ankommen werde, wenn die Entscheidung nicht mehr bezweifelt werden könne.



Auf diese Erwägung bezog sich sicher der Ausruf, welchen er, aus seinem Sinnen sich plötzlich gewaltsam emporraffend, hervorstieß:



»Mag geschehen, was nicht zu ändern ist. Wir werden uns keinen Augenblick länger, als nöthig, auf der Reise verweilen und wollen das Beste hoffen. In einem Punkte kann ich Eurer Ansicht doch aber nicht völlig beistimmen!«



»Laßt mich hören, was Ihr bezweifelt. Vielleicht vermag ich meine Worte zu beweisen!«



»Ihr sprecht von einer Vereinigung der dem Markgrafen feindlich gesinnten pommerschen Fürsten mit dem aufsässigen Theil der Ritterschaft in den Marken. Erachtet Ihr die Gegner des Markgrafen innerhalb der Marken, die, nebenbei bemerkt, sämmtlich der Wegelagerei huldigen, wirklich für fähig, eine Anzahl Mannen in’s Feld zu führen, die den pommer’schen Fürsten den Vortheil zu bieten vermöchte, den diese von ihren Verbündeten erwarten? Ich bezweifle dies. Zwei wirklich namhafte Gegner sind zum mindesten unschädlich gemacht: Claus von Quitzow und Caspar Gans von Putlitz, der dem Bischof von Brandenburg demnächst wohl noch seine besondere Freundschaft bezeugen wird.



»Die übrigen Freunde Dietrich von Quitzow’s aber werden es sich überlegen, ob es gerathen sei, sich zu tief in eine Angelegenheit zu verwickeln, die für sie die bedenklichsten Folgen nach sich ziehen muß. Wichtiger erscheint mir hier die Frage, wie die mächtigen Herren von Wedel und deren Anhang sich hierbei verhalten werden, und es dürfte meines Dafürhaltens wohl von Vortheil sein, sich darüber Gewißheit zu verschaffen, welche Gesinnung diese Herren hegen. Haben wir die Wedels, die Kremzow’s, die Bork’s für uns, dann sollte es, meine ich, den Fürsten doch schwer werden, zum Angriff gegen den Markgrafen vorzuschreiten. Selbst das verwegene Corps der Seeräuber vom »Wiking« mitsammt ihrem Rolf Vendaskiold würde ihnen kaum zum Siege verhelfen können!«



»Ihr hegt großes Vertrauen in die Kraft der Herren von Wedel,« bemerkte Suteminn mit einem flüchtigen Lächeln, »möge es nur nicht getäuscht werden. Soeben erwähntet ihr eines Mannes, der in den jüngsten Tagen, ja überhaupt seit unserer Rückkehr von Hamburg mich in Gedanken viel beschäftigt hat. Rolf Vendaskiold ist keinesfalls der wahre Name des Befehlshabers auf dem »Wiking«. Ebensowenig glaube ich aber auch, daß er ein Schwede, oder ein Däne, oder sonst irgend ein Nordländer ist. Ich halte ihn vielmehr für einen Deutschen!«



»Das ist auch meine Meinung, obwohl ich, offen gestanden, nichts anzugeben vermag, was die Richtigkeit meiner Annahme zu begründen vermöchte.»



Während Herr von Bismarck diese Worte sprach, hatte er einen Blick auf die Pergamentrolle gerichtet und in dieser dieselbe wieder erkannt, welche gelegentlich seines ersten Besuches im Zauberhause seine Aufmerksamkeit erregte.



»Glaubt Ihr vielleicht,« fragte er im Tone eines harmlosen Scherzes, »durch das alte Pergament da Aufschluß über die geheimnißvollen Seeräuber zu erhalten? Ihr seht ja so aufmerksam in die Rolle, als wenn Ihr dort wahrhaftig etwas Interessantes gefunden hättet!«



»Vielleicht ist dies in der That der Fall,« erwiderte Suteminn, die Rolle langsam zusammenlegend. »Sollte ich mich in dieser Sache nicht getäuscht haben, dann werdet Ihr später einmal erfahren, wer Vendaskiold eigentlich ist!«



»Wie? Ihr habt Gelegenheit, darüber Gewißheit zu erhalten, wer der Befehlshaber auf dem »Wiking« ist? Dann bitte ich Euch, mir, sobald als dies eben möglich, Mittheilung von dem zu machen, was Ihr erfahren habt!«



»Weshalb interessirt Ihr Euch denn so sehr für diesen Mann?«



»Weil ich mich des Gedankens nicht zu entschlagen vermag, Vendaskiold sei ein Mitglied einer hochachtbaren Mecklenburger Adels-Familie, mit welcher mein Vater engbefreundet gewesen und die durch unwürdige Schliche und Ränke Anderer um ihr Hab und Gut gebracht worden ist. Die beiden Söhne der unglücklichen Familie sollen später einer Liebschaft wegen erzürnt von einander weggegangen, und Gott weiß, ob und wo sie eine bleibende Stätte gefunden haben.«



Suteminn hatte den Sprecher einen Augenblick scharf, forschend betrachtet, sich dann aber rasch abgewandt und fragte mit dumpfer Stimme:



»Wollt Ihr mir den Namen dieser Familie nennen?«



»Moltke!«



Längere Zeit verging, ohne daß einer der Ritter wieder das Wort nahm. Herr von Bismarck ließ den Blick gedankenvoll auf der Pergamentrolle ruhen; er schien ohne Zweifel begierig zu sein, den Inhalt derselben in soweit zu erfahren, als er die genannte unglückliche Familie betraf. Suteminn blieb jedoch, ohne sich nach seinem Gast umzuwenden, am Fenster stehen und schwieg.



Seine stets ernsten Züge hatten sich merklich verfinstert und seine Stimmung war sichtlich erregt, die zusammengepreßten Lippen, das kurze Athmen und die unwillkürlich sich ballende Faust waren ja untrügliche Kennzeichen davon, daß die Erinnerung an irgend einen Vorfall sein Blut in Wallung gebracht. Was aber konnte diese Erinnerung anders betreffen, als die zuletzt besprochene Angelegenheit?



Herr von Bismarck sah endlich, als Suteminn noch immer schwieg, erstaunt auf und nahm nun die Aufregung wahr, in welcher der Letztere sich befand. Da Suteminn zuvor ohne jede Spur von Erregung gesprochen, durchfuhr Herrn von Bismarck wie ein Blitz der Gedanke, daß nur allein die Erwähnung der Mecklenburgischen Familie Moltke die Ursache dieses plötzlichen Stimmungswechsels bilden könne, und er war schon im Begriff, dieser Annahme Ausdruck zu geben, als er sich noch im letzten Moment daran erinnerte, daß der Ritter auf der Reise von Hamburg nach Hause gelegentlich der Berührung der Grenze des Gebietes der Mecklenburger Fürsten und Herren sich auf eine absichtslose Frage geäußert hatte, er trage kein Verlangen, mit Mecklenburger Herren jemals anders als in feindlicher Weise zusammenzutreffen. Ohne Zweifel trug irgend eine unliebsame Begegnung mit einem dieser Herren, oder die Erinnerung an einen unerfreulichen Vorfall die Schuld an dieser, nicht gerade sonderlich freundschaftliche Gefühle für die Mecklenburger verrathenden Gesinnung.

 



Er unterdrückte deshalb den Wunsch nach Befriedigung seiner Wißbegierde und schwieg.



Suteminn mochte indeß ahnen, welche Gedanken seinen Gast bewegten, denn er wandte sich hastig zu ihm um und bemerkte, gleich als sei nicht bereits einige Zeit verstrichen, seit Herr von Bismarck den Namen Moltke genannt:



»Man hat demnach niemals Kunde von einem der beiden heimathlos gewordenen Junker erhalten?«



»Niemals!«



Wieder gerieth das Gespräch in’s Stocken und Herr von Bismarck, welcher nachgerade wahrnehmen mußte, daß Suteminn mehr von der Familie wisse, als er merken lassen wolle, suchte das Gespräch auf einen andern Gegenstand zu leiten.



Leider gelang ihm dies nur sehr ungenügend, denn Suteminn blieb wortkarg und bald darauf verließ er das Haus, um in der Richtung nach Stendal weiterzureiten.



Suteminn blieb in der düstersten Stimmung in seinem Gemach zurück.



»Man hat niemals Kunde von den Moltke’s erhalten!« murmelte er, hocherregt auf— und abschreitend. »Nun, mit meinem Willen soll dies auch noch nicht geschehen. Die beiden Junker sind verschollen und nur Wenige, Wenige erinnern sich noch Olaf Moltke’s und seiner beiden Söhne.



Leben denn diese aber wirklich noch Beide? —



Weshalb kommt mir nur immer wieder der Gedanke, Rolf Vendaskiold sei der Gesuchte? Wie kommt Herr von Bismarck zu dieser selben Annahme? Wer giebt mir hierüber Gewißheit?«



Sinnend schritt er eine Zeit lang hin und her, dann blieb er plötzlich stehen und legte die Hand über die Augen.



»Der Himmel oder auch der Zufall scheint ein eigenthümliches Spiel mit mir zu treiben.



»Als wenn die Frage nach meinem Bruder mich nicht schon mächtig genug beschäftigte, muß nun auch in Gestalt der Unglücklichen ein lebendes Räthsel mir in’s Haus und täglich vor Augen kommen.



»Wer ist diese Frau?



»Wie ist es nur möglich, daß sie Erinnerungen in mir zu erwecken vermag, die ich längst begraben wähnte? Wie in aller Welt kann diese, wie ich ja gern zugebe, in ihrer Jugend bildschön gewesene Frau mich an ein Mädchen erinnern, das ich vergessen wollte, vergessen mußte um meiner selbst willen.



»Ist meine Phantasie denn derart krankhaft erregt, daß sie den schönsten Sonnenschein sehen will da, wo Schatten und Dunkelheit vorhanden ist?



»Was endlich bedeuten die Vergleiche der Frau mit Marie? Beide haben, wie die Alte am Tage der Ankunft der Fremden bereits richtig wahrgenommen, so viel gleiche Züge, sind einander so ähnlich, daß ich oft bereits auf der Vermuthung mich ertappt habe, sie könnten wohl gar verwandt sein. Und wäre dies denn unmöglich? Die Mutter der Kinder wird durch den Schurken damals im Walde von diesen getrennt und entführt worden sein. Die lange, harte Kerkerhaft, und die Quälereien, welchen sie ohne Zweifel durch den wollüstigen Dietrich ausgesetzt gewesen, die furchtbare Erregung, in die sie hierdurch sowohl als durch die Trennung von den Ihrigen versetzt worden, mußten schließlich zu der geistigen Umnachtung der Unglücklichen führen, so daß es nun nicht möglich ist, die geringste Auskunft durch sie selbst zu erhalten.



»Die Mutter Marien’s! wahrhaftig, je länger ich diesen Gedanken erwäge, desto glaubhafter erscheint er mir. Wird er doch, abgesehen von allem Anderen, dadurch schon lebhaft unterstützt, daß das Mädchen vom ersten Augenblick an eine Zuneigung zu der Frau zeigt, die sich nicht lediglich mehr als Bethätigung des Mitleids mit einer Leidenden bezeichnen läßt.



»Und ist nicht auch Detlev in gleicher Weise um die Frau besorgt? Leider findet sich in der Erinnerung Mariens und Detlev’s gar kein Anhaltspunkt, von dem aus ich noch einen Heilungsversuch mit der Aermsten vornehmen könnte. —«



»Hm!« fiel er, nachdem er wieder eine Weile geschwiegen, noch einmal aber unwil